Journal

<h2>Liebe Newsletter-Redaktion,</h2>
negative Kritik wird gerne schnell geäußert, doch positive Rückmeldungen kommen im (Arbeits-)Alltag leider häufig zu kurz. Daher eine kurze, sehr positive Rückmeldung von einem GDCh-Mitglied:
Das Format und der Informationsgehalt des GDCh-Newsletters ist außergewöhnlich gut und ich möchte mich dem Lob eines Vorredners in einer der letzten gedruckten Ausgaben der Blauen Blätter [Nachr. Chem. 2010, 58, 375] für dieses neue Informationsangebot gerne anschließen.
Besonders gefällt mir die knappe Präsentation auf zwei Seiten, die direkte Verlinkung zu weiterführenden Angeboten im Netz und die tagesaktuellen Informationen und Terminlisten.
Einer der sehr wenigen Newsletter, die ich sofort nach Eintreffen ganz lese.
Ralf Tonner
<a href="mailto:tonner@chemie.uni-marburg.de">tonner@chemie.uni-marburg.de</a>


<h2>Nachhaltiges zur Umweltchemie</h2>
Die unverkennbaren Fortschritte der nachhaltigen Chemie werden sicherlich auch von Umweltchemikerinnen und Umweltchemikern sehr begrüßt, ist es doch gemeinsames Anliegen, die Chemikalienbelastung der Umwelt und die damit einhergehenden Gesundheitsgefährdungen für den Menschen zu verringern.
Dass die nachhaltige Chemie aus der Umweltchemie hervorgegangen ist und nun eigene Wege geht, scheint mir ein ganz normaler Prozess der Ausdifferenzierung zu sein, der per se zu keinen Zweifeln an der Zukunftsfähigkeit der Ursprungsdisziplin Anlass geben sollte.
Die Gründe, die dennoch Dieter Lenoir bewogen haben, in seinem Leitartikel im Mai [Nachr. Chem. 2010, 58, 515] die Umweltchemie für wissenschaftlich tot zu erklären und die nachhaltige Chemie als deren legitime Erbin zu präsentieren, sind hoffentlich vorwiegend persönlicher Natur und nicht repräsentativ für die GDCh-Fachgruppe ”Nachhaltige Chemie“.
Die Schlussfolgerungen des Leitartikels beruhen auf Fehleinschätzungen in zentralen Fragen.
Das z. T. zufällige Auffinden und die gezielte Suche nach ”Emerging Pollutants“ (aktuell eine Vielzahl von Arzneistoffen, Körperpflegeprodukten und Chemikaliengruppen wie perfluorierte KW, Benzotriazole, Nitrosamine, Siloxane, halogenierte Carbonsäuren, etc.) sowie die noch in den Kinderschuhen steckende umweltchemische und umwelttoxikologische Bewertung von Nanomaterialien belegen, dass hinsichtlich der stofflichen Vielfalt der chemischen Umweltbelastung auf absehbare Zeit keine Entwarnung gegeben werden kann.
Ebenfalls unzutreffend ist die Behauptung, die Umweltchemie habe kein wissenschaftliches Neuland vor sich. Im Gegenteil, erst durch die in den letzten Jahren erzielten Fortschritte in der Modellierung von gekoppelten Transport-, Transfer- und Transformationsprozessen sowie bei der strukturchemischen Klassifizierung und Prognose des Umweltverhaltens mittels QSAP- und QSAR-Modellen wurden die Voraussetzungen geschaffen, um das anspruchsvolle Ziel der Umweltchemie, ein umfassendes, d.h. Raum-, Zeit-, Prozess- und Wirkungsskalen integrierendes Verständnis von ”Umweltchemodynamik“ zu entwickeln, wenigstens ansatzweise einzulösen.
Diese Sichtweise verengt zudem den Blick nicht auf Schadstoffe, sondern schließt ihre Wechselbeziehungen mit natürlichen Stoffen und ihre Integration in natürliche Stoffkreisläufe ein.
Die nachhaltige Chemie wird noch längere Zeit der Umweltchemie bedürfen. Nicht nur, weil mittelfristig ein Großteil der chemischen Produkte und Prozesse Nachhaltigkeitsansprüchen nicht genügen wird, sondern auch, weil mittels umweltchemischer Methoden zu überprüfen sein wird, ob im Konkreten die Zielsetzungen nachhaltiger Produktentwicklung erfüllt wurden. Dies erfordert eine partnerschaftliche Zusammenarbeit der Disziplinen und der entsprechenden GDCh-Fachgruppen. Ein unangemessenes Reklamieren von Erbschaftsansprüchen ist sicher nicht zielführend.
Klaus Fischer, Trier
<a href="mailto:fischerk@uni-trier.de">fischerk@uni-trier.de</a>
Der von Dieter Lenoir angestimmte Abgesang für die Umweltchemie [Nachr. Chem. 2010, 58, 515] trifft in der Wirklichkeit auf eine recht vitale Wissenschaft und zielt auch gehörig an der Wirklichkeit vorbei.
Weil der geschlossene Stoffkreislauf eine Mär ist und geringste Spuren biologische Wirkungen hervorrufen können, muss Umweltchemie schlicht alle in der Technosphäre gebräuchlichen Stoffe und damit Hunderttausende von Speziationen und Metaboliten, sowie die Störung biogeochemischer Kreisläufe zum Gegenstand haben. Welche Stoffe in der Umwelt bereits zyklieren oder demnächst auftreten werden, wissen wir allein deswegen schon nicht, weil kleine (und oft auch größere) Leckagen in Stoffkreisläufen nicht quantifiziert und geschätzte 90 % der Umwelt nicht überwacht werden.
Höchst vitale Umweltchemie kann derzeit beobachtet werden anhand neuer Konzepte in den Grenzbereichen zur Polymerforschung (etwa molekulare Prozesse an Biopolymeren im Boden und Humeomic) und zur Medizin (etwa atmospärisch-chemische Bildung von Allergenen), in den Kerngeschäften Atmosphärenchemie (etwa natürliche synthetisch-chemische Prozesse im Aerosol und generalisierte heterogene Chemie) und Multikompartimentchemie (etwa oberflächenaktive Stoffe).
Generell gilt, dass Modelle erst in wenigen Bereichen der Komplexität und Dynamik der Umweltkompartimente gewachsen sind. Das mag man schon ahnen, wenn man bedenkt wo die Modellvorstellungen zumeist herkommen: aus der vergleichsweise schlichten Welt der Laborchemie nämlich.
Die globalisierte Wirtschaft bedeutet auf der Ebene der Stoffkreisläufe einen zusätzlichen, von der Wissenschaft praktisch noch gar nicht berücksichtigten Treiber. Nicht einmal auf kleinen Raumskalen ist die methodische Verschränkung von Massenflüssen in der Umwelt einerseits und in der Technosphäre andererseits gelungen. Und das alles in einem veränderlichen Klima, dessen ökologische Implikationen noch nicht absehbar sind. Was Nichtlinearität, ”chemische Zeitbomben“ und böse Überraschungen (nach einem umweltchemischen Vorbild heute mitunter auch ”Ozonlöcher“ genannt) einschließt. Dass wir heute vom Anthropozän reden, ist kein Modetrend, sondern Ausdruck der Emergenz des gestörten Erdsystems. Stoffverhalten und —wirkungen werden in Zukunft, noch mehr als schon heute sichtbar, als Teil der interdisziplinären Erdsystemforschung untersucht werden.
Angetrieben von diesen aktuellen, gleichzeitig aber grundlagennahen Megathemen boomt die Umweltchemie also. Die Gesetzgebung zieht weiter Forschungsbedarfe nach sich, weil sie wissenschaftliche Entscheidungsinstrumente fordert, die noch nicht entwickelt sind, und das sogar in Europa und Deutschland noch, so z. B. in der Unep-POPs-Konvention und der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Denn nachdem viele sichtbaren Umweltverschmutzungen nunmehr durch Regelung vermieden werden, richtet sich das Interesse auf nicht minder relevante schleichende Risiken.
Man kann allerdings zweifeln, ob die Umweltchemie auch dort boomt, wo sie mit der Umweltdiskussion und dem Umweltbewusstsein am frühesten gestartet ist, wie in Deutschland. Tatsächlich knirscht es im System hierzulande, weil mit der internationalen Entwicklung mitzuhalten bedeutet, den Publikationsausstoß schneller als in anderen Fächern alle zehn Jahre zu verdoppeln — was wir auch tun, wie eine Studie kürzlich zeigte. Dies durch Ressourcenallokation auszubalancieren ist in der deutschen Forschungslandschaft, zumal deren universitären Arealen, nicht einfach. Die stoffbezogen umweltforschenden Hochschullehrer im deutschsprachigen Raum haben kürzlich auf die Ziele und Randbedingungen aufmerksam gemacht. Immerhin wurden, was Lenoir verschweigt, an deutschen Universitäten im letzten Jahrzehnt auch einige neue umweltchemische Forschungsgruppen gegründet.
Fazit: Es gibt keinen Grund zur Sorge, die wissenschaftlich anspruchsvollen Themen könnten ausgehen oder der ambitionierte Nachwuchs ausbleiben. Damit die universitäre Ausbildung mit der Vitalität dieser Wissenschaft Schritt halten kann und uns die Themen nicht über den Kopf wachsen, sondern von vor- und nachsorgendem Umweltschutz eingehegt werden, bedarf es aber der schnöden Mittelzuwendung — gerade in Deutschland.
Gerhard Lammel, Mainz
<a href="mailto:gerhard.lammel@zmaw.de">gerhard.lammel@zmaw.de</a>
Ich begrüße die ausführlichen Stellungnahmen der Kollegen Klaus Fischer und Gerhard Lammel. Es war nicht das Ziel meines Artikels, die Umweltchemie für tot zu erklären. Mein Text bestand zunächst in einem historischen Essay über die deutsche Umweltchemie, durch die Änderung zu einem Leitartikel der Nachrichten aus der Chemie musste ich starke Kürzungen vornehmen, dabei sind leider einige differenzierte Abwägungen verloren gegangen.
Ich stimme den Kollegen zu: Umweltchemie und nachhaltige Chemie müssen eng zusammen arbeiten, ein Reklamieren von Erbschaftsansprüchen ist nicht angebracht. Während bei den früheren Aktivitäten der Umweltchemie die Analytik von Spurenschadstoffen vorherrschte, spielen jetzt Konzepte der nachhaltigen Verhinderung von Schadstoffen eine entscheidende Rolle. Ein Beispiel ist die nachhaltige Pharmazie, die versucht, bekannte Arzneimittel durch gezielte Strukturveränderungen in der aquatischen Umwelt besser abbaubar zu machen.
Ich stimme den Ausführungen von Gerhard Lammel über die bedauerlichen, fehlenden Mittelzuwendungen für umweltchemische Projekte in Deutschland zu. Aber wie konnte es dazu kommen, dass so viele Lehrstühle für Umweltchemie in Deutschland nicht mehr besetzt werden? Das bedeutet auch einen großen Verlust für die Lehre auf diesem Gebiet. Die Neugründung von kleineren Gruppen fangen den Verlust nicht auf. Vielleicht hat die Umweltchemie nicht genug für ihre Image getan? 
Es herrscht bei vielen Chemikern die Meinung vor, dass die Umweltchemie vorwiegend anwendungsorientiert arbeitet und nur wenig Grundlagenforschung betreibt. Die Ansicht hätten man korrigieren müssen. Vielleicht hätte die Fachgruppe den ihr anvertrauten Arbeitskreis der nachhaltigen Chemie stärker beachten sollen.
Dieter Lenoir, München
<a href="mailto:Dieter.Lenoir@web.de">Dieter.Lenoir@web.de</a>

Artikel

Korrespondenz

Liebe Newsletter-Redaktion, negative Kritik wird gerne schnell geäußert, doch positive Rückmeldungen kommen im (Arbeits-)Alltag leider häufig zu kurz. Daher eine kurze, sehr positive Rückmeldung von einem GDCh-Mitglied: Das Format und der Informationsgehalt des GDCh-Newsletters ist außergewöhnlic...

Prof.Dr.

<h2>Die zweidimensionale Welt der Oberflächen</h2>
Reactions at Solid Surfaces.
Von Gerhard Ertl. John Wiley &amp; Sons, Hoboken, NJ/USA, 2009. 207 Seiten, geb. 57,90 Euro.
ISBN 978—0—470—26101—9
Dies ist nicht das erste Buch von Gerhard Ertl — im Gegensatz zum beliebten ”Ertl/Küppers“ offenbart es aber einen sehr persönlichen Blick auf ein Feld, das niemand mehr beeinflusst hat als der Autor selbst. Der Leser findet auf etwa 200 Seiten und in acht Kapiteln alle entscheidenden Gedanken und bahnbrechenden Experimente, die zur Entwicklung der Oberflächenchemie und damit zur Katalyseforschung beigetragen haben.
Basis für das Buch war die Baker Lecture, die Gerhard Ertl 2007 im Department of Chemistry and Chemical Biology der Cornell University in acht Vorträgen gehalten hat. Entsprechend ist das Buch gestaltet: Die Einführung erläutert die Philosophie von Irving Langmuir, komplexe Festkörperoberflächen auf geordnete Metalloberflächen zu reduzieren. So lassen sich die Thermodynamik und die Kinetik von einfachen Reaktionen untersuchen. Letzteres ist besonders wichtig, da man Geschwindigkeitskonstanten kennen muss, um die Katalyse als kinetisches Phänomen zu verstehen.
Das zweite Kapitel widmet sich der Oberflächenstruktur und weist auf die Bedeutung von Defekten hin. Auch wichtige Hinweise auf die Elektrochemie fehlen nicht. Im dritten Kapitel diskutiert der Autor die wichtigsten Kenngrößen, um dynamische Prozesse zu charakterisieren, zum Beispiel Haftkoeffizienten an Oberflächen. Er erklärt, wie man diese Information experimentell erhält. Auch Experimente mit sehr kurzen Lichtpulsen erläutert er, und wie man damit die Dynamik an der Oberfläche untersucht. Beim vierten Kapitel liegt der Schwerpunkt auf Reaktionen, bei denen elektronische Anregungen eine Rolle spielen.
Mit den ersten vier Kapiteln sind die physikalisch-chemischen Grundlagen gelegt, um sich in den Kapiteln fünf bis acht den Prinzipien der heterogenen Katalyse zu widmen. Im Mittelpunkt stehen Katalysemechanismen am Beispiel der Ammoniaksynthese, der CO-Oxidation und der Wasserstoffoxidation. Nicht zu kurz kommen oszillierende Reaktionen mit ihrer nicht-linearen Dynamik sowie die raum-zeitliche Organisation von Oberflächenreaktionen.
Gerade dieser zweite Teil des Buches lebt von der Gabe des Autors, komplexe Zusammenhänge anhand der im ersten Teil vermittelten Grundlagen anschaulich darzustellen. Gerhard Ertl spannt seinen Bogen vom Gleichgewichtsphänomen der Adsorption bis zur Nichtgleichgewichtserscheinung der Musterbildung an Oberflächen auf mesoskopischer Skala. Er weist darauf hin, dass deren Verständnis wahrscheinlich neue Einblicke in biologische Prozesse ermöglicht. Dieser Text dient Studenten als Einführung in ein Spezialgebiet der physikalischen Chemie; es informiert aber auch Forscher und Entscheidungsträger über neue Entwicklungen in der Katalyseforschung.
Das Buch sollte in keiner Bibliothek fehlen und ist jedem Chemiker, Physiker und Chemieingenieur wärmstens zu empfehlen.
Hans-Joachim Freund, Berlin


<h2>Kunst, Archäologie und MS</h2>
Organic Mass Spectrometry in Art and Archaeology. Hrsg. von Maria Perla Colombini und Francesca Modugno. John Wiley &amp; Sons, Chichester, 2009. 493 Seiten, geb. 149,— Euro. ISBN 978—0—470—51703—1
Dieses Buch bewegt sich an der faszinierenden Schnittstelle zwischen Kunst, Archäologie, Chemie und Materialwissenschaften. Es zeigt, wie man organische Materialien in Kunstwerken und archäologischen Objekten mit massenspektrometrischen Methoden identifiziert. 24 Autoren aus 14 anerkannten Institutionen in sieben Ländern haben ihre praktischen Erfahrungen dazu beigesteuert.
Die Massenspektrometrie ist bei der Analyse organischer Bestandteile in Kulturgütern die Methode der Wahl. Zwar arbeitet die MS nicht zerstörungsfrei, doch ist der Probenbedarf aufgrund der extrem hohen Empfindlichkeit vertretbar. Überdies liefert ein Massenspektrum sehr spezifische Informationen, insbesondere wenn die Probe zuvor sinnvoll aufbereitet und komplexe Substanzgemische gegebenenfalls chromatographisch getrennt wurden.
 Teil I stellt zunächst die Substanzgruppen vor, mit ihren Verwendungen sowie Abbau- und Alterungsprozessen in historischen Objekten: Proteine, Glycerolipide, Wachse, Harze, Asphalt und Bitumen, Polysaccharide, Farbstoffe und synthetische Polymere. Solche Beschreibungen finden sich zwar auch in den späteren Kapiteln, diese Redundanz stört aber nicht. Ferner enthält die Einführung einen relativ knappen Abriss relevanter MS-Techniken, wobei der Autor auch jüngste Entwicklungen berücksichtigt.
Abschnitt II behandelt direkte MS-Analysen ohne den Einsatz chromatographischer Verfahren, wobei Probenmengen von einigen Mikrogramm ausreichen. In Frage kommen Verdampfung in der Ionenquelle, Maldi-MS oder Galdi-(graphite-assisted laser desorption ionization)-MS.
Teil III umfasst verschiedene GC/MS-Anwendungen, darunter Festphasen-Mikroextraktions-GC/MS und Pyrolyse-GC/MS. Abschnitt IV beschreibt die Analyse organischer Naturfarbstoffe mit ESI-MS, gekoppelt mit HPLC oder Kapillarelektrophorese. In Teil V sind apparativ aufwendigere Methoden zusammengefasst, über die nur eine begrenzte Zahl von Laboratorien verfügt. Dazu gehören die substanzspezifische Stabilisotopen-Analyse (insbesondere ä13C und ä15N) und die Tof-SIMS-Technik, die Querschnitte chemisch abbildet. Die Beschleunigungs-MS kommt bei der 14C-Datierung mit weitaus geringeren Probemengen aus als die traditionelle Messung der β-Strahlung: Spektakuläre Beispiele sind die Untersuchungen des Turiner Grabtuchs, der Schriftrollen vom Toten Meer und der Gletschermumie Ötzi.
 Den Herausgebern und Autoren ist es gelungen, aus der Fülle verstreuter und schwer zugänglicher Einzelpublikationen ein übersichtliches Gesamtwerk zu schaffen, das einen schnellen Einstieg in ein analytisch sehr anspruchsvolles Arbeitsgebiet erlaubt. Das Buch führt mehr als 1250 Literaturstellen auf und ist großzügig mit Tabellen und — teils farbigen — Abbildungen ausgestattet, darunter Untersuchungsobjekte, Formeln, Apparate, Spektren und Chromatogramme. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen Fallbeispiele, teilweise als detaillierte Anleitungen fürs Labor verfasst. Das Buch wendet sich an Restauratoren und Konservatoren sowie an alle archäometrisch Interessierten.
Jörn Müller, Berlin


<h2>Alles über Nanoröhren</h2>
Carbon Nanotubes and Related Structures.
Hrsg. von Dirk M. Guldi und Nazario Mart?n. Wiley-VCH, Weinheim, 2009. 539 Seiten, geb. 149,— Euro.
ISBN 978—3—527—32406—4
Das vorliegende Buch gibt eine detaillierte Übersicht über den aktuellen Wissensstand zu Kohlenstoffnanoröhren und angrenzenden Strukturen. 16 Beiträge beleuchten deren Herstellung, ihre chemische und physikalische Charakterisierung sowie die Funktionalisierung und zeigen mögliche Einsatzgebiete. Jeder Beitrag ist für sich mit zahlreichen Literaturhinweisen versehen.
Quasi als Einleitung stellt das Buch kurz die Herstellmethoden für Kohlenstoffnanoröhren vor und beschreibt den zu Grunde liegenden Bildungsmechanismus. Es folgen ausführliche Beiträge über die optischen, elektronischen, elektrochemischen und photophysikalischen Eigenschaften. Einen ersten Schwerpunkt bildet die kovalente und nichtkovalente Funktionalisierung. Nazario Mart?n stellt die Möglichkeiten vor, kleine aromatische Moleküle und Dispergenzien durch ?-?-Wechselwirkungen physikalisch an der Oberfläche anzulagern sowie größere Polymer- und Biopolymermoleküle durch ein Umwickeln (polymer wrapping). Andreas Hirsch ergänzt dazu die Grundlagen der chemischen Funktionalisierung und zeigt viele Möglichkeiten, diese Funktionalitäten gezielt an Defektstellen, an die Enden und an die Seitenwände der Kohlenstoffnanoröhren chemisch anzubinden.
In weiteren Kapiteln schildert das Buch die Bildung stabiler Charge-Transfer-Komplexe durch Ladungsübertragung, die Bildung von Schichtstrukturen durch Layer-by-Layer-Selbstanordnung sowie den Einsatz von Kohlenstoffnanoröhren, -nanohörnern und -nanodiamanten für Wirkstofftransport und -abgabe.
Neben der Photovoltaik stellt das Werk als wichtige Anwendung für Kohlenstoffnanoröhren den Einsatz als Katalysatorträger vor; besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Verteilung und Fixierung aktiver Metalle an der Nanoröhrenoberfläche.
Der endohedralen Füllung von Fullerenen und Nanoröhren, insbesondere mit Metallen, widmet das Buch zwei weitere Kapitel. Aufsätze von Sumio Iijima über Nanohörner sowie von Klaus Müllen zur Selbstorganisation von Nanographen runden das Thema ab. Den Ausklang bildet eine thermodynamische Betrachtung zur Energie und Stabilität von Fullerenen und Endohedralen.
Jeder Chemiker und Physiker, der an detaillierten Informationen über Kohlenstoffnanoröhren interessiert ist, kommt hier voll auf seine Kosten: Er erhält tiefgehende Einblicke in die Struktur und Eigenschaften von Nanoröhren und verwandten Kohlenstoffstrukturen. Aufgrund der hohen Aktualität der Beiträge, der Fachkompetenz der Autoren sowie der zahlreichen Literaturverweise ist dieses Buch dem wissenschaftlich interessierten Leser nur zu empfehlen.
Helmut Meyer, Leverkusen


<h2>Eine wunderbare Welt</h2>
Classics in Spectroscopy. Isolation and Structure Elucidation of Natural Products.
Von Stefan Berger und Dieter Sicker. Wiley-VCH, Weinheim, 2009. 645 Seiten, geb. oder Taschenbuch. 139,— bzw. 79,— Euro.
ISBN 978—3—527—32617—4 bzw.
ISBN 978—3—527—32516—0
Die Serie von Chemiebüchern ”Classics in …“ hatte mit ”Classics in Total Synthesis I + II“ von Nicolaou und Synder einen fulminanten Auftakt: Darin ging es um die Totalsynthese von immer komplexeren Zielmolekülen. Das Buch von Stefan Berger und Dieter Sicker ist nun ein würdiger Dritter in diesem Bunde. Sie haben ein wundervolles Buch geschrieben: Es beschreibt die Faszination von Naturstoffen und ihre spektroskopischen Fingerabdrücke mittels UV-, IR- oder NMR-Spektroskopie sowie ihre Strukturbestimmung durch Röntgenbeugung.
Das ist eine wunderbare Welt: Von Kaffee, Pfeffer, Tetrahydrocannabinol und Polymeren für Schellakplatten über Farbstoffe wie Indigo und Henna bis hin zu Heilkräutern wie Kamille und Narzissen, die Berger und Sicker sammeln, sichten und einordnen. Zu jeder Verbindung zeigen sie ihre historische Bedeutung, ihre Isolierung, ihre medizinische Wirkung und bisweilen Aspekte ihrer Synthese. Das Sinnliche der Naturstoffe untermalen wundervolle Bilder.
Naturstoffe haben ihren Widerhall in der Literatur, und so schmücken die Autoren jeden Abschnitt mit Zitaten aus Büchern und Gedichten — alles in der Originalsprache. Das demonstriert, wie sehr Naturstoffe, also chemische Verbindungen, die Entwicklung der Menschheit beeinflusst haben.
Das Buch will auch praktische Anleitung für die Chemikerausbildung sein, getreu dem Motto des lateinischen Autors Heraclius: ”Nil tibi scribo quidem, quod non prius ipse probassem: Ich schreibe dir nicht, was ich vorher nicht selbst ausprobiert habe.“ Daher haben die Autoren Vorschriften zusammen gestellt, wie sich die Naturstoffe isolieren lassen, zum Beispiel im organisch-chemischen Grundpraktikum.
Lange Zeit bestimmte man anhand der Naturstoffsynthese die Konstitution sowie die relative und absolute Konfiguration einer Verbindung. Der Fall des Patchouli-Alkohols hat dem ein Ende gemacht, da bei Auf- und Abbau dieselbe unerwartete Umlagerung stattfand. Die vorhergesagte Konstitution des Naturstoffs war daher falsch. Auch den Patchouli-Alkohol bespricht das Buch. Konsequenterweise ist der spektroskopischen Signatur jedes Naturstoffs ein breiter Raum gewidmet. Nicht nur für den Analytiker öffnen sich damit die Naturstoffe und geben Einblick in ihren Aufbau, ihre Eigenschaften und ihre Reaktivität.
Seit langem hat mich kein Lehrbuch mehr so berührt wie das Werk von Stefan Berger und Dieter Sicker. Es gibt viele Lehrbücher — hier ist eines, bei dem man spürt, mit wie viel Liebe für die sinnlichen und im Bach'schen Sinne geistlichen Reize von Naturstoffen es geschrieben ist. Chemielehrer sollten es ihren Schüler zum Abschluss schenken, Eltern ihren an Chemie interessierten Kindern. Für Grundpraktika, bei denen die Isolierung von Naturstoffen auf dem Plan steht, sollten es die Universitäten in Jahrgangsbreite anschaffen. Lesen sollte es, wie Dieter Seebach in seiner Widmung schreibt, ”any person interested in chemistry, life sciences, medicine, sociology, history, and belles lettres.“
Harald Schwalbe, Frankfurt


<h2>Kein würdiger Nachfolger</h2>
Solid State Electrochemistry I. Fundamentals, Materials and their Applications.
Hrsg. von Vladislav V. Kharton. Wiley-VCH, Weinheim, 2009. 506 Seiten, geb. 159,— Euro. ISBN 978—3—527—32318—0 
Als eigenständige Disziplin ist die Elektrochemie entweder die Wissenschaft von geladenen Teilchen in Flüssigkeiten (Electrolytics) oder an Phasengrenzen (Electrodics). Der Blick auf die feste Phase beschränkt sich meist auf das Wachsen dieser Phase, etwa bei Metallabscheidungen. Elektrochemisch bewirkte Veränderungen in einer festen Phase — wie beim Laden oder Entladen einer Lithiumionen-Batterie — sind erst in jüngster Zeit in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Trotz dieser Zuordnung bleiben die Grenzen — so es sie überhaupt noch gibt — fließend.
Die ersten Beiträge des Buches bestätigen die Vorstellung von Solid State Electrochemistry als Festkörperchemie ionischer Verbindungen. Joachim Maier bezeichnet sie ganz zwanglos als Teil der Elektrochemie und geht damit über die Gewohnheit der meisten Lehrbücher hinaus, allenfalls Festelektrolyten einen Abschnitt zu widmen. Dies ist alles andere als banal: Diese Gewohnheit hat zur Folge, dass die meisten Lehrbücher zahlreiche Besonderheiten von ionenleitenden Feststoffen sowie die benötigten Methoden und Modelle übergehen.
Stoffliche Aspekte von ionen- und elektronenleitenden Feststoffen stehen im Mittelpunkt der folgenden elf Kapitel. Die Palette reicht von hochleitenden (superionic) Materialien über Interkalationsverbindungen und intrinsisch leitfähigen Polymeren bis zu Hybridmaterialien. Die meisten Kapitel beschreiben nicht nur die Materialien und ihre Eigenschaften, sondern beleuchten auch ihre Anwendungen wie in Sensoren und Brennstoffzellen oder als Lithiumionen-Batterien.
Natrium-Schwefel- oder Zebra-Batterien fehlen allerdings, auch Nasicon (natrium superionic conductor) sucht man vergeblich. Dies mag zunächst als Bagatelle erscheinen — es führt aber zu der grundsätzlichen Frage, an wen sich das Buch richtet: Einen vollständigen, zusammenhängenden Überblick zum Thema Festkörper-Elektrochemie , der die gesamte Bandbreite ohne die genannten Lücken abdeckt, liefert dieser Sammelband nicht. Er ist vielmehr eine wenig zusammenhängende Sammlung von Einzelbeiträgen zu Aspekten ionenleitender Feststoffe und ihres Verhaltens bei elektrochemischen Prozessen, die sich von ihrer Oberfläche ins Innere ausbreiten. Er richtet sich an Leser, die bereits einen ersten Überblick über dieses Wissensgebiet haben und ihre Kenntnisse zu Einzelaspekten gezielt vertiefen wollen.
Vladislav Kharton hat das Buch sorgfältig zusammengetragen, nur selten zeigt es schlecht aufgelöste Bilder; hierbei fällt allerdings die Bildaussage der mangelnden grafischen Qualität nicht zum Opfer. Ein würdiger und nützlicher Nachfolger des Buches ”Electrochemistry of Solids“ von Hans Rickert ist es leider nicht: Der ähnliche Titel sollte nicht täuschen.
Rudolf Holze, Chemnitz


<h2>— — — Kurz vorgestellt</h2>


<h2>Berichte zu  Pflanzenschutzmitteln</h2>
Sachstandsbericht zu den Bienenvergiftungen durch insektizide Saatgutbehandlungsmittel in Süddeutschland im Jahr 2008. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Birkhäuser Verlag, Berlin, 2009. 48 Seiten, Taschenbuch. 25,— Euro. ISBN 978—3—0346—0052—1
Nachdem im Frühjahr 2008 in einigen Regionen Südwestdeutschlands etwa 11 500 Bienenvölker starben, suchten Politiker, Imker, Forscher und die Pflanzenschutzmittelindustrie nach den Ursachen. Dabei stießen sie auf Maissaatgut mit dem Insektizid Clothanidin.


<h2>Blick ins Schülerlabor</h2>
Kursbuch 2010. Schülerlabore in Deutschland. Hrsg. von Dorothee Dähnhardt, Olaf J. Haupt und Christoph Pawek. Tectum Verlag, Marburg, 2009. 164 Seiten, Taschenbuch. 19,90 Euro.
ISBN 978—3—8288—2120—0
Bestandsaufnahme: Wo Deutschlands Schülerlabore heute stehen, was sie erreichen und was sie in Zukunft noch erreichen können.


<h2>Die Hochschulwelt Südafrikas</h2>
Länderprofile: Analysen — Erfahrungen — Trends. Edition Südafrika. Gate-Germany 2010. 32 Seiten. Kostenlos herunterzuladen unter <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.gate-germany.de/08760" target="_blank">www.gate-germany.de/08760</a></ext-link>.
Die neue Ausgabe der Publikationsreihe stellt Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für Kooperationen und wissenschaftlichen Austausch mit Südafrika vor. Beispielsweise berichtet ein deutscher Professor an der Stellenbosch University über seinen Arbeitsalltag. Analog stehen Länderprofile über Brasilien, Russland, Indien, China, die Baltischen Staaten und die Golfstaaten auf der Gate-Germany-Seite zum Herunterladen bereit.


<h2>Mit der Spektroskopie vertraut machen</h2>
Spektroskopie. Eine methodenübergreifende Darstellung vom UV- bis zum NMR-Bereich. Von Peter M. Skrabal, vdf Hochschulverlag, Zürich, 2009. 352 Seiten, broschiert. 38,90 Euro. ISBN 978—3—8252—8355—1
Das Buch bietet Studierenden einen Überblick über die Spektroskopie und will ein Grundverständnis spektroskopischer Methoden vermitteln. Dabei führt es in die UV/Vis-, NIR-, IR-, ESR- und NMR-Spektroskopie ein. Der Autor erläutert eingangs ausführlich das elektromagnetische Spektrum, die Absorptionsprozesse der Spektroskopiemethoden und in welchem Aggregatzustand ein Analyt spektroskopisch untersucht wird. Weitere Kapitel sind der continuous-wave(CW)- und der Fourier-Transformation(FT)-Spektroskopie gewidmet sowie der zwei- und dreidimensionalen Spektroskopie. Auf den letzten 100 Seiten beschreibt das Buch außerdem Anwendungspotenziale und die Grenzen der spektroskopischen Methoden.


<h2>Studien: Nano und Biotech in Ostdeutschland</h2>
”Chancen der Biotechnologie für Ostdeutschland“ und ”Nanotechnologie in Ostdeutschland“. VDI Technologiezentrum 2010.
Kostenlos herunterzuladen unter 
<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.zukuenftigetechnologien.de/publikationen.php" target="_blank">www.zukuenftigetechnologien.de/publikationen.php</a></ext-link>.
Das VDI-Technologiezentrum hat Ostdeutschland in zweierlei Hinsicht unter die Lupe genommen: Wie weit entwickelt sind Wirtschaft und Forschung in der Bio- sowie in der Nanotechnik? Etwa 40 Prozent der Großforschungseinrichtungen für Nanotechnik liegen in Ostdeutschland, außerdem gibt es 149 Biotech-Unternehmen. Besonders stark sind in beiden Feldern Berlin/Brandenburg und Sachsen.

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