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Bei landgebundenen Fahrzeugen zeigt sich ein politisch gewollter Trend zu nicht flüssigen Energieträgern: Die steigende Zahl gas- oder elektrobetriebener Kraftwagen spricht eine deutliche Sprache. Bei der Luftfahrt hingegen gibt es bisher keine solchen Alternativen: Luftfahrtgesellschaften wie British Airways gehen davon aus, dass flüssige Kraftstoffe die nächsten 50 Jahre für die Luftfahrt unabdingbar sind (Kasten). Der Bedarf ist gewaltig: Allein die europäischen Fluggesellschaften benötigen jährlich 53 Mio. Tonnen Kerosin.1
Die Branche hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2050 die CO2-Emissionen gegenüber dem Jahr 2005 zu halbieren. Hierzu haben beispielsweise in Deutschland Forschungseinrichtungen, Airlines und Bioenergieproduzenten die Luftfahrtinitiative für erneuerbare Energien (Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany, Aireg) ins Leben gerufen.
Angesichts begrenzter Anbauflächen, wachsender Weltbevölkerung und der Verwendung von Biomasse in anderen Sektoren werden biogene Rohstoffe knapp. Jochen Flassbarth, Präsident des Umweltbundesamts, fordert, dass Biokraftstoffe vornehmlich in der Luftfahrt eingesetzt werden und für den PKW-Verkehr andere Lösungen gefunden werden müssen.2
Im Landverkehr etablierte sauerstoffhaltige Biokraftstoffe wie Biodiesel und Bioethanol eignen sich nicht für Flugzeuge. Im Gegenteil: Biodieselspuren gelten als Verunreinigung von Jet-Fuel, das aus biobasierten Fetten und Ölen hergestellt ist. Solche Spuren sind auf 5 ppm begrenzt,3 da Biodiesel aufgrund des Sauerstoffanteils biologisch abbaubar ist und der entstehende Biofilm Wasser löst.


<h2>Etablierte Verfahren zur Biokerosinherstellung</h2>
Vorreiter für biobasierte Flugzeugturbinentreibstoffe sind Fischer-Tropsch-Kraftstoffe und hydrierte Pflanzenöle, die bereits Zertifizierungsprozeduren wie die Turbinentests nach den Vorschriften der internationalen Standardisierungsstelle ASTM erfolgreich durchlaufen haben.
Der Fischer-Tropsch-Prozess produziert aus organischen Grundstoffen zunächst Synthesegas (Kohlenmonoxid und Wasserstoff) und anschließend daraus Kohlenwasserstoffketten [Nachr. Chem. 2010, 58, 635]. Je nach Art des Einsatzstoffs — Kohle, Gas oder Biomasse — sind die Produkte Coal-to-Liquid(CTL)-, Gas-to-Liquid(GTL)- oder Biomass-to-Liquid(BTL)-Kraftstoffe.
CTL- und GTL-Kraftstoffe sind technisch eingeführt, nutzen jedoch fossile Rohstoffe und weisen daher nur geringe klimarelevante Vorteile gegenüber herkömmlichen Turbinentreibstoffen auf. Die Produktion der BTL-Kraftstoffe ist technisch noch schwierig. Vor allem das Problem der Aschebildung und -abtrennung ist noch nicht gelöst. Beim Prozess können lange Kohlenwasserstoffketten entstehen, die aufwendig abgetrennt werden müssen. Fischer-Tropsch-Prozesse sind zudem wegen der für die Gasreaktion erforderlichen großen Anlagen kapitalintensiv.
Zur Herstellung hydrierter Pflanzenöle (hydro-processed renewable jet, HRJ) wird der in den Fett- und Ölmolekülen enthaltene Sauerstoff durch Hydrierung ausgetragen. Es entstehen langkettige Kohlenwasserstoffe sowie als Nebenprodukte Propan und Wasser. Diese etablierte Technik hat einen hohen Wasserstoffbedarf, der zurzeit nur fossil zu decken ist. Die empfindlichen Katalysatoren erfordern Rohstoffe hoher Qualität. Besonders geeignet sind Pflanzenöle mit Nahrungsmittelqualität; Palmöl ist ideal, da es im Vergleich zu anderen Ölen den geringsten Wasserstoffbedarf aufweist. Daher steht gerade diese Technik oft im Mittelpunkt der Diskussionen um die Tank-oder-Teller-Frage und die Regenwaldnutzung.


<h2>In der Entwicklung</h2>
An einer Vielzahl unterschiedlicher Techniken wird derzeit gearbeitet. Einige sind bereits so weit entwickelt, dass mit den ersten Schritten des Zulassungsverfahrens begonnen wurde. Dies sind zum einen die Kondensation von fermentativ oder aus Kohlenmonoxid hergestellten Alkoholen zu längeren Alkanen (Alcohol-to-Jet, z. B. von Lanzatech und Swedish Biofuels). Weiterhin wird die Fermentation von Zuckern aus Energiepflanzen zu Alkoholen und Alkenen (Sugar-to-Jet), von Amyris Biotechnologies, Gevo und Cobalt verfolgt. Einzelne Anbieter behaupten, dass die Zucker aus nicht essbarer Biomasse stammen können, haben den Beweis in der Praxis hierfür aber noch nicht erbracht. Co-Prozessierung von Biomasse mit fossilem Öl ist ein weiteres Verfahren in diesem Zusammenhang, das aber noch nicht zulassungsfähig ist.


<h2>Greasoline-Technik</h2>
Die Greasoline-Technik ist ein neues Verfahren, das beim Fraunhofer Institut in Oberhausen erfunden wurde. Das Verfahren läuft dort in einer Pilotanlage (Abbildung 2), Pläne für eine Demonstrationsanlage arbeitet das Unternehmen Greasoline mit industriellen Partnern insbesondere aus der Kraftstoffindustrie aus.
Die neue Technik startet wie die Herstellung hydrierter Pflanzenöle mit biobasierten Fetten und Ölen (Abbildung 2). Für diese Gasphasentechnik eignen sich aber Rohstoffe von geringerer Qualität: Sie trennt bei der Verdampfung Verunreinigungen ab, bevor ein Katalysator mit hoher Vergiftungstoleranz die Säuregruppe der Einsatzstoffe abspaltet. So lassen sich biobasierte Reststoffe und Koppelprodukte der Pflanzenölverarbeitung verwenden.
Das Basisverfahren benötigt keine Wasserstoffzugabe, denn der Wasserstoff kommt aus der Ausgangsverbindung. Als Nebenprodukt bildet sich im Katalysator Koks, was die Kohlenstoff-Wasserstoff-Bilanz ohne Hilfsstoffzugabe ausgleicht. Lediglich um eine bestimmte Produktqualität zu erreichen, kann eine nachgelagerte Sicherheitshydrierung mit geringem Wasserstoffverbrauch notwendig sein. Der Aktivkohlekatalysator wird nach der Reaktion durch Reaktivierung in einem industriell eingeführten Verfahren zurückgewonnen.
Als primäre Produkte entstehen Kohlenwasserstoffketten, wie sie als Hauptbestandteile in fossilen Diesel- und Kerosinkraftstoffen vorkommen. Die meisten der Dieselbestandteile lassen sich durch Isomerisierung ebenfalls in den Kerosin-Siedeschnitt überführen. Daneben entstehen im Greasoline-Verfahren biobasierte alkylierte Benzole, die für die Kerosineigenschaften, insbesondere als Quellmittel für die Dichtungen im Flugzeug wichtig sind. Diese Produkte entstehen beim bisher üblichen Hydrieren nicht und müssen daher beim Kerosin aus hydrierten Pflanzenölen aus fossilem Material stammen.


Luftfahrtindustrie und Kraftstoffe
Luftfahrt ist der am stärksten wachsende Transportsektor: Um zirka 4,5 % pro Jahr soll der Flugverkehr in den nächsten Jahrzehnten zunehmen. Effizientere Flugzeugtechnik ermöglicht dabei nur 3 % mehr CO2. Die Luftfahrtindustrie hat sich verpflichtet, ab dem Jahr 2020 klimaneutral zu wachsen. Um die CO2-Emissionen zu reduzieren, fordert die europäische Renewables Energy Directive bis zum Jahr 2020 im Transport 10 % erneuerbare Energien. Im Flugverkehr will die EU ab dem Jahr 2020 jährlich mindestens zwei Mio. Tonnen Biokerosin verwenden, und das europäische Forschungsprogramm Clean Sky 2 will den CO2-Ausstoß pro Passagierkilometer bis zum Jahr 2050 um 75 % senken. Außerdem sagte Joachim Szodruch, Präsident der nationalen Initiative zur Förderung alternativer Flugkraftstoffe Mitte September, die deutsche Luftfahrt wolle bis zum Jahr 2025 dem herkömmlichen Flugbenzin etwa 10 % Biosprit beimischen.
Mehr als 30 % der Betriebskosten von Fluggesellschaften sind Kraftstoffkosten. Die im Jahr 2012 eingeführte CO2-Steuer erhöht diese, wenn auch derzeit wegen geringer Kosten für CO2-Zertifikate moderat.


Peter Haug ist promovierter Chemiker und Geschäftsführer von Greasoline, Oberhausen. Als Founding Angel gründet er Start-up-Unternehmen zusammen mit technischen Gründern aus Forschungsorganisationen und kommerzialisiert so neue Techniken. <a href="mailto:peter.haug@greasoline.com">peter.haug@greasoline.com</a> Axel Kraft ist promovierter Chemiker und Leiter des Geschäftsfelds Biofuels beim Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen. Sein Geschäftsfeld sind mehreren Projekte zu Biokerosin, und er ist Mitglied der Arbeitsgruppe Conversion der europäischen Biokraftstoff-Technologieplattform <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.biofuelstp.eu" target="_blank">www.biofuelstp.eu</a>.</ext-link> <a href="mailto:axel.kraft@umsicht.fraunhofer.de">axel.kraft@umsicht.fraunhofer.de</a> 



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1 

K. Maniatis, “2 million tons per year: a performing biofuels supply chain for EU aviation”, Technical Paper of European Commission/ DG ENER, 2011.
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<li>
2 

N. Fichtner, Financial Times Deutschland, 27.12.2012.
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<li>
3 

ASTM International, Standard Specification for Aviation Turbine Fuel Containing Synthesized Hydrocarbons, ASTM-Norm D7566 — 11a, 2011.
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Artikel

Biokerosin hebt ab

Bei landgebundenen Fahrzeugen zeigt sich ein politisch gewollter Trend zu nicht flüssigen Energieträgern: Die steigende Zahl gas- oder elektrobetriebener Kraftwagen spricht eine deutliche Sprache. Bei der Luftfahrt hingegen gibt es bisher keine solchen Alternativen: Luftfahrtgesellschaften wie Br...

Blickpunkt

Für Verhaltensexperimente mit Wüstenameisen braucht man nicht viel: Ameisen (besonders beliebt ist die Gattung Cataglyphis, deren Vertreter sich zum Beispiel in der Sahara und in der Türkei finden), Laufrinnen oder Zäune, Dinge, die der Ameise zur Orientierung dienen könnten, und viel Sand (Abbildungen S. 1008). Am besten fährt man nach Nordafrika und macht die Experimente in der Sahara.
Um dann experimentell zu klären, an welchen Anhaltspunkten sich die Ameise orientiert, muss man Störungen einführen, also zum Beispiel Markierungen verschieben, Laufrinnen mit gewelltem statt glattem Boden einsetzen oder das Tierchen einfach hochnehmen und an anderer Stelle wieder absetzen. Was Verhaltensforscher mit solch einfachen Tricks über die Navigationshilfen der Ameisen herausfanden, ist spannend und erstaunlich vielfältig.


<h2>Das Pedometer</h2>
Zur Grundausstattung jeder Ameise gehört ein interner Schrittzähler, damit das Insekt weiß, wie weit es sich vom Nest entfernt hat. Da sie nicht immer in dieselbe Richtung laufen, müssen Ameisen zusätzlich auch die Richtung registrieren, in die sie laufen, wobei sie zur Richtungsbestimmung die Polarisation des Sonnenlichts oder das Panorama nutzen. Das Navigationswerkzeug, das die Schrittzahl und -richtung registriert und zu jedem Zeitpunkt den Vektor zwischen dem Standort der Ameise und ihrem Nest angibt, heißt Wegintegrator.
Die Funktion des Wegintegrators ist leicht zu demonstrieren, wenn man eine Wüstenameise auf dem Weg zu ihrem Nest hochnimmt und einige Meter weiter wieder absetzt. Sie wird das Nest am falschen Ort suchen, und zwar genau um die Koordinaten dieser Luftbrücke verschoben.
Ameisenarten in abwechslungsreicheren Lebensräumen nutzen die Wegintegration ebenfalls, aber vor allem, wenn sie weit weg vom Nest in unbekanntem Gelände sind. In der vertrauten Umgebung ihres Nests nutzen sie visuelle und andere Wegweiser.
Erstaunlicherweise ist der Wegintegrator durch die Wegverlängerung in hügeligem Gelände nicht zu verwirren. Kathrin Steck, Matthias Wittlinger und Harald Wolf von der Universität Ulm zeigten dies, indem sie in die Pendelstrecke der Wüstenameise Cataglyphis eine Laufrinne einbauten, die sie mal mit glattem mal mit wellblechartigem Boden ausstatteten. Selbst wenn die Ameise auf Wellblech zur Nahrungssuche ging und auf glattem Boden zum Nest zurückkehrte, fand sie den Weg problemlos (Abbildung 2, S. 1008).
Sogar wenn der Ameise zwei Beine fehlten, beeinträchtigte das den Erfolg der Wegintegration nicht.1_1 Außer der Luftbrücke besteht bisher die einzige Methode, die den Wegintegrator verwirrt, darin, die Ameisenbeine zu kürzen oder zu verlängern. Denn dies beeinflusst die Schrittlänge (Abbildung 3, S. 1008).1_2


<h2>Immer der Nase nach</h2>
Wichtig ist für Ameisen auch der Geruchssinn. Sie besitzen sogar mehr Geruchsrezeptoren als die Taufliege (Drosophila melanogaster), das am umfassendsten untersuchte Modellinsekt. Der Geruchssinn hilft bei der Nahrungssuche, kann aber auch dazu dienen, im Nahbereich den Nesteingang zu finden.
Cornelia Bühlmann, Bill Hansson und Markus Knaden vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena entdeckten, dass Wüstenameisen den Nesteingang auch finden, wenn sie die Kohlendioxid-Emissionen eines aktiven Nests erschnüffeln.1_3 Dieses für uns geruchlose Gas nützt aber nur zusammen mit dem Wegintegrator, wenn die Ameise also schon weiß, dass sie in etwa in der richtigen Gegend ist. Denn auch fremde Nester emittieren Kohlendioxid, und wenn die Ameise in ein solches tappte, würden die Bewohner sie töten.


<h2>Wer fühlt, muss nicht riechen</h2>
Da Blattschneiderameisen Vibrationen zur Kommunikation nutzen (etwa als Hilferuf, wenn sie in der Klemme stecken), gingen Bühlmann et al. in einer Feldstudie in der Türkei der Frage nach, ob Vibration für die Wüstenameise Cataglyphis noda auch eine Orientierungshilfe sein kann. Dazu vergruben sie einen rosafarbenen Vibrator (kein Witz) neben dem Nesteingang, so dass die Ameisen diesen als Wegweiser nutzen konnten. Dass sie das dann tatsächlich machen, lässt sich herausfinden, wenn man den Vibrator an anderer Stelle vergräbt.1_4 
Duftmarken (in diesem Fall Methylsalicylat in Hexan) nutzten die Max-Planck-Forscher als Kontrolle. Bereits im Jahr 2009 zeigten Steck, Hansson und Knaden nämlich, dass relativ schwerflüchtige Geruchsstoffe den Ameisen in der Wüste den Weg weisen.1_5 Sind mehrere Duftstoffe vorhanden wie Methylsalicylat, Decanal, Nonanal und Indol, merken sie sich nicht nur den Gesamteindruck, sondern auch die räumliche Anordnung, die Ameisen riechen sozusagen in Stereo.1_6 Insgesamt fokussiert die Duftmarkierung im Kontrollexperiment die Nestsuche etwas schärfer als die Vibration.
Ein weiteres Kontrollexperiment mit einem schwebend installierten Vibrator in der Nähe des Nesteingangs zeigte, dass tatsächlich die Vibrationen und nicht etwa elektromagnetische Felder für die Konditionierung der Ameisen auf das Gerät verantwortlich waren. In beiden Fällen war das Gerät für die Ameisen unsichtbar, so dass sie es nicht als visuellen Wegweiser nutzen konnten.
Im Rahmen derselben Feldstudie in der Türkei überprüften Bühlmann et al. zudem, ob die Ameisen Magnetfelder zur Orientierung heranziehen können, und siehe da, sie konnten. Allerdings waren die Testmagnetfelder mehr als hundertmal stärker als das der Erde; man kann aus dem Ergebnis also nicht unbedingt ableiten, dass Ameisen einen empfindlichen Kompass besitzen. Denkbar wäre zum Beispiel auch, dass das recht starke Magnetfeld elektromagnetische Anomalien in ihren Neuronen auslöste, an die sie sich erinnern konnten.
Mit dem magnetischen Orientierungssinn von Tieren ist das sowieso so eine Sache — bei Zugvögeln weiß man bereits seit fast einem halben Jahrhundert, dass sie das Magnetfeld zur Orientierung nutzen, doch der molekulare Mechanismus dieses Vorgangs ist bis heute nicht klar.


<h2>Optische Wegweiser</h2>
Wenn Ameisen nicht gerade in der eintönigen Umgebung einer Sandwüste umherirren, können sie sich auch wie menschliche Wanderer an visuell auffälligen Merkmalen der Umgebung orientieren. Selbst in der Wüste leisten ihre Augen bereits einen Beitrag zur Orientierung, da sie die Kompassinformation zur Wegintegration beisteuern (entweder aus der Polarisation des Sonnenlichts oder aus dem Panorama).
Darüber hinaus können Ameisen auch lernen, unveränderliche visuelle Merkmale in der Umgebung ihres Nesteingangs als Wegweiser zu nutzen. Dies lädt Verhaltensforscher wiederum zur Manipulation ein — sie können künstliche Wegweiser einführen und dann versetzen, wenn die Insekten sich daran gewöhnt haben. Niko Tinbergen begründete diese Tradition des Insektenärgerns in den 1930er Jahren mit seinen Feldstudien zur Orientierung des Bienenwolfs, einer Wespenart.
Obwohl solche Experimente leicht zu ersinnen und durchzuführen sind, gibt es bis heute noch Fragen. Umstritten ist unter Ameisenforschern zum Beispiel, inwieweit die Insekten einzelne Objekte getrennt von dem allgemeinen Panorama als Wegweiser wahrnehmen und ihrem Gedächtnis einprägen.1_7 Eine Herausforderung ist auch, die neuronalen Prozesse zu erforschen, die für das Lernen und Erinnern der Ameisen verantwortlich sind.
Eine weitere wichtige Frage ist die, wie die Ameisen Informationen aus ihren verschiedenen Navigationssystemen und Sinneswahrnehmungen miteinander kombinieren oder gegeneinander abwägen.
Kathrin Steck zeigte zusammen mit Knaden und Hansson, dass die Kombination von visuellen und Geruchsmerkmalen es den Ameisen leichter macht, den Rückweg zum Nesteingang zu lernen.1_8 Experimente von Matthew Collett an der Universität von Exeter, Großbritannien, legen nahe, dass zumindest Wegintegration und visuelles Gedächtnis zusammenarbeiten und zu einem Kompromiss finden, der sich im Prinzip als Mittelwert der Vektoren deuten lässt, die jedes einzelne System liefern würde.1_9
Anders als ein menschlicher Wanderer wägt die Ameise die Informationen allerdings nicht rational ab — vermutlich kommt es zu einer Überlagerung der neuronalen Signale, die aus verschiedenen Quellen auf die Bewegungssteuerung wirken.
Michael Groß ist freier Wissenschaftsautor in Oxford, England. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.michaelgross.co.uk" target="_blank">www.michaelgross.co.uk</a></ext-link>


<h2>Peptide töten Bakterien</h2>
Ameisen produzieren mehr antimikrobielle Peptide als bisher angenommen. Dies veröffentlichten Biologen der Universität Würzburg um Roy Gross online.2_1 Sie fanden bei Rossameisen neben den zwei bekannten Peptid-Genen ein weiteres. Es besitzt eine sich wiederholende Struktur und zeigt Baupläne für sieben antimikrobielle Peptide. Die Forscher untersuchten weitere Ameisenarten und fanden heraus, dass bei einer davon das Gen 23 verschiedene Peptide bilden kann. J.S.


<h2>Pilze produzieren Methan</h2>
Pilze, die totes organisches Material zersetzen, geben Methan ab, fand Katharina Lenhart im Arbeitskreis Frank Keppler am Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz. In ihrer Studie untersuchte die Biologin acht Ständerpilzsorten (Basidiomycetes). Isotopenanalysen zeigten, dass das Substrat, auf dem die Pilze wuchsen, die gebildete Methanmenge beeinflusste. Molekularbiologische Analysen zusammen mit der Universität Gießen und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg ergaben, dass keine methanbildenden Mikroorganismen, Archaeen, beteiligt waren, bei deren Energiestoffwechsel stets Methan entsteht.


<h2>Encode dekodiert</h2>
Seit dem Jahr 2003 entschlüsselt das Projekt Encyclopedia of DNA Elements (Encode) Struktur und Funktion des menschlichen Genoms [s. Nachr. Chem. 2007, 55, 1101]. In mehreren Publikationen in Nature stellen nun Wissenschaftler Encode vor und diskutieren, wie die erhaltenen Daten die DNA-Forschung verändert haben.2_1 Als wichtigste Erkenntnis der letzten Jahre ergab sich, dass die früher Junk-DNA genannte, nichtkodierende DNA, die den Hauptteil des Genoms ausmacht, keineswegs bloßer Müll ist: Tatsächlich erfüllen etwa 80 Prozent des Genoms eine biochemische Aufgabe.



<ul>
<ul>
<li>
1_1 

 
K. Steck, 
M. Wittlinger, 
H. Wolf, 
<source>J. Exp. Biol. 
(2009), 
212, 
2893.
</li>
<li>
1_2 

 
M. Wittlinger, 
R. Wehner, 
H. Wolf, 
<source>Science 
(2006), 
312, 
1965.
</li>
<li>
1_3 

 
C. Buehlmann, 
B. S. Hansson, 
M. Knaden, 
<source>Curr. Biol. 
(2012), 
22, 
645. 
</li>
<li>
1_4 

 
C. Buehlmann, 
B. S. Hansson, 
M. Knaden, 
<source>Plos one 
(2012), 
7, 
e33117.
</li>
<li>
1_5 

 
K. Steck, 
B. S. Hansson, 
M. Knaden, 
<source>Front. Zool. 
(2009), 
6, 
8.
</li>
<li>
1_6 

 
K. Steck, 
M. Knaden, 
B. S. Hansson, 
<source>Anim. Behav. 
(2010), 
78, 
939.
</li>
<li>
1_7 

 
J. Zeil, 
<source>Curr. Op. Neurobiol. 
(2012), 
22, 
285.
</li>
<li>
1_8 

 
K. Steck, 
B. S. Hansson, 
M. Knaden, 
<source>J. Exp. Biol. 
(2011), 
214, 
1307.
</li>
<li>
1_9 

 
M. Collett, 
<source>Curr. Biol. 
(2012), 
22, 
927.
</li>
</ul>
<ul>
<li>
2_1 

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal" target="_blank">www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal</a>. pone.0043036</ext-link>.
</li>
<li>
2_1 


<source>Nature, 
2012, 
489, 
57–<lpage>74.</lpage>

</li>
</ul>
</ul>

Artikel

Biokerosin hebt ab

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