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Schon das Motto “Chemie schafft Zukunft” zeigte, dass sich das GDCh-Wissenschaftsforum in Bremen nicht mit falscher Bescheidenheit zufrieden geben wollte. “Die Energiewende ist nur mit der Chemie zu schaffen”, rief GDCh-Präsident Michael Dröscher den Teilnehmern bei der Eröffnungsveranstaltung zu. Er forderte: “20 Jahre nach der Rio-Konferenz müssen wir Chemiker uns noch stärker einbringen.” Dass die Chemiker damit offene Türen einrennen, machte Wolf-Dieter Lukas, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Bildung und Forschung, deutlich: “Die deutschen Autos sind auf die Chemie angewiesen.” Der Umweltsenator des Landes Bremen, Joachim Lohse, beschrieb den weiten Weg, den die chemische Industrie auf dem Weg der Nachhaltigkeit gegangen ist und wie er stets der GDCh treu blieb, obwohl ihm dies als Grünem nicht immer leicht fiel. Dröscher schlug daraufhin vor, das Wissenschaftsforum in Zukunft stets nur in solchen Bundesländern zu veranstalten, in denen wenigstens ein Minister GDCh-Mitglied ist.
Im Internationalen Jahr der Chemie konnte die GDCh einige weit gereiste Gäste begrüßen: Schon bei der Eröffnungsveranstaltung sorgte das japanische Orchestra Chimica, verstärkt durch Bremer Musiker, für musikalische Glanzpunkte. Anlass waren 150 Jahre japanisch-deutsche Zusammenarbeit, die auch ein wissenschaftliches Symposium würdigte, das GDCh und die Japanische Chemische Gesellschaft gemeinsam ausrichteten.
Ein weiteres gemeinsames Symposium — diesmal mit der Chinesischen Chemischen Gesellschaft — hatte “Chemistry and Water” zum Gegenstand.
Erstmals fand das Wissenschaftsforum nicht an einer Universität, sondern in einem Kongresszentrum statt. Dies sollte den über 1600 Teilnehmern sowie den 300 Vortragenden genügend Raum zur Präsenta tion wissenschaftlicher Exzellenz bieten: Dennoch waren manche Symposien so gut ausgelastet, dass Besucher stehen mussten.
Auch die Postersession war gut besucht. Über 500 Poster — über 200 mehr als beim letzten Wissenschaftsforum — sorgten für Andrang und volle Gänge. Ein Pluspunkt war, dass die Postersession und die Ausstellung der etwa 30 Unternehmen und Forschungsorganisationen in einem Raum stattfanden, so dass hier ein lebhafter Austausch herrschte. Erfreulich war die hohe Zahl von Nachwuchswissenschaftlern: 145 erhielten ein Reisestipendium der Karl-Ziegler-Stiftung, 24 weitere förderte die GDCh aus ihrem allgemeinen Stipendienfonds.
Wie gewohnt waren es die GDCh-Fachstrukturen, die das Programm gestalteten. Die Symposien beschäftigten sich mit Synthese und Katalyse sowie nicht zuletzt mit neuen Materialien sowie Energie, Umwelt und nachhaltiger Chemie. Die Fachgruppen Chemie unter richt, Nuklearchemie und Angewandte Elektrochemie hielten zudem ihre Jahrestagungen unter dem Dach des Wissenschaftsforums ab.
Über ein Dutzend Preise wurden während des Wissenschaftsforums verliehen. Die GDCh stellte auf einer Podiumsdiskussion zudem das Diskussionspapier der Präsidentenkommission “Perspektiven der Chemie” vor.
Christian Remenyi, Bremen

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Die Zukunft ist da

Schon das Motto “Chemie schafft Zukunft” zeigte, dass sich das GDCh-Wissenschaftsforum in Bremen nicht mit falscher Bescheidenheit zufrieden geben wollte. “Die Energiewende ist nur mit der Chemie zu schaffen”, rief GDCh-Präsident Michael Dröscher den Teilnehmern bei der Eröffnungsveranstaltung zu...

Blickpunkt

In diesem Monat überschreitet die Weltbevölkerung die Sieben-Milliardenmarke. Wie sind mehr als sieben Milliarden Menschen zu ernähren? Die landwirtschaftlich genutzte Fläche nimmt nicht zu. Zudem steigt die Nachfrage nach Fleisch und dessen Produktion ist flächenintensiver als die vegetarische Option.
Die Chemie hat im 20. Jahrhundert die Bevölkerungszunahme möglich gemacht: Ohne die Haber-Bosch-Synthese, welche die Grundlage für Stickstoffdünger liefert, könnte die Erde heute nicht einmal halb so viele Menschen ernähren. Auch Pflanzenschutzmittel haben die Produktivität der Landwirtschaft verbessert. Doch da diese Verbesserungen inzwischen rund um den Globus im Einsatz sind, kann man durch sie keine weitere Steigerung erwarten. Im Gegenteil: Die Ausbreitung von Resistenzen gegen Herbizide und Pestizide lässt sogar Produktivitätsverluste befürchten.


<h2>Einheit und Vielfalt</h2>
Die bereits im vorigen Jahrhundert eingeführten biotechnischen Verfahren für die Landwirtschaft, richteten sich jeweils auf ein Ziel: Man führt ein Gen in eine Pflanzenart ein, um sie gegen ein Herbizid resistent zu machen, das dann alle anderen Pflanzen flächendeckend vernichtet.
Dieses Vorgehen wurde am erfolgreichsten und konsequentesten für den Soja-Anbau in den USA angewandt. Als Herbizid verkaufte Monsanto dort die Unkrautbekämpfungsmittelserie Roundup mit dem Wirkstoff N-(Phosphonomethyl)glycin (Glyphosat, Abbildung 1). Das dagegen resistente Monsanto-Saatgut (Roundup-Ready) schien der perfekte Partner für einen unkrautfreien Acker zu sein.
Inzwischen sind allerdings die ersten gegen Glyphosat resistenten Pflanzen aufgetaucht, so dass die amerikanischen Farmer wieder zu anderen Mitteln greifen. Eine zweite Produktkombination, die sie im Wechsel mit Roundup verwenden könnten, gibt es nicht.
Ökologen waren sowieso von der Idee nicht begeistert, hektarweise nur genetisch identisches Saatgut zu verwenden. Für die Natur sei das auch nicht besser, als wenn man die Fläche gleich zubetonierte. Zum Beispiel entzieht man damit den für die Bestäubung vieler Kulturpflanzen wichtigen Insekten den Lebensraum, denn diese sind auf ein gewisses Maß an Artenvielfalt angewiesen, damit sie immer genug Nahrung finden.
Nach Glyphosat kam nicht mehr viel Neues auf den Markt. Alle Herbizide der letzten Jahre waren Variationen existierender Mittel mit bekannten Wirkprinzipien. Seit 20 Jahren, so konstatierte Chemical &amp; Engineering News vor kurzem, sei kein neues Prinzip der Herbizidwirkung mehr entdeckt worden.
Da ist es nicht verwunderlich, dass die Unkräuter in dieser Zeit aufgeholt haben. Auch bei der Entwicklung von Antibiotika muss die Wissenschaft ja immer neue Erfindungen liefern, um den Vorsprung vor der Ausbreitung der Resistenzen zu wahren, der eine wirksame Behandlung möglich macht.
Nicht immer ist die Anwesenheit von anderen Pflanzenarten neben der angebauten Kulturpflanze von Übel. Gerade bei hochwertigen Landwirtschaftsprodukten wie Wein und Kaffee denkt man inzwischen auch über die Rolle der Artenvielfalt im Anbaugebiet nach [Nachr. Chem. 2010, 58, 1028].


<h2>Gute Insekten, schlechte Insekten</h2>
Die Suche nach Insektenbekämpfungsmitteln hat ihre eigenen Probleme: Zwar ist es relativ einfach, Chemikalien zu entwickeln, die Insekten schaden und Pflanzen nicht, doch finden sich im Umfeld des Ackerbaus zahlreiche nützliche Insekten. Die in den 1990er Jahren als systemische Insektizide entwickelten Neonicotinoide galten zunächst als umweltfreundlich, da man mit ihnen nur das Saatgut beizt. So ist das Toxin in allen Pflanzenzellen vorhanden und schädliche Insekten, die an der Pflanze knabbern, werden umgehend bestraft.
Das ging solange gut, bis es zum bisher ungeklärten Phänomen des massenhaften Verschwindens von Bienenvölkern kam. Neonicotinoide könnten als einer von mehreren Faktoren zum mysteriösen Bienensterben beitragen [Nachr. Chem. 2011, 59, 629].
Die grüne Gentechnik hat auch dem Markt der Insektenbekämpfung einen Blockbuster beschert: die genetisch modifizierten Pflanzen, die das Bacillus-thuringiensis-Toxin herstellen, das zum Beispiel Schmetterlingsraupen tötet. Vor allem im Baumwoll- und Maisanbau in den USA hat sich diese Vorgehensweise durchgesetzt. Im Gegensatz zur gentechnischen Unkrautbekämpfung ist keine zusätzliche Chemikalie erforderlich, da die genmodifizierten Pflanzen das Gift selbst herstellen.
Der verbleibende Markt für chemische Insektenbekämpfung ist aber immer noch attraktiv genug, um neue Mittel zu entwickeln. So hat das amerikanische Unternehmen Dupont im Jahr 2008 das Mittel Rynaxypyr herausgebracht, ein Anthranildiamid (Abbildung 2), das bei Insekten über den Ryanodinrezeptor wirkt.1 Dieser ist ein Calciumkanal, der nach Bindung des Insektizids geöffnet bleibt. Das führt zu Muskellähmung und zum Tod.
In Deutschland ist der Wirkstoff im Produkt Coragen auf dem Markt, für das Dupont im März 2009 eine Zulassung für drei Jahre erhielt. Sie gilt für die Kontrolle von Apfelwicklern in Kernobst und Kartoffelkäfern in Kartoffeln.2


<h2>Neue Fungizide</h2>
Weniger Einschränkungen als bei Insektiziden gibt es bei Fungiziden. Hier besteht keine Konkurrenz durch genmanipulierte Pflanzen, es treten keine schwer zu vermeidenden Nebenwirkungen auf, und es gibt sogar Hinweise darauf, dass gängige Fungizide den Pflanzen selbst dann nützen, wenn gar keine Pilze zu bekämpfen sind.
Bayer Cropscience hat für nächstes Jahr vier neue Fungizide angekündigt. Drei davon (Bixafen, Fluopyram und Penflufen) gehören zu einer neuen Stoffklasse, welche die Atmungskette in den Mitochondrien hemmt. Bixafen beispielsweise wirkt auf das Enzym Succinat-Dehydrogenase und ist in Deutschland und Österreich bereits zugelassen. Die Wirkstoffe werden als Saatgutbehandlungsmittel angeboten. Diese gelten als umweltfreundlich, da sie Streuverluste vermeiden.
Ein weiteres neues Fungizid, Isotianil (Abbildung 3), richtet sich gegen die Reisbräune, weltweit die wirtschaftlich bedeutendste Reiskrankheit. Unter dem Markennamen Routine ist der Wirkstoff in Korea und Japan zugelassen.


<h2>Turboevolution</h2>
Ein Großteil der heutigen Anstrengungen im Pflanzenschutz hat allerdings weder mit den chemischen Präparaten noch mit der auf ein einzelnes Ziel gerichteten grünen Gentechnik zu tun. Da nun von vielen wichtigen Kulturpflanzen (Reis, Mais, Wein, Raps, Soja, Baumwolle) komplette Genomsequenzen vorliegen, hoffen die Gentechniker, die Pflanzen selbst rundum verbessern zu können.
Bayer Cropscience will den Stoffwechsel der Pflanzen für die jeweiligen Umweltbedingungen optimieren, also stresstolerante Pflanzen erzeugen.
In Anbetracht der in Europa weit verbreiteten Vorbehalte gegenüber Lebensmitteln mit Fremdgenen, haben sich die Forscher auf eine weniger unnatürliche Optimierungsmethode verlegt. Sie nutzen die Methoden der Molekularbiologie und Genomanalyse, um die normale Evolution der Pflanzen durch Mutation und Selektion zu beschleunigen.
Strahlung oder Chemikalien fördern zum Beispiel Mutationen. Wenn man weiß, mit welchen genetischen Veränderungen die erwünschte Variation einhergeht, kann man bereits nach der Mutagenese die viel versprechendsten Mutationen aussuchen, ohne jedes Mal den Lebenszyklus der Pflanze durchlaufen zu müssen.
So will Bayer Cropscience auf der Grundlage des im Jahr 2009 sequenzierten Rapsgenoms die frühe Öffnung der Schote vermeiden, durch die bisher viele Saatkörner bereits vor der Ernte verloren gehen.
Andere Forschungsprogramme sollen die Eigenschaften von Reis, Baumwolle, Weizen, Soja und Gemüse verbessern. Geschmack, Lagerfähigkeit und Toleranz gegenüber Umweltbedingungen wie Dürre, Frost und Nährstoffmangel stehen auf dem Arbeitsplan der Forscher. Hierbei handelt es sich meist um komplexe Verbesserungen, die sich nicht durch Einführung eines einzelnen Fremdgens erzielen lassen.
Es ist im Sinne der Ökologie zu hoffen, dass die beschleunigte Mutation zu einer Vielfalt von neuen Sorten führt, und nicht wie die erste Generation der grünen Gentechnik, zu großflächiger Monokultur von Klonen.
Michael Groß ist freier Wissenschaftsautor in Oxford, England. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.michaelgross.co.uk" target="_blank">www.michaelgross.co.uk</a></ext-link>



<ul>
<li>
1 

 
G. P. Lahm, 
T. M. Stevenson, 
T. P. Selby, et al. 
<source>Bioorganic &amp; Medicinal Chemistry Letters 
(2007), 
17, 
6274–<lpage>6279</lpage>.
</li>
<li>
2 

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://coragen.dupont.de" target="_blank">coragen.dupont.de</a></ext-link>.
</li>
</ul>

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