Wissenschaft & Forschung

<p>Biowissenschaften kurz notiert</p><h2>Frühdiagnose von Alzheimer</h2><p>Forscher der Universitäten Bochum und Göttingen haben ein Verfahren entwickelt, das Alzheimer im Frühstadium erkennt. Bei der Krankheit lagern sich fehlgefaltete Amyloid-beta-Peptide als Plaques im Gehirn ab. Ein immunochemischer Infrarotsensor misst, ob Peptide aus Blut oder Nervenwasser krankhaft verändert sind. Dazu ist die Oberfläche des Sensors mit hochspezifischen Antikörpern versehen. Die Methode ist im Blut zu 84 % und im Nervenwasser zu 90 % genau. Zurzeit laufen weitere Tests mit 800 Probanden, um die Nachweisgrenze und Sicherheit der Methode zu steigern. NK</p><ul><li>
<sup>1 </sup>A. Nabers, J. Ollesch, J. Schartner et al., J. Biophotonics 2016, doi: 10.1002/jbio.201400145</li></ul>
<h2>Proteinherstellung leicht gemacht</h2><p>Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig haben die Herstellung von Proteinen verbessert. Dazu haben sie das BEV-System modifiziert, das auf einem Baculovirus in Kombination mit Insektenzellen beruht. Die Synthese der gewünschten Proteine ist durch die eingeführte Modifikation nun farblich markiert. Damit ist schneller erkennbar, welche Proteine weiterzuentwickeln sind. HR</p><ul><li>
<sup>2 </sup>M. Bleckmann, M. Schürig et al., PLoS One 2016, doi: 10.1371/journal.pone.0149424M. Bleckmann, S. Schmelz, C. Schinkowski, A. Scrima, J. van den Heuvel, Biotechnology and Bioengineering 2016, doi: 10.1002/bit.25956M. Bleckmann et al., PLoS One 2015, doi: 10.1371/journal.pone.0132898</li></ul>
<h2>Hochauflösende Mikroskopie bietet Einblick in biologische Zellen</h2><p>Das neue Verfahren DNA-Paint bildet zelluläre Moleküle wie Proteine, RNA- sowie DNA-Stränge und deren Interaktionen ab. Das Zielmolekül und ein Farbstoff sind an kurze DNA-Stränge gebunden, die komplementär zueinander sind. Binden die beiden Stränge, zeigt der Farbstoff die Position des Zielmoleküls. Die Stärke der DNA-Bindung ist einstellbar. So können sich die Stränge wieder lösen und weitere Moleküle nachweisen. Übereinandergelegt zeigen die mikroskopischen Momentaufnahmen, welche Moleküle zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem biologischen Prozess beitragen. HR</p><ul><li>
<sup>3 </sup>R. Jungmann et al., Nat. Methods 2016, doi: 10.1038/nmeth.3804</li></ul>
<h2>Elisa: Ergebnisse in zwei Stunden</h2><p>Die neue B-fast-Elisa-Methode des Leibniz-Instituts DSMZ, Braunschweig, detektiert zehn verschiedene Pflanzenviren und liefert sichere Ergebnisse bereits nach zwei Stunden. Klassische Elisas brauchen dafür bis zu zwei Tage. EL</p>

Meldung

Biowissenschaften kurz notiert

Biowissenschaften kurz notiertFrühdiagnose von AlzheimerForscher der Universitäten Bochum und Göttingen haben ein Verfahren entwickelt, das Alzheimer im Frühstadium erkennt. Bei der Krankheit lagern sich fehlgefaltete Amyloid-beta-Peptide als Plaques im Gehirn ab. Ein immunochemischer Infrarotsen...

Prof. Dr.

<p>Bisher war unklar, wie die Lumineszenz von Glühwürmchen funktioniert, dabei ist der Mechanismus unter Lebewesen weit verbreitet. Bei der Aufklärung hilft ein chemisches Modellsystem – die chemilumineszenten 2-Coumaranone.</p>
<p>Das männliche Glühwürmchen der Gattung Lamprohiza splendidula ist in Mitteleuropa die einzige einheimische Art, die beim Fliegen Licht ausstrahlt,<sup>1)</sup> also Biolumineszenz zeigt.<sup>2)</sup> Dabei wird in einem enzymatisch katalysierten Prozess Luciferin, in diesem Fall das Firefly-Luciferin (1), zum Oxyluciferin (2) oxidiert (Abbildung 1). Das beteiligte Enzym ist die Luciferase, eine Kinase, die vor der eigentlichen Reaktion das Luciferin (1) durch Phosphorylierung aktiviert. Danach oxidiert Triplettsauerstoff das entstandene Konjugat (3), wobei sich 1,2-Dioxetanon (4) bildet. Dieses zerfällt unter CO<sub>2</sub>-Abspaltung und bildet dabei Oxyluciferin (2)* im angeregten Zustand, das in den Grundzustand relaxiert und die überschüssige Energie als grünes Licht emittiert.<sup>3)</sup></p><figure><img src="https://media.graphcms.com/ZctFfNVPTNCgw4Hky9dP"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Besonders im Sommer oft zu sehen: Glühwürmchen im Wald. <named-content>Foto: djevelekova/Fotolia</named-content></figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/wDMHptaTP606jGabTxUQ"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Mechanismus der Biolumineszenz des Firefly-Luciferins. PPi: Pyrophosphat, ATP: Adenosintriphosphat, AMP: Adenosinmonophosphat.</figcaption></figure>
<h2>Früher und heute</h2><p>Bereits in den 1950er Jahren untersuchten Seliger und McElroy das Firefly-Luciferin.<sup>4)</sup> Heute forschen an seiner Lumineszenz viele Arbeitsgruppen, etwa die Arbeitsgruppe von Navizet, die dazu quantenchemische Methoden nutzt, insbesondere Post-Hartree-Fock-Methoden. Zudem beziehen sie Enzymwechselwirkungen ein.<sup>5)</sup> Branchini führt experimentell mechanistische Studien durch, welche die einzelnen Teilschritte des Lumineszenzmechanismus entschlüsseln sollen.<sup>6)</sup> Durch spektroskopische Methoden wie die Action-Spektroskopie gewann die Arbeitsgruppe von Naumov in den letzten Jahren Erkenntnisse über den Protonierungszustand des Oxyluciferins.<sup>7)</sup></p><h2>Synthese und Eigenschaften des Firefly-Luciferins</h2><p>Die komplexe molekulare Struktur des Firefly-Luciferins (1) lässt bereits erahnen: (1) ist schwierig herzustellen und teuer. Das erschwert die Erforschung dieses Lumineszenzsystems. Die enge Bindung der spezifischen Substratstruktur an die Luciferase, die keine strukturellen Modifikationen erlaubt, ist eine weitere Hemmschwelle. Es besteht also Bedarf an einem Modellsystem, das möglichst den gleichen Lumineszenzmechanismus wie Firefly-Luciferin (1) hat, aber einfacher strukturiert und damit effizienter und günstiger herzustellen ist. Auch muss die Chemilumineszenz dieses Modellsystems nicht an ein spezifisches Enzym gekoppelt sein.</p><h2>2-Coumaranone und Lumineszenzmechanismen</h2><p>Die chemilumineszenten 2-Coumaranone (6) eignen sich nahezu ideal als Firefly-Luciferin-Modellsystem. Sie lassen sich in großer struktureller Vielfalt durch die Tscherniac-Einhorn-3-Komponenten-Reaktion (TsE-3CR) aus handelsüblichen Chemikalien herstellen.<sup>8,9)</sup> Wird in polar aprotischen Lösungsmitteln Base zugesetzt, zeigen diese Verbindungen intensive Chemilumineszenz, die sich teils mit bloßem Auge bei Tageslicht wahrnehmen lässt.</p><p>In Bezug auf den Lumineszenzmechanismus gleichen 2-Coumaranone den aus der Natur bekannten Biolumineszenzsystemen.</p><p>Sowohl 2-Coumaranone als auch Firefly-Luciferin nutzen 1,2-Dioxetanone (7) als reaktive Intermediate.<sup>11)</sup> Diese Vierring-Sauerstoff-Heterocyclen zerfallen leicht und setzen dabei CO<sub>2</sub> frei. Dabei wird der restliche Teil des Moleküls, der Lumineszenzemitter, elektronisch angeregt. Bei den 2-Coumaranonen ist das ein acyliertes Salicylamid-Derivat (8),<sup>10)</sup> ein gutes Fluorophor, das bei Relaxation in den elektronischen Grundzustand Licht ausstrahlt (Abbildung 2).</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/AkhoNcjRFKoXkzKrNpi2"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Die Chemilumineszenz der 2-Coumaranone. <named-content>Foto: AK Beckert</named-content></figcaption></figure>
<p>Doch es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten im Mechanismus der beiden Systeme. Die Addition biradikalischen Luftsauerstoffs war lange Zeit schwer erklärbar. Wissenschaftler publizierten unterschiedlichste Mechanismen, die zum Teil radikalische und ionische Zwischenstufen enthalten. Darüber hinaus nahmen sie an, ein Einelektronenakzeptor sei notwendig, um die eigentlich spinverbotene Reaktion zu ermöglichen. Dieser Einelektronenakzeptor ist allerdings der Sauerstoff selbst, wie Untersuchungen der Arbeitsgruppe von Branchini zeigen.<sup>6)</sup> Der Sauerstoff reagiert durch einen Einzelelektronentransfer (SET) mit dem phosphorylierten Luziferin (3). Dabei entstehen Superoxidradikalanionen, die wiederum mit dem intermediär radikalisch vorliegenden Molekül zur Peroxyspezies (5) reagieren. Durch Elektronenspinresonanzspektroskopie-Techniken (ESR) und ein Spintrapping-Reagenz ließ sich der gleiche Reaktionsverlauf für die 2-Coumaranone (Abbildung 3, S. 134, (9) ! (10)) nachweisen.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/qc0THJuQTe2sRwOQicMC"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Mechanismus der chemilumineszenten 2-Coumaranone.<sup>10,11)</sup></figcaption></figure>
<h2>Mögliche Anwendung</h2><p>Die Quantenausbeute – als Maß für die Effizienz der Lichtemission von 2-Coumaranonen – erreicht Werte, die um einen Faktor Zehn höher sind als die von etablierten Systemen wie Luminol. Daher eignen sich die Moleküle auch für den Einsatz als analytisches Nachweisreagenz, etwa in Elisas. Da die Chemilumineszenz der 2-Coumaranone wie bei Luminol auch durch zugegebene Peroxidase initiiert werden kann,<sup>10)</sup> bietet sich an, 2-Coumaranone an Immunoassays zu koppeln: So lassen sich bereits vorhandene mit Peroxidase gekoppelte Antikörper nutzen, lediglich das Nachweisreagenz muss geändert werden. Eine derartige Substitution könnte die Nachweisgrenze des Assays verbessern und so die gesamte Methode.</p><h2>Nicht nur Glühwürmchen</h2><p>Auch die Biolumineszenzsysteme anderer Organismen wie Erdwürmern (z.B. Fredericia<sup>12)</sup>) oder Pilzen<sup>13)</sup> nutzen eine oxidative Decarboxylierung, die sehr wahrscheinlich über ein 1,2-Dioxetanon als reaktives Intermediat abläuft. Bei anderen Lebewesen wie biolumineszenten Quallen der Art Aequorea victoria wurde dies schon früher nachgewiesen, und bei Pilzmücken (z. B. Arachnocampa) wird dies zumindest vermutet.</p><p>Es scheint sich somit um einen generellen Mechanismus der Lichterzeugung in der Natur zu handeln, zu dessen Erforschung die 2-Coumaranone beitragen.</p><h2>Quergelesen</h2><p>Für das Leuchten der Glühwürmchen sorgt Firefly-Luciferin. Wegen seiner komplexen Struktur und der dadurch schwierigen Herstellung ist es wenig geeignet, direkt daran den Lumineszenzmechanismus zu erforschen.</p><p>2-Coumaranone sind eine synthetische Alternative. Sie lassen sich einfach herstellen und chemilumineszieren zehn Mal so stark wie das etablierte Luminol.</p><p>Die 2-Coumaranone lassen sich wie Luminol durch Peroxidase aktivieren. Das ist ein Vorteil, wenn sie mit Immunoassays gekoppelt werden – lediglich das Nachweisreagenz ist zu wechseln.</p><p>Stefan Schramm, Jahrgang 1991, studierte Chemie und chemische Biologie und promovierte 2016 an der Universität Jena im Arbeitskreis von Rainer Beckert über die Chemilumineszenz der 2-Coumaranone. Er beschäftigte sich dabei vor allem mit der Mechanismusaufklärung in einem kombinierten Ansatz aus experimentellen und quantenchemischen Methoden.</p><div><img src="https://media.graphcms.com/xScnUGvQRtyVAB2W5mk5">

</div><p></p><p><email><a href="mailto:Stefan.Schramm@uni-jena.de">Stefan.Schramm@uni-jena.de</a></email></p><p>Dieter Weiß, Jahrgang 1959, habilitierte im Jahr 2000 an der Universität Jena und arbeitet als Privatdozent im Arbeitskreis Beckert. Seine Forschungsschwerpunkte liegen sowohl auf dem Gebiet der Fluoreszenzfarbstoffe als auch auf der Erforschung von Chemilumineszenzreaktionen.</p><div><img src="https://media.graphcms.com/PolzDkYHR6OD9euaVnhP">

</div><p></p><p>Rainer Beckert, Jahrgang 1952, ist seit 1993 Professor für organische Chemie an der Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet der Synthese von funktionellen Farbstoffen und der Chemilumineszenz. Er ist Mitglied des Autorenteams des „Organikum“.</p><div><img src="https://media.graphcms.com/HFZ1E9IeQ5KUfcc2hHeN">

</div><p></p>
<ul><h2>Literatur</h2><li>
<sup>1 </sup>M. Nuß, J. Seidel, Sächsische Entomologische Zeitschrift, 2010, 5, 31–39.</li><li>
<sup>2 </sup>S. Albrecht, H. Brandl, T. Zimmerman, Chemilumineszenz, Reaktionssysteme und ihre Anwendung unter besonderer Berücksichtigung von Biochemie und Medizin, Hüthig Verlag, Heidelberg, 1996.</li><li>
<sup>3 </sup>W. D. McElroy, H. H. Seliger, E. H. White, Photochem. Photobiol. 1969, 10, 153–170.</li><li>
<sup>4 </sup>H. H. Seliger, W. D. McElroy, Biochem. Biophys. Res. Com. 1959, 1, 21–24.</li><li>
<sup>5 </sup>I. Navizet, Y.-J. Liu, N. Ferré et al., J. Am. Chem. Soc. 2010, 132, 706–712.</li><li>
<sup>6 </sup>B. R. Branchini, C. E. Behney, T. L. Southworth et al., J. Am. Chem. Soc. 2015, 137, 7592–7595.</li><li>
<sup>7 </sup>K. Støchkel, C. N. Hansen, J. Houmøller et al., J. Am. Chem. Soc. 2013, 135, 6485–6493.</li><li>
<sup>8 </sup>S. Schramm, D. Weiß, H. Brandl et al., ARKIVOC 2013, 174.</li><li>
<sup>9 </sup>S. Schramm, L. F. M. L. Ciscato, P. Oesau et al., ARKIVOC 2015, 5, 44–59.</li><li>
<sup>10 </sup>S. Schramm, I. Navizet, P. Naumov et al., Eur. J. Org. Chem. 2016, 4, 678–681.</li><li>
<sup>11 </sup>L. F. M. L. Ciscato, F. H. Bartoloni, A. S. Colavite et al., Photochem. Photobiol. Sci. 2014, 13, 32–37.</li><li>
<sup>12 </sup>M. A. Dubinnyi, Z. M. Kaskova, N. S. Rodionova et al., Angew. Chem. Int. Ed. 2015, 54, 7065–7067.</li><li>
<sup>13 </sup>K. V. Purtov, V. N. Petushkov, M. S. Baranov et al., Angew. Chem. Int. Ed. 2015, 54, 8124–8128.</li></ul>


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