Bildung & Gesellschaft

<h2>Wie reden Chemiker über ihr Fach?</h2>Eine Online-Umfrage der Universität Münster ermittelt, welche Lehr- und Vermittlungsaufgaben Chemiker im Beruf übernehmen müssen. Das Kooperationsprojekt zwischen Chemie und Chemiedidaktik entwickelt anhand der Ergebnisse ein Fortbildungsangebot für Promovierende. Damit sollen sie lernen, ihre Wissenschaft aufzuarbeiten und verständlich weiterzugeben. Die Umfrage läuft bis Ende Juni.<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://zivevasys.uni-muenster.de/evasys/online.php?p=chemdid4" target="_blank">http://zivevasys.uni-muenster.de/evasys/online.php?p=chemdid4</a></ext-link><h2>Freier Zugang zu Publikationen</h2>Eine internationale Open-Access-Initiative möchte einen freien Zugang zu Publikationen von Forschungsergebnissen im Internet ermöglichen. Dazu unterzeichnete die Leibniz-Gemeinschaft zusammen mit 30 anderen Forschungsorganisationen eine Absichtserklärung. Darunter waren die European University Association (EUA) und weitere Organisationen aus Deutschland, Norwegen, Südkorea oder Chile. Die Leibniz-Gemeinschaft hat außerdem einen Publikationsfond eingerichtet, der anfallende Open-Access-Gebühren für Leibniz-Forscher übernimmt.<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://goo.gl/ejReuV" target="_blank">http://goo.gl/ejReuV</a></ext-link><h2>Berufserfahrung aufs Studium anrechnen lassen</h2>Baden-Württemberg richtet eine Datenbank ein, die Hochschulen dabei hilft, Kompetenzen aus einer beruflichen Tätigkeit zu bewerten. Bisher behandelt jede Hochschule diese Fälle individuell. Hochschulbeschäftigte können mit der Datenbank berufliche Qualifikationen auf ein Studium anrechnen. Das Wissenschaftsministerium, der Arbeitgeberverband Südwestmetall und der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag unterstützen das Projekt finanziell.<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://goo.gl/LLbeff" target="_blank">http://goo.gl/LLbeff</a></ext-link><h2>49 Millionen Fachartikel illegal im Netz</h2>Die kasachische Hirnforscherin Alexandra Elbaykan stellte auf der Datenbank „Sci-Hub“ 49 Millionen wissenschaftliche Fachartikel unerlaubt ins Netz. Der Fachverlag Elsevier klagt und erwirkte eine Sperrung der Domain, diese ist aber unter neuer Adresse wieder abrufbar. Die Forscherin gab an, sie habe sich die Veröffentlichungen beschafft, weil in ihrem Land der Zugriff darauf fehle. Nun helfe sie anderen mit der Datenbank.<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.hochschulverband.de/cms1/1480.html" target="_blank">www.hochschulverband.de/cms1/1480.html</a></ext-link><h2>Wissenschaftliches Fehlverhalten mit Konsequenzen</h2>Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) rügte eine Wissenschaftlerin und entzog ihr für drei Jahre die Antragsberechtigung. Sie habe eine Abbildung in einer Publikation falsch dargestellt und die Daten einer zweiten Abbildung manipuliert, um gewünschte Studienergebnisse vorzutäuschen. Die DFG wertete das als Datenmanipulation und wissenschaftliches Fehlverhalten.<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://goo.gl/LCHKYh" target="_blank">http://goo.gl/LCHKYh</a></ext-link><h2>Neuer Forschungspreis</h2>Baden-Württemberg vergibt dieses Jahr einen „Preis für mutige Wissenschaft“, dotiert mit 30 000 Euro. Damit würdigt das Land Forscher, die in ihrer Wissenschaft Risiken eingegangen sind, um neue Wege zu beschreiten. Bewerber sollen nicht älter als 45 Jahre sein und eine Promotion vorweisen. Bewerbungsschluss ist der 30. Juni.<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://goo.gl/n1eR6B" target="_blank">http://goo.gl/n1eR6B</a></ext-link><h2>Forschungsdaten öffnen</h2>Der österreichische Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) will freien Zugang zu Forschungsdaten in all seinen Projekten schaffen. Bis März haben österreichische Forscher hierzu Konzeptanträge eingereicht. Im Mai lädt der FWF die Wissenschaftler mit den besten Anträge zu einem Vollantrag ein. Eine Entscheidung folgt im März 2017.<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.fwf.ac.at/de/news-presse/news/nachricht/nid/20151221–2157/" target="_blank">www.fwf.ac.at/de/news-presse/news/nachricht/nid/20151221–2157/</a></ext-link><h2>Konsortialstudie Mikroplastik</h2>Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht in Oberhausen hat die „Konsortialstudie Mikroplastik/Marine Litter“ gestartet. Teilnehmen können Unternehmen, Organisationen, freie Erfinder oder sonstige Dienstleister. Ein Quereinstieg ist noch möglich.<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.umsicht.fraunhofer.de" target="_blank">www.umsicht.fraunhofer.de</a></ext-link>

Meldung

Forschung und Bildung

Wie reden Chemiker über ihr Fach?Eine Online-Umfrage der Universität Münster ermittelt, welche Lehr- und Vermittlungsaufgaben Chemiker im Beruf übernehmen müssen. Das Kooperationsprojekt zwischen Chemie und Chemiedidaktik entwickelt anhand der Ergebnisse ein Fortbildungsangebot für Promovierende....

Prof.Dr.Dr.h.c.

Im Herbst 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen 17 nachhaltige Entwicklungsziele. Ihre Vision besteht darin, die Armut zu beenden, die Erde zu schützen und Wohlstand für alle zu ermöglichen. Was bedeutet das für die Chemie als die zentrale Nachhaltigkeitswissenschaft?
Die Umweltkommission der Vereinten Nationen definierte im Jahr 1987 unter dem Vorsitz von Gro Harlem Brundtland (deshalb auch oft Brundtland-Kommission genannt) den Begriff „nachhaltige Entwicklung“ als „eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“.1) Die Grundprinzipien wurden im Jahr 1992 auf der UN Conference on Environment and Development weiterentwickelt,2) wobei man einschloss, dass keine umweltrelevanten Handlungen ausgeführt werden sollten, die nicht umkehrbar wären.Aus zahlreichen Belegen geht hervor, dass menschliche Aktivitäten wie der wachsende Energieverbrauch, die zu starke Ausbeutung natürlicher Ressourcen, das Bevölkerungswachstum und die Urbanisierung die physikalischen, biologischen und ökologischen Reserven des Planeten belasten. Es wird zunehmend offenkundig, dass Krisen bei Wasser- und Nahrungsmittelversorgung, Klima, Energie und Gesundheit nur vermieden werden können und Nachhaltigkeit nur erreicht werden kann, wenn die Menschheit ihr gesamtes Verhalten ändert.Auf ihrer Generalversammlung im September 2015, an der 193 Nationen teilnahmen,3) beschloss die UN diesen Wechsel einzuleiten, indem sie 17 nachhaltige Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) verabschiedete (Kasten Seite 548).4) Bis zum Jahr 2030 sollen diese umgesetzt werden.<h2>Umdenken und Neupositionierung</h2>Die Chemie kann bei der Verwirklichung dieser Ziele eine entscheidende Rolle spielen.5,6) Sie hat ihre Innovationskraft immer wieder bewiesen und als Basis für eine Fülle verschiedener Techniken kann und wird sie entscheidend zur Armutsverringerung, dem nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstum und der Industrialisierung beitragen (Ziele 1, 8, 9). Die Chemie wird dabei helfen, Ungleichheiten aller Art abzubauen und urbane Umgebungen resilienter und nachhaltiger zu machen (Ziele 10 und 11) und auch dadurch die Auswirkungen des Klimawandels mildern. Zur Lösung von Umweltschäden in der Luft, den Ozeanen und von Land und Boden wird sie entscheidende Beiträge liefern (Ziele 13, 14, 15). Sie wird neue Produkte und Prozesse für die Landwirtschaft und die pharmazeutische Industrie ebenso bereitstellen wie effizientere Wege, um reines Wasser zu gewinnen, für Sanitärprodukte und beim Entwurf nachhaltiger Produktionsprozesse (Ziele 6, 7, 12). Auch zu den anderen Zielen wird die Chemie beitragen, wenngleich ihr Einfluss häufig ein indirekter sein wird.Als eine zentrale und praktisch nützliche Wissenschaft hat die Chemie während der letzten zweihundert Jahre7) eine entscheidende Rolle dabei gespielt, das menschliche Wissen, den Wohlstand, die Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern. Chemie ist die Lebensqualitätswissenschaft schlechthin. Gleichzeitig hat sie aber auch zu den planetarischen Krisen beigetragen oder sie durch Mängel der Produktionsweisen und der Produkte sogar verursacht.Die Chemie als Wissenschaft und als Praxis muss für diese Entwicklungen die Verantwortung übernehmen und dazu beitragen, diese Entwicklungen, die im Widerspruch zum Nachhaltigkeitsdenken stehen, zu stoppen und umzukehren. Dazu sind Umdenken und eine Neupositionierung der Chemie erforderlich: Diese Neuerfindung der Chemie bildet jedoch nur einen Teil der Herausforderung. Nur allzu oft konzentrieren Chemiker ihre Aufmerksamkeit auf zu kleine Forschungskompartimente und sehen das große Bild nicht.Diejenigen, die Chemie lehren und in ihrem Bereich forschen, müssen ihr Engagement für die umgebende Welt stärker zeigen. Das bedeutet, den Lernenden zu zeigen, dass die Chemie die zentrale Nachhaltigkeitswissenschaft ist. Chemiker müssen stärker zeigen, dass ihr Einfallsreichtum als Forscher und Erfinder den Unterschied ausmacht, um die wissenschaftlichen und technischen Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung zu bewältigen. Dazu müssen wir die eingefahrenen Wege und Strukturen der Chemie verlassen – auch in der Forschungsförderung und im Verlauf der späteren Berufswege.Die Tagesordnung kann nicht darin bestehen, die Bemühungen auf einem zusätzlichen Gebiet zu steigern, während der (große) Rest des Feldes weitermacht wie bisher. Alle, die Chemie lehren, lernen und praktizieren, müssen eine klare Orientierung zur Nachhaltigkeit übernehmen.Sie müssen also Kenntnisse darüber erwerben, wie chemische, biologische und ökologische Systeme interagieren. Ein derartiges Systemdenken sollte die Art und Weise bestimmen, in der Forscher und Erfinder über die Lösung ihrer Probleme nachdenken. Inter- und transdisziplinäres Arbeiten sollte im Zentrum ihrer Bemühungen stehen. Dieses Vorgehen wird sich stark darauf auswirken, wie die chemische Forschung in Zukunft organisiert, gefördert, durchgeführt und nicht zuletzt wertgeschätzt wird.8)Henning Hopf, GDCh-Altpräsident und -Ehrenmitglied, ist Mitglied der Arbeitsgruppe für Chemische Bildung der International Organization for Chemical Sciences in Development (IOCD) und war Professor für organische Chemie an der TU Braunschweig. Alain Krief ist Executive Director der IOCD und Emeritus Professor am Chemie-Department der Universität von Namur, Belgien. Stephen A. Matlin ist Head of Strategic Development der IOCD und Professor am Institute of Global Health Innovation, Imperial College London. Goverdhan Mehta ist Vorstandsmitglied der IOCD und National Research Professor and Lilly-Jubilant Chair an der School of Chemistry, University of Hyderabad, Indien.<h2>Nachhaltige Entwicklungsziele für das Jahr 2030</h2><list list-type="simple"><list-item></list-item></list>Armut in jeder Form und überall beenden.<list-item>Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.</list-item><list-item>Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.</list-item><list-item>Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle fördern.</list-item><list-item>Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen erreichen.</list-item><list-item>Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten.</list-item><list-item>Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie für alle sichern.</list-item><list-item>Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.</list-item><list-item>Eine belastbare Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen.</list-item><list-item>Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten verringern.</list-item><list-item>Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig machen.</list-item><list-item>Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen.</list-item><list-item>Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen (in Anerkennung der Tatsache, dass die United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC, das zentrale internationale, zwischenstaatliche Forum zur Verhandlung der globalen Reaktion auf den Klimawandel ist).</list-item><list-item>Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen.</list-item><list-item>Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodenverschlechterung stoppen und umkehren sowie den Biodiversitätsverlust stoppen.</list-item><list-item>Friedliche und inklusive Gesellschaften im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und effektive, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen.</list-item><list-item>Die Mittel zur Umsetzung dieser Ziele stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung wiederbeleben.</list-item>
<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 United Nations. Our Common Future. Report of World Commission on Environment and Development. New York, 1987.</li><li>
2 United Nations. Agenda 21. UN Conference on Environment and Development, Rio de Janerio, Brasilien, 3.–14.6. 1992.</li><li>
3 United Nations Sustainable Development Summit, New York, 25.–27.9.2015.</li><li>
4 Sustainable Development Goals. New York: UN 2015. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.un.org/sustainabledevelopment/summit/" target="_blank">www.un.org/sustainabledevelopment/summit/</a></ext-link></li><li>
5 S. A. Matlin, G. Mehta, H. Hopf, A. Krief, Nat. Chem. 2015, 7, 941–943.</li><li>
6 Working for Sustainable Development. International Organization for Chemical Sciences in Development, 2015.</li><li>
7 S. A. Matlin, B. M. Abegaz, Chemistry for development, in The Chemical Element: Chemistry‘s Contribution to Our Global Future [Hrsg.: J. Garcia-Martinez, E. Serrano-Torregrosa], Wiley-VCH, Weinheim, 2011, Kapitel 1, S. 1–70.</li><li>
8 S. A. Matlin, G. Mehta, H. Hopf, A. Krief, Nat. Chem. 2016, im Druck.</li></ul>

Meldung

Forschung und Bildung

Wie reden Chemiker über ihr Fach?

Freier Zugang zu Publikationen

Überprüfung Ihres Anmeldestatus ...