Wissenschaft & Forschung

Prof.Dr.

Kieselalgen haben Zellwände aus biomineralisiertem Silikat. Um diese aufzubauen, nehmen sie gelöste Kieselsäure auf und scheiden diese ab. Die Mikroalgen sind aber nicht nur Baumeister, sie erspüren die Kieselsäure auch und orientieren sich an Gradienten dieser anorganischen Ressource.
Kieselalgen oder Diatomeen sind mikroskopisch kleine Organismen, die in nahezu allen Weltmeeren, Flüssen und Seen leben. Die Algen kommen dabei sowohl in Biofilmen vor als auch frei schwebend im offenen Wasser als Phytoplankton. Durch ihre Verbreitung und ihre photosynthetische Aktivität übernehmen sie nahezu ein Fünftel der globalen CO2-Fixierung. Sie tragen damit zur globalen Photosyntheseleistung ähnlich viel bei wie sämtliche Regenwälder der Erde.Kieselalgen treiben nicht nur atmosphärische Prozesse an, sondern sie haben auch eine zentrale Position im globalen Silikatkreislauf, in dem sie jährlich zirka sieben Gigatonnen Silicium umsetzen.1) Dies liegt an ihrer charakteristischen Eigenschaft, Zellwände aus Silikat aufzubauen. Resultat sind nanostrukturierte Zellen, oft mit vielen Ornamenten (Abbildung 1).<figure><img src="https://media.graphcms.com/8yYDWwmgRweICiqkOmXO"><figcaption><label>Abb. 1: </label>In seinem 1900 erschienenen Buch „Kunstformen der Natur“ zeigt der Jenaer Naturforscher Ernst Haeckel, welche Formen die biomineralisierten Zellwände von Diatomeen bilden. <named-content>Quelle: E. Haeckel, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, 1900</named-content></figcaption></figure>
Die Zellwände, deren Aufbau an statisch optimierte menschlichen Bauten erinnert, schützen die Algen durch ihre große Stabilität: Eine mikroskopisch kleine Zelle mit einer Oberfläche von etwa 100 µm2 hält Kräften von bis zu 750 µN stand, wie Untersuchungen mit Mikrowaagen zeigen. Das entspricht einem Druck von 7,5·10–5 bar. Umgerechnet auf unsere makroskopische Welt würde eine ein Quadratmeter große Konstruktion einem Gewicht von über 100 Tonnen widerstehen.2) Die Silikatwände schützen die Algen also wie ein Haus aus Glas.<h2>Biomineralisierung</h2>Hauptressource für Zellwände der Diatomeen ist im Wasser gelöste Kieselsäure, welche sie mit spezifischen Transportern aufnehmen und in Vesikeln anreichern.1) Die Zellwände bestehen aus einem Kompositmaterial aus anorganischen und organischen Komponenten. Löst man die mineralisierten Zellwände der Diatomeen in wasserfreiem Fluorwasserstoff, bleibt ein organischer Rückstand. Durch dessen Analyse ließ sich der Mechanismus der Biomineralisierung aufklären.Im organischen Rückstand sind unter anderem Silaffine, eine modifizierte Peptidklasse, die in vitro die Ausfällung von Kieselsäure katalysiert. Je nach Art der Silaffine bilden sich dabei Partikel unterschiedlicher Größe. Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass Silaffine die Kieselsäureabscheidung dirigieren.3)Zusätzlich finden sich im Rückstand nach Fluorwasserstoffbehandlung artspezifische Polyamine. Fällt Kieselsäure in vitro aus, während Mischungen der Silaffine und Polyamine anwesend sind, entstehen unterschiedliche, klar definierte Strukturen. Diese Vorgänge zeigen, wie artspezifisch aufgebaute Kieselalgenschalen in vivo entstehen.4)Der Transport in die Zellen und die anschließende Biomineralisierung entfernt Kieselsäure aus dem Wasser. Im Gegenzug wird diese Ressource in Form von gelösten Silikaten aus dem terrestrischen Umfeld ins Wasser eingetragen, also etwa durch Regen aus Mineralien ausgewaschen und durch Flüsse dem Meer zugeführt. Dies führt in Meeren und Seen zu jahreszeitlich schwankenden Silikatgehalten, welche die Artengemeinschaften der Algen beeinflussen. Gibt es zu wenig gelöstes Silikat, vermehren sich die Kieselalgen nur begrenzt. Das ist ein Vorteil für Mikroalgen, die um den Lebensraum und Nährstoffe konkurrieren, und trägt zur fluktuierenden Artenzusammensetzung in Gewässern bei.<h2>Suchverhalten im Silikatgradienten</h2>Biofilmbildende Algen sind den im Wasser vorliegenden Silikatkonzentrationen nicht passiv ausgeliefert. Die Algen reagieren auf Konzentrationsgradienten der gelösten Kieselsäure und jagen diesen Nährstoff. Dazu gleiten sie auf Oberflächen – im Meer und in Seen meist auf Sedimenten oder Steinen –, indem sie ein saccharidhaltiges Polymer absondern. Ist das Silikat begrenzt, werden die Algen mobiler, was sich als chemokinetisches Suchverhalten interpretieren lässt.5)Aber nicht nur die Geschwindigkeit der Algen wird durch Silikat beeinflusst, sondern sie orientieren sich auch am Silikatgradienten, bewegen sich also dorthin, wo das meiste Silikat ist. Mit künstlichen Silikatgradienten lässt sich dieses Suchverhalten untersuchen. Um diese zu erzeugen, werden mikrometergroße Aluminiumoxidpartikel mit Silikat beladen. Werden diese Partikel in Kulturen der Diatomee Seminavis robusta eingebracht, sammeln sich die Algen innerhalb weniger Minuten um diese Silikatquelle, wie das Lichtmikroskop zeigt (Abbildung 2). Dies resultiert aus einer gerichteten Bewegung, die auf die Silikatquelle orientiert ist. Die Zellen nehmen also die gelöste Mineralsäure wahr und finden durch chemotaktische Orientierung den Weg zu Stellen hoher Silikatkonzentrationen.<figure><img src="https://media.graphcms.com/MAErVse5TV6UpZjEhNsv"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Zellen der Diatomee Seminavis robusta. Links: Zehn Minuten nachdem ein silikatbeladener Aluminiumoxidpartikel zugegeben wurde. Die Zellen akkumulieren sich um die Silikatquelle. Rechts: Bei der Kontrollprobe ohne Partikel akkumulieren sich die Zellen nicht. Filme, die Suchbewegung und Akkumulation dokumentieren, gibt es unter <ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://t1p.de/0ti0" target="_blank">http://t1p.de/0ti0</a></ext-link>.</figcaption></figure>
Das Suchverhalten ist dabei stark von der Silikatkonzentration abhängig. Werden im Labor Konzentrationen eingestellt, die auch in der Natur vorherrschen, ist die Antwort der Algen am stärksten. Das Suchverhalten folgt den Mustern einer rezeptorabhängigen Antwort. Diese Orientierung wirft die Frage auf: Wie erkennen die Algen die anorganische Ressource? Chemorezeption ist für Algen allenfalls als Antwort auf organische Botenstoffe bekannt.Versuche mit Aluminiumoxidpartikeln, auf die Germaniumsäure aufgetragen wurde, zeigen die Spezifität der postulierten Rezeptoren. Kieselalgen nehmen auch gelöstes Germanium auf und bauen es in die Zellwände ein. Dies führt allerdings zu Missbildungen und bei höheren Germaniumkonzentrationen auch zum Absterben der Zellen. Es sammeln sich allerdings weniger Zellen um die Quelle der toxischen Verbindung als um die Partikel ohne Germanium.5) Indem die Algen gelöste Mineralsäuren in ihrer Umwelt spezifisch wahrnehmen, steuern sie die Suche nach essenziellen Ressourcen und vermeiden toxische Verbindungen. Welche Rezeptoren an dieser Reaktion beteiligt sind und wie die Zellen die Signale in Bewegung umsetzen, ist allerdings noch unklar.<h2>Sexuelle Vermehrung</h2>Die Zellarchitektur mit der starren Zellwand hat auch Konsequenzen bei der Zellteilung. Die Zellwände der Diatomeen bestehen aus zwei Teilen, die wie Ober- und Unterteil bei einer Petrischale überlappen: Der Deckel heißt Epitheka und die Schale Hypotheka.Bei der mitotischen Zellteilung bilden sich zunächst neue Zellwände innerhalb der bestehenden Zelle. Bei vielen Diatomeenarten führt diese Art des Aufbaus der neuen Behausung innerhalb der starren Mutterzelle dazu, dass die mittlere Zellgröße der nächsten Generationen abnimmt (Abbildung 3), die Zellen sind also nach der Teilung durchschnittlich kleiner.<figure><img src="https://media.graphcms.com/ipFjpb9S1iFsaV4aQEg5"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Lebenszyklus der Diatomee Seminavis robusta. Die biomineralisierte Zellwand besteht aus oberer und unterer Schale (Epi- und Hypotheka). Während der Mitose bilden sich neue Zellwände innerhalb der Mutterzelle, die Zelle wird kleiner. Wird ein kritischer Wert unterschritten, bilden sich die Paarungstypen MT– und MT+. Synchronisiert durch sexinduzierende Pheromone (Dreiecke) entsteht das Attraktionspheromon (grüne Punkte), in dessen Gradienten sich die Zellen finden. Nach der Paarung bilden sich dann über verschiedene Stadien die großen Mutterzellen.6)</figcaption></figure>
Bei in Kultur gehaltenen klonalen Zellen, also solchen Zellen, die von einer einzigen Zelle abstammen und deshalb identisches Erbgut haben, nimmt die Größe kontinuierlich ab. Letztendlich sterben diese Kulturen, da der zur Verfügung stehende Raum nicht mehr für die essenziellen zellulären Funktionen reicht. In der Natur umgehen Kieselalgen dieses Dilemma: Unterschreiten die Zellen eine gewisse Größe, bilden sich unterschiedliche Paarungstypen (+ und –, analog zu den Geschlechtern bei Tieren). Diese Zellen paaren sich dann und durchlaufen verschiedene Stadien, bis sie neue, große Mutterzellen bilden (Abbildung 3).6)Auch für die Paarung spielen Beweglichkeit und Chemorezeption eine zentrale Rolle. Sexinduzierende Pheromone stellen sicher, dass nur in Gegenwart geeigneter Zellen des Paarungspartners die weiteren Schritte zur Partnerfindung ablaufen. Die Zellen des Paarungstyps mating type– (MT–) senden dann zusätzliche Attraktionspheromone aus, die MT+-Zellen anlocken. Für die Einzeller ist der Pheromongradient zentral, um die Zellbegegnung sicherzustellen und damit die Effizienz der sexuellen Reproduktion zu garantieren.Lange Zeit war die Struktur der Signalstoffe unbekannt, denn sowohl der Verlust der Aktivität während der Aufreinigungsschritte als auch die problematischen Bioassays verhinderten die Aufklärung – Kulturen im Labor sexuell zu halten, ist schwierig, denn sind die Zellen zu groß, machen sie keinen Sex, sind sie zu klein, sterben sie. Erst durch Metabolomuntersuchungen ließ sich das erste Diatomeenpheromon aus S. robusta identifizieren. Dabei verglichen wir die freigesetzten Metaboliten aus MT–-Zellen vor und nach der Gabe sexinduzierender pheromonhaltiger Kulturmedien der Paarungspartner. Massenspektrometrie wies auf ein Molekül hin, das nur nach Induktion gebildet wird. Dieses wurde aufgereinigt, seine Struktur wurde aufgeklärt, und es wurde getestet.7) Die Verbindung, das von L-Prolin abgeleitete 2,5-Diketopiperazin (Abbildung 3), ist noch in nanomolaren Konzentrationen aktiv und vermittelt effizient die sexuelle Reproduktion der Einzeller.Biomineralisierte Zellwände auszubilden, hat im Lauf der Evolution zu etlichen Mechanismen geführt, die spezifisch für Diatomeen sind. Silikataufnahme und -findung sowie die Art der sexuellen Reproduktion sind die Konsequenzen. Diese Strategien sind nicht nur einmalig, sondern auch effizient.<h2>Quergelesen</h2>Die Zellwand der Kieselalgen ist ein Komposit aus Silikat, Silaffinen und Polyaminen. Die Wand hält großen Belastungen stand und schützt dadurch die Alge.Kieselalgen bauen zwar auch andere Elemente wie Germanium in ihre Zellwände ein. Im Gegensatz zu diesem Aufnahmemechanismus ist der Suchmechanismus aber für Silikat spezifisch, das sie vorrangig einbauen.Chemorezeptoren sorgen dafür, dass die Algen sich an Silikatgradienten orientieren, und sind auch für die Paarung essenziell.<h2>Vitakasten</h2>Georg Pohnert ist seit 2007 Professor für bioorganische Analytik an der Universität Jena. Seit 2015 ist er auch Fellow am MPI für Chemische Ökologie. Er studierte an der TU Karlsruhe, promovierte in Bonn und absolvierte einen Postdoc an der Universität Cornell. Nach seiner Gruppenleiterposition am MPI für Chemische Ökologie war er Professor für organische Chemie an der ETH Lausanne, von dort ging er nach Jena. Hauptinteresse seiner Gruppe: die Wirkungsweise chemischer Signalstoffe in komplexen Lebensgemeinschaften.<div><img src="https://media.graphcms.com/WgTBrDS5TWSrx9fh0Yhj">

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<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 E. Bäuerlein, Angew. Chem. 2003, 115, 636–664.</li><li>
2 C. E. Hamm, R. Merkel, O. Springer et al., Nature 2003, 421, 841–843.</li><li>
3 a) N. Kroger, R. Deutzmann, M. Sumper, Science 1999, 286, 1129–1132; b) N. Kroger, S. Lorenz, E. Brunner, M. Sumper, Science 2002, 298, 584–586.</li><li>
4 a) M. Sumper, Science 2002, 295, 2430–2433; b) N. Kroger, R. Deutzmann, C. Bergsdorf, M. Sumper, Proc. Nat. Acad. Sci. USA 2000, 97, 14133–14138.</li><li>
5 K. G. V. Bondoc, J. Heuschele, J. Gillard, W. Vyverman, G. Pohnert, Nat. Commun. 2016, 7.</li><li>
6 J. Frenkel, W. Vyverman, G. Pohnert, Plant J. 2014, 79, 632–644.</li><li>
7 J. Gillard, J. Frenkel, V. Devos et al., Angew. Chem. Int. Ed. 2013, 52, 854–857.</li></ul>

Artikel

Im Glashaus leben, wachsen, sich vermehren

Kieselalgen haben Zellwände aus biomineralisiertem Silikat. Um diese aufzubauen, nehmen sie gelöste Kieselsäure auf und scheiden diese ab. Die Mikroalgen sind aber nicht nur Baumeister, sie erspüren die Kieselsäure auch und orientieren sich an Gradienten dieser anorganischen Ressource. Kieselalge...

Jenseits ihrer biologischen Funktion dient DNA als Gerüst, um supramolekulare Chromophoraggregate herzustellen. Über die entstehende helikale Anordnung lassen sich die optoelektronischen Eigenschaften der Chromophore kontrollieren. Konjugiert mit Fullerenen eignen sich diese Architekturen für Solarzellen.
DNA und RNA bieten für die Nanotechnik eine Grundlage, Polymere, Netzwerke und molekulare 3-D-Architekturen aufzubauen. Durch die regelmäßige Geometrie der DNA sowie die kanonische Basenpaarung lassen sich große und komplexe Strukturen programmieren. Diese Strukturen sind physikochemisch stabil, rigide und monodispers. Beispiele sind die DNA-Objekte von Seeman und Mitarbeitern1) sowie das DNA-Origami von Rothemund.2) Diese Kombination von Eigenschaften ist mit organischen Bausteinen bisher nur schwer zu erreichen – sowohl kovalent mit Polymeren als auch nichtkovalent durch selbstassoziierende Materialien.<h2>DNA als Grundgerüst</h2>Aus dem Grundprinzip der Chemie „Struktur bestimmt die Reaktivität“ lassen sich supramolekulare Architekturen mit definierten Eigenschaften aufbauen, der Schlüssel zu funktionellen Materialien. DNA eignet sich hierfür als Grundgerüst, besonders wenn nicht wie bisher nur die natürlichen Bausteine Adenosin, Cytidin, Guanosin und Thymidin verwendet werden: Mit synthetischen chromophormodifizierten Bausteinen lassen sich nichtbiologische und insbesondere optoelektronische Funktionen einstellen. Die DNA-Architektur dirigiert hierbei den Fluss von Photonen, ladungsgetrennten Zuständen (Exzitonen) und Ladungen. Die Orientierung der Chromophore entlang der DNA-Helix kontrolliert dabei die Geschwindigkeit von Energie- und Elektronentransfer. So könnten prinzipiell einfach aufgebaute Lichtsammelantennen entstehen.Kovalente DNA-Architekturen beschäftigen weltweit zahlreiche Arbeitsgruppen, welche die wichtigsten Ergebnisse in den letzten Jahren als Übersichtsartikel zusammenfassten.3) Der Schritt, DNA-Architekturen als funktionale π-Systeme anzuwenden, ist bis auf wenige Ausnahmen nicht untersucht – obwohl die Synthese solcher Chromophor-DNA-Konjugate durch die Phosphoramiditfestphasenmethode weit fortgeschritten ist. Beispiele mit Anwendung sind DNA-basierte Lichtsammelsysteme mit Proteinen,4) Oligodesoxyfluoroside in der Sensorik5) und farbstoffdotierte DNA-Nanofasern in LED.6) Das letzte Beispiel macht deutlich, dass zwei verschiedene Farbstoffe entlang der DNA so angeordnet werden können, dass das Mischungsverhältnis Weißlicht erzeugt.<h2>Einfache Sequenzkontrolle, schwierige Synthese</h2>Die helikale Anordnung zweier verschiedener Chromophore beeinflusst die Energietransfergeschwindigkeit zwischen ihnen. Ethinylpyren und Ethinylnilrot transferieren die Energie im Einzelstrang erwartungsgemäß schnell, also im einstelligen ps-Bereich oder sogar darunter, wenn sie benachbart in einem Oligonukleotid kovalent eingebaut wurden. Nach Anregung des Ethinylpyrens zeigte sich ausschließlich die rote Fluoreszenz des Ethinylnilrots. Wird dieser doppelt modifizierte Einzelstrang mit dem komplementären, unmodifizierten Gegenstrang hybridisiert, verdrehen sich die beiden Chromophore helikal, und die Energietransfereffizienz wird kleiner. So ließ sich eine Weißlicht emittierende DNA konstruieren.7)Nur die DNA-induzierte helikale Anordnung des blaugrünen und des roten Emitters führt zu Weißlichtfluoreszenz. Diese Ergebnisse sind grundlegend für DNA-basierte Lichtsammelsysteme. Bei diesen ist die räumliche Kontrolle der Energietransferprozesse entscheidend. Auf Basis dieser Ergebnisse ließ sich durch Kombination mit Ethinylperylen als grün emittierendem Chromophor ein DNA-basiertes Lichtsammelsystem erzeugen.8) Zeitaufgelöste Messungen zeigen, dass die Energie von Ethinylpyren über Ethinylperylen zu Ethinylnilrot transferiert wird. Anschließend findet ein Elektronentransfer in umgekehrter Richtung statt, der die Fluoreszenzen der drei Chromophore löscht. Damit erzeugt die Anregung bei jeder Wellenlänge zwischen 380 nm und 600 nm ein Exziton, das sich in Solarzellen oder für die photokatalytische Wasserspaltung nutzen lässt.<h2>Einfache Synthese, schwierige Sequenzkontrolle</h2>Obwohl die Festphasensynthese Sequenz und Anordnung der Chromophore entlang der DNA in kovalent aufgebauten Systemen bestmöglich kontrolliert, ist die Synthese größerer Multichromophor-DNA-Architekturen schwierig: Ab etwa fünf bis zehn benachbarten Chromophoren gibt es Syntheseprobleme. Die größten Probleme dabei sind die Aggregation der modifizierten Bausteine, begrenzte Ausbeuten bei der Festphasensynthese sowie die langwierige und aufwendige Reinigung per HPLC.Wesentlich einfacher ist es, Chromophorstapel nichtkovalent aufzubauen. Bei diesen Stapeln fungiert einzelsträngige DNA als Templat und damit als Strukturbildner. Der Aufbau gelang bereits mit naphthalin- und porphyrinmodifizierten Adenosinen, die entlang von Oligothymidinen zusammengesetzt wurden.9) Die DNA erkannte die chromophormodifizierten Nukleoside als Bausteine, da sie templatspezifisch, also entsprechend der kanonischen Basenpaarung Wasserstoffbrückenbindungen aufbauten. π-π-Wechselwirkungen zwischen den Chromophoren stabilisieren die Nukleoside.Wir synthetisierten solche nicht-kovalenten DNA-Strukturen mit ethinylpyren- und ethinylnilrotmodifizierten 2‘-Desoxyuridinen.10) Dabei ergaben sich interessante Eigenschaften:<list list-type="simple"><list-item></list-item></list>Die modifizierten Nukleoside binden templatspezifisch an das Oligonukleotid,<list-item>Nukleoside besetzen fast alle Bindungsstellen der unterschiedlich langen Template,</list-item><list-item>die optischen Eigenschaften und photophysikalischen Prozesse ähneln stark denen der kovalent aufgebauten DNA-Strukturen,</list-item><list-item>die Chromophorstapel bilden eine linksgängige Helix.</list-item>Die kovalent verknüpfte DNA-Struktur ist wie normale DNA immer rechtsgängig. Sie kann also die intrinsische Eigenschaft der modifizierten Nukleoside, linksgängige Aggregate zu bilden, übergehen und sie in eine rechtsgängige Helix überführen. Dies ist bisher der einzige und wesentliche Unterschied zwischen kovalent verknüpften Oligochromophor-DNA-Konjugaten und den DNA-templierten und nichtkovalent assemblierten DNA-Strukturen. Spektroskopische Untersuchungen der gemischten, nichtkovalent aufgebauten und DNA-basierten Chromophorstapel wiesen auf Energie- und Elektronentransferprozesse hin, die denen im kovalent aufgebauten, DNA-basierten Lichtsammelsystem ähneln. Das bildet die photophysikalische Grundlage für die Anwendung in der Solarzelle.<h2>DNA-Fulleren-Konjugate</h2>Um die vielversprechenden opto- und nanoelektronischen Eigenschaften zu nutzen, müssen Hybridstrukturen mit kohlenstoffbasierten Materialien aufgebaut werden, etwa mit Fullerenen oder Kohlenstoffnanoröhren. Fullerene dienen typischerweise als Elektronenakzeptoren und Transportdomänen in organischen Solarzellen. Allerdings sind bisher nur wenige kovalente Fulleren-DNA-Konjugate bekannt:11) Das erste Beispiel aus dem Jahr 1964 stammt von Hélène und Mitarbeitern, die DNA sequenzspezifisch mit Licht spalteten. Die meisten der daraufhin publizierten Fulleren-DNA-Konjugate wurden für ähnliche photobiologische Anwendungen konzipiert.Fullerene chemisch zu konjugieren, ist eine über die letzten Jahre gereifte Methode der organischen Synthesechemie. Aus den verfügbaren und chemisch vielfältigen Varianten der Fullerenkonjugation wählten wir für die DNA den bereits ohne DNA oft verwendeten phenylenverbrückten Malonsäureesterlinker. Oligo-2‘-desoxyadenosin wurde über den C6-Aminolinker am 5’-Ende mit dem Fulleren konjugiert. Diese Konjugationschemie hat zwei Vorteile: Sie funktioniert mit DNA in DMF-Wasser-Mischungen und geht keine Nebenreaktionen mit dem Fulleren ein. Das so hergestellte DNA-Fullerenkonjugat ist das erste seiner Art, das sich nicht nur über Ethanolfällung reinigen lässt, sondern auch durch semipräparative HPLC.<h2>Anwendung in Solarzellen</h2>Aus den modifizierten Nukleotiden ließen sich die Chromophorstapel entlang der Fulleren-DNA-Konjugate ebenso nichtkovalent aufbauen wie mit den unmodifizierten DNA-Templaten. Um zu untersuchen, wie das kovalent angeknüpfte Fulleren photophysikalisch die optischen Eigenschaften der DNA-templierten Chromophor-Strukturen beeinflusst, wurden die Absorptions- und Fluoreszenzspektren mit denen der Oligo-2‘-desoxyadenosin-templierten Aggregate ohne Fulleren verglichen.Anders als bei Ethinylpyren und Ethinylnilrot führt hier das Fulleren dazu, dass die Fluoreszenzen beider Chromophore noch stärker gelöscht werden. Es wird also nicht nur ein Exziton im DNA-Chromophorstapel erzeugt, sondern es trennt sich auch innerhalb des Chromophorstapels, wodurch das Elektron auf das Fulleren übertragen wird. Diese Ladungstrennung ist essenziell, um die Konjugate in Solarzellen anzuwenden. Dabei nehmen wir an, dass sich das DNA-Templat redoxneutral verhält und entsprechend keine Photooxidation oder -reduktion eingeht.Wenn die Ladungstransfergeschwindigkeit exponentiell von der Distanz abhängt, ist es unwahrscheinlich, dass die Ladungstrennung direkt aus den photoangeregten Zuständen der beiden Chromophore erfolgt und die Ladungen auf das Fulleren übertragen werden. Dafür sind die meisten Chromophormoleküle zu weit entfernt vom Fulleren.Die Anwendung dieser DNA-basierten Materialien in Solarzellen untersuchten wir in Kooperation mit Alexander Colsmann, Gruppenleiter für Optoelektronik am Lichttechnischen Institut des Karlsruher Institut für Technologie.12) Die Solarzellen wurden nach dem Prinzip der invertierten Struktur aufgebaut, also mit Zinnoxid/Zinkoxid-Kathode und Molybdänoxid/Silber-Anode. Die etwa 100 nm dicke photoaktive Schicht in der Solarzelle bestand aus einem repräsentativen Chromophorgemisch aus Ethinylpyren und Ethinylnilrot im Verhältnis acht zu zwölf und dem Fulleren-Oligo-2‘-desoxyadenosinkonjugat.Belichten mit einer Sonneneinheit erzielte eine Photospannung von 670 mV. Die externe Quanteneffizienz entspricht dem Verhältnis aus generierten Elektronen der Solarzelle und einfallenden Photonen. Die Quanteneffizienz der DNA-basierten Solarzellen liegt mit zwei Promille zwar unterhalb des anwendbaren Bereichs, zeigt aber als Machbarkeitsstudie das Potenzial synthetischer DNA-basierter Materialien.<h2>Perspektive: komplette Sequenzkontrolle</h2>Um Chromophor-DNA-Architekturen sequenzspezifisch aufzubauen, ist der nächste Schritt, 2‘-Desoxyadenosin zu modifizieren. Diese sollten dann spezifisch an Thymidine des Templats binden. Für eine maximale, also vierfache Spezifität werden Chromophor-DNA-Architekturen komplexer, hierzu könnten sich modifizierte 2‘-Desoxycytidine und 2‘-Desoxyguanosine eignen. So wird die gesamte wissenschaftliche Erkenntnis von einzelnen Chromophoren über DNA-basierte Architekturen zu selbstassoziierenden Materialien eingesetzt, um das Potenzial der DNA als supramolekularer Strukturbildner für optoelektronische Anwendungen zu nutzen.<figure><img src="https://media.graphcms.com/bOP2hDPxSSGrGxeywROi"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Vom einzelnen Chromophor zum DNA-basierten π-System mit optoelektronischer Funktion, etwa in einer Solarzelle.</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/HNi9HGNIRDGuKyB7AtHW"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Chromophoren organisieren sich entlang eines DNA-Fulleren-Konjugats.</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/DwW4FO6OSFSvmhaJM2hz"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Die Nucleoside Py–dU und Nr–dU assemblieren an das (dA)20 -Fulleren-Konjugat. Licht regt physikalische Folgeprozesse in dem Material an, es eignet sich daher für Solarzellen.</figcaption></figure>
<h2>Vitakasten</h2>Robert Hofsäß, Jahrgang 1988, studierte Chemie am Karlsruher Institut für Technologie. Seit dem Jahr 2015 promoviert er in der Arbeitsgruppe von Hans-Achim Wagenknecht. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Synthese neuartiger Diarylethene sowie die Darstellung und der Aufbau von Lichtsammelsystemen aus DNA-templierten Chromophoraggregaten.<div><img src="https://media.graphcms.com/z2bb3HqRmKjIIoxu4ttw">

</div>Yannic Fritz, Jahrgang 1992, studiert Chemie am Karlsruher Institut für Technologie. Im Moment fertigt er seine Masterarbeit unter Betreuung von Hans-Achim Wagenknecht an und beschäftigt sich mit DNA-basierten Lichtsammelsystemen.<div><img src="https://media.graphcms.com/HWNJytNQbe9EsK1TJC3T">

</div>Hans-Achim Wagenknecht, Jahrgang 1968, studierte Chemie in Freiburg im Breisgau und promovierte in Basel über Enzymmodelle. Nach Postdoktorandenaufenthalt am Caltech (USA) und Habilitation über die Chemie der DNA-übertragenen Elektronentransferprozesse an der TU München arbeitete er zunächst als Professor für organische Chemie an der Universität Regensburg und ist aktuell Inhaber des Lehrstuhls Organische Chemie II am Karlsruher Institut für Technologie. Seine Forschungsinteressen umfassen DNA-/RNA-Chemie, fluoreszente Bildgebung von Nukleinsäuren in Zellen, chemische Photokatalyse und DNA-Architekturen mit optoelektronischer Funktion.<div><img src="https://media.graphcms.com/qmmVqYuVSgGenYsT3ReM">

</div><h2>Quergelesen</h2>Die Anordnung von Chromophoren entlang einer DNA-Helix entscheidet über die Geschwindigkeit von Energie- und Elektronentransfer. Diese Chromophorstapel lassen sich sowohl kovalent als auch nichtkovalent aufbauen.Bei der nichtkovalenten Variante fungiert einzelsträngige DNA als Templat und gibt die helikale Struktur vor.Die optoelektronischen Eigenschaften von DNA-Chromophor-Architekturen lassen sich für die Lichtsammlung in Solarzellen nutzen.
<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 N. Seeman, Angew. Chem. Int. Ed. 1998, 37, 3220–3228.</li><li>
2 P. W. K. Rothemund, Nature 2006, 440, 297–302.</li><li>
3 Übersichten: a) P. Ensslen, H.-A. Wagenknecht, Acc. Chem. Res. 2015, 48, 2724–2733; b) E. Stulz, Chem. Eur. J. 2012, 18, 4456–4469; c) V. L. Malinowski, D. Wenger, R. Häner, Chem. Soc. Rev. 2010, 39, 410–422; d) J. R. Burns, G. Marth, T. Nguyen, E. Stulz, Chem. Soc. Rev. 2011, 40, 138–148; e) R. Varghese, H.-A. Wagenknecht, Chem. Commun. 2009, 2615–2624.</li><li>
4 a) C. V. Kumar, M. R. Duff, Jr., J. Am. Chem. Soc. 2009, 131, 16024–16026; b) P. K. Dutta, S. Levenberg, A. Loskutov, D. Jun, R. Saer, J. T. Beatty, S. Lin, Y. Liu, N. W. Woodbury, H. Yan, J. Am. Chem. Soc. 2014, 136, 16618–16625.</li><li>
5 F. Samain, S. Ghosh, Y. N. Teo, E. T. Kool, Angew. Chem. Int. Ed. 2010, 49, 7025–7029.</li><li>
6 Y. Ner, J. G. Grote, J. A. Stuart, G. A. Sotzing, Angew. Chem. Int. Ed. 2009, 48, 5134–5138.</li><li>
7 R. Varghese, H.-A. Wagenknecht, Chem. Eur. J. 2009, 15, 9307–9310.</li><li>
8 P. Ensslen, F. Brandl, S. Sezi, R. Varghese, R.-J. Kutta, B. Dick, H.-A. Wagenknecht, Chem. Eur. J. 2015, 21, 9349–9354.</li><li>
9 a) P. G. A. Janssen, S. Jabbari-Farouji, M. Surin, X. Vila, J. C. Gielen, T. F. A. de Greef, M. R. J. Vos, P. H. H. Bomans, N. A. J. M. Sommerdijk, P. C. M. Christianen, P. Leclère, R. Lazzaroni, P. van der Schoot, E. W. Meijer, A. P. J. J. Schenning, J. Am. Chem. Soc. 2009, 131, 1222–1231; b) G. Sargsyan, A. A. Schatz, J. Kubelka, M. Balaz, Chem. Commun. 2013, 49, 1020–1022; c) G. Sargsyan, B. M. Leonard, J. Kubelka, M. Balaz, Chem. Eur. J. 2014, 20, 1878–1892.</li><li>
10 P. Ensslen, Y. Fritz, H.-A. Wagenknecht, Org. Biomol. Chem. 2015, 13, 487–492.</li><li>
11 Repräsentative Beispiele: a) A. S. Boutorine, H. Tokuyama, M. Takasugi, H. Isobe, E. Nakamura, C. Hélène, Angew. Chem. 1994, 106, 2526–2529; b) X. Yang, X. Meng, B. Li, Z. Chen, D. Zhao, X. Tan, Q. Yu, Biologicals 2008, 36, 223–226; c) Y.-Z. An, C.-H. B. Chen, J. L. Anderson, D. S. Sigman, C. S. Foote, Y. Rubin, Tetrahedron 1996, 52, 5179–5189; d) Tatiana D. Ros, M. Bergamin, E. Vázquez, G. Spalluto, B. Baiti, S. Moro, A. Boutorine, M. Prato, Eur. J. Org. Chem. 2002, 405–413.</li><li>
12 P. Ensslen, S. Gärtner, K. Glaser, A. Colsmann, H.-A. Wagenknecht, Angew. Chem. Int. Ed. 2016, 55, 1904–1908.</li></ul>

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