Blickpunkt

Prof.Dr.

Die Begriffe Web 2.0 oder Social Media beschreiben eine veränderte Nutzung des Internets: Mit den neuen Informations- und Kommunikationssystemen wandelt sich das Internet von einem reinen Informationskanal zu einem System sozialer Interaktionen. Jeder Nutzer kann teilnehmen, um Ideen gemeinschaftlich zu entwickeln, zu diskutieren und weiterzudenken. Diese Massenaktivität, das Crowdsourcing (Kasten), setzt auf die kollektive Intelligenz (wisdom of the crowd).
Die kollektive Intelligenz entsteht durch die Kreativität der Menschen, durch ihre unterschiedlichen kulturellen Hintergründe, Qualifikationen, Erfahrungen und ihr Können. Crowdsourcing-Mechanismen innerhalb eines Innovationsprozesses, etwa um Produktideen zu generieren, kann man als eine neue Form der Open Innovation [Nachr. Chem. 2014, 62, 540, 881, 1079] verstehen — als Open Innovation 2.0. Dabei ist es wichtig, dass die Form der Zusammenarbeit und die Art der Crowd zu den strategischen Zielen des Projekts passen (Abbildung).


<h2>Experten antworten</h2>
Bereits seit zehn Jahren gibt es Anbieter für Open-Innovation-Services, Intermediäre genannt. Sie stellen Unternehmen eine umfassende Experten-Community aus talentierten Fachleuten zur Verfügung. Diese sollen spezifische Forschungsprobleme lösen, welche die Unternehmen selbst nicht lösen können. Zu den Intermediären gehören Specialchem, Innocentive, Ninesigma, <a href="https://Yet2.com" target="_blank">Yet2.com</a> und Yourencore.
In den letzten fünf Jahren wollten jedoch immer mehr Unternehmen ihre Expertengruppe zur Problemlösung selbst bestimmen. So holt Evonik das Expertenwissen über Evonik Call for Research Proposals (ECRP) klassisch über E-Mail: <a href="mailto:ECRP@evonik.com">ECRP@evonik.com</a>. Hier lieferten Wissenschaftler an Universitäten und Forschungseinrichtungen bis Ende November etwa Ideen dazu, wie sich der Geschmack von pharmazeutischen Wirkstoffen und Nahrungsergänzungsmitteln maskieren ließe.1
Dagegen startete Bayer Healthcare im Jahr 2009 eine eigene Plattform, um Wirkstoffideen von Kardiologie bis Onkologie zu sammeln: <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.Grants4Targets.com" target="_blank">www.Grants4Targets.com</a></ext-link>.
Ziel bei beiden Unternehmen ist eine intensivere Zusammenarbeit mit öffentlichen Forschungseinrichtungen, um neue Synthesen für Moleküle und Wirkstoffe zu entwickeln. Diese Form der Kooperation 2.0 spricht eine spezielle Gruppe als Crowd an, da die Themen ein hohes Fachwissen erfordern.
Der Trend geht in der chemischen Industrie aber weg von der gezielten Suche nach Problemlösungen hin zur offenen Suche nach kreativen Ideen für Produkte und Geschäftsmodelle. Akzo Nobel hat beispielsweise ein Online-Formular auf die unternehmenseigene Webseite gestellt, das öffentlich zugänglich ist. Auf <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.akzonobel.com/openinnovation" target="_blank">www.akzonobel.com/openinnovation</a></ext-link> kann jeder Ideen für eines der vorgegebenen Suchfelder einreichen, von Beschichtungen für Verpackungsmaterialien bis zu unbedenklichen Holzschutzmitteln.


<h2>Die Crowd diskutiert</h2>
Die bisher genannten Ansätze sprechen zwar eine große Crowd an, unterstützen jedoch keine Interaktion zwischen den Teilnehmern. Diese fehlende Zusammenarbeit hat Freudenberg mit einer Plattform gelöst, die alle Ideen für Community-Mitglieder öffentlich macht: <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.ideatrophy-freudenberg.com" target="_blank">www.ideatrophy-freudenberg.com</a></ext-link> (siehe Interview). Dadurch können Teilnehmer jede Idee kommentieren und — falls sie diese gut finden — auch dafür abstimmen. Die hier angesprochene Crowd muss zwar kein Expertenwissen aufweisen, dennoch wird eine genauere Auseinandersetzung mit der Materie vorausgesetzt. Somit selektiert nicht das Unternehmen, wer zur Crowd gehören soll, sondern die Aufgabe selbst führt eine automatische Teilnehmerselektion durch. Seit Mitte November geht es bei Freudenberg um Oberflächen für medizinische Geräte.


<h2>Den Spieltrieb nutzen</h2>
Die chemische Industrie kann auch mit allgemeinen Fragen Nutzen schöpfen und sich dabei an eine breite Masse interessierter Laien wenden. Diese Art des Crowdsourcing ist optimal, um Marktanreize nachzubilden und dabei verborgene Nachfragen aufzudecken. So erhalten SGL, Bayer Material Science und Evonik zwar nicht immer vollständige Konzepte einer Produktinnovation von der allgemeinen Crowdsourcing-Plattform <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.innovationskraftwerk.de" target="_blank">www.innovationskraftwerk.de</a>.</ext-link> Sie gewinnen aber eine unkonventionelle, betriebsfremde Sicht auf ihre Fragen. Diese Sicht wirkt oft stimulierend auf die unternehmenseigene Innovationskraft und füllt leere Ideenpipelines in einer frühen Phase.
Der Anreiz mitzumachen, liegt bei den bisherigen Beispielen im Wettbewerbsgedanken. Als Belohnung für die erfolgreiche Teilnahme erhält der Gewinner eventuell eine Geldprämie, aber vor allem Sichtbarkeit und Reputation im jeweiligen Unternehmen.
Auf die Zusammenarbeit ohne materielle Anreize setzt BASF mit der Plattform <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.creator-space.basf.com" target="_blank">www.creator-space.basf.com</a>.</ext-link> Hier sollen Branchenexperten online über wirtschaftliche, umweltbezogene und gesellschaftliche Herausforderungen diskutieren. Allein das gemeinsame Interesse und der Altruismus sollen den Wissensaustausch zwischen den Teilnehmern aktivieren. Das Unternehmen sieht die Website als Bestandteil der Kommunikationsaktivitäten zum Jubiläumsjahr.


<h2>Vertrauen und Respekt</h2>
 Unternehmenseigene Plattformen bilden und stärken ein Wissensnetzwerk, indem sie eigene Communities erzeugen. Zudem ist jeder öffentliche Online-Auftritt stets Selbstmarketing des Unternehmens. Damit lassen sich Talente finden und Mitarbeiter gewinnen.
Jedoch sind Chancen und Risiken im sozialen Web eng miteinander verbunden. Das wichtigste Prinzip im Open Innovation 2.0 ist der Aufbau sozialer Netzwerke auf Basis sozialer Bindungen. Dabei geht es hauptsächlich um Offenheit, Authentizität, Dialogbereitschaft und Glaubwürdigkeit. Durch fairen und respektvollen Umgang mit den Teilnehmern und ihren Beiträgen gewinnen Unternehmen das Vertrauen der Crowd. Erst so ist ein Wissensnetzwerk erfolgreich zu etablieren.
Zum Vertrauen gehören eine klare Rechtslage und der Schutz des geistigen Eigentums. Soziale Zusammenarbeit verlangt keine einseitige Preisgabe von explizitem Wissen der Teilnehmer. Erfahrungen austauschen und gemeinsam mit dem initiierenden Unternehmen Projekte angehen — das sollten die vorrangigen Ziele sein. Deshalb ist das Engagement der eigenen Organisation auf der Online-Plattform der Weg zum Innovationserfolg. Schafft es ein Unternehmen nicht, frequentierte Feedbackschleifen zu geben oder den Evaluierungsprozess für die Crowd transparent und verständlich zu gestalten, kann dies die Crowd schlagartig verärgern. So entstehen viele der berüchtigten Shitstorms, die — da häufig unkontrollierbar — ein Risiko für Unternehmen sind. Eine wesentliche Herausforderung zur erfolgreichen Open Innovation liegt daher in der Haltung des Unternehmens gegenüber der Crowd, vor allem aber gegenüber externem Wissen.
Künftig fragen sich Unternehmen nicht mehr, ob sie Open Innovation 2.0 betreiben sollen, sondern mit wem, wie offen und wie interaktiv. Sie werden Crowdsourcing-Projekte nicht als Zusatzarbeit und unverbindliches Testen von Social Media ansehen, sondern als wertvolle Wissensquelle im unternehmensinternen Innovationsprozess integrieren.
Hangzi Zhu studierte Wirtschaftschemie an der Universität Münster und promoviert dort am Institut für betriebswirtschaftliches Management im Fachbereich Chemie und Pharmazie über Wissenskollaborationen in sozialen Netzwerken. <a href="mailto:hangzi.zhu@uni-muenster.de">hangzi.zhu@uni-muenster.de</a> Jens Leker ist Professor und geschäftsführender Direktor des Instituts für betriebswirtschaftliches Management im Fachbereich Chemie und Pharmazie der Universität Münster. <a href="mailto:leker@uni-muenster.de">leker@uni-muenster.de</a>


“Crowdsourcing beschreibt die Auslagerung ursprünglich innerhalb einer Organisation ausgeübter oder extern im Rahmen einer Geschäftsbeziehung vergebener Tätigkeiten an eine unbestimmt große, heterogene Masse potenzieller Akteure. Dies erfolgt durch einen offenen Aufruf über das Internet zum Zwecke der freien, wertschöpferischen Nutzung.”2


<h2>“Umsatzanteil neuer Produkte steigern”</h2>
Nachrichten aus der Chemie: Herr Böcking, fahren Sie bei Freudenberg die interne Forschung herunter, seitdem Sie durch Ihre Ideatrophy externe Ideen erhalten?
Jörg Böcking: Nein, das Gegenteil ist der Fall. Ziel aller Anstrengungen der Freudenberg-Gruppe in Forschung und Entwicklung ist es, den Umsatzanteil neuer Produkte zu steigern. Dafür erweitern wir die kundennahen Innovationsaktivitäten in den Geschäftsgruppen durch strategische Elemente. Mit der Ideatrophy haben wir ein Element aus der Open Innovation ergänzt.
Nachrichten: Wer sind die Teilnehmer Ihrer Plattform und wie gut kennen die sich untereinander?
Böcking: Jeder kann an der Ideatrophy teilnehmen. Schwerpunkte sind Kreative in den Suchfeldern, in denen wir Markt- und Technologieexperten, Endanwender, Kunden, Zulieferer, Geschäftspartner und Freudenberg-Mitarbeiter ansprechen. Diese kennen sich untereinander kaum.
Nachrichten: Welche Risiken sehen Sie bei dieser Form des Crowdsourcing?
Böcking: Freudenberg will mit seiner Plattform neue Ideen generieren, die künftig als Innovationen zum Erfolg der Unternehmensgruppe beitragen. Dafür ist es wichtig, sich nicht nur auf ein Crowdsourcing-Element zu fokussieren. Wir wollen gezielt unsere internen Kompetenzen und Ressourcen durch externe Elemente ergänzen. Findet man hier die richtige Balance und setzt entsprechende Rahmenbedingungen, sind andere Risiken vernachlässigbar.
Nachrichten: Wie viel Zeit und Geld fließt in Ihre Feedbackschleifen? Wie viel Aufwand betreiben Sie, wie viele Mitarbeiter setzen Sie ein, um die Crowdsourcing-Aktivitäten zu begleiten?
Böcking: Eine eindeutige Quantifizierung ist schwierig. In einen erfolgreichen Prozess müssen Sie viele Menschen einbinden, die mit ihrem Know-how zur Identifizierung und Bewertung erfolgversprechender Ideen beitragen. Bei einem international arbeitenden Unternehmen sind dies beispielsweise Koordinatoren in den Weltregionen, in allen Geschäftsgruppen und in den zentralen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. Unterstützt werden diese suchfeldfokussiert durch Moderatoren mit entsprechendem Markt- und Technologie-Know-how. MB


<h2>Bayer: Fokus auf Life Sciences</h2>
Bayer will sich mit der Abspaltung von Materialscience in den kommenden 12 bis 18 Monaten auf die Geschäfte Healthcare und Cropscience konzentrieren. Derzeit stammen etwa 70 % des Umsatzes von diesen Sparten, die zudem 88 % zum bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen beitragen. Pro forma setzten die Gesellschaften des künftigen Bayer-Konzerns im Jahr 2013 etwa 29 Mrd. Euro um. Die Mitarbeiterzahl liegt bei 99 000 weltweit, davon 29 500 in Deutschland. CS


<h2>Drei-Tage-Woche und mehr Geld</h2>
Kürzere Arbeitszeiten fordert die Chemiegewerkschaft IG BCE für Beschäftigte ab 60 Jahren. Sie sollen, wenn sie es wünschen, künftig nur drei oder vier Tage pro Woche arbeiten, um Belastungen zu verringern und insgesamt länger arbeiten zu können. Die Pläne der IG BCE sehen dabei vor, dass die Mitarbeiter von der Rentenkasse eine Teilrente und vom Betrieb einen Lohnausgleich erhalten. Der Bundesarbeitgeberverband Chemie lehnte ein flächendeckendes Frühverrentungsmodell bereits ab.
Bei den Tarifverhandlungen geht es zudem um 4 % bis 5 % mehr Lohn und Gehalt. Die Forderungsempfehlung des IG-BCE-Hauptvorstands ist Grundlage für die jetzt beginnende Diskussion in zirka 1900 Chemiebetrieben. Die Ergebnisse werden in den elf Tarifregionen zusammengeführt, am 22. Januar kommt die Bundestarifkommission zusammen und beschließt endgültig über die Forderung. Die Verhandlungen werden aller Voraussicht nach Ende Januar auf regionaler Ebene aufgenommen. Der Chemie-Flächentarifvertrag gilt dann für etwa 550 000 Beschäftigte.


<h2>Chemie- und Pharmalogistik online</h2>
Mit zwei Microsites bietet die Branchenzeitung Chemanager Informationen zur Chemie- und Pharmalogistik. MB
<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.chemielogistik.net" target="_blank">www.chemielogistik.net</a></ext-link>
<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.pharmalogistik.net" target="_blank">www.pharmalogistik.net</a></ext-link>



<ul>
<li>
1 

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://corporate.evonik.de/de/karriere/pages/externe-partner-in-f-und-e.aspx" target="_blank">http://corporate.evonik.de/de/karriere/pages/externe-partner-in-f-und-e.aspx</a></ext-link>.
</li>
<li>
2 

 
L. Hammon, 
H. Hippner, 
<source>Business &amp; Information Systems Engineering 
(2012), 
4, 
163–<lpage>166.</lpage>
</li>
</ul>

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Die Begriffe Web 2.0 oder Social Media beschreiben eine veränderte Nutzung des Internets: Mit den neuen Informations- und Kommunikationssystemen wandelt sich das Internet von einem reinen Informationskanal zu einem System sozialer Interaktionen. Jeder Nutzer kann teilnehmen, um Ideen gemeinschaft...

Wein ist aufgrund seines Aromas mehr als ein normales Konsumgut.1 Die Variabilität der Weinqualität — und damit des Genusses — werden bestimmt von einer ganzen Reihe von Faktoren, darunter Rebsorte, Jahrgang, Ausbauvariante, Alterung, aber auch Bodenbeschaffenheit, Bodenmanagement, weinbauliche und önologische Varianten. Auf substanzieller Ebene gibt es einige Stoffe oder Substanzklassen, die in ihrer Kombination wahrgenommene Nuancen prägen. Dies führt letztlich zu der uns bekannten Vielfalt an Weinstilen. Die Weinaromaforschung untersucht all diese Einflüsse. Dabei machen weit über 1000 flüchtige Stoffe im Weinaroma in Konzentrationen von g·L—1 bis sub-ng·L—1 die Analytik allerdings zu einer anspruchsvollen Aufgabe.
 Die Aromaforschung entschlüsselte in einigen Fällen das chemische Geheimnis von Weinen, Beispiele sind Scheurebe, Gewürztraminer2 oder jüngst der Dornfelder.3 Die prinzipielle Aromasignatur des untersuchten Dornfelders ist auf eine überschaubare Gruppe von flüchtigen wie nichtflüchtigen Substanzen zurückzuführen. Damit verhält es sich mit diesem Wein wie mit anderen Lebensmitteln. Nach neuesten Erkenntnissen zählen aus über 10 000 identifizierten flüchtigen Verbindungen in Lebensmitteln offenbar weniger als 230 zu den Schlüsselgeruchsstoffen. Von diesen wiederum prägt eine nochmals kleinere Gruppe in einem charakteristischen Verhältnis zueinander den typischen Geruch eines Lebensmittels.4


<h2>Rebsorte oder Schädlingsbekämpfer</h2>
Bedeutende aromaaktive Substanzen wie einige 3-Alkyl-2-methoxypyrazine, Thiole oder Haloanisole weisen so niedrige Geruchsschwellen auf, dass bereits wenige Nanogramm pro Liter den Wein wahrnehmbar verändern.5 Derartige Substanzen entscheiden dann über die Qualität eines Weines und damit über Akzeptanz oder Ablehnung beim Konsumenten. So reichen 15 ng·L—1 an 3-Isobutyl-2-methoxypyrazin aus, um einen fruchtigen Riesling so zu verändern, dass er besser durch Attribute wie “grüne Paprika” und “grüner Spargel” zu beschreiben ist. Diese Aromanoten sind aber charakteristisch für Weine anderer Rebsorten, etwa für Sauvignon-Blanc-Weine, die oft dafür geschätzt werden. Wiederum führt die Zugabe von derselben Menge an 2,4,6-Trichloranisol (TCA), der klassischen Leitsubstanz für den Korkton, dazu, dass dieser Wein als fehlerhaft gilt.
Allerdings können die 3-Alkyl2-methoxypyrazine, die insbesondere in Sauvignon-Blanc- oder Cabernet-Sauvignon-Weinen natürlicherweise vorkommen und ihr Aroma prägen, auch auf anderem Wege in die Weine gelangen. Eine mögliche Quelle ist der asiatische Marienkäfer, Harmonia axyridis (Abbildung 1), dessen Hämolymphe solche Stoffe enthält. Der Käfer wurde ursprünglich zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingebracht und hat sich auch durch den Klimawandel in den Weinbergen verbreitet. Bei starkem Befall des Leseguts mit diesen Käfern können sie ein als “ladybug taint” bezeichnetes Fehlaroma im Wein verursachen.6


<h2>Mehrdimensionale GC</h2>
Im Falle des komplex zusammengesetzten Weinaromas stören häufig Matrixbestandteile die Bestimmung wertgebender Aromastoffe, besonders wenn sie nur als Spuren vorliegen. In eigenen Arbeiten der letzten Jahre erwies es sich oft als problematisch, nur eindimensional chromatographisch zu trennen. Dies zeigte sich insbesondere bei der Quantifizierung der genannten 3-Alkyl2-methoxypyrazine im unteren ng·L—1-Bereich. Generell sind solche Aufgaben trotz neuer Messtechniken noch immer eine besondere Herausforderung.7—9
In solchen Situationen sind besondere Probenvorbereitungs- oder angepasste Analysentechniken erforderlich. Zu letzteren zählen multidimensionale gaschromatographische Verfahren wie die heart-cut(H/C)-MDGC. Bei dieser Methode folgt nach einem Transfer der interessierenden Bereiche einer ersten chromatographischen Trennung eine zweite mit anderen Trenneigenschaften. Gerätetechnisch haben sich solche gekoppelten chromatographischen Verfahren heute in einigen Varianten weiterentwickelt und etabliert.10


<h2>Korkton aus dem Keller</h2>
Zur quantitatven Bestimmung von Aromastoffen im Spurenbereich werden oft stabilisotopenmarkierte Standards im Rahmens eines Stabilisotopen-Verdünnungs-Assays (Siva) eingesetzt. Um dabei Zielanalyten über eine isotopologe Referenzsubstanz zu quantifizieren, eignen sich nicht nur massenspektrometrische Detektoren (Abbildung 2), sondern nach Optimierung der chromatographischen Trennung der Isotopologen auch andere Detektionstechniken.11
Ein Anwendungsbeispiel zur nicht MS-basierten Siva zeigt Abbildung 3 (S. 1194). Hier hat die Bestimmung von aussagekräftigen Zielanalyten dazu beigetragen, die Fehlaroma-Situation in einem weinerzeugenden Betrieb aufzuklären: Hier hatten Weine einen muffigen Fehlton, ähnlich dem Korkton. Für die Ursachenforschung wurden Headspace-Festphasenmikroextraktion (HS-SPME) und H/C-MDGC mit Elektroneneinfangdetektor (ECD) zur Analyse von unter anderem Putzproben des Kellers herangezogen. Diese Proben enthielten 2,3,4,6-Tetrachloranisol (TeCA), zudem waren kleinere Mengen 2,4,6-TCA sowie das analoge 2,4,6-Tribromanisol nachweisbar. Die entsprechenden Phenole gelangten möglicherweise mit Holzschutzmitteln (technisches Pentachlorphenol, mit 2,3,4,6-Tetrachlorphenol als Verunreinigung), bromhaltige Phenole über Flammschutzmittel, mit denen Verpackungen und Paletten imprägniert sein können, in den Keller.12,13
Während die ursprünglichen halogenierten Phenole aufgrund ihrer hohen Geruchsschwellenwerte unkritisch sind, genügen von den Haloanisolen, die durch mikrobielle Methylierung im feuchten Keller entstehen, mitunter wenige ng·L—1, um ein Weinaroma zu verderben. Die Kellerluft überträgt solche Stoffe auf die Materialien von Dichtungen und Schläuchen, die mit dem Wein in Berührung kommen. Oft hilft in einem solchen Fall nur eine umfangreiche Sanierung der Räume. Dieser Fall zeigt aber auch, dass selbst Weine, die nicht mit Naturkorken verschlossen sind, einen Korkton aufweisen können.


<h2>Pferdeschweißaroma — Stoffwechselprodukte von Hefen</h2>
Den multidimensionalen Vorteil in der chromatographischen Trennung flüchtiger Verbindungen baut die mittlerweile etablierte umfassende zweidimensionale Gaschromatographie (GC×GC) weiter aus. Das Verfahren trennt sehr komplex zusammengesetzte Gemische hochauflösend, es liefert somit eine wesentliche Grundlage für verlässliche Analysendaten. Hilfreich zur Quantifizierung, wie zur Aufklärung struktureller Informationen sind dabei massenspektrometrische Detektoren.
 Bei der Frage, wie die Pferdschweißnote eines Rotweins in das Holzfass gelangt war, half die Analytik mit GC×GC-Tof-MS (Abbildung 4). Verantwortlich für dieses Fehlaroma sind insbesondere 4-Ethylguaiacol und 4-Ethylphenol, Stoffwechselprodukte der Brettanomyces-bruxellensis-Hefen, die mitunter in Holzfässern überleben.14
Im Beispiel erfolgte die Detektion mit select-eV-Elektronenstoß-Ionisation bei 10eV mit einem Tof-MS. Die niedrige Ionisierungsenergie bewirkt, dass sich die Ionenverhältnisse im Massenspektrum zugunsten der höheren Massen verschieben und die Intensität des Molpeaks zunimmt. Dies erleichtert die Identifizierung und Quantifizierung der Substanzen.


<h2>Fingerprint und umfassende Analysen: Herkunft und Alter</h2>
Neben der zielgerichteten quantitativen Analyse aromarelevanter Weininhaltsstoffe gibt es die Profiling- oder Fingerprint-Untersuchungen. Sie haben zum Ziel, analytisch relevante Stoffe oder alle flüchtigen Verbindungen — sozusagen das flüchtige Metabolom — entweder zielgerichtet (targeted) oder insgesamt (nontargeted) zu bestimmen. Kombiniert mit chemometrischen Verfahren sind solche Profiling-Analysen wichtige Methoden zur Untersuchung von Weinen, um beispielsweise Fragen zur Herkunft, Entstehungsgeschichte oder Veränderung des Weinaromas durch das Lagern zu beantworten.15,16
Ein solches Multikomponenten-Targeted-Profiling mit 40 aromarelevanten Stoffen zeigt Abbildung 5. Hier sind Weine aus verschiedenen Jahrgängen differenziert. Die chemischen Informationen aus solchen Analysen tragen dazu bei, die Unterschiede zwischen den Jahrgängen zu erklären. Im Beispiel nimmt mit dem Alter unter anderem das Terpen Linalool (Lin) ab, und es bilden sich verstärkt Linalooloxide (LinOx).
Nutzt man die hohe Trennleistung der GC×GC kommt man dem Ziel einer umfassenden Analyse der flüchtigen Weininhaltsstoffe ein gutes Stück näher. Generell wäre es wünschenswert, ein umfassendes Verständnis des gesamten chemischen Metaboloms der Weine zu erlangen. Dies könnte die Grundlage liefern, um den Einfluss unterschiedlichster Produktions- oder Herkunftsfaktoren auf das Wein-Metabolom und letztlich auch auf die sensorische Beurteilung durch den Konsumenten zu verstehen. In diesem Zusammenhang fiel bereits der Begriff “Wine-Omics”, unter dem analytische Erkenntnisse unterschiedlichster Methoden (z.B. HPLC-MS, GC-MS und NMR) zusammengenommen und mit einer Frage zum Körper des Weines korreliert wurden.17
Mit der Kenntnis aller analytisch zugänglichen und stofflich relevanten Daten zur Zusammensetzung eines Weines könnte man diese mit dem Wissen um die Produkthistorie korrelieren und Veränderungen bei neuen Bedingungen vorhersagen.18
Selbst wenn dabei der Mythos um den Wein leidet, wäre ein solcher Wissensgewinn für eine gezielte Produktion der gewünschten Weinstile — aber auch im Hinblick auf Qualität und Sicherheit erstrebenswert.
Hans-Georg Schmarr studierte Lebensmittelchemie an der Universität Frankfurt und promovierte dort im Jahr 1992, wobei er einen Teil seiner Studien am Kantonalen Laboratorium in Zürich durchführte. Danach arbeitete er als Chromatographiespezialist für Fisons Instruments und Restek. Nach einem Postdoc-Aufenthalt am Institute for Environmental Toxicology der University of California in Davis war er von 1996 bis 2002 wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Allgemeine Lebensmitteltechnologie der TU München in Weihenstephan. Seit 2002 ist er am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, dort leitet er das Arbeitsgebiet Weinanalytik und Mikrobiologie. Seine Hauptarbeitsgebiete sind Studien zum Einfluss von weinbaulichen und önologischen Maßnahmen auf die Aromastoffe des Weines. Petra Slabizki studierte Lebensmittelchemie an der TU Kaiserslautern. Seit dem Jahr 2011 ist sie Doktorandin in der Arbeitsgruppe Aromaforschung im Kompetenzzentrum Weinforschung am DLR Rheinpfalz und befasst sich mit Studien zu Kork-Fehlaromen. Charlotte Legrum studierte Lebensmittelchemie an der TU Kaiserslautern. Seit dem Jahr 2012 ist sie Doktorandin in der Arbeitsgruppe Aromaforschung im Kompetenzzentrum Weinforschung am DLR Rheinpfalz und befasst sich mit Alkylmethoxypyrazinen in Wein und anderen Matrices. Johannes Langen studierte Lebensmittelchemie in Karlsruhe und Berlin. Danach arbeitete er von 2002 bis 2012 bei der DGL mbH in Potsdam in der organischen Analytik von Wasser. Seit 2012 ist er Doktorand im Kompetenzzentrum Weinforschung am DLR Rheinpfalz und befasst sich mit der Authentizität von Aromastoffen im Wein.


<h2>QUERGELESEN</h2>
Weinaroma besteht aus über 1000 flüchtigen Substanzen in Konzentrationen von Gramm bis Nanogramm pro Liter.
Von einigen Substanzen reichen bereits wenige Nanogramm pro Liter, um den Charakter eines Weines zu verändern oder gar seinen Geschmack zu verderben.
Die Matrixbestandteile im Wein stören die Analyse im Spurenbereich. Daher bietet sich für die Bestimmung von Aromastoffen mehrdimensionale Gaschromatographie an, etwa heart-cut- oder umfassende Methoden.
Ein Ziel der Aromaforschung ist, Einflüsse durch Anbau- und Produktionsbedingungen auf die Weinzusammensetzung nachzuvollziehen. Ein Ansatz dazu sind Fingerprint-Analysen.



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<li>
1 

 
A. Rapp, 
<source>Chem. Unserer Zeit 
(1992), 
26, 
273.
</li>
<li>
2 

 
H. Guth, 
<source>J. Agric. Food Chem. 
(1997), 
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3022.
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<li>
3 

 
S. Frank, 
N. Wollmann, 
P. Schieberle, 
T. Hofmann, 
<source>J. Agric. Food Chem. 
(2011), 
59, 
8866.
</li>
<li>
4 

 
A. Dunkel, 
M. Steinhaus, 
M. Kotthoff et al., 
<source>Angew. Chem. 
(2014), 
126, 
7250.
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<li>
5 

 
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<source>Chem. Unserer Zeit 
(2003), 
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8.
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6 

 
S. Koegel, 
J. Gross, 
C. Hoffmann, 
D. Ulrich, 
<source>Eur. Food Res. Technol. 
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234, 
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<li>
7 

 
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S. Ganß, 
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</li>
<li>
9 

 
C. Legrum, 
E. Gracia Moreno, 
R. Lopez et al., 
<source>Eur. Food Res. Technol. 
(2014), 
239, 
549.
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<li>
10 

 
P. J. Marriott, 
S.-T. Chin, 
B. Maikhunthod, 
H.-G. Schmarr, 
S. Bieri, 
<source>Trends Anal. Chem. 
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34, 
1.
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P. Slabizki, 
H.-G. Schmarr, 
<source>J. Chromatogr. A 
(2013), 
1271, 
181.
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12 

 
H. Rudy, 
G. Scholten, 
<source>Der Dtsch. Weinbau 
(2006), 
15, 
24.
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<li>
13 

 
V. Schäfer, 
R. Jung, 
<source>Der Dtsch. Weinbau 
(2010), 
22, 
14.
</li>
<li>
14 

 
P. Chatonnet, 
D. Dubourdieu, 
J. N. Boidron, 
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15 

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<li>
16 

 
S. Koschinski, 
<source>Prägung deutscher Riesling Weine durch ihr Terroir — Differenzierung anhand analytischer und sensorischer Daten, <publisher-name>Cuvillier Verlag</publisher-name>, <publisher-loc>Göttingen</publisher-loc>, 2012.
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<li>
17 

 
G. Wohlgemuth, 
K. Skogerson, 
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<source>Nature 
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699.
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<li>
18 

 
H.-G. Schmarr, 
S. Ganß, 
U. Fischer, 
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in: <source>Flavour Science, Proceedings of XIII Weurman Flavour Research Symposium, Zaragoza, Spanien, (Hrsg.: <person-group person-group-type="editor">V. Ferreira, R. Lopez)</person-group>, <publisher-name>Elsevier Science Publishing, Academic Press</publisher-name>, <publisher-loc>San Diego, CA, USA</publisher-loc>, 2014, 361.
</li>
</ul>

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