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In den letzten Jahren entstanden neue Portale, Communities und Online-Tools, welche die Kommunikation in allen Phasen der wissenschaftlichen Arbeit erleichtern. Was sind Nutzen und Risiken dieser wissenschaftlichen Netzwerke? Neben sozialen Netzwerkseiten (social network sites, SNS) wie Facebook...

Prof.Dr.

Die Geschichte der Metallhydride beginnt vor 150 Jahren: Thomas Graham berichtet über die Fähigkeit von Palladium, große Mengen Wasserstoffgas aufzunehmen.
Thomas Graham (1805 – 1869, Abbildung 1) war ein schottischer Chemiker, der Diffusion und Effusion von Gasen und Kolloiden untersuchte. Im Jahr 1866 entdeckte er, dass Palladium große Mengen Wasserstoffgas aufnimmt.1) Das dabei „okkludierte“, also absorbierte Gasvolumen beträgt bis zum 935-Fachen des Metallvolumens.2) Dadurch verliert das Palladium etwa ein Viertel seiner elektrischen Leitfähigkeit und erheblich an Zugfestigkeit. Aus diesen Beobachtungen schloss Graham, dass Palladium porös ist und Wasserstoff als Flüssigkeit in das Metall eintritt. Das Produkt betrachtete er als Legierung von Wasserstoff und Palladium und ordnete damit gasförmigen Wasserstoff als Dampf eines sehr flüchtigen Metalls ein – 100 Jahre nach der Entdeckung von Wasserstoff fehlte noch das Ordnung bringende Periodensystem der Elemente, das gerade im Entstehen begriffen war: Erst im Jahr 1869 lag es in seiner jetzigen Form vor.<figure><img src="https://media.graphcms.com/1XBFEikuQvGiKa4UxJrS"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Thomas Graham (1805 – 1869), schottischer Chemiker, untersuchte Diffusion und Effusion von Gasen und Kolloiden. Als letzter Master of the Mint (1855 – 1869) war er für Großbritanniens Münzprägung zuständig. <named-content>Quelle: Wikimedia Commons</named-content></figcaption></figure>
<h2>Zusammensetzung von Palladiumhydrid</h2>Grahams Entdeckungen zur „Wasserstoffokklusion“ in Palladium warfen einige Fragen auf, die Wissenschaftler in den Folgejahren kontrovers diskutierten. Zunächst ging es um die Zusammensetzung, die nach der von Graham beobachteten absorbierten Gasmenge der Formel PdH0,74 entsprechen musste. Es entbrannte ein Streit darum, ob Palladiumhydrid stöchiometrisch zusammengesetzt sei wie das von van’t Hoff vorgeschlagene Pd2H3) oder ob der Wasserstoffgehalt variabel sei.4)Das Phasendiagramm für das System Palladium-Wasserstoff über die Druck-Zusammensetzungs-Isotherme nach der gerade entwickelten Gibbsschen Phasenregel ergab zwei Bereiche mit variabler Zusammensetzung (α- und β-Phase, Abbildung 2, S. 1186). Diese sind durch ein Zweiphasengebiet voneinander getrennt, das bei zunehmender Temperatur schmaler wird und bei 563 K verschwindet. Der elektrische Widerstand steigt nahezu linear mit zunehmendem Wasserstoffgehalt,5) und für den Wasserstoff gelten auch im Palladium die Gasgesetze.4) Diese Tatsachen galten als Beweis für die Natur des Palladiumhydrids als feste Lösung, der Status einer chemischen Verbindung wurde ihm abgesprochen. Palladiumhydrid avancierte so zu einer der ersten gut untersuchten festen Lösungen mit einem Nichtmetall.<figure><img src="https://media.graphcms.com/N5stGdijRea2IHGM00oN"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Phasendiagramm des Systems Palladium-Wasserstoff: Zwei Bereiche mit variabler Zusammensetzung (α- und β-Phase) sind durch ein Zweiphasengebiet voneinander getrennt, das bei 563 K verschwindet. Der elektrische Widerstand steigt nahezu linear mit zunehmendem Wasserstoffgehalt. Außerdem: Kristallstrukturen von Palladium (links) und Palladiumhydrid (rechts). Pd-Atome: große dunkle Kugeln, H-Atome: kleine helle Kugeln. Wasserstofflage statistisch teilbesetzt mit Besetzungsparameter 0 &lt; x ≤ 1.</figcaption></figure>
Eine Ausgabe von Gmelins Handbuch der Anorganischen Chemie aus dem Jahr 1942 bezeichnet Palladiumhydrid noch als „zeolithische Substanz“,6) womit man solche Verbindungen charakterisierte, die flüchtige Bestandteile verlieren, ohne dass dabei ihre Struktur zusammenbricht. Heute würde man von Einlagerung und – zumindest in vielen Fällen – von topotaktischen Reaktionen sprechen.<h2>Wasserstoff: atomar oder molekular?</h2>Welchen Zustand hat der Wasserstoff im Palladiumhydrid? Aus den chemischen Eigenschaften des freigesetzten, nascierenden Wasserstoffs sowie der Tatsache, dass Wasserstoff nur bei hohen Temperaturen in Palladium diffundiert, schlossen Chemiker auf die atomare Natur des Wasserstoffs.6)Druck-Konzentrations-Isothermen deuteten wiederum auf H2-Moleküle bei hohen Konzentrationen und Drücken. Dass Wasserstoff weder atomar noch molekular, sondern als „lockere chemische Verbindung“ vorliegt, folgerten andere aus magnetischen Untersuchungen.6) Uneinigkeit herrschte auch bei Überführungsexperimenten, die zum Teil als Beweis für H+ galten. Solche Arbeiten, insbesondere aus den Jahren 1890 bis 1930 und oft von berühmten Autoren wie Herzfeld, Franck, Ubbelohde, Sieverts, Tamman, van’t Hoff oder Ramsay, ergeben ein widersprüchliches Bild.<h2>Entscheidend: Kristallstrukturanalyse</h2>Eine entscheidende Untersuchungsmethode fehlte, um die konkurrierenden Modelle zu bewerten: die Kristallstrukturanalyse. Erst ab dem Jahr 1915, nach der Entdeckung der Röntgenbeugung, ließen sich Kristallstrukturen an Einkristallen und Pulvern erforschen. Wie Röntgenbeugungsdaten zeigten, bleibt die kurz zuvor gefundene kubisch-dichteste Kristallstruktur von Palladium bei der Einlagerung von Wasserstoff erhalten und dehnt sich lediglich etwas aus.7,8) Da das Streuvermögen von Wasserstoffatomen im Vergleich zu Palladium gering ist, ließen sich die Wasserstoffpositionen auf diesem Wege nicht bestimmen. Dies führte zu etlichen Vorschlägen, wie sich die Wasserstoffatome räumlich verteilen.Linde ging von einer Bindung von Wasserstoff- zu Palladiumatomen aus und schlug eine feste Lösung von PdH in Palladium vor.5) Die Deutung von PdH als Pseudosilber nach dem Grimmschen Hydridverschiebungssatz, die silberähnlichen Gitterparameter des H-reichen Palladiumhydrids und die Kenntnis geordneter intermetallischer Verbindungen wie AuCu3 wurden als Belege gewertet. PdH0,75 – Grahams Messgenauigkeit lieferte PdH0,74, die kristallographische Symmetrie erzwingt für dieses Modell aber 0,75 H – wurde als Substitutionsmischkristall (PdH)3Pd beschrieben. Mit PdH sind hier wohl Moleküle gemeint, auch wenn dies nicht explizit formuliert wurde.Es gab aber bereits Vorschläge, welche die tatsächliche Struktur vorwegnahmen. Nach den ersten röntgenographischen Untersuchungen wurde Palladiumhydrid bereits als „Einzwängungsmischkrystall“ bezeichnet,6) was man heute Einlagerungsmischkristall nennen würde. Eine atomare Einlagerung nahm auch Michel an: eine α-Phase Pd4H mit Wasserstoffatomen in der Elementarzellmitte und eine β-Phase PdH mit zusätzlichen Wasserstoffatomen auf den Elementarzellkanten.9) Symmetriebedingt sind jedoch beide beschriebenen Positionen kristallographisch äquivalent, und die fixen Zusammensetzungen sind ebenfalls nicht haltbar. Dennoch ist in diesen Modellen bereits die Natur der kristallinen Phasen mit Palladium- und Wasserstoffatomen statt Molekülen prinzipiell richtig erfasst.<h2>Neutronen liefern Informationen</h2>Nach der Entdeckung der Kernspaltung und der Entwicklung von Forschungsreaktoren als Neutronenquelle etablierte sich elastische Neutronenbeugung als Strukturanalysemethode für Verbindungen mit Leichtatomen, insbesondere Wasserstoff. Damit ließen sich schließlich die Wasserstoffatome in Palladiumhydrid lokalisieren.Die Wasserstoffatome besetzen die Oktaederplätze mit statistischer Verteilung, sodass eine defektreiche Struktur vom NaCl-Typ entsteht (Abbildung 2).10) Dabei hängt der Besetzungsgrad von Wasserstoffdruck und Temperatur ab. Dies gilt sowohl für die α- als auch für die β-Phase. Palladium ist somit eines der seltenen Beispiele, bei denen sich die Kristallstruktur eines Metalls bei Wasserstoffaufnahme zwar aufweitet, ansonsten aber erhalten bleibt.Im Jahr 1957 war also endlich ein Strukturmodell für festes Palladiumhydrid vorhanden, das dessen Natur einer festen Lösung untermauerte und die bereits bekannten physikalischen Daten weitgehend erklärte. Doch selbst nach dieser eindeutigen Kristallstrukturbestimmung wurden weitere molekulare Modelle diskutiert, etwa ein zuvor postuliertes Pd7·PdH4, bei dem jedes achte Palladiumatom durch ein tetraedrisches PdH4-Molekül ersetzt ist.11) Möglicherweise resultierte dies daraus, dass nichtmolekulare Kristallstrukturen zu dieser Zeit immer noch einige wenige befremdeten – zu Beginn der Strukturanalyse wurde auch einfachen Strukturen wie der von Natriumchlorid Skepsis entgegengebracht.<h2>Vom Außenseiter zum Standarduntersuchungsobjekt</h2>Nachdem seine Kristallstruktur geklärt war, diente Palladiumhydrid in der Festkörperphysik als Standardmodell für etliche Phänomene, etwa Gittergasverhalten oder Supraleitung. Insbesondere das Verhalten bei tiefer Temperatur wurde unter die Lupe genommen. Hierbei fiel die „50-K-Anomalie“ auf, die sprunghafte Änderung einiger physikalischer Eigenschaften bei dieser Temperatur. Wiederum lieferte die Neutronenbeugung eine Erklärung: Eine Phasenumwandlung tritt ein, getrieben durch die Anordnung der Wasserstoffatome. Hierbei nehmen vier Wasserstoffatome fünf Plätze geordnet ein, wobei Leerstellen und besetzte H-Positionen ebenso geordnet sind wie die von Mo- und Ni-Atomen in MoNi4.12,13)<h2>Heute</h2>Nach 150 Jahren sind noch immer nicht alle Geheimnisse um Palladiumhydrid gelüftet. Selbst bei den gut untersuchten Kristallstrukturen gibt es Neues. Weiterentwickelte In-situ-Neutronenbeugungsmethoden14) machen neue Strukturuntersuchungen möglich, die extreme Bedingungen und geringe Wasserstoffkonzentrationen mit Realzeitstudien der Wasserstoffaufnahme kombinieren. Beispiele sind α-PdD0,038(4) bei 177 °C und 3 bar Deuteriumgasdruck15) sowie der Nachweis der Tetraederlückenbesetzung bis zu 3,3(3) % bei 69 bar.16) Große Aufmerksamkeit bekommen auch palladiumreiche intermetallische Phasen, die wasserstoffinduzierte Ordnungsphänomene zeigen oder katalytisch wirken, wenn Hauptgruppenmetalle das Palladium ersetzen.14,17,18)Palladiumhydrid zeigt: In der Regel entwickelt sich Erkenntnis in der Wissenschaft nicht linear. Manchmal gibt es Stillstand, der sich aber auflöst, sobald eine neue Theorie oder eine experimentelle Untersuchungsmethode zur Verfügung steht.<h2>Vitakasten</h2>Holger Kohlmann studierte Diplom-Chemie an der Universität Gießen und der Universität des Saarlandes. Er promovierte dort 1996 bei Horst P. Beck zur Kristallchemie von Uran- und Thoriumchalkogeniden. Nach Postdocaufenthalten in Genf und Las Vegas habilitierte er sich im Jahr 2009 an der Universität des Saarlandes und folgte 2012 einem Ruf auf eine W2-Professur für anorganische Chemie der Universität Leipzig. Er beschäftigt sich mit präparativer Festkörperchemie mit Schwerpunkten auf Metallhydriden, Neutronenbeugung und In-situ-Charakterisierung.<div><img src="https://media.graphcms.com/nuHAJnLBQeKvAbUIs4yY">

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<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 T. Graham, Philos. Trans. R. Soc. London 1866, 156, 399–439. (Identischer Nachdruck: Philos. Mag. 1866, 32, 401 und 503)</li><li>
2 T. Graham, Proc. R. Soc. London 1869, 17, 212.</li><li>
3 J. H. van’t Hoff, Z. phys. Chem. 1890, 5, 328.</li><li>
4 C. Hoitsema, Z. phys. Chem. 1895, 17, 1.</li><li>
5 J. O. Linde, G. Borelius, Ann. Phys. 1927, 84, 747.</li><li>
6 Gmelins Handbuch der Anorganischen Chemie, Palladium, Verlag Chemie, Berlin, 1942.</li><li>
7 L. W. McKeehan, Proc. Am. Phys. Soc. 1922, (Phys. Rev. 20), 82.</li><li>
8 L. W. McKeehan, Phys. Rev. 1923, 21, 334.</li><li>
9 A. Michel, Chim. Ind. 1939, 41, 116 T.</li><li>
10 J. E. Worsham, Jr., M. K. Wilkinson, C. G. Shull, J. Phys. Chem. Solids 1957, 3, 303.</li><li>
11 J. G. Aston, P. Mitacek, Jr., Nature 1962, 195, 70.</li><li>
12 T. E. Ellis, C. B. Satterthwaite, M. H. Mueller, T. O. Brun, Phys. Rev. Lett. 1979, 42, 456.</li><li>
13 M. H. Mueller, T. O. Brun, R. L. Hitterman et al., Proc. AIP Conf. Modul. Struct. 1979, 53, 391.</li><li>
14 T. C. Hansen, H. Kohlmann, Z. Anorg. Allg. Chem. 2014, 640, 3044.</li><li>
15 M. Widenmeyer, R. Niewa, T. C. Hansen, H. Kohlmann, Z. Anorg. Allg. Chem. 2013, 639, 285.</li><li>
16 M. P. Pitt, E. MacA. Gray, Europhys. Lett. 2003, 64, 344.</li><li>
17 A. Götze, J. M. Sander, H. Kohlmann, Z. Naturforsch. B: Chem. Sci. 2016, 71, 503.</li><li>
18 J. Osswald, R. Giedigkeit, R. Jentoft et al., J. Catal. 2008, 258, 210.</li></ul>

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