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<h2>Chemie bereits in der Grundschule?</h2>
Wer an seine eigene Schulzeit zurückdenkt, dem wird es wahrscheinlich nicht schwer fallen, sich an den ersten Chemieunterricht zu erinnern. Vermutlich war dies im Verlauf der Unter- oder Mittelstufe. Da gab es erste Experimente, zum ersten Mal Ausführungen über das Periodensystem der Elemente und, nicht zuletzt, eine Note im Fach Chemie. Dieser klassische Ansatz ist heute in der Schweiz, wie auch in vielen anderen Ländern, deutlich weniger klar ausgeprägt.
Bereits in den Lehrplänen der Grundschule findet man in der Schweiz Aussagen folgender Art:
<list list-type="order">
<list-item>
</list-item></list>Die Kinder lernen Erscheinungen in der belebten und unbelebten Natur genau zu beobachten.

<list-item>
Sie lernen Beobachtungen und Erscheinungen einzuordnen.
</list-item>
<list-item>
Erscheinungen können mit den entsprechenden Begriffen sprachlich gefasst werden.
</list-item>
<list-item>
Die Lernenden führen erste einfache Experimente durch.
</list-item>

Solche und ähnliche Formulierungen bringen zum Ausdruck, dass die Kinder bereits in der Grundschule an die naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise herangeführt werden sollen. Es geht nicht darum, Gesetze, Definitionen oder schwierige Begriffe einzuführen, sondern auf der Ebene einfacher, alltäglicher Phänomene einen ersten Bezug zu den Naturwissenschaften und ihrer Denkweise herzustellen.
Ist dies zu früh? 
Keineswegs. Das Bewusstsein, dass dieses Anliegen wichtig ist, ist in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegen, auch wenn die Umsetzung noch nicht überall gelingt.
Die Einsicht basiert auf der konstruktivistischen Sichtweise. Sie besagt, dass sich bereits Kleinkinder automatisch ein Bild ihrer Umgebung und der Umwelt machen, indem sie aufgrund ihrer Wahrnehmungen ein Bild ihrer Umwelt konstruieren. Dieses Bild ist üblicherweise mit dem kindlichen Erfahrungshorizont konsistent. Bereits beim Schuleintritt haben somit alle Kinder Vorstellungen von und über die Welt. Diese stimmen aber oft nicht mit der wissenschaftlichen Sichtweise überein.1 Zum Beispiel:
Was passiert, wenn Kochsalz oder Zucker in Wasser aufgelöst werden? 
Viele Kinder antworten: Es verschwindet. Diese Antwort ist im Erfahrungshorizont der Kinder durchaus plausibel, sie können das weiße Pulver ja nicht mehr sehen, es ist verschwunden. Nicht überzeugen wird die meisten Kinder das Argument, dass das Salz oder der Zucker noch da seien, sich aber die unsichtbar kleinen Salz- oder Zuckerteilchen voneinander gelöst und im Wasser verteilt hätten.
Eine solche Argumentation ist zu abstrakt, verlangt zu viele mentale Operationen. Wenn man die Kinder aber auffordert, das erhaltene Salz- oder Zuckerwasser zu kosten, wird man bessere Erfolgsaussichten haben.
Was lernen die Kinder dabei? Sie lernen, dass eine Veränderung der Perspektive, also zum Beispiel der zusätzliche Einsatz des Geschmackssinns — man könnte sagen eine ”Messung“ — zusätzliche Informationen liefert. Diese stellen die ursprüngliche Vorstellung in Frage und verlangen nach einer anderen, elaborierteren Erklärung.
Können wir also in einem solchen Fall von Chemieunterricht in der Grundschule sprechen? Ja und nein. Ja, weil Prinzipien und Merkmale zum Einsatz kommen, die für die naturwissenschaftliche, und somit auch chemiespezifische, Denk- und Handlungsweise charakteristisch sind. Nein, weil noch kaum Bezüge zur Sachstruktur der Wissenschaft Chemie hergestellt werden.


<h2>Integrierter naturwissenschaftlicher Unterricht</h2>
Diese Bezüge zur Sachstruktur der Wissenschaft Chemie stehen in der Schweiz nach der sechsjährigen Volksschule, d. h. ab dem 7. Schuljahr, auf dem Lehrplan: Stoffeigenschaften, Stoffumwandlungen, Teilchenmodell, Aggregatzustände oder die systematische Einteilung von Stoffen sind nun Bestandteil des Curriculums. Im Unterricht sind nun nicht nur naturwissenschaftliche Denk- und Handlungsweisen ein Thema, sondern es beginnt auch die Einführung in die Fachsystematik der Chemie.
Allerdings sind die Rahmenbedingungen dazu in der Schweiz außergewöhnlich: In der Mehrzahl der Kantone werden diese Themen nicht im Unterrichtsfach Chemie bearbeitet, sondern in einem integrierten Unterrichtsfach. Je nach Kanton heißt das Fach ”Naturwissenschaften“ oder ”Natur und Technik“ oder ”Natur, Mensch, Mitwelt“ etc.
In einem integrierten Unterrichtsfach werden von einer Lehrperson mehrere Disziplinen innerhalb eines solchen Fachs unterrichtet.
Wesentliche Argumente für ein integriertes Unterrichtsfach stützen sich auf das Konzept der ”Scientific Literacy“ sowie auf Forschungsergebnisse zu Motivation und Interesse. Nach moderner Leseart geht die Idee einer naturwissenschaftlichen Grundbildung — dies entspricht der häufig verwendeten deutschen Übersetzung von ”Scientific Literacy“ — im Wesentlichen zurück auf das Jahr 1985. Nach der Definition der American Association for the Advancement of Science (AAAS) umfasst Scientific Literacy verschiedene Bereiche (siehe Kasten).
Solche Kompetenzen sind in einem integrierten, also fächerübergreifenden Unterricht besonders vielfältig zu fördern, denn viele Probleme unserer Gesellschaft wie die Energieversorgung oder der Umgang mit Rohstoffen lassen sich nur interdisziplinär verstehen. Im Rahmen von schulischen Projekten sprengen solche Themen die Fächergrenzen ganz selbstverständlich.
Für ein Verständnis der Zusammenhänge sind sowohl Fachbegriffe und Konzepte einzelner Disziplinen wie Physik, Chemie oder Biologie als auch überfachliche Kompetenzen notwendig. Zudem zeigen diverse Untersuchungen, dass Lernende besser motiviert und stärker interessiert sind, wenn bei einem Thema nicht nur fachwissenschaftliche Aspekte im Vordergrund stehen, sondern auch ein lebensweltlicher Bezug vorhanden ist.3
Stellt sich die Frage, wie diese Anliegen in die Praxis umgesetzt werden können. Von der Lehrkraft wird verlangt, die Jugendlichen in die Fachsystematik der einzelnen naturwissenschaftlichen Disziplinen einzuführen. Gleichzeitig sollen überfachliche Kompetenzen im Sinne der Scientific Literacy gefördert, das Vorwissen der Lernenden berücksichtigt und lebensweltliche Bezüge hergestellt werden. Seit etwa zehn Jahren wird diesem Anspruch vermehrt Rechnung getragen: In der Lehrerausbildung werden die Lehrkräfte spezifisch auf die Anforderungen eines integrierten Unterrichtsfachs vorbereitet. Zudem sind neue Lehrbücher und Lehrmittel erschienen, die sich mit der Didaktik integrierten naturwissenschaftlichen Unterrichts 4, 5 oder der Kontextorientierung 6, 7 der Sachinhalte befassen.
Das folgende Beispiel 5 soll dies konkretisieren. ”Genügt ein Apfel für eine Bergtour?“ lautet die Einstiegsfrage der beschriebenen Unterrichtseinheit. Die zentralen Begriffe und Konzepte, die eingeführt werden (Energie, Energieformen, -umwandlung und -einheit, chemische Reaktion, Stoffwechsel, Nährwert), stehen hier in einem lebensweltlichen Kontext. Zudem werden Experimente durchgeführt, so die CO2-/O2-Messung in der Atemluft beim Treppensteigen. Zur Beantwortung der Einstiegsfrage werden also quasi en passant naturwissenschaftliche Begriffe und Methoden eingeführt und angewendet.
So bleibt die chemische Reaktionsgleichung für die Verbrennung von Glucose nicht eine abstrakt formale Aneinanderreihung von Symbolen, sondern bildet die Grundlage für die Berechnungen, die zur Beantwortung der Einstiegsfrage oder zum Verständnis der CO2-/O2-Messungen in der Atemluft unerlässlich sind. Die Autoren erwähnen auch, dass die Jugendlichen großes Interesse an den Atemluftmessungen hatten, weil diese ihren eigenen Körper betrafen.
Das Beispiel zeigt, wie eine Unterrichtsidee Fachspezifisches mit Fächerübergreifendem, Theorie mit Alltagserfahrungen und die wissenschaftliche Denkweise mit gesellschaftlichen Aspekten verknüpfen kann.


<h2>Bestrebungen zur Harmonisierung</h2>
Zurzeit sind in der Schweiz Bestrebungen im Gange, das stark föderalistische Schulsystem zu harmonisieren. Im Rahmen des Reformprojekts HarmoS (Harmonisierung obligatorische Schule) soll der naturwissenschaftliche Unterricht auf der Sekundarstufe I in Zukunft in der ganzen Schweiz integriert stattfinden. Dies ist ein klares Bekenntnis zu einer breiten naturwissenschaftlichen Grundausbildung für alle. Damit verbunden ist die Zielvorgabe, dass die Förderung von Kompetenzen mit ins Zentrum rückt. Der Unterricht soll und muss beides leisten: Einführung in die Fachsystematik aller naturwissenschaftlichen Disziplinen einerseits, und andererseits die Förderung von Kompetenzen, die für eine naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise charakteristisch sind.
Doch welche Kompetenzen sind das? Die Grundsätze der Scientific Literacy sind kaum als Leitplanken für die konkrete Planung von Unterricht geeignet. Sie sind zu allgemein und berücksichtigen nicht alle, aus heutiger Sicht relevanten Aspekte. Aus diesem Grund hat das Konsortium HarmoS Naturwissenschaften ein dreidimensionales Kompetenzmodell vorgeschlagen, welches acht Handlungsaspekte (Kompetenzen), acht Themenbereiche sowie vier Anforderungsniveaus festlegt (Abbildung 2, S. 878).8 Das Kompetenzmodell versucht eine Brücke zu schlagen zwischen den allgemeinen, übergeordneten Zielvorgaben an den naturwissenschaftlichen Unterricht und der konkreten Unterrichtspraxis.
Wie ist das Modell zu lesen? Eine Projektion der Unterrichtsidee ”Genügt ein Apfel für eine Bergtour?“ auf das Kompetenzmodell kann das zeigen: In der skizzierten Unterrichtssequenz werden die Themenbereiche ”2. Bewegung, Kraft, Energie“ sowie ”4. Stoffe und Stoffveränderungen“ aufgegriffen. Gleichzeitig werden die Handlungsaspekte ”2. Fragen und untersuchen“, sowie ”4. Ordnen, strukturieren, modellieren“ gefördert. Letzteres beispielsweise durch die Unterscheidung und Einordnung verschiedener Energieformen und ihrer gegenseitigen Umwandlungsmöglichkeiten.
Wo bleibt bei dem Kompetenzmodell die Chemie? Etwas anders formuliert, muss sich diese Frage auch eine Lehrkraft stellen: Wie sind die Grundbegriffe der chemiespezifischen Fachsystematik in das Modell einzubetten? Dies ist problemlos möglich und wird vielen keine Mühe bereiten. Zudem ist es Aufgabe der pädagogischen und didaktischen Aus- und Weiterbildung, die Lehrkräfte dazu zu befähigen. Ebenso müssen Lehrpläne und Lehrmittel erarbeitet werden, welche dieser Anforderung gerecht werden.
Entscheidend sind zwei Grundsätze. Erstens: die Vermittlung von Grundwissen in den Themenbereichen soll immer Hand in Hand mit der Förderung von Handlungsaspekten geschehen. Zweitens: Im Verlauf des gesamten Unterrichts müssen alle Themenbereiche berücksichtigt und alle Handlungsaspekte gefördert werden. Dies soll durch entsprechende Leistungstests überprüft werden.


<h2>Endlich Chemie!?</h2>
Nach Abschluss des 8. oder 9. Schuljahres, dem Ende der obligatorischen Schulzeit, beginnt in der Schweiz das Gymnasium. Hier — endlich, ist man versucht zu sagen — beginnt der Unterricht im eigenständigen Fach Chemie. Alle Jugendlichen an einer Schweizer Maturitätsschule müssen das Grundlagenfach Chemie absolvieren. Im Vergleich zum Unterricht im 7. bis 9. Schuljahr kommt jetzt eine wesentliche Zielvorgabe hinzu: Die Einführung der chemiespezifischen Fachsystematik und die Befähigung zu ihrer Anwendung rücken ins Zentrum. Schließlich sollen Gymnasien die Lernenden auch auf ein Hochschulstudium vorbereiten. Vom Teilchenmodell über Atommodelle zu Molekülstrukturen und Ionengittern, von der Thermodynamik über die Kinetik und von Säure-Basen-Reaktionen bis zu Redoxreaktionen werden alle wesentlichen Basiskonzepte eingeführt und ihre Anwendung eingeübt.
Alle Lernenden müssen sich nun auch auf einer abstrakten Ebene mit den Theorien und Modellen auseinandersetzen. Gerade der Modellcharakter vieler Aspekte des chemischen Denkens verlangt von den Jugendlichen die Bereitschaft, sich auf abstrakte mentale Operationen einzulassen. Das flexible Hin und Her zwischen der makroskopischen Ebene der Erscheinungen, der mikroskopischen Ebene der Ursachen und der Modellebene der Erläuterung, gehört zum Schwierigsten aber auch Grundlegendsten, was es im Fach Chemie zu lernen gibt.9
Zu glauben, diese Bereitschaft sei bei Gymnasiasten grundsätzlich vorhanden, ist ein Irrglaube. Die Lernenden müssen die Relevanz und Bedeutung abstrakter Denkoperationen erkennen können, um sich darauf einzulassen. Deshalb darf auch in der gymnasialen Oberstufe der Bezug zur Lebenswelt der Lernenden, die Einbettung in einen interessanten Kontext, nicht vernachlässigt werden.
An diesem Punkt zeigt sich, ob die vorhergehenden Schulstufen gute Vorarbeit geleistet haben: Wenn der Unterricht erfolgreich war, haben die Jugendlichen zwischen 10 und 15 Jahren auf eine ihnen zugängliche Weise interessante Einblicke in die naturwissenschaftliche Denkweise und Methodik erhalten und einige Grundbegriffe und ihre Bedeutung kennengelernt. Dann wird ihre Bereitschaft höher sein, sich am Gymnasium und später an der Universität auf einer zunehmend abstrakter werdenden Ebene mit der Chemie auseinanderzusetzen. Falls hingegen in den Anfängen — losgelöst von der Lebenswelt der Lernenden — zu viel Gewicht auf die fachspezifische Systematik gelegt wurde, ist das Risiko groß, dass sich ein Teil der Lernenden innerlich verabschiedet hat und mit 16 bis 19 Jahren kaum mehr bereit ist, sich auf die Chemie einzulassen. Mit anderen Worten, der Nutzen eines guten integrierten naturwissenschaftlichen Unterrichts in der obligatorischen Schulzeit ist sowohl kurzfristig als auch langfristig für das Chemielernen sehr groß.


<h2>Fazit</h2>
Im Gesamtverlauf der schulischen Ausbildung ist also ein Balanceakt zu vollführen: Das Vorwissen und die Lebenswelt der Lernenden sind ernst zu nehmen, ohne dabei die fachwissenschaftliche Dimension aus den Augen zu verlieren. Während bei jungen Kindern abstrakte, fachliche und methodische Aspekte eher im Hintergrund wirken sollen, rücken diese bei Gymnasiasten vermehrt in den Vordergrund. Idealerweise findet dazwischen ein allmählicher, möglichst kontinuierlicher Übergang statt, welcher den Jugendlichen, ihren kognitiven Fähigkeiten, Interessen und ihrem Umfeld gerecht wird. Nur so kann es gelingen, das Interesse an Chemie als Wissenschaft zu wecken und wach zu halten.


<h2>— — — QUERGELESEN</h2>
Die Heranführung an die naturwissenschaftliche Denkweise und Methode soll auf phänomeno- logi scher Ebene bereits im Kindesalter beginnen.
Es lassen sich Kompetenzen identifizieren und fördern, die für das Erlernen der naturwissen- schaftlichen Denk- und Arbeitsweise zentral sind.
Die richtige Balance zwischen abstrakten Modellen und Formelsprache einerseits und dem Bezug zur Lebenswelt der Lernenden andererseits ist für den Erfolg von Chemieunterricht entscheidend.


<h2>— — — Scientific Literacy</h2>
In der Definition nach Nelson bedeutet Scientific Literacy:2)
<list list-type="order">
<list-item>
</list-item></list>· mit der natürlichen Welt vertraut zu sein;

<list-item>
· die Schlüsselkonzepte und Grundlagen der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik zu verstehen;
</list-item>
<list-item>
· die Fähigkeit, wissenschaftlich zu denken;
</list-item>
<list-item>
· ein Bewusstsein für die gegenseitigen Abhängigkeiten und Beziehungen, in denen Mathematik, Naturwissenschaft und Technik zueinander stehen;
</list-item>
<list-item>
· das Wissen um Schwächen und Vorteile der von Menschen gemachten Wissenschaft und Technik;
</list-item>
<list-item>
· die Fähigkeit, naturwissenschaftliches Wissen und Denken für persönliche und gesellschaftliche Zwecke zu nutzen.
</list-item>



— — — Matthias von Arx ist promovierter Chemiker. Nach mehrjähriger Forschungstätigkeit an der ETH Zürich ließ er sich zum Gymnasiallehrer ausbilden und unterrichtete mehrere Jahre lang. Seit dem Jahr 2009 arbeitet er als Chemiedidaktiker am Zentrum Naturwissenschafts- und Technikdidaktik der Pädagogischen Hochschule FHNW in Basel. Peter Labudde promovierte in Physik und unterrichtete anschließend sieben Jahre Physik, Chemie und Mathematik am Gymnasium. Seit 20 Jahren ist er in der Lehrerbildung sowie in der fachdidaktischen Forschung tätig. Im Jahr 1998 habilitierte er sich in Naturwissenschaftsdidaktik, seit 2008 leitet er das Zentrum Naturwissenschafts- und Technikdidaktik der PH FHNW in Basel.



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<li>
1 

 
R. Duit: 
<source>Zeitschrift für Pädagogik, 
(1995), 
41, 
905.
</li>
<li>
2 

G. D. Nelson, Ripon Quarterly, 1999,
34.
G. D. Nelson: 
<source>Ripon Quarterly, 
1999, 
34. 

</li>
<li>
3 


A. Krapp: 
<source>Interesse, Lernen, Leistung, Neuere Ansätze der pädagogisch-psychologischen Interessenforschung [Hrsg: A. Krapp und M. Prenzel], <publisher-name>Aschendorff</publisher-name>, <publisher-loc>Münster</publisher-loc>, 1992, 297.

</li>
<li>
4 


<source>Fachdidaktik Naturwissenschaft, [Hrsg: P., Labudde], <publisher-name>Haupt Verlag</publisher-name>, <publisher-loc>Bern</publisher-loc>, 2010.

</li>
<li>
5 


<source>Naturwissenschaften vernetzen, Horizonte erweitern, [Hrsg: P., Labudde], <publisher-name>Klett/Kallmeyer</publisher-name>, 2008.

</li>
<li>
6 


<source>Chemie im Kontext, [Hrsg: R. Demuth, I. Parchmann, B. Ralle], <publisher-name>Cornelsen</publisher-name>, <publisher-loc>Berlin</publisher-loc>, 2006.

</li>
<li>
7 

Physik im Kontext, ein Programm zur Förderung der naturwissenschaftlichen Grundbildung durch Physikunterricht, <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.uni-kiel.de/piko" target="_blank">www.uni-kiel.de/piko</a></ext-link>.
</li>
<li>
8 

M. Adamina et. al., HarmoS Naturwissenschaften — Wissenschaftlicher Kurzbericht und Kompetenzmodell. Bern: Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, 2009.
</li>
<li>
9 


<source>Multiple Representations in Chemical Education, [Hrsg: J. K. Gilbert, D. Treagust], <publisher-name>Springer</publisher-name>, 2009.

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</ul>

Artikel

Eine Schweizer Perspektive

Chemie bereits in der Grundschule? Wer an seine eigene Schulzeit zurückdenkt, dem wird es wahrscheinlich nicht schwer fallen, sich an den ersten Chemieunterricht zu erinnern. Vermutlich war dies im Verlauf der Unter- oder Mittelstufe. Da gab es erste Experimente, zum ersten Mal Ausführungen über...

Wenn bei einem Spiegelei die durchsichtige, zähflüssige Eiweißmasse nach kurzer Zeit einen tiefen, opaken Weißton erhält, sind die darin vorkommenden Eiweiße denaturiert und zu einem Proteinaggregat verklumpt. Auch zum Ansetzen von Süßspeisen wie einer Mousse au Chocolat muss das Eiweiß entfaltet werden bevor es aggregieren kann. Hitze ist nicht in jedem Fall notwendig, das Eiweiß lässt sich auch mit 800 Umdrehungen pro Minute steif schlagen. Eine Prise Salz verstärkt den Denaturierungsprozess. Aus dem rohen Eiweiß entsteht so eine voluminöse Schaummasse, die der Mousse ihre Luftigkeit verleiht.
Das gleiche Prinzip wie die Köche verwenden Naturwissenschaftler, um Lösungen wie Blutserum zu reinigen: Gezielt denaturieren sie mit Salz und Hitze unerwünschte Proteine, die daraufhin aus der Lösung ausfallen. Strukturbiologen wissen auch, dass Proteine, die längere Zeit auf der Laborbank stehen bleiben, als Aggregate aus der Lösung ausfallen. Hierbei ist das Aggregieren des Proteins ein unerwünschtes Phänomen, das der Biochemiker durch Puffern des pH-Werts und durch Einstellen der Salzkonzentration sowie der Temperatur, zu verhindern versucht. In unserer Arbeitsgruppe machen wir das genaue Gegenteil: Wir suchen die optimalen Bedingungen, um lösliche Proteine zu aggregieren.


<h2>Amyloide: Aufbau und Struktur</h2>
Um zu verstehen, wie ein einziges Peptid oder Protein durch Aggregation hochgeordnete mikrometerlange Amyloidfibrillen (s. Kasten S. 886) bilden kann, ist es notwendig, die dreidimensionale, atomar aufgelöste Struktur zu bestimmen. Proteinaggregate sind aber nicht löslich und die etablierten Strukturbestimmungsmethoden somit nicht anwendbar. Erst Fortschritte in Festkörper-NMR, EPR-Spektroskopie und Kristallographie haben kürzlich zur Aufklärung von 3D-Strukturen mehrerer Amyloide beigetragen.1, 2 Die Gruppe von David Eisenberg untersuchte mit Röntgenkristallographie mehrere Peptide, die allesamt hoch geordnete und dicht gepackte β-Faltblatt-reiche Strukturen bilden, die Steric Zippers. Diese sterischen Reißverschlüsse bestehen aus zwei fast endlos langen intermolekularen β-Blättern, deren Aminosäurenseitenketten wie bei einem Reißverschluss ineinander verhakt sind (Abbildung 1).
Die momentan einzige hochaufgelöste Struktur einer biologisch intakten Amyloidfibrille ist die Festkörper-NMR-Struktur der Priondomäne (Aminosäurereste 218—289) des HET-s Prions (Abbildung 2). HET-s ist ein Protein im Fadenpilz Podospora anserina und besteht aus einer globulären N-terminalen Domäne und einem unstrukturierten C-Terminus, dem C-terminalen prionbildenden Fragment 218—289 (PFD). Dieses bildet bei physiologischem pH-Wert infektiöse Fibrillen, die durch Bindung von weiteren PFD-Molekülen am Fibrillenende wachsen können.
Die 3D-Struktur der PFD-Fibrille ist ein linkshändiges β-Solenoid, in dem sich jedes Proteinmolekül zweimal um eine zentrale Achse windet. Die Struktur umfasst dabei ein hydrophobes Inneres und eine hydrophile Außenfläche. Zusätzlich zu diesen hochgeordneten Bereichen, die das Solenoid stabilisieren, gibt es auch dynamisch ungeordnete Teile.
Die Klasse der β-Solenoide ist eine Strukturfamilie,3 der vor allem lösliche Proteine angehören. Die β-Solenoidstruktur von HET-s unterscheidet sich von den anderen Proteinen dieser Klasse unter anderem darin, dass sie aus vielen Het-s-Proteinen aufgebaut ist, und so zu einem unendlich langen Solenoid wachsen kann.
Eine ähnlich hohe strukturelle Ordnung wie Amyloide, jedoch ohne β-Faltblatt als Grundelement, besitzen viele zelluläre Proteinaggregate — etwa die Kollagene, also die strukturgebenden Proteine der Haut, des Bindegewebes und der Knochen. Das im menschlichen Körper vorhandene Kollagen kann bis zu einem Drittel des Körperproteins ausmachen.
Es sind 28 verschiedene Kollagen-Typen bekannt. Die am häufigsten vorkommende Form, das Kollagen I, besteht aus drei linksgängigen a-Helices, die sich in einer rechtsgängigen Tripelhelix zusammenlagern. Es sind hauptsächlich drei Filamente, welche die Zellstruktur bestimmen: die Aktinfilamente, die Mikrotubuli und die Intermediärfilamente. Sie alle sind lange Polymere aus Proteinuntereinheiten. Mikrotubuli und Aktinfilamente sind dynamische Strukturen, die sich aus Tubulin- bzw. Aktinprotofilamenten auf- und abbauen. Beim dynamischen Auf- und Abbau ist die GTP-Hydrolyse der bestimmende Schritt.
Wegen des Kreuz-b-Blattes haben Amyloidfibrille im Gegensatz zu anderen Proteinfilamenten zwei einzigartige strukturelle Eigenschaften: 
Die Stabilität der Amyloidfibrille basiert neben intramolekularen Kontakten vor allem auf intermolekularen Wechselwirkungen wie intermolekularen Wasserstoffbrücken und intermolekularen Seitenketteninteraktionen.
Das Bauprinzip der Fibrille entspricht dem eines Turms aus Lego-Steinen, wobei sich in diesem — gleichsam Stein auf Stein — die Amyloidgrundstruktur alle 4,7 Å wiederholt.
Die beiden strukturellen Merkmale führen zu einzigartigen Eigenschaften: 
Sehr kurze Peptide können Amyloidfibrillen bilden. Diese Fibrillen haben die höchste Dichte, die ein Protein oder Peptid haben kann. Das macht sie zu extrem stabilen Strukturen.
Amyloidfibrillen können wachsen und an andere repetitive Elemente binden — etwa an die Membran.
Ihre repetitive Struktur auf der Subnanometer-Skala führt durch den Kooperativitätseffekt zu vielen Aktivitäten und Funktionen in Zellen. Amyloide spielen so eine Rolle bei der Hautpigmentierung, der Hormonaufbewahrung und der Signalweiterleitung.


<h2>Amyloide als Peptidspeicher</h2>
Wir zeigten vor kurzem,4 dass Granula — also körnchenförmige Einlagerungen in biologischen Zellen, die Speicher- und Sekretstoffe enthalten — Sekretstoffe in Form des Amyloids lagern (Abbildung 3). Basierend auf der Amyloidhypothese erhielten wir tiefere Einblicke in den Prozess der Granulabildung, Sortierung, Aufbewahrung und Hormonfreisetzung: Eukaryotische Zellen sezernieren Proteine und Peptide auf zwei Wegen:5, 6
Einerseits entsteht bei der konstitutiven Sekretion ein Peptid und dieses wird sofort sezerniert. Die Menge an sezerniertem Peptid ist klar durch die Peptidsynthese begrenzt.7, 8
Andererseits besitzen viele sekretorische Zellen einen weiteren Sekretionsweg. Die Peptidsynthese findet dabei unabhängig vom Bedarf statt, und das überflüssige Peptid wird dicht in membranumhüllte, sekretorische Granula verpackt.5, 7, 9
Das Amyloid ist die ideale konzentrierte Verpackungsform für Peptide. Die Zellen können im Amyloid große Mengen Peptid auf engstem Raum lagern und dieses bei Bedarf viel schneller freisetzen als durch Neusynthese.
Die Amyloidstruktur ist auch für das Sortieren der Hormone zentral. Weil die Proteinaggregation sehr spezifisch ist, wird normalerweise nur eine Peptidsorte in eine Amyloidfibrille eingelagert. Wahrscheinlich dirigiert die Amyloidstruktur auch das Verpacken der Hormonamyloide in eine Membranhülle, da Amyloide wegen der repetitiven Struktur vorzugsweise an Membranen binden. Letztlich kontrolliert die Amyloidstruktur die Hormonfreisetzung.


<h2>Amyloide als Informationsspeicher</h2>
Das Amyloid dient als lokaler Speicher von Peptiden, aber kann es auch als Informationsspeicher dienen? Über den Mechanismus des Langzeitgedächtnisses weiß man wenig. Bekannt ist, dass an den Synapsenenden mRNA gezielt translatiert werden muss, um zu einem bestimmten Moment den Trigger parat zu haben, um ein bestimmtes Ereignis abzurufen. Das cytoplasmatische polyA-Schwanz-bindende Protein CPEB soll bei der Regulation dieser schlafenden mRNAs eine Rolle spielen. In Aplysia, einem Modellorganismus mit Riesenneuronen, wurde gezeigt, dass CPEB notwendig ist, um die Aktivität von Synapsen zu registrieren. CPEB liegt selbst in einer inaktiven Synapse vermutlich als Monomer vor, während es in aktivierten Synapsen als Aggregat vorliegt.10 Ein streng reguliertes Gleichgewicht von CPEB-Monomer und Aggregat würde es ermöglichen, die Veränderung der Synapse und damit das Gedächtnis in beispielsweise der Länge des Aggregats zu speichern.


<h2>Amyloide und Krankheiten</h2>
Amyloide werden mit über drei Dutzend Krankheiten in Verbindung gebracht. Darunter befinden sich die Alzheimer-Krankheit, Diabetes Typ II, Prionenerkrankungen und die Parkinson-Krankheit (Tabelle). An letzterer erkranken zwei Prozent aller Menschen über 60 Jahren; sie ist damit die meistverbreitete Bewegungsstörung.
Parkinson ist eine langsam fortschreitende neurologische Erkrankung. Sie ist gekennzeichnet durch das vornehmliche Absterben von Nervenzellen in der Substantia nigra, einer Struktur im Mittelhirn mit dem Botenstoff Dopamin. Der Dopaminmangel führt zu einem Ungleichgewicht in der Funktion der Basalganglien, was am Ende der Signalkette die motorische Aktivität hemmt.
Man nahm lange an, dass der Verlust dopaminproduzierender Zellen durch das Protein a-Synuclein und dessen Aggregation mitverursacht wird, weil sich bei Betroffenen a-Synuclein verklumpt in Lewy-Körperchen finden. Der aktuelle Forschungsstand deutet jedoch darauf hin, dass die toxische Spezies der Krankheit nicht a-Synuclein-Fibrillen sind (wie sie in Lewy-Körperchen zu finden sind),14 sondern eine Zwischenstufe zum Amyloid, das a-Synuclein-Oligomer.15, 16
Wie sehen diese Zwischenstufen aus und wie weit unterscheidet sich die Struktur der Vorstufen von der finalen Fibrille, so dass die Vorstufen eine andere Funktion haben könnten als die Fibrille selbst? Wir versuchen diesen Fragen in vitro auf den Grund zu gehen: Vom Monomer ausgehend bilden wir a-Synuclein- Fibrillen. Der Fokus liegt darauf, die a-Synuclein-Oligomere zu isolieren und biophysikalisch und in der Zelle zu analysieren. Testen der Oligomere in vivo und parallele Strukturanalyse könnten zu einem besseren Verständnis darüber führen, wie a-Synuclein dopaminproduzierende Neurone zerstören kann.
Prionenkrankheiten wie die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen, Rinderwahnsinn bei der Kuh und die Traberkrankheit beim Schaf sind infektiöse Amyloid-Krankheiten.17 Auch kennt man Prionen in der Hefe und im Fadenpilz Podospora anserina. Prionen, also infektiöse Proteine, geben wie die DNA das Erbgut weiter, wobei die Information in der Konformation des aggregierten Prions, das heißt im Amyloid, und nicht wie in anderen infektösen Erregern (z. B. Viren) in der Nukleotidsequenz steckt.
Aber wie kann eine Protein-Struktur infektiös sein? Das Prinzip beruht darauf, dass das Prionprotein in zwei verschiedenen Strukturen vorkommt. Normalerweise ist es löslich und existiert funktionell als Bestandteil des Proteoms in der Zelle. In seiner infektiösen Konformation jedoch liegt es als Amyloid vor. Das Amyloid kann wegen der Kreuz-b-Faltblattstruktur durch Rekrutieren von weiterem löslichen, normalen Prionenproteinmaterial wachsen. Falls also ein Amyloid in den Organismus aufgenommen wird, vermehrt es sich und wächst durch Bindung von normalen Prionenproteinen, die noch löslich im Organismus vorliegen. Da das Amyloid des Säugetierprions toxisch ist, führt das Wachstum dieses Amyloids zu einer infektiösen und tödlichen Krankheit. Pilzprionen sind nicht toxisch. Sie können aber durch Infektion Informationen von Organismus zu Organismus weitergeben.


<h2>Der Ursprung der Proteinfaltung</h2>
Amyloide und (neurodegenerative) Krankheiten stehen im engen Zusammenhang. Gerät die Proteinhomöostase einmal aus dem Gleichgewicht, wird es für den Organismus gefährlich: Proteine beginnen zu aggregieren und können dadurch ihre Funktion verlieren. Dabei ist die Proteinfaltung, und sei es nur die Faltung eines rein a-helikalen Proteins, ein sehr komplexer, evolutionär äußerst ausgefeilter Prozess.
Womit und wann hat die Proteinfaltung zu Beginn der Evolution begonnen? Die Vermutung liegt nahe, dass die erste Proteinfaltung ein Amyloid war. Dafür gibt es einige Hinweise: 
<list list-type="order">
<list-item>
</list-item></list>Praktisch alle Proteine können unter bestimmten Umständen zu Amyloiden aggregieren.

<list-item>
Eine beliebige evolutiv nicht-optimierte Polypeptidkette ist eher unlöslich als löslich.
</list-item>
<list-item>
Es gibt viele funktionelle Amyloide mit einer Vielzahl von Aktivitäten.
</list-item>

Könnte also eine amyloidogene Polypeptidkette das Urprotein sein? Diese Hypothese — mit dem Wissen weitergedacht, dass Amyloide in extremem Bedingungen vorliegen und überleben, dass Amyloide sich selbst (zumindest in einer Zelle) vervielfältigen und so Information vererben und dass außerdem bereits Oligopeptide Amyloide bilden — führt zu der Vermutung, dass Amyloide auch am Beginn des Lebens beteiligt gewesen sein könnten.
Die Idee der Amyloid-Welt statt der etablierten RNA-Welt scheint verwegen. Dafür spricht aber zumindest die Einzigartigkeit des Amyloids: Ein sich wiederholendes Strukturelement bestehend aus intermolekularen Interaktionen, das wachsen und viele Funktionen ausüben kann. Eine komplexe Allroundproteinfaltung und doch so simpel.


<h2>— — — QUERGELESEN</h2>
Amyloide sind Proteinaggegrate, die aus nicht verästelten Filamenten bestehen. Typisch für diese Amyloidfibrillen ist die Kreuz-b-Blatt- Struktur.
Amyloide spielen eine wichtige Rolle in der Zelle, u. a. als Peptidspeicher bei der Signalweiterleitung.
Mehrere Krankheiten gelten als durch Amyloide verursacht, bei Prionenerkrankungen sind Amyloide sogar infektiös.
Es gibt Vermutungen, dass amyloidogene Poly- pep tidketten als Urproteine am Beginn des Lebens standen.


<h2>— — — Proteinaggregation: Entdeckung und Bestimmung</h2>
Im Jahr 1658 beobachtete Nicolaus Fontanus erstmalig Aggregate in Zellen. Den Namen Amyloid (griech.: amylon = Stärke) prägte Rudolf Virchow.11 Virchow beschrieb weiße, wachsartige Ablagerungen in Nieren-, Leber- und Herzschnitten von Patienten mit langjährigen Entzündungen (wie Osteoporose, Tuberkulose und Lungenabszessen). Er sah in den 1850ern, dass sich diese Aggregate im Stärkenachweis mit Iod dunkelblau anfärbten. Naheliegend war seine Schlussfolgerung, dass diese Ablagerungen kohlenhydratreich sein müssten. Ungefähr fünf Jahre später färbten Nicolaus Friedreich und August Kekulé ähnliche Gewebeschnitte mit Eosin und schlussfolgerten, dass Proteine der Grundbaustein dieser Ablagerungen sein müssen.12
Seit dem Jahr 1884 bestimmt man Amyloide durch Congo-Rot-Färbung. Nur Aggregate, die eine hochgeordnete Struktur besitzen und mit Congo-Rot gefärbt sind, können polarisiertes Licht drehen. 1935 hat der Biophysiker William Astbury gestreckt gekochtes Eiweiß mit Röntgenstreuung vermessen und fand zum ersten Mal die zwei amyloidtypischen zu einander vertikal stehenden Reflexionen.13 Während die Reflexion bei etwa 4,7 Å Inter-b-Faltblattabstände repräsentiert, stammt die Reflexion bei etwa 6 bis 10 Å von den Abständen zwischen zwei b-Faltblättern. Diese Struktureinheit wird auch Kreuz-b-Blatt Struktur genannt. Heutzutage wird die Existenz eines Amyloids immer noch durch Röntgenstreuung und Congo-Rot Färbung bestimmt. Auch lassen sich Amyloide mit Thioflavin T anfärben. Sie sind zudem im Elektronenmikroskop als millimeterlange, nicht verästelte Filamente, Amyloidfibrillen genannt, sichtbar.


— — — Carolin Buhtz, Jahrgang 1983, ist Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Roland Riek. Sie untersucht Struktur- Funktionsbeziehungen in Amyloiden. carolin. <a href="mailto:buhtz@phys.chem.ethz.ch">buhtz@phys.chem.ethz.ch</a>
Roland Riek, Jahrgang 1969, ist Professor für Physikalische Chemie an der ETH Zürich. Er leitet die Gruppe Biological Nuclear Magnetic Resonance. Eines seiner Forschungsgebiete ist die Strukturaufklärung fehlgefalteter Proteine, die mit Krankheiten assoziiert werden. <a href="mailto:roland.riek@phys.chem.ethz.ch">roland.riek@phys.chem.ethz.ch</a>



<ul>
<li>
1 

 
C. Wasmer, et al: 
<source>Science, 
(2008), 
319, 
1523–<lpage>1526.</lpage>
</li>
<li>
2 

 
R. Nelson, 
D. Eisenberg: 
<source>Curr. Op. Struct. Biol., 
(2006), 
16, 
260–<lpage>265.</lpage>
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