Industrie & Technik

Prof.Dr.

<p>Nach der Lektüre der Fakten und Trends zu Chemiestudiengängen in der Juli-Ausgabe der Nachrichten aus der Chemie war ich alarmiert ob des hohen und steigenden Anteils stellensuchender promovierter Chemiker. Obwohl ich selber die Promotion als Regelabschluss in der Chemie nicht mehr als zeitgemäß ansehe, will ich für promovierte Chemiker (und jene in spe) eine Lanze brechen – und ein paar Worte an die Industrie richten.</p><p>Liebe Doktoranden und Promovierte! Angesichts der Marktlage mag sich bei dem einen oder der anderen unter Ihnen Frust oder gar Resignation einstellen. Geben Sie dem nicht nach. Sie haben einen der härtesten Studiengänge auf einem weltweit qualitativ hochwertigen Niveau durchlaufen. Sie können exzellent analytisch und logisch denken, haben umfangreiche praktische Fertigkeiten entwickelt, können mit Neuem und Unbekanntem umgehen und sind stressresistent. Das ist wertvoll – und darauf können, dürfen und müssen Sie stolz sein.</p><p>War es das schon? Nein. Die Industrie erwartet von Ihnen auch unternehmerisches Denken, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Interdisziplinarität sowie Kompetenzen in Projektmanagement und Führungswissen. Das alles haben Sie nicht oder nicht in ausreichendem Maß gelernt. Wann und wo hätten Sie auch Zeit dafür gehabt? Egal. Dann fangen Sie eben heute damit an, sich mit diesen Themen zu beschäftigen.</p><p>Und bei welchen Unternehmen haben Sie sich beworben? Suchen Sie nicht nur bei den Großkonzernen: Es gibt in Deutschland gemäß VCI-Statistik 3910 Unternehmen in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Vielleicht auch das Unternehmen, das Sie gerade sucht? Ein guter Startpunkt: die Übersicht der VCI-Mitglieder unter <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.vci.de" target="_blank">www.vci.de</a></ext-link>.</p><p>Liebe Chemieindustrie! Wie kommt es, dass es in Zeiten steigender Umsätze und zunehmender Beschäftigtenzahlen promovierte Chemiker auf dem Arbeitsmarkt so schwer haben? Wenn, wie mir ein Manager eines Großkonzerns sagte, „promovierte Chemiker händeringend gesucht werden“ – warum sind dann noch so viele stellensuchend? Wenn es mangelnde Qualifikation ist: Warum sagen Sie nicht klarer, welche Kompetenzen Sie benötigen? Junge Menschen durch acht und mehr Jahre Studium und Promotion zu schicken, um ihnen am Ende zu sagen, dass sie nicht passgenau ausgebildet sind, kann doch nicht in Ihrem, geschweige denn in unserem volkswirtschaftlichen Interesse liegen. Hier haben Sie, liebe Industrie, eine Verantwortung für die nächste Chemikergeneration. Danken möchte ich all jenen Unternehmen, die viel Zeit und Geld opfern, um angehenden Chemikern in Praktika und Abschlussarbeiten Einblicke in die betriebliche Praxis zu gewähren. Machen Sie weiter so. Und alle, die davon noch nicht oder nicht mehr Gebrauch machen: Tun Sie es (wieder). Wir waren alle einmal jung und unerfahren – und durften wachsen und lernen, weil andere uns die Chance dazu gaben. Geben auch Sie Jungchemikern diese Chance.</p><p><a href="mailto:daubenfeld@hs-fresenius.de">daubenfeld@hs-fresenius.de</a></p><p>Thorsten Daubenfeld ist Professor für physikalische Chemie und Studiendekan Wirtschaftschemie an der Hochschule Fresenius. Er engagiert sich im Vorstand der Vereinigung für Chemie und Wirtschaft (VCW). In dieser Kolumne nimmt er uns mit auf die Reise in die Welt der Wirtschaftschemie. Foto: JohnMJohn</p>

Meldung

Die Ecke des Wirtschaftschemikers: Promotion geschaftt ‐ und arbeitslos

Nach der Lektüre der Fakten und Trends zu Chemiestudiengängen in der Juli-Ausgabe der Nachrichten aus der Chemie war ich alarmiert ob des hohen und steigenden Anteils stellensuchender promovierter Chemiker. Obwohl ich selber die Promotion als Regelabschluss in der Chemie nicht mehr als zeitgemäß...

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<p>In der deutschen Förderlandschaft gibt es Programme, die sich an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) richten. Etwa 45 Prozent der Beschäftigten in der Chemie arbeiten in Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern.<sup>1)</sup></p><h2>Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand</h2><p>Das wichtigste Förderprogramm für KMU ist das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Es handelt sich um ein Programm, das Produkt- und Verfahrensentwicklungen aus nahezu allen Branchen fördert. Das Programm ist für Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz kleiner als 50 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von maximal 43 Mio. Euro. Verbundene Unternehmen müssen dabei die konsolidierten Zahlen der gesamten Firmengruppe zugrunde legen.</p><p>Pro Projekt und Antragsteller sind Kosten von maximal 380 000 Euro förderfähig. Darüber hinausgehende Projektkosten muss das Unternehmen komplett selber tragen. Ein Unternehmen erhält pro Jahr maximal zwei Bewilligungen. Je nach Projektkonstellation – Einzel- oder Kooperationsvorhaben –, Größe und Sitz des Unternehmens erhalten die Firmen 25 bis 55 Prozent der Projektkosten als Förderung. Dies entspricht einem Zuschuss von 95 000 bis 209 000 Euro.</p><p>Förderfähig sind in erster Linie die Personalkosten von festangestellten Projektmitarbeitern (Arbeitnehmerbruttogehälter). Darüber hinaus können externe Entwicklungsaufträge vergeben werden, die ebenfalls bezuschusst werden. Auf den ersten Blick scheinen die Förderquoten recht niedrig, dies relativiert sich jedoch durch den anrechenbaren Gemeinkostenzuschlag auf die Gehälter, der bei 100 Prozent liegt. Mit dieser Pauschale sind alle sonstigen Aufwendungen wie die Lohnnebenkosten sowie Kosten für Administration und Verbrauchsmaterial abgegolten. Ein Beispiel zeigt die Tabelle.</p><table-wrap>

<label>Table 1</label><h2>Berechnungsbeispiel für die Fördermittel in einem ZIM-Einzelprojekt.</h2><img src="https://media.graphcms.com/3TXhGK4gQaOYgaRwPM4X">

</table-wrap><h2>Fördervoraussetzungen</h2><p>Das Unternehmen muss ein für den Markt neues oder deutlich verbessertes Produkt oder Verfahren entwickeln, um aus dem ZIM Fördermittel zu erhalten. Zudem muss das Unternehmen nachweisen, wie es den nicht geförderten Eigenanteil finanziert. Damit ist das Programm nur bedingt für Start-ups geeignet.</p><p>Wenn Forschungseinrichtungen wie Universitäten, Hochschulen oder Fraunhofer-Institute mit einem Unternehmen kooperieren, erhalten sie eine 100-%-Förderung, wenn die Kosten 190 000 Euro nicht überschreiten.</p><p>Nach einem erfolgreichen ZIM-Entwicklungsprojekt können Unternehmen außerdem einen Zuschuss von bis zu 25 000 Euro erhalten, der die Markteinführung unterstützt.</p><p>Ein wichtiger Vorteil des Programms – gerade aus Sicht mittelständischer Unternehmen – ist der relativ geringe bürokratische Aufwand bei der Projektabwicklung. Die Firmen können nach dem Einreichen des Antrags auf eigenes Risiko mit dem Projekt beginnen, müssen also nicht auf die Bewilligung des Förderantrags warten.</p><p>Bis Ende des Jahres 2019 nimmt das ZIM-Programm Anträge entgegen. In den Jahren 2008 bis 2014 gab es insgesamt zirka 28 000 Förderprojekte mit einem Volumen von etwa 3,8 Mrd. Euro. Die meisten Mittel fließen in die Entwicklung von Produktionstechnik (Grafik). Chemietechnik ist nicht gesondert ausgewiesen. Man kann zwar davon ausgehen, dass viele der den Querschnitttechniken wie Werkstoff-, Umwelt- und Nanotechnik zugerechneten Antragsteller zur Chemie oder zu verwandten Industriezweigen gehören. Dennoch könnten Chemieunternehmen das Programm stärker nutzen. Zwei Beispiele zeigen wie.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/okyRl5L3RpWpgvTxpQEX"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Statistik der im ZIM-Programm bewilligten Fördermittel nach Techniken zwischen Januar 2015 und Juni 2016.<sup>2)</sup></figcaption></figure>
<h2>Einzelprojekt Trennmittel</h2><p>Das auf Formentrennmittel spezialisierte Unternehmen Jost Chemicals entwickelt ein neuartiges, komplett wasserbasiertes Trennmittel für Kalt-Weichschaumteile aus Polyurethan. Das Projekt läuft über 18 Monate, der Zuschuss beträgt etwa 100 000 Euro (Förderquote 40 %). Das Trennmittel soll ohne organische Lösungsmittel eine leichte Entformung auch von klebrigen und noch nicht voll ausreagierten Teilen ermöglichen. Gleichzeitig muss es eine hohe Oberflächenqualität der Teile gewährleisten. Die Entwickler führen zunächst auf Laborebene verschiedene Rohstoffe und Katalysatoren zu neuartigen Rezepturen zusammen. Applikationsversuche mit frisch hergestellten Schäumen charakterisieren und optimieren die Eigenschaften der neuen Substanzen. Anschließend testen Pilotanwender die optimierten Trennmittel unter Produktionsbedingungen.</p><h2>Kooperationsprojekt Druckfarben</h2><p>GSB Wahl, ein Hersteller für Druckfarben und Lacke, entwickelt zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) solche Inkjet-Druckfarben für industriellen Digitaldruck, die unter UV-Licht vernetzen. Das Unternehmen erhält beim über 24 Monate laufenden Projekt einen Zuschuss von 100 000 Euro (Förderquote 45 %); das KIT erhält 157 500 Euro bei einer Förderquote von 90 %, wie bis Jahresende 2014 gültig.</p><p>Ein wesentliches Projektziel besteht darin, dass die auf Nanopigmenten basierenden Drucktinten universell für Druckköpfe verschiedener Hersteller einsetzbar sind und somit deutliche Kostenvorteile im Vergleich zu den herstellerspezifischen Tinten ermöglichen. Zunächst entwickelt der Forschungspartner Drucktinten im Labormaßstab und testet sie an verschiedenen Druckköpfen. Der Industriepartner skaliert anschließend die Herstellung der neuen Tinten in den Produktionsmaßstab und testet sie in einer industriellen Applikation, dem Etikettendruck.</p><h2>Weitere Förderprogramme</h2><p>Neben dem deutschlandweit einsetzbaren ZIM-Programm bieten die meisten Bundesländer eigene themenoffene Programme zur Förderung von F+E-Projekten. Die Fördervoraussetzungen und -konditionen sind unterschiedlich; einige Programme sind eine Alternative zum ZIM.</p><p>Die EU bietet mit dem KMU-Instrument innerhalb des Rahmenprogramms „Horizon 2020“ die Förderung von Einzel- oder Verbundprojekten an, die sich ausschließlich an kleine und mittlere Unternehmen richtet. Allerdings bedient das Programm nur spezielle Technikfelder, und die Bewilligungsquoten der Anträge sind geringer als in nationalen Förderprogrammen.</p><h2>Quergelesen</h2><p>Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand fördert marktnahe Produkt- und Verfahrensentwicklungen kleiner und mittlerer Unternehmen.</p><p>Pro Projekt und Antragsteller unterstützt das Programm Unternehmen mit bis zu 209 000 Euro.</p><p>Kooperationspartner wie Universitäten, Hochschulen oder Fraunhofer-Institute erhalten jeweils bis zu 190 000 Euro.</p><p>Michael Hohmann ist promovierter Chemiker und seit dem Jahr 2010 geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens Dr. Hohmann, Faust und Partner. Das Unternehmen hat sich auf Innovationsmanagement und Technologieförderung spezialisiert. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.hfp-innovationsberatung.de" target="_blank">www.hfp-innovationsberatung.de</a></ext-link></p><div><img src="https://media.graphcms.com/63V1EQS1RrCs6YccrR2K">

</div><p></p>
<ul><h2>Literatur und Internet</h2><li>
<sup>1 </sup>Die Chemische Industrie – Branchenanalyse, NIW Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Hannover, Oktober 2013.</li><li>
<sup>2 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.zim-bmwi.de/statistik.html" target="_blank">www.zim-bmwi.de/statistik.html</a></ext-link></li></ul>


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Die Ecke des Wirtschaftschemikers: Promotion geschaftt ‐ und arbeitslos

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