Bildung & Gesellschaft

Prof.Dr.Dr.-Ing.E.h.

<p>Galmei ist ein berg- und hüttenmännischer Begriff für schwefelfreie Zinkerze. Das Dreiländereck zwischen Belgien, den Niederlanden und Deutschland war lange Zeit eine Hochburg bei der Galmeigewinnung und -verarbeitung zu Messing.</p>
<p>Die carbonatischen und silikatischen schwefelfreien Zinkerze, die Galmeie, waren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts der unabdingbare und einzig mögliche Grundstoff für die Messingherstellung. Zink war bis dahin nicht als Reinmetall verfügbar. Messing wurde aus Galmei, Kupfer und Holzkohle nach dem Zementationsverfahren hergestellt.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/A0S7CHAlTQeG4u1Ctx4c"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Nichtsulfidische Zinkerze. Links: Kohlengalmei (Zinkspat, Smithsonit) = ZnCO<sub>3</sub>; Mitte: Kieselgalmei (Kieselzinkerz, Hemimorphit) = Zn<sub>4</sub>Si<sub>2</sub>O<sub>7</sub>(OH)<sub>2</sub>·H<sub>2</sub>O; rechts: Willemit = Zn<sub>2</sub>[SiO<sub>4</sub>]. <named-content>Fotos: <a href="https://stolberg-abc.de" target="_blank">stolberg-abc.de</a>; Derek Ramsey/Wikimedia Commons; Hans Osterhammer/ Mineralienatlas</named-content></figcaption></figure>
<p>Die Herkunft des Worts Messing ist nicht geklärt. Diese Legierung wurde bereits im 3. Jahrtausend vor Christus in Babylonien und Assyrien und etwas später in Palästina hergestellt. Ab etwa 700 v. Chr. gibt es aus Griechenland Berichte über die Zink-Kupfer-Legierung.</p><p>Der römische Schriftsteller Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.) beschreibt den Gebrauch von Messing und beklagt in seinem Werk De officiis die Unmoral von Händlern, die Messing als Gold verkauften. Diese Fälschung blieb über die Jahrhunderte beliebt: In Deutschland etablierte sich der Ausdruck „Autobahngold“, da Betrüger an Autobahnraststätten leichtgläubigen Opfern Waren aus Messing als angebliche Erbstücke aus Gold anboten.</p><p>In seiner umfangreichen Enzyklopädie beschreibt Plinius der Ältere (23/24–79 n. Chr.) die Herstellung von Messing aus Kupfer, Galmei und angefeuchtetem Kohlenstaub. Durch die Römer wurde Messing auch in Germanien bekannt. Zeugen dafür sind die über 2000 Jahre alten Hemmoorer Eimer – benannt nach dem Fundort Hemmoor bei Cuxhaven –, kunstvoll gestaltete Messinggefäße, die um das Jahr 1900 entdeckt wurden.</p><h2>Hotspot des Galmei-Abbaus</h2><p>Bedeutende Galmeivorkommen gibt es im Dreiländereck zwischen Belgien, Deutschland und den Niederlanden. Die wichtigsten Zinkerzlagerstätten dort waren das Erzabbaugebiet um Altenberg im heutigen belgischen Kelmis und die mit Abstand größte und ergiebigste Erzgrube im Stolberger Raum Diepenlinchen. Das Altenberger Erz ist vorwiegend Kieselgalmei; dieses Zinkerz ist besonders rein und nahezu bleifrei. Der Altenberg galt als Europas bedeutendstes Abbaugebiet für Galmei. Im Stolberger Raum dominierte Kohlengalmei.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/yf7p6XlRk2yPXKXSU6ck"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Links: Altenberg (Kelmis) um 1840; rechts: Diepenlinchen um 1900. <named-content>Lithographie von J. B. Bastine (1843); Gemälde F. Hüllenkremer</named-content></figcaption></figure>
<p>Die an den Ausläufern der Ardennen gelegene belgische Stadt Dinant entwickelte sich ab dem 10. Jahrhundert zum Zentrum des Messinghandwerks und beherrschte in monopolartiger Stellung den europäischen Messingmarkt. Für aus Messing gegossene und aus Blech gearbeitete Messingkunst setzte sich die Bezeichnung Dinanderien durch.</p><p>Die Blütezeit der Messinghochburg endete, als sich die stolzen Bürger auf Streitereien mit dem Herzogtum Burgund einließen. Sie überschätzten ihre Macht – die Truppen des Herzogs Philipp und seines Sohns Karls des Kühnen zerstörten die Stadt im Jahr 1466. Die überlebenden Messinghandwerker flüchteten; viele ließen sich in Aachen nieder, das so zum europäischen Messingzentrum wurde.</p><p>Die Messingtradition Dinants lebte im Jahr 1846 nochmal auf, als der Dinanter Bürger Adolphe Sax das nach ihm benannte Musikinstrument entwickelte und ihm dafür auch ein Patent erteilt wurde.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/JQQj0OpXSqy9FOyUMytG"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Saxophon-Denkmal in Dinant.</figcaption></figure>
<h2>Aachen als Hochburg des Messinghandwerks</h2><p>Die wohlhabenden Kupferschmiede gründeten in Aachen im Jahr 1450 eine Zunft und betrieben ihr Geschäft kartellmäßig. Schließlich majorisierten sie als Protestanten im katholischen Aachen sogar den Stadtrat. Im Jahr 1587 kam es nach Streitereien zwischen den Kupfermeistern, den Messingfabrikanten und den Kupferkesslern, also den verarbeitenden Handwerken, zur Spaltung der Zunft in die Kupfer- und die Kesslerambacht. Rigide Reglementierung – so wurden etwa die Zahl der Betriebe eines Kupfermeisters und die Ressourcen wie Erz und Wasser begrenzt – behinderten die Kupfermeister in Aachen. So begannen sie ihre Produktionsstätten, die Kupferhöfe, nach Stolberg zu verlagern. Dort waren die Standortbedingungen optimal: Für Wasser sorgte der Vichtbach, Zinkerze waren vorhanden und Holz für Holzkohle zum Betreiben der Messingöfen kam aus der Eifel.</p><p>Zur Blütezeit der Messingindustrie im 17. und 18. Jahrhundert waren in Stolberg etwa vierzig Kupfermeisterfamilien tätig. Mit wachsenden Wohlstand bauten die Messingfabrikanten anstelle der wehrhaften Hofanlagen nun prächtige Herrenhäuser. Von diesen sind viele heute noch erhalten. Ein Beispiel ist der Kupferhof Grünenthal, später vorübergehend Produktionsstätte der Seifenfabrik Dalli-Werke und Stammsitz des Pharmaunternehmens Grünenthal.</p><p>Die Zinkerze um Aachen dienten später auch dazu, Zinkmetall zu gewinnen. Zinkmetall war erstmals in Europa in Wales erzeugt worden. Der frühere Lütticher Stiftsherr Jean-Jacques Daniel Dony (1759–1819) errichtete um 1805 in der Nähe von Lüttich eine Zinkhütte mit Zinkerz von Altenberg, die 1837 in der Kapitalgesellschaft Vielle Montagne aufging. Später kam eine Hütte in Kelmis hinzu, die im Jahr 1885 den Betrieb einstellte.</p><p>In Stolberg wurde die erste Zinkhütte – Velau – im Jahr 1819 in Betrieb genommen. Insgesamt gab es in Stolberg vier Zinkhütten, die später unter dem Dach der Stolberger Zink AG zusammengefasst wurden. Die bedeutendste war die Hütte Münsterbusch mit 50 Reduktionsöfen, die erst im Jahr 1967 stillgelegt wurde.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/pPVx8TwnQFOw6UPi80yP"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Reduktionsöfen der Zinkhütte Münsterbusch.</figcaption></figure>
<h2>Botanische Zeugen einer Industriekultur</h2><p>Die bedeutende Messing- und Zinkindustrie basierte auf den Zinkerzen der Region Aachen-Lüttich. Davon zeugen die heutigen Galmeiflora-Naturschutzgebiete. Galmeipflanzen sind Metallophyten und können beachtliche Mengen Zink speichern und gedeihen vorzüglich auf Abraumhalden der Zinkerzgruben, so in Kelmis und Stolberg. Bekannt ist die auch in anderen Regionen vorkommende Galmeigrasnelke. Die Gelben Galmeiveilchen sind dagegen eine Rarität: Sie gibt es nur in der Region Aachen-Lüttich.</p><h2>Als das Dreiländereck ein Vierländereck war</h2><p>Zwischen 1830 und 1919 war das Dreiländereck sogar ein Vierländereck. Zu den drei Ländern Belgien, Niederlande und Preußen/Deutschland kam noch Neutral-Moresnet. Die unabhängige Mikronation mit einer Fläche von 3,4 km<sup>2</sup> war entstanden, da sich die Anrainer Niederlande und Preußen wegen der wertvollen Zinkvorkommen nicht über die Zugehörigkeit einigen konnten. Der Zwergstaat war ein Steuerparadies und eine Hochburg des Schmuggels. Im Versailler Vertrag von 1919 erkannte Deutschland dann die Souveränität Belgiens über Neutral-Moresnet an.</p><p>Das Gebiet der früheren Mikronation Neutral-Moresnet gehört heute zu Kelmis (französisch La Calamine, frühere deutsche Bezeichnung: Altenberg), einer deutschsprachigen Gemeinde in Belgien mit zirka 11 000 Einwohnern. Der Name leitet sich von Kelmes, das Galmei bedeutet, ab.</p><p>Das Göhltalmuseum in Kelmis informiert über die politische und geschichtliche Sonderbarkeit des „Neutralgebietes von Moresnet“ und die Geschichte der Zinkindustrie. Es verfügt zudem über eine große Sammlung an Zinkmineralien aus der Umgebung.</p><p>Postkarte der Vierländerregion um Neutral-Moresnet.</p><p>Heribert Offermanns, Jahrgang 1937, Chemiker und Mitglied des Vorstands der Degussa bis zum Jahr 2000. Über die Industriegeschichte seiner Heimatregion schrieb Offermanns zuletzt im Beitrag „Kieselsaft, Persil und Moses“ in Nachr. Chem. 2016, 63, 431.</p><p>Dank: dem Museum in der Torburg, Stolberg, sowie dem Zinkhütter Hof, Museum für Industrie-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, für die Bilder aus dem „Alphabet der Heimatkunde“ (neueste Version 5.5; April 2016);</p><p>dem Verfasser des „Alphabet der Heimatkunde“, Friedrich Holtz, für die kritische Durchsicht des Manuskripts und für Korrekturen.</p>

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<h2>Bundesweiter Gründerwettbewerb</h2><p>Am 21. Oktober endet die Ideenphase des Businessplan-Wettbewerbs Science4Life Venture Cup. Auf drei Seiten formulieren Gründungsinteressierte aus Chemie, Life Science und Energie ihre Geschäftsidee. Insgesamt 30 Teilnehmer nehmen anschließend an einem Tagesworkshop teil, die 5 besten Ideen erhalten ein Preisgeld von je 500 Euro. Dieses Jahr neu ist der Zusatzpreis im Science4LifeEnergy Cup. Er richtet sich speziell an Jungunternehmer aus der Energie. Der Einsendeschluss für die Konzeptphase ist der 13. Januar 2017. HM</p><p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.science4life.de" target="_blank">www.science4life.de</a></ext-link></p><h2>Karrieremesse für Naturwissenschaftler</h2><p>In Düsseldorf findet am 11. November der Jobvector Career day statt. Naturwissenschaftler, Ingenieure und Mediziner können sich dort kostenlos über Einstiegs- und Karrieremöglichkeiten bei mittelständischen und internationalen Unternehmen informieren. HM</p><p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.jobvector.de/careerday" target="_blank">www.jobvector.de/careerday</a></ext-link></p><h2>Mitgliederstarke Chemiegewerkschaft</h2><p>Die IG Bergbau, Chemie, Energie ist mit 651 000 Mitgliedern die drittgrößte Gewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund. Stärker als die IG BCE sind nur Verdi und die IG Metall. MS</p><h2>Arbeitslosigkeit unter Durchschnitt</h2><p>Die Arbeitslosenquote unter Mathematikern, Informatikern, Naturwissenschaftlern und Ingenieuren (Mint) lag im Jahr 2015 bei 4,4 %. Insgesamt betrug sie 6,4 % im Jahresmittel. Auch wenn es derzeit keinen flächendeckenden Mangel an naturwissenschaftlichen Fachkräften gibt, haben diese am Arbeitsmarkt gute Chancen.</p><p>Von den 7,5 Millionen Mint-Beschäftigten sind 5 % Naturwissenschaftler oder Mathematiker, 86 % üben einen technischen Beruf aus. Einer Frau stehen rund sechs Männer gegenüber. MS</p><p>Markus Seidl, Helene Märzhäuser, Frankfurt am Main</p>

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