Wissenschaft & Forschung

&Uuml;ber das gesamte Jahr verteilt publiziert die Redaktion der Nachrichten aus der Chemie Trendberichte &uuml;ber alle chemischen Disziplinen hinweg.

Trendberichte

<h2>Die Zukunft der ultraschnellen Spektroskopie</h2>Neue experimentelle Ansätze in der ultraschnellen Spektroskopie liefern bereits jetzt zeitliche und räumliche Informationen. Dieser Trend entwickelt sich rasch und wird es ermöglichen, bisher unbekannte Informationen über die Wechselwirkung von Licht mit funktionalen Materialien zu erhalten.Die Wechselwirkung von Materialien mit Licht spielt eine entscheidende Rolle in technischen Anwendungen wie optischen Sensoren, Photovoltaikzellen, Photokatalysatoren oder Materialien, deren optische und mechanische Eigenschaften mit Licht gesteuert werden können. Die eingesetzten Materialien sind oft komplex, bestehen etwa aus organisch-anorganischen Hybridmaterialien, Polymerhalbleitern und Halbleitermischungen oder aus Nanokompositen, bei denen Nanopartikel oder -strukturen in andere Materialien eingebettet sind. Diese sind auf der Nanoskala nicht homogen und weisen zahlreiche unterschiedliche Grenzflächen auf. Wie sich Nanostruktur und Grenzflächen auf die Eigenschaften des gesamten Materials auswirken, ist nur in den seltensten Fällen verstanden.Um das Material insgesamt zu verstehen und damit zu optimieren, ist ein detailliertes mikroskopisches Bild der Materialien und deren Wechselwirkung mit Licht unabdingbar (Abbildung 1). Dies erfordert Methoden, die gleichzeitig räumliche und zeitliche Informationen liefern. In den vergangenen Jahren wurden dazu mehrere Techniken entwickelt. Sie alle verbinden eine hochauflösende Mikroskopietechnik (laterale Auflösung &lt; 100 nm) mit einem Femtosekunden-Lasersystem in einem Pump-Probe-Ansatz (Kasten).<figure><img src="https://media.graphcms.com/ofcc9vB1RQOaed4YP1vs"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Ultraschnelle Mikroskopie bildet lichtinduzierte Prozesse in komplexen Materialien ab.</figcaption></figure>
Die Abbildung ultraschneller Prozesse und mit Nanometerauflösung gelingt mit ultraschneller optischer Rasternahfeldmikroskopie (Snom), mit ultraschneller Elektronenmikroskopie (SEM und TEM) und mit ultraschneller Photoemissions-Elektronenmikroskopie (PEEM).<h2>Der Pump-Probe-Ansatz</h2>Das Pump-Probe-Prinzip (Anregungs-Abfrage-Prinzip, Abbildung) macht Zeitauflösung im Femtosekundenbereich zugänglich. Hierbei wird ein Femtosekunden-Laserpuls an einem teilweise durchlässigen Spiegel in zwei Pulse (Pump- und Probe-Puls) aufgeteilt. Während einer über eine feste Strecke gelenkt wird, variiert die Weglänge, die der andere Puls zurücklegt. Treffen beide Laserpulse auf die Probe, weisen sie dabei einen Zeitversatz auf, der ihrer Wegdifferenz entspricht. Der erste Puls (Pump-Puls) regt das System an, zum Beispiel indem er Elektronen vom Valenzband eines Halbleiters in das Leitungsband hebt. Der zweite Puls (Probe-Puls) fragt den angeregten Zustand nach einer bestimmten Verzögerungszeit ab. Diese Abfrage kann zum Beispiel durch die Messung der Absorption des Pulses geschehen (transiente Absorption) oder durch Photoionisation des angeregten Zustandes (zeitaufgelöste Photoelektronenspektroskopie). Führt man nun Messungen bei verschiedenen Zeitversätzen der beiden Laserpulse durch, kann man die Dynamik der angeregten Zustände mit einer Zeitauflösung untersuchen, die durch die Dauer der Laserpulse vorgegeben ist. Heutzutage sind Zeitauflösungen bis zu wenigen Femtosekunden möglich.<figure><img src="https://media.graphcms.com/gylQBjaR3KtbVfHO7JOx"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Bei der ultraschnellen Mikroskopie wird eine hochauflösende Mikroskopietechnik mit einem Femtosekunden-Lasersystem gekoppelt.</figcaption></figure>
<h2>Ultraschnelle optische Rasternahfeldmikroskopie</h2>Die Snom-Technik (scanning probe near-field optical microscopy) nutzt das optische Nahfeld in der Nähe einer sehr feinen Spitze.1) Das räumliche Auflösungsvermögen ist dann nicht mehr durch die Wellenlänge des verwendeten Lichts limitiert, sondern durch die Dimension der Spitze. So sind laterale Auflösungen unter 100 nm erreichbar. Die Spitze rastert über die Probe und detektiert an jedem Punkt spektroskopische Informationen des Materials.2) Wird an jedem Punkt ein Femtosekunden-Pump-Probe-Experiment durchgeführt, so ergibt sich ultraschnelle Spektroskopie mit hoher räumlicher Auflösung.3–5)<h2>Ultraschnelle Elektronenmikroskopie</h2>Bei der ultraschnellen Elektronenmikroskopie wird die Probe mit einem Laserpuls (Pump-Puls) angeregt und mit einem Elektronenpuls abgefragt. Der Elektronenpuls entsteht, indem der Probe-Puls auf eine Photokathode fokussiert wird. Dieses Prinzip wird sowohl im scanning ultrafast electron microscope (SUEM)6,7) als auch im ultrafast transmission electron microscope (UTEM oder UEM)8–10) eingesetzt. Die Entwicklung beider Techniken hat maßgeblich die Gruppe von Ahmed Zewail vorangetrieben. Der wesentliche Unterschied zwischen den Techniken besteht darin, dass im SUEM der Elektronenpuls fokussiert über die Probe gerastert wird und in jedem Pixel Sekundär- oder Rückstreuelektronen detektiert werden. Im UTEM hingegen werden transmittierte Elektronen detektiert, was atomare Auflösung erlaubt. Allerdings sind die Anforderungen an die Probenpräparation entsprechend hoch, da die Probe so dünn sein muss, dass genügend Elektronen transmittiert werden.<h2>Ultraschnelle Photoemissions-Elektronenmikroskopie</h2>Bei der Photoemissions-Elektronenmikroskopie (PEEM) werden mit Licht (im UV- oder Röntgenbereich) Photoelektronen aus der Probe herausgelöst (Abbildung 2, S. 318). Eine Hochspannung beschleunigt die Photoelektronen in Richtung des Mikroskops, und anschließend werden sie über mehrere Elektronenlinsen auf einen Detektor geleitet, der den Probenausschnitt vergrößert abbildet. Da alle Photoelektronen gleichzeitig abgebildet werden, ist das PEEM keine Rastertechnik. Das Auflösungsvermögen eines PEEMs liegt in der Regel im Bereich von einigen 10 nm. Spezielle aberrationskorrigierte Modelle erreichen auch Auflösungen unter 10 nm.11) Abbildung 3 (S. 318) zeigt ein hochaufgelöstes PEEM-Bild einer Kohlenstoffnanoröhre bei Beleuchtung mit einer Hg-Lampe.12) Bei dieser Auflösung (unter 40 nm) ist ein Intensitätskontrast entlang der Nanoröhre detektierbar, der ihre Topographie widerspiegelt.<figure><img src="https://media.graphcms.com/60pSgXeTgKPaINOxbiRM"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Photoemissions-Elektronenmikroskopie (PEEM) beruht darauf, dass eine Elektronenoptik die Photoelektronen einer Probe auf einen Detektor abbildet (links). Hochaufgelöstes PEEM-Bild einer Kohlenstoffnanoröhre (rechts).</figcaption></figure>
Die Photoemissions-Elektronenmikroskopie bildet neben Nanoobjekten Hybridmaterialien ab. Bereits geringe Unterschiede in den elektronischen Strukturen der Materialien, insbesondere Austrittsarbeit und Zustandsdichte, resultieren in deutlichem Kontrast im PEEM-Bild, speziell bei Photonenenergien nahe der Ionisationsschwelle. Verfügt das PEEM über einen Energieanalysator, so kann zusätzlich die kinetische Energie der Photoelektronen analysiert werden. Dadurch erhält man prinzipiell für jeden Bildpunkt der PEEM-Abbildung ein Photoelektronenspektrum.Bei der ultraschnellen Photoemissions-Elektronenmikroskopie ist das Gerät mit einem Femtosekunden-Pump-Probe-Aufbau kombiniert. Hierbei wird die Wellenlänge des Pump-Pulses so gewählt, dass die Probe elektronisch angeregt, aber noch nicht ionisiert wird. Der zeitlich verzögerte Probe-Puls hat ausreichend Photonenenergie, um Elektronen aus den angeregten Zuständen ins Vakuum zu heben, wo das PEEM die resultierenden Photoelektronen detektiert. Dieses Prinzip wird 2-Photonen-Photoemission (2PPE) genannt.13–15) Auf diese Weise kann zusätzlich zur Nanostruktur der Materialien direkt die zugehörige ultraschnelle Dynamik lichtinduzierter Prozesse abgebildet werden (Abbildung 3).<figure><img src="https://media.graphcms.com/83gOJyfsSkzjaUkVemN3"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Bei der ultraschnellen Photoemissions-Elektronenmikroskopie regt ein Pump-Puls die Probe optisch an. Zeitverzögert dazu photoionisiert der Probe-Puls das System und erzeugt dadurch ein Abbild der Probe. Durch Variation der zeitlichen Verzögerung zwischen Pump- und Probe-Puls lassen sich photoinduzierte Prozesse in einem Material direkt abbilden.</figcaption></figure>
<h2>Photoinduzierte Prozesse in Halbleitern</h2>Seit den ersten Proof-of-Principle-Experimenten16) dient ultraschnelle PEEM zur Untersuchung von Oberflächenplasmonen an Metallnanopartikeln und strukturierten Oberflächen.17–19) Ultraschnelle PEEM macht diese Plasmonen und ihre Ausbreitung direkt sichtbar. In den letzten Jahren wurden zunehmend photoinduzierte Prozesse in organischen und anorganischen Halbleitern untersucht. Wall et al. zeigten mit ultraschneller PEEM, dass sich die Lebensdauer von Exzitonen in dünnen Pentacenfilmen und vereinzelten Pentaceninseln (auf diesen Filmen) unterscheidet.20) Fukumoto et al. bildeten im Jahr 2014 die ultraschnelle laterale Bewegung von photogenerierten Ladungsträgern in einem GaAs-Halbleiter ab, an den ein elektrisches Feld angelegt war.21)Unsere Gruppe hat im Herbst 2015 erste ultraschnelle PEEM an halbleitenden Polymerfilmen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass ultraschnelle PEEM die Morphologie dieser Materialien abbildet und dass die Dynamik photoinduzierter Prozesse von der lokalen Morphologie abhängt. Dieses Potenzial der ultraschnellen PEEM wollen wir nutzen, um den Zusammenhang zwischen Materialmorphologie und (photo-)physikalischen Eigenschaften aufzuklären, der für die Weiterentwicklung dieser Materialien essenziell ist.Andreas Neff, Jahrgang 1988, ist seit 2013 mit einem Stipendium der Beilstein-Stiftung Doktorand in der Gruppe von Katrin Siefermann am Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung (IOM) in Leipzig. Er hat in Göttingen Physik studiert und erlangte 2013 den Abschluss Master of Science. Seine Forschungsinteressen liegen auf dem Gebiet der zeitaufgelösten Abbildung ultraschneller Prozesse in Materialien für neuartige Photovoltaiksysteme.<div><img src="https://media.graphcms.com/i28TodUGRZmw1mXR3xDY">

</div>Katrin R. Siefermann, Jahrgang 1982, leitet seit September 2012 eine Forschungsgruppe am Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung (IOM) in Leipzig. Sie studierte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und promovierte im Jahr 2010 an der Universität Göttingen bei Bernd Abel. Anschließend forschte sie zwei Jahre in den Gruppen von Daniel Neumark und Oliver Gessner am Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL) in den USA. Ihre Gruppe am IOM entwickelt und nutzt experimentelle Techniken der ultraschnellen Spektroskopie, um die Wechselwirkung von Licht mit funktionalen Materialien aufzuklären. <a href="mailto:katrin.siefermann@iom-leipzig.de">katrin.siefermann@iom-leipzig.de</a><div><img src="https://media.graphcms.com/8Xl0aG1eSCOkScEMA4pn">

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<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 E. Betzig, A. Lewis, A. Harootunian, M. Isaacson, E. Kratschmer, Biophys. J. 1986, 49, 269–279.</li><li>
2 S. Kuehn, P. Pingel, M. Breusing et al., Adv. Funct. Mater. 2011, 21, 860.</li><li>
3 J. Levy, V. Nikitin, J. M. Kikkawa, et al., Phys. Rev. Lett. 1996, 76, 1948.</li><li>
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5 K. Karki, M. Namboodiri, T. Zeb Khan, A. Materny, Appl. Phys. Lett. 2012, 100, 153103.</li><li>
6 D.-S. Yang, O. F. Mohammed, A. H. Zewail, Proc. Natl. Acad. Sci. 2010, 107, 14993.</li><li>
7 E. Najafi, T.D. Scarborough, J. Tang, A. Zewail, Science 2015, 347, 164.</li><li>
8 V. a Lobastov, R. Srinivasan, A. H. Zewail, Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A. 2005, 102, 7069.</li><li>
9 B. Barwick, H.S. Park, O.-H. Kwon, J.S. Baskin, A.H. Zewail, Science 2008, 322, 1227.A. Feist, K. E. Echternkamp, J. Schauss, S. V. Yalunin, S. Schäfer, C. Ropers, Nature 2015, 521, 200.</li><li>
10 R. Könenkamp, R. C. Word, G. F. Rempfer, T. Dixon, L. Almaraz, T. Jones, Ultramicroscopy 2010, 110, 899.</li><li>
11 A. Neff, O. Naumov, T.-J. Kühn et al. Am. J. Nano Res. Appl. 2014, 2, 27.</li><li>
12 R. T. Williams, T. R. Royt, J. C. Rife, J. P. Long, M. N. Kabler, J. Vac. Sci. Technol. 1982, 21, 509.</li><li>
13 X.-Y. Zhu, Q. Yang, M. Muntwiler, Acc. Chem. Res. 2009, 42, 1779.</li><li>
14 J. Stähler, J.-C. Deinert, D. Wegkamp, S. Hagen, M. Wolf, J. Am. Chem. Soc. 2015, 137, 3520.</li><li>
15 O. Schmidt, M. Bauer, C. Wiemann et al. Appl. Phys. B 2002, 74, 223.</li><li>
16 A. Kubo, K. Onda, H. Petek, Z. Sun, Y. S. Jung, H. K. Kim, Nano Lett. 2005, 5, 1123.</li><li>
17 F.-J. Meyer zu Heringdorf, L. I. Chelaru, S. Möllenbeck, D. Thien, M. Horn-von Hoegen, Surf. Sci. 2007, 601, 4700.</li><li>
18 M. Bauer, C. Wiemann, J. Lange et al., Appl. Phys. A 2007, 88, 473.</li><li>
19 S. Wall, D. Thien, F.-J. Meyer zu Heringdorf, J. Electron Spectros. Relat. Phenomena 2012, 185, 436.</li><li>
20 K. Fukumoto, Y. Yamada, K. Onda, S.Y. Koshihara, Appl. Phys. Lett. 2014, 104, 053117.</li></ul>

Trendbericht

Die Zukunft der ultraschnellen Spektroskopie

Die Zukunft der ultraschnellen SpektroskopieNeue experimentelle Ansätze in der ultraschnellen Spektroskopie liefern bereits jetzt zeitliche und räumliche Informationen. Dieser Trend entwickelt sich rasch und wird es ermöglichen, bisher unbekannte Informationen über die Wechselwirkung von Licht mi...

<h2>Kontrollierte Moleküle für Beobachtungen von Struktur und Dynamik</h2>Struktur definiert Funktion. Wirklich? Haben Moleküle überhaupt eine wohldefinierte Struktur? Ist es die geometrische Anordnung, ausgedrückt in einer Lewis-Formel? Oder ist es die Elektronendichteverteilung, die widerspiegelt, dass die Elektronen Bindungen formen und die Chemie definieren? Nach unserer Auffassung muss man weiter gehen: Die Definition von Struktur und Molekül hängt von der spezifischen wissenschaftlichen Fragestellung ab und genau genommen davon, was wir unter Molekül und Struktur verstehen.Wir definieren ein Molekül durch seine Wechselwirkungen, zum Beispiel mit elektromagnetischen Feldern.1) Nach dieser Definition sind Strukturisomere und Enantiomere eines Moleküls sowie selbst ortho- und para-Wasserstoff, verschiedene Spezies, da sie unterschiedliche elektromagnetische Wechselwirkungen eingehen. Den Zusammenhang von Struktur und Funktion experimentell zu untersuchen, erfordert entsprechend definierte molekulare Proben.<h2>Experimenteller Ansatz</h2>Mit starken inhomogenen elektrischen Feldern können wir heute Moleküle in der Gasphase nach Form, Spezies und sogar einzelnem Quantenzustand separieren und diese kontrollierten Proben individuell untersuchen und manipulieren. Diese detaillierte Kontrolle über Moleküle und Zustände ist dann vorteilhaft und oft unausweichlich, wenn die Experimente selbst nicht zustandsspezifisch sind, zum Beispiel bildgebende Verfahren für Moleküldynamiken, molecular movies, mit ultraschneller (Femtosekunden) und atmomarer räumlicher Auflösung.Röntgen- und Elektronenbeugung, die Technik der Erzeugung von hohen Harmonischen (high-harmonic generation, HHG) oder Photoelektronenabbildungen im molekularen Koordinatensystem (molecular-frame photoelectron imaging, MFPAD) sind nicht speziesselektiv, sondern mitteln über alle vorhandenen Spezies im Probenvolumen. Diese erfordern daher die Vorbereitung reiner und kontrollierter Moleküle. Diese selektierten Moleküle erlauben gezielte quantenmechanische Manipulationen mittels elektrischer Felder, zum Beispiel ihre Ausrichtung und Orientierung.In unseren Experimenten werden Moleküle in Überschallstrahlen auf zirka 1 K abgekühlt. Dann können sie aufgrund der Wechselwirkung mit starken inhomogenen elektrischen Feldern kontrolliert und separiert werden.1) Da das effektive Moleküldipolmoment quantenzustandsspezifisch ist,2) dispergiert diese Wechselwirkung den Molekülstrahl und separiert die Moleküle analog einem Prisma räumlich nach ihrem Quantenzustand. Die separierten Proben lassen sich spektroskopisch charakterisieren und stehen für weitere Experimente zur Verfügung, zum Beispiel für Reaktionskinetik-3) oder Röntgenbeugungsexperimente.4,5)<h2>Einzelne Quantenzustände</h2>Die Separationsmethode ist empfindlich genug, um quantenzustandsreine Proben kleiner Moleküle, zum Beispiel Wasser oder Carbonylsulfid (OCS), zu erzeugen. So ist es kürzlich gelungen, die Kernspinisomere des Wassers, ortho- und para-Wasser, in der Gasphase zu trennen.6) Die Kernspinisomere sind hier als unterschiedliche, sich nicht ineinander umwandelnde Spezies zu betrachten. Sie leiten sich aus der Nichtunterscheidbarkeit der identischen Wasserstoffkerne im Wasser ab, die jeweils einen Kernspin von +1/2 (up) oder –1/2 (down) besitzen. Im Wassermolekül sind diese nun symmetrisch (ortho, I=1) oder anti-symmetrisch (para, I=0) kombiniert (Abbildung 1, S. 319).Unter den experimentellen Voraussetzungen im kalten Molekülstrahl befinden sich alle Moleküle im Schwingungsgrundzustand. Da die Gesamtwellenfunktion des Moleküls nach dem Pauli-Prinzip bezogen auf die Vertauschung der beiden Protonen (Fermionen) antisymmetrisch sein muss, kombinieren die Kernspinisomere mit unterschiedlichen Rotationszuständen. So hat para-Wasser einen Rotations-Grundzustand von JKaKc = 000 und ortho-Wasser JKaKc = 101. Es ist diese Kopplung der Rotationszustände mit den Kernspinzuständen, die das Separieren der Kernspinisomere im elektrischen Feld ermöglicht (Abbildung 2). Wir erzielen eine spektroskopische Reinheit von 97 % bei ortho-Proben und 74 % bei para-Proben. Diese Proben erlauben eine ganze Reihe neuartiger Experimente: zur ortho-para-Umwandlung, zur Astrochemie des Wassers oder zu hyperpolarisierten Proben, die den Kontrast von NMR-Messungen steigern.<h2>Trennung von Strukturisomeren</h2>Die an kleinen Molekülen demonstrierte Methodik eignet sich auch für größere Moleküle. Allerdings ist es hier nicht mehr möglich, einzelne Quantenzustände zu separieren, da die Zustandsdichte sehr hoch ist und sich einzelne Zustände zu ähnlich sind. Trotzdem lassen sich Spezies mit verschiedenen Dipolmomenten voneinander trennen, so zum Beispiel Rotationsisomere7) (Konformere) oder Molekülcluster.8) Wir haben so die cis-trans-Konformere meta-substituierter Phenole in der Gasphase voneinander getrennt.3,7,9) Diese reinen Proben erlauben es, die Funktionen einzelner Konformere zu untersuchen und damit den Zusammenhang zwischen molekularer Struktur und Funktion zu erforschen.Erste Experimente mit konformerseparierten Molekülstrahlen erlaubten die Bestimmung der individuellen Reaktionsraten von cis- und trans-3-Aminophenol mit Calciumionen.3) In diesen Untersuchungen stießen zustandsselektierte Moleküle auf lasergekühlte Ionen in einem Coulomb-Kristall.10) Die Reaktionsrate ergibt sich aus der zeitlichen Abnahme der Calciumionen in der Falle (Abbildung 3). Daraus ergab sich, dass cis-3-Aminophenol mehr als doppelt so schnell mit Ca+-Ionen reagiert wie das trans-Konformer. Weiterhin erlauben die kontrollierten Moleküle neuartige Experimente zur Untersuchung ihrer ultraschnellen Dynamik.4,5)<h2>Ausrichtung und Orientierung von Molekülen</h2>Auch wenn der elektrostatische Deflektor Proben großer Moleküle nicht in einzelne Rotationszustände separieren kann, so erlaubt er doch die Dispersion des Ensembles aller besetzten Rotationszustände. Dadurch stellt er vielen anderen Experimenten Proben dieser Moleküle bereit, die kälter sind, als sie herkömmliche Überschallmolekularstrahlen erzeugen können.1) Diese kalten Moleküle sind vorteilhaft, wenn es darum geht, zum Beispiel ihre Ausrichtung und Orientierung in starken elektrischen und Laserfeldern zu kontrollieren. In solchen Experimenten wechselwirkt ein starker Laserpuls mit der Polarisierbarkeitsanisotropie des Moleküls und richtet es so im Raum aus (Abbildung 4a). Da das elektrische Wechselfeld eines Laserpulses diese Ausrichtung bewirkt, gibt es keine bevorzugte Orientierung des Dipolmoments im Feld, und Moleküle richten sich gleichzeitig parallel und antiparallel dazu aus. Anlegen eines weiteren, statischen elektrischen Felds bricht diese Symmetrie, und ein dreidimensional orientiertes Ensemble an Molekülen entsteht.In weiteren Experimenten entfällt die sonst typische Mittelung über alle Orientierungen, und man erhält Daten im Koordinatensystem des Moleküls. Diese erlauben direkte Einblicke in die nukleare und elektronische Struktur und deren zeitliche Entwicklung.1,11) Diese Methode ist vielseitig anwendbar und wurde bereits für eine Reihe großer Moleküle demonstriert,12–14) zum Beispiel Iodbenzol, 2,5-Dibromthiophen oder 6-Chloropyridazin-3-carbonitril.<h2>Dynamik einzelner Quantenzustände</h2>Um detailliertes Verständnis der adiabatischen und nichtadiabatischen Dynamiken während der Ausrichtung und Orientierung von Molekülen zu entwickeln, nutzen wir die kontrollierten und quantenzustandselektierten Proben kleiner Moleküle. Unter anderem haben wir OCS im Rotationsgrundzustand (J = 0) mit einem 50-ps-Laserpuls ausgerichtet, der damit kürzer als eine Rotationsperiode des Moleküls im Grundzustand ist (τrot = 82 ps). Dies führt zu einer nichtadiabatischen Ausrichtung im Laborkoordinatensystem.15)Der Laserpuls regt ein Wellenpaket von Pendelzuständen an, dem Quantenäquivalent eines klassischen Pendels. Die Fortpflanzung dieses Wellenpakets spiegelt sich als Oszillationen in der zeitaufgelösten Messung der molekularen Ausrichtung wider (Abbildung 4b). Beimischung eines statischen elektrischen Feldes erzeugt nun auch eine Orientierung, also eine Vorzugsrichtung des Dipolmoments der Moleküle im Raum. Hier eignen sich selbst Laserpulse mit 500 ps Pulsdauer, um Zustände unterschiedlicher Parität zu mischen. Das so produzierte Wellenpaket resultiert in einer starken Orientierung, nachdem der Laserpuls bereits vorüber ist. Der hier erzielte Grad der Orientierung im feldfreien Raum von CcoshX = 0,6 ist deutlich höher, als es bisher eine Technik mit kurzen Terahertz-Pulsen erreichte.16)Durch die Kombination quantenzustandsselektierter Moleküle mit der Messung nichtadiabatischer Dynamiken von Ausrichtung und Orientierung ist die Besetzung einzelner J,M-Zustände an unterschiedlichen Stellen des Molekularstrahls direkt bestimmbar. Hierbei wird der Wert des Gesamtdrehimpuls J durch die Messung der zeitlichen Entwicklung der molekularen Ausrichtung und somit der Schwebungsfrequenzen ermittelt. Der Betrag der Quantenzahl M, also die Projektion des Drehimpulses auf die Feldachse, ist über die Winkelverteilung der Wahrscheinlichkeitsdichte für isolierte Rotationszustände J bestimmbar, ohne dass ein Laserpuls die Moleküle vorher ausrichten muss. Somit lassen sich die besetzten Quantenzustände im Molekülstrahl vollständig experimentell charakterisieren.<h2>Kontrollierte Moleküle</h2>Mit starken inhomogenen elektrischen Feldern lassen sich Bewegung und Orientierung von Molekülen durch ihren Rotationszustand oder ihr Dipolmoment kontrollieren. Das funktioniert selbst für große Moleküle und biochemisch relevante Systeme. Mit zustandsselektierten Proben komplexer Moleküle lässt sich ihre molekulare Funktionalität individuell untersuchen. Die Zusammenhänge zwischen Struktur, Dynamik und Funktion werden so sichtbar. Ein detailliertes Verständnis dieser Zusammenhänge gibt nicht nur Einblicke in chemische Systeme, sondern trägt auch zum funktionsbasierten Design neuer Moleküle und Komplexe bei.Mit der Kombination bildgebender Verfahren mit atomarer und hoher zeitlicher Auflösung, zum Beispiel mit Freie-Elektronen-Lasern sind chemische Reaktionen – also das Brechen und Formen einzelner chemischer Bindungen – direkt zu beobachten.<figure><img src="https://media.graphcms.com/IHnlrNxyRfSP3zckPPMx"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Kombinationen von Kernspin- und Rotationszuständen im Wassermolekül.</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/bI7TdXv8RnioGbX4kphO"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Separation von ortho- und para-Wasser mit einem elektrostatischen Deflektor. Die Separation einzelner Quantenzustände ist spektroskopisch nachweisbar.</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/CtBXm60zQomyczQazmgH"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Kollisionsexperimente von konformerselektierten Molekülen mit lasergekühlten Calciumionen. Bild: Yuan-Pin Chang, CFEL/Desy</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/svL99IUpQBmn0cIgd6Nw"><figcaption><label>Abb. 4: </label>a) Ausrichtung und Orientierung von Molekülen, quantifiziert durch die Erwartungswerte von cos2è und cosè. b) Ausrichtung von OCS im Laserfeld. Der Laserpuls ist zwischen 10 und 60 ps zugegen. Die Anregung von Pendelzuständen erzeugt ein quantenmechanisches Pendel, das zu charakteristischen Oszillationen in der molekularen Ausrichtung während des Laserpulses führt. Nach dem Laserpuls (&gt;60 ps) ist eine komplexe feldfreie Ausrichtungsdynamik zu sehen.</figcaption></figure>
Daniel Horke, Jahrgang 1987, studierte Physik und Chemie an der Universität von Durham, Großbritannien. Hier promovierte er bei Jan Verlet und kam im Jahr 2013 als Postdoc an das Center for Free-Electron-Laser Science nach Hamburg. Seit dem Jahr 2014 ist er Teamleiter und beschäftigt sich mir der Kontrolle und Röntgenbeugung von isolierten großen Molekülen und Nanoteilchen in der Gasphase.<div><img src="https://media.graphcms.com/hUYt7NigQry2C2aR1pE1">

</div>Sebastian Trippel studierte Physik an der Universität Freiburg und wurde dort promovierte über Ion-Molekül-Reaktionen promoviert. Er kam im Jahr 2010 als Postdoc an das Center for Free-Electron-Laser Science nach Hamburg und ist dort seit 2014 Teamleiter. Er beschäftigt sich mit der Untersuchung und Kontrolle von interner Moleküldynamik, darunter von Isomerisierungsreaktionen kleiner Moleküle in der Gasphase.<div><img src="https://media.graphcms.com/18TcqUM1TuqjrlML9fB1">

</div>Jochen Küpper ist Gruppenleiter am Center for Free-Electron-Laser Science, Desy, Hamburg und Professor an der Universität Hamburg. Er studierte Chemie an der Universität Düsseldorf und wurde dort promoviert. An der University of North Carolina in Chapel Hill, USA, arbeitete er an der Erzeugung von Raketentreibstoffen in superflüssigen Heliumtröpfchen. Anschließend entwickelte er am FOM-Institut für Plasmaphysik Rijnhuizen in den Niederlanden und als Forschungsgruppenleiter am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft Methoden, um die Bewegung großer Moleküle zu manipulieren. Im Jahr 2009 wurde er an der Freien Universität Berlin habilitiert. Seit 2010 in Hamburg hat er die Kontrolltechniken um Ausrichtung und Orientierung der Moleküle erweitert und verwendet diese kontrollierten Proben, um zeitlich und räumlich hochaufgelöste bildgebende Verfahren zu implementieren. Küpper erhielt unteranderem den Nernst-Haber-Bodenstein-Preis der Bunsen-Gesllschaft und einen Consolidator Grand des Europäischen Forschungsrats. <a href="https://www.controlled-molecule-imaging.org" target="_blank">www.controlled-molecule-imaging.org</a><div><img src="https://media.graphcms.com/lkZQPBASLegtA6IIalrA">

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5 J. H. Ullrich, B. Feuerstein, W. Wurth, Nachr. Chem. 2008, 56, 311.</li><li>
6 D. A. Horke, Y.-P. Chang, K. Długołecki, J. Küpper, Angew. Chem. Int. Ed. 2014, 53, 11965.</li><li>
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15 S. Trippel, T. Mullins, N. L. Müller et al. Phys. Rev. A. 2014, 89, 051401.</li><li>
16 S. Trippel, T. Mullins, N. L. Müller, J. S. Kienitz, R. González-Férez, J. Küpper, Phys. Rev. Lett. 2015, 114, 103003.</li></ul>

Trendbericht

Die Zukunft der ultraschnellen Spektroskopie

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