Bildung & Gesellschaft

Am 15. Juli 1930 veröffentlichte das Warenzeichenblatt erstmals einen Markennamen: Buna. Das Wort
Das entscheidende Experiment startete der Londoner Chemiker Francis Edward Matthews (1862 – 1929) im Juli 1910: Er schmolz elementares Natrium und Isopren in eine Glasampulle ein. Dann fuhr Matthews in den Urlaub. Als er diesen nach vier Wochen kurz unterbrach, bemerkte er, dass der Ampulleninhalt viskos geworden war und sich ein Feststoff abschied. Weitere vier Wochen später öffnete er die Ampulle, die nun eine bernsteinfarbene, feste Masse mit Kautschukeigenschaften enthielt.<figure><img src="https://media.graphcms.com/pcFPqu9Tkm4TKmgilSsr"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Francis Edward Matthews um das Jahr 1910. Foto: Spaight, in Knowledge, 1913, 36, 37</figcaption></figure>
Matthews führte weitere Reaktionen durch und fand, dass andere Diene wie Butadien ähnlich mit Natrium reagieren. Kalium statt Natrium hatte denselben Effekt.1)Matthews war Chefchemiker von Strange and Graham, einem Auftragsforschungsunternehmen. Strange and Graham hatten mit der Universität Manchester und dem Pariser Pasteur-Institut das Gemeinschaftsunternehmen Research Syndicate gegründet, das an Synthesekautschuk forschte. Denn ab Anfang des 20. Jahrhunderts stiegen die Naturkautschukpreise, bis sie im Jahr 1910 ein Rekordhoch erreichten: Das „weiße Gold“ kostete 28 Goldmark pro Kilo. Die Lebenshaltungskosten lagen bei etwa 90 Goldmark monatlich.2)Matthews und sein Chef Edward Halford Strange meldeten am 25. Oktober 1910 die Synthesemethode unter ihrem Namen in Großbritannien zum Patent an.3) Die Rechte besaß aber das Research Syndicate. Als das britische Patentamt im Sommer 1911 das Patent offenlegte, traf das die Farbenfabriken Bayer: Sie hatten im Dezember 1910, ohne die britischen Aktivitäten zu kennen, die gleiche Erfindung zum Patent angemeldet. Der Kieler Chemieprofessor Carl Dietrich Harries, der mit Bayer vertraglich verbunden war, hatte nämlich beim Reinigen von Dienen mit Natrium denselben Effekt gefunden wie Matthews. Einen Tag vor Ablauf des Prioritätsjahrs, am 24. Oktober 1911, meldeten die Briten ihr Patent auch beim deutschen Patentamt an.4) Bayer musste seine Anmeldung zurückziehen.Als das Research Syndicate im Jahr 1912 versuchte, mit der Erfindung Geld zu machen, hatte sich der Kautschukmarkt fundamental verändert. Plantagenkautschuk ersetzte rasant den bis dahin dominierenden, aber nur begrenzt verfügbaren Wildkautschuk. Die Kautschukpreise brachen ein. In dieser Situation fand das neu gegründete Unternehmen Synthetic Products Company, das die Laborversuche von Matthews weiterentwickeln sollte, kaum noch Investoren. Von angebotenen 450 000 Anteilsscheinen zu je 1 Pfund zeichneten Anleger nur etwa 80 000. Dieses Kapital reichte für substanzielle Fortschritte nicht aus – das Verfahren, das einmal für den Namen Buna Pate stehen sollte, lag erstmal auf Eis.<h2>Die erste Generation: Zahlenbuna</h2>Mit der Gründung der IG Farbenindustrie Ende 1925 erwachte Matthews Verfahren zu neuem Leben. Die Preise für Naturkautschuk waren wieder gestiegen. Außerdem wurde die Alkalimetallpolymerisation in Deutschland im Jahr 1926 patentfrei. So bündelten die ehemals selbstständigen, nun nach der Fusion in der IG vereinten Unternehmen BASF, Bayer und Hoechst ihr Wissen auf diesem Gebiet.Im Fokus stand die Alkalipolymerisation von Butadien. Schon vor dem ersten Weltkrieg hatte die BASF vergeblich versucht, eine Deutschlandlizenz vom Research Syndicate zu erhalten.5) Trotzdem hatte sie intensiv auf diesem Gebiet geforscht und im Jahr 1914 wichtige Ergebnisse publiziert. Eins davon war, dass sie bei der Polymerisation homologer Monomere für Butadien das beste Resultat erhielt.6)Dank dieser Vorarbeiten schritt die Entwicklung schnell voran. Ab dem Jahr 1928 führte die IG mit Peters Union und Continental erste Reifenversuche durch. Dabei kennzeichnete sie das Testmaterial mit „Buna“ und dem K-Wert, der die Größe der Makromoleküle charakterisiert. Es ergaben sich drei Varietäten für unterschiedliche Anwendungen – Buna 32, Buna 85 und Buna 115 –, aus denen sich später der Begriff Zahlenbuna ableitete.Die IG hatte nicht nur mit Natrium experimentiert, sondern auch mit anderen Alkalimetallen. Mit Kalium ergab sich ein Polybutadien, das nach Vulkanisation elastischer und zugfester war als Buna. Dieser Kautschuk bekam analog zu Buna den Arbeitsbegriff „Buka“. Allerdings war die Herstellung von Buka so schwierig, dass eine Produktion im technischen Maßstab unmöglich schien. Die IG löste dieses Problem erst im Jahr 1937.7) So kam es, dass Buna 85 später mit Kalium hergestellt wurde. Der Name Buka war zu dieser Zeit bereits vergessen.<h2>Die Erfinder des Namens</h2>Wer aber erfand den Namen Buna? Die Spur führt nach Ludwigshafen. Dort arbeitete Georg Ebert (1878 – 1970) in der Indigo-Abteilung. Ebert beteiligte sich bereits vor dem ersten Weltkrieg an den Synthesekautschukarbeiten der BASF. Nach deren Wiederaufnahme wurde er zur wichtigsten Autorität der Alkalipolymerisation innerhalb der IG.<figure><img src="https://media.graphcms.com/n8zHPVG7Tqz04fV9ElbW"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Georg Ebert (1887 – 1970) um das Jahr 1950. Seine Arbeitsgruppe prägte den Begriff „Buna“. Foto: Kautschuk und Gummi 1953, 38 WT</figcaption></figure>
Anlässlich Eberts 40jährigen Firmenjubiläums im Jahr 1953 publizierte ein Wegbegleiter eine Laudatio auf Ebert8) und stellte fest: „In seinem Arbeitskreis wurde erstmals der Name ‚Buna‘ gebraucht.“ Georg Niemann, der als Mitarbeiter des Hauptlaboratoriums ebenfalls am Buna-Projekt beteiligt war, bestätigte dies 1964: „Herr Dr. Niemann hat den Ausdruck Buna erstmals von Herrn Dr. Ebert gehört (etwa 1925), nachdem beide lange überlegt hatten, wie man den neuen Stoff nennen könnte.“9)Die Wortschöpfung „Buna“ setzte sich in der gesamten IG Farbenindustrie schnell als Arbeitsbegriff durch.Nach ersten erfolgreichen Reifenversuchen meldete die Rechtsabteilung in Ludwigshafen Buna am 11. Juli 1929 als Warenzeichen beim Reichspatentamt. Am 23. Juli 1929 reichte die IG die Warenzeichen Bunalit, Bunara, Bunarit und Bunaron nach.Von fünf Warenzeichen passierte nur Bunaron anstandslos das Zulassungsverfahren, es wurde am 31. Oktober 1929 in die Warenzeichenrolle eingetragen. Allen anderen Anmeldungen widersprach das Reichspatentamt, da es bereits ähnlich lautende Eintragungen gab. Deshalb schlug die Rechtsabteilung in Ludwigshafen im November 1929 vor, das Warenzeichen Bunaron als Markennamen für das Natriumpolymerisat von Butadien zu verwenden.10) Doch das Management entschied sich dagegen und hielt am Namen Buna fest. Am 5. Juni 1930, fast ein Jahr nach der Anmeldung, registrierte das Patentamt das Wortzeichen „Buna“ schließlich als Warenzeichen. Das Warenzeichenblatt veröffentlichte die Eintragung am 15. Juli 1930.<figure><img src="https://media.graphcms.com/uyFYQrwNSXOUgBJHPCyO"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Eintrag zum Buna-Warenzeichen. Abbildung aus Warenzeichenblatt 1930, 37, 1329.</figcaption></figure>
<h2>Die zweite Generation: Buchstabenbuna</h2>Fast gleichzeitig mit der Anmeldung des Wortes „Buna“, das eigentlich für das Natriumpolymerisat von Butadien stand, erfand der Chemiker Walter Bock (1895 – 1948) einen Synthesekautschuk, der für die meisten Historiker ein Synonym für Buna wurde, obwohl bei seiner Herstellung kein Natrium eingesetzt wird.<figure><img src="https://media.graphcms.com/WiUOFYbTe6Stsd3kbDWw"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Walter Bock (1895 – 1948) Anfang der 1920er Jahre. Foto: Besitz von Rosemarie Alstaedter geb. Bock</figcaption></figure>
Am 11. Juni 1929 hielt Bock 49 g eines Copolymers aus Butadien und Styrol in den Händen – viele Millionen Tonnen sollten folgen. Dieses Polymer, heute nach DIN/ISO 1629 SBR, Styrene Butadiene Rubber, wurde zu einem der bis heute erfolgreichsten Synthesekautschuke.Bock hatte sich vor allem mit Emulsionspolymerisation beschäftigt, die vor 1929 noch im Schatten der Massepolymerisation stand. Das Prinzip der Emulsionspolymerisation hatte zwar bereits im Jahr 1912 Kurt Gottlob bei Bayer entwickelt, doch bisher gab es keine Anwendung. Als Bock 1928 mit den homologen Dienen Butadien, Isopren und 2,3-Dimethylbutadien experimentierte, erhielt er in allen drei Fällen unbrauchbare Polymerisate. Doch ihm fiel ein entscheidender Unterschied auf: Die Polymere von Butadien und Isopren zeigten nach Vulkanisation zwar gute Elastizität, aber ungenügende sonstige mechanische Eigenschaften und waren deshalb als Werkstoff ungeeignet. Im Gegensatz dazu hatte das Polymerisat von Dimethylbutadien nach der Vulkanisation zwar gute Festigkeitswerte, war aber kaum elastisch. Bock kombinierte die positiven Eigenschaften, indem er Copolymere von Butadien und Dimethylbutadien sowie von Isopren und Dimethylbutadien herstellte. Er erhielt damit die ersten brauchbaren Emulsionspolymerisate überhaupt, die in ihren Eigenschaften etwa dem Zahlenbuna entsprachen.11)Im Jahr 1929 ersetzte Bock das Dimethylbutadien als Festigkeitsträger durch Vinylverbindungen. Am leichtesten zugänglich war Styrol, für das Carl Wulff in Ludwigshafen gerade ein großtechnisches Verfahren entwickelte. Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen. Sofort war klar, dass das „Butadien-Styrol-Mischpolymerisat“ als Synthesekautschuk dem Naturkautschuk als Reifenmaterial in wichtigen Eigenschaften wie der Abriebfestigkeit überlegen war. Gute Eigenschaften zeigten auch die Copolymere, die in den folgenden Monaten mit Acrylnitril und Methylisopropenylketon als Comonomere hergestellt wurden.Trotz der Weltwirtschaftskrise untersuchte die IG im Jahr 1931 in Kooperation mit Continental, ob sich die drei Copolymerisate für Reifen eigneten. Continental hatte 1929 die Peters Union übernommen. In der Kommunikation mit den Gummitechnikern erwiesen sich Polymernamen wie Butadien-Methylisopropenylketon-Mischpolymer als unpraktisch. Stattdessen bürgerten sich als Namen die „Qualitäten“ K, S und N für die Comonomere Methylisopropenylketon, Styrol und Acrylnitril ein – oder noch kürzer: Buna K, Buna S und Buna N.Diese Nomenklatur beschränkte sich zunächst auf die Anwendungstechniker, setzte sich aber spätestens ab 1935 im gesamten Konzern durch. Diese neue Generation von Synthesekautschuken wurde später unter dem Begriff Buchstabenbuna zusammengefasst und damit von den Alkalipolymerisaten abgegrenzt, die als Zahlenbuna bezeichnet werden. Buna war damit zum Familiennamen der synthetischen Festkautschuke der IG geworden.Mit der Erfindung von Buna S und Buna N geriet der Zahlenbuna in den Hintergrund. Lediglich für einige Spezialanwendungen hatte er noch Bedeutung.<h2>Buna in der Öffentlichkeit</h2>Auf der internationalen Automobil- und Motorradausstellung im Februar 1936 in Berlin präsentierte die IG der Öffentlichkeit zum ersten Mal die Ergebnisse ihrer Kautschukforschung. Die Presse sprach von „technischer Sensation“ und schlachtete das Ereignis aus – mit ausdrücklichem Wohlwollen Hitlers, der in der neuen Technik ideale Propaganda für das totalitäre Regime sah.Buna wurde einerseits zum Synonym für Synthesekautschuk allgemein, anderseits assoziierten die Menschen damit aber meist die auf der Ausstellung gezeigten Reifen und meinten eigentlich Buna S.In der Folgezeit entstanden großtechnische Produktionsanlagen für Buna in Schkopau, Marl und Ludwigshafen. 1940 forderte die nationalsozialistische Regierung den Bau einer vierten Produktionsanlage in Schlesien, das damals noch weit außerhalb der Reichweite feindlicher Bomberverbände lag. Anfang des Jahres 1941 entschied sich die IG Farbenindustrie für den Standort Auschwitz-Monowitz. Obwohl dieses vierte Werk niemals fertiggestellt wurde und dort kein Synthesekautschuk entstand, ist der Name Buna seitdem mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte verbunden.Im zweiten Weltkrieg spielte besonders Buna S eine entscheidende Rolle. Kautschuk ist essenziell für die Reifenherstellung und damit auch für eine mobile Kriegsführung. Deutschland hatte im Gegensatz zu den USA mit der nationalsozialistischen Autarkiewirtschaft auf den Kriegsfall hingearbeitet. Als Japan 1942 Südostasien eroberte, schnitt es die USA von den Plantagen der weltweit wichtigsten Kautschukproduzenten Malaysia und Indonesien ab. Die USA konnten nun nicht zuletzt dank der Standard Oil of New Jersey, der heutigen Exxon, eine Synthesekautschukindustrie mit Fokus auf Buna S aufbauen – vor dem Krieg hatte Standard Oil nämlich mit der IG auf dem Kautschukgebiet kooperiert. Die USA produzierten so in den Jahren zwischen 1942 und 1945 etwa 1,6 Millionen Tonnen Buna S, Deutschland stellte von 1937 bis 1945 etwa 430 000 Tonnen her.Nach Ende des zweiten Weltkriegs lebte Buna nicht nur als Marke, sondern auch als Firmenname in beiden deutschen Staaten weiter, etwa als „Bunawerke Hüls GmbH“ im Westen und „VEB Chemische Werke Buna“ im Osten. Als Nachhall der deutschen Teilung sind noch heute zwei Unternehmen Markeninhaber: Lanxess und Dow Chemical.<figure><img src="https://media.graphcms.com/dg69vO9TPqnuVweF6sx5"><figcaption><label>Abb. 5: </label>Dosierpumpen einer Anlage zur Herstellung des Synthesekautschuks Perbunan N im Werk Leverkusen der Farbenfabriken Bayer. „Buna N“ wurde ab 1938 unter dem Markennamen „Perbunan“ vertrieben. Fotograf: unbekannt, Quelle: Bundesarchiv</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/VejNJC1rRLO1ATvVNuvZ"><figcaption><label>Abb. 6: </label>Arbeiter schließen den Kopf des Butindioldruckturms einer Bunaanlage im Jahr 1941. Foto: BASF</figcaption></figure>
<h2>Quergelesen</h2>Buna entsteht, wenn Butadien mit Natrium als Aktivator polymerisiert. Diese erste Bunageneration wurde später als Zahlenbuna bezeichnet.Buna war ein Zufallsprodukt, das im Jahr 1910 gleichzeitig Forscher in London und Kiel entdeckten. Die Briten meldeten ihr Verfahren in Deutschland erfolgreich zum Patent an; im Jahr 1926 war die Alkalimetallpolymerisation wieder patentfrei.Im Juni 1929 copolymerisierte Walter Bock Butadien mit Styrol zu SBR. Variation der Vinylverbindung ergab weitere Kautschuke. Diese neue Kautschukgeneration hieß Buchstabenbuna.Im Juli 1930 registrierte das deutsche Reichspatentamt „Buna“ als Warenzeichen.Axel Requardt, Jahrgang 1951, studierte Chemie an der Universität Münster und promovierte im Jahr 1984 am dortigen Institut für Physikalische Chemie. Anschließend arbeitete er in der chemischen Industrie (Beiersdorf, Bayer, Lanxess). Seit 2011 beschäftigt er sich mit der Chemiegeschichte in Deutschland.<div><img src="https://media.graphcms.com/QaRUQBXCTBqQenRctlnI">

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<ul><h2>Literatur und Quellen</h2><li>
1 W. H. Perkin Jun., J. Soc. Chem. Ind. 1912, 31, 619.E. Wiegand, Hist. Soc. Res. 1981, 3, 18.F. E. Matthews, E.H. Strange, Britisches Patent GB1910/24790 vom 25.10.1910</li><li>
2 F. E. Matthews, E. H. Strange, Deutsches Patent DE249868 vom 24.10.1911</li><li>
3 Bayer-Archiv, BAL 151–7, Schriftwechsel BASF, Januar/Februar 1912</li><li>
4 A. Holt, Angew. Chem. 1914, 27, 153.</li><li>
5 G. Ebert, P. Orth, R. Heidebroek, Deutsches Patent DE715825 vom 02.10.1937Kautschuk und Gummi, Nr. 2/1953,S.38 WT</li><li>
6 BASF-Archiv, Aktennotiz Meyer vom 21.7.1964, Signatur K 4203/Buna</li><li>
7 Bayer Archiv, BAL 151–7, Schreiben der juristischen Abteilung in Ludwigshafen vom 12.11.1929</li><li>
8 A. Requardt, Jahrbuch 82 des Kölnischen Geschichstvereins 2013/14, „Walter Bock und die Erfindung des Buna“, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien, S. 291–333 (2015).</li></ul>

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Die Fettsäuren aus Fischöl unterstützen die Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen sowie von psychischen Erkrankungen und verringern Entzündungen im Körper, meint Gerhard Jahreis.
Von den Inuit heißt es, sie seien nicht im Kampf, sondern auf dem Nachhauseweg gestorben. Durch die extrem hohe Aufnahme der Fischölfettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) aus Lebertran war die Blutgerinnung deutlich vermindert, sodass sie bei größeren Verletzungen viel Blut verloren.Das Faszinierende an den ω-3-Fettsäuren ist ihre weitreichende Wirkung, obwohl sie gewöhnliche Nährstoffe sind. Die Eicosanoide, gebildet aus langkettigen ω-3- und ω-6-Fettsäuren, bestimmen die Balance der pro- und anti-inflammatorischen Metabolite. So werden durch den Verzehr der Eicosanoid-Vorstufen in Form von ω-6 (Arachidonsäure, ARA) oder ω-3 (EPA, DHA) das Entzündungsgeschehen, die Gemüts- und Schmerzzustände variiert.Die einfachste ω-3-Fettsäure ist die α-Linolensäure (ALA). Sie kommt in pflanzlichen Ölen und Samen vor; vom Leinöl hat sie ihren Namen. Wir verfügen über ein effektives Enzymsystem, das die ALA in Richtung EPA metabolisiert. Unser Organismus kann zwischen ω-1 und ω-9 keine Desaturation vornehmen, deshalb sind die ω-3- und ω-6-Fettsäuren essenzielle Nahrungsbestandteile. Theoretisch ist es möglich, dass wir EPA und DHA selbst bilden. Somit bräuchten wir nur die pflanzliche Vorstufe (ALA) aufzunehmen, den Rest würde unser Organismus erledigen. Realiter verzehren wir zu viel an ω-6-Fettsäuren – Linolsäure aus Sonnenblumen-, Soja- und Maisöl, Margarine, Snacks; ARA aus Fleisch, Schmalz –, die mit den ω-3-Fettsäuren um das gleiche Enzymsystem konkurrieren. Deshalb werden verstärkt entzündungsfördernde Eicosanoide aus ARA gebildet und gleichzeitig wird die Eigensynthese für EPA/DHA limitiert. Unsere Studien mit Pflanzenölen zeigen, dass nur eine geringe Synthese von EPA erfolgt, DHA wurde kaum synthetisiert. Aber DHA benötigen wir für die Entwicklung des Gehirns und des Auges (Makula). Beide Organe enthalten den höchsten Anteil an DHA (Gehirn zirka 15 % der Lipide). Die Ineffektivität des Synthesewegs von ALA zu EPA und besonders DHA hat einen relativen Mangel zur Folge. Hinzu kommt ein geringer Fischverzehr sowie Fisch aus Aquakultur mit weniger x-3-Fettsäuren.Die zunehmende Verknappung der natürlichen Ressourcen wird bei einer Zunahme der Weltbevölkerung zu Verteilungskämpfen um die hochwertigen ω-3-Quellen führen. Weltmeister in der Synthese der langkettigen ω-3-Fettsäuren sind die Mikroalgen der Meere, von denen die Kaltwasserfische profitieren. Zukunftsorientierte Nationen kümmern sich inzwischen um die Bereitstellung dieser Fettsäuren aus Algenkulturen.Unsere Studien an Menschen mit hohen Blutfettwerten (Hypertriglyceridämiker) zeigen, dass die ω-3-Fettsäuren zuverlässig diesen Risikofaktor für koronare Herzerkrankungen senken. Außerdem mindern sie den Blutdruck und stabilisieren den Herzrhythmus. Die ω-3-Fettsäuren wirken präventiv bei allen Krankheiten mit Entzündungsprozessen, darunter Rheuma, Multiple Sklerose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Risikogruppen, wie Schwangere, Stillende, Kinder und ältere Menschen (Burn-out, Demenz) bedürfen einer ausreichenden Versorgung von über 250 mg EPA+DHA pro Tag. Die ω-3-Fettsäuren werden in die Membranen der Zellen eingebaut. Unsere Studien an Rheumatikern zeigen, dass das ARA/EPA- und ARA/DHA-Verhältnis in der Erythrozyten-Membran unter Supplementation sinkt; parallel dazu vermindert sich die Krankheitsaktivität.Fazit: Eine Ernährung mit weniger ω-6- zugunsten ω-3-reicher pflanzlicher Lebensmittel wie Lein-, Raps- oder Walnussöl ist sinnvoll. Dabei ist aber zu beachten, dass hoch ungesättigte Fettsäuren oxidationslabil sind. Wir konnten Echiumöl als beste pflanzliche Quelle identifizieren. Es ist reich an Stearidonsäure (C18:4, bereits ω-6-desaturiert). Diese Öle fördern die Eigensynthese von EPA, die durch DHA-Quellen wie Meeresfische oder Algenöl ergänzt werden muss.Gerhard Jahreis vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Jena hatte von 1996 bis 2014 den Lehrstuhl für Ernährungsphysiologie inne. Er leitete über 50 Humanstudien; sein Hauptforschungsgebiet sind Fettsäuren. Er war Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und leitete über 20 Jahre die Sektion Thüringen. <a href="mailto:b6jage@uni-jena.de">b6jage@uni-jena.de</a><div><img src="https://media.graphcms.com/sa757QXYRLmAC9P5YBaM">

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