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<h2>Verstehen und nicht Vergessen</h2>
Die Intensität kontroverser Reaktionen in einigen und auf einige sozialpolitische Beiträge der Nachrichten aus der Chemie zur Wiedervereinigung war ungewöhnlich hoch. Dies deutet darauf hin, dass für die Überwindung der roten, uns von der Sowjetunion übergestülpten SED-Diktatur durch die Wiedervereinigung das noch gilt, was Jean Amery zur Überwindung der braunen, uns selbst auferlegten Nazidiktatur schrieb [Jenseits von Schuld und Sühne, Klett-Cotta, 1977, 14]: “Was geschah, geschah. Aber, dass es geschah, ist so einfach nicht hinzunehmen. Ich rebelliere: gegen meine Vergangenheit, gegen die Geschichte, gegen eine Gegenwart, die das Unbegreifliche geschichtlich einfrieren lässt, und es damit auf empörende Weise verfälscht. Nichts ist vernarbt und was schon …  im Begriff stand zu heilen, das bricht als infizierte Wunde wieder auf. Emotionen? Meinetwegen.”
Voller kritischer Emotionen waren auch einige der Leserbriefe, so ernst, dass sich jetzt der Ossi von uns als williger Gehilfe der Stasi und der Wessi als törichter Helfer des SED-Systems empfinden kann. In einer so intensiven sozialpolitischen Diskussion über unsere Hochschulen und Akademien vor und nach der Wende muss man auch diese Meinung akzeptieren. Das gilt auch, wenn man — im 3. Reich groß geworden und bei Eugen Kogon Politik studiert — nicht blauäugig der Meinung war, dass wir als Hochschullehrer eines freien Landes den Kontakt mit den Kollegen im Osten und besonders in der DDR halten sollten, um in der Atmosphäre des kalten Krieges nicht völlig auseinander zu driften.
Vielleicht beginnen auch daher die beiden Beiträge [Nachr. Chem. 2010, 58, 759 und Nachr. Chem. 2011, 59, 36] mit der Wertschätzung zweier Wissenschaftler, Reiner Radeglia und Siegfried Hoffmann, die wie viele andere dem System widerstanden und darunter gelitten haben. Beide konnten dennoch die Wiedervereinigung nur kurze Zeit als einen wesentlichen und gelungenen sozialpolitischen Prozess deutscher Gemeinsamkeit genießen. Radeglia starb schon im Jahr 2003 und ein Jahr später schrieb Hoffmann nicht ohne Resignation in einem Brief an Helmut Schwarz, Chemie-Professor der Technischen Universität Berlin: “Der kleine DDR-Oberassistent saß nun als BRD-a.o.-Professor inmitten schönster Geräte — und blieb ohne Leute. Stattdessen wurde denen, die am meisten gelitten hatten, die zweifelhafte Ehre zuteil, in Personalkommissionen eine politische Evaluierung der anderen vorzunehmen. Wären wir von der Art unserer Vorgänger und wohl auch teilweise unserer Nachfolger gewesen, wir wären wohl allein übrig geblieben. Doch wir enttäuschten nun auch die neuen Herren. Die, die so viel hinnehmen mussten während dieser Zeit der DDR, sie wollten zumindest versuchen, menschlich und moralisch besser zu sein als die Täter der Vergangenheit.”
Für viele Menschen in den neuen Bundesländern sind die Probleme von gestern durch die Erfolge von heute noch nicht zur Vergangenheit geworden. So spielte in unseren Gesprächen mit Siegfried Hoffmann immer wieder seine Betroffenheit darüber eine Rolle, dass mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur oft auch die Leistungen der Menschen in der DDR abgewertet oder gar in Frage gestellt wurden. Selbst in den schlimmsten Zeiten lag der Lebensstandard in der DDR höher als in anderen sozialistischen Ländern und die Menschen waren stolz darauf, dass sie dies auch in ihrem menschenverachtenden System ihrer Arbeit und ihren Leistungen zu verdanken hatten.
Helmut Schmidt hat auf diesen Konflikt schon früh hingewiesen. Unter der Überschrift “Wir sind noch kein normales Volk” schrieb er bereits im Jahr 1993 [Zeit, 37, 10. 9. 1999]: “Die Westdeutschen müssen unterscheiden zwischen dem gescheiterten politischen und ökonomischen System der DDR einerseits und dem in der DDR gelebten Leben ihrer Landsleute andererseits. Diese Leben sind nicht gescheitert! Wenn die Westdeutschen lernen, diese Unterscheidung zu machen, dann wird hoffentlich auch die penetrante Verdächtigung von Ostdeutschen aufhören, die zur Zeit der DDR auch dort bedeutende Leistungen hervorgebracht haben …”
So legen doch auch die beruflichen Werdegänge sowohl von Angela Merkel als auch von Joachim Sauer Zeugnis davon ab, dass die akademische Ausbildung in den Natur- und Ingenieurwissenschaften in der DDR von international anerkanntem hohen Niveau war. Bis zum Ende ihres Staates galten die Naturwissenschaften und Ingenieure der DDR als die Säulen von Forschung und Technik im Ostblock.
Schnee von gestern? Bei uns, der älteren Generation — in Ost und West — sicher noch nicht für alle. Die heute im wiedervereinigten Deutschland aktiv und erfolgreich wirkende junge Generation muss zumindest wissen und verstehen, was, warum und wie geschah oder nicht geschah. Noch so perfektes fachliches Wissen befähigt nicht zu sozialpolitischem, verantwortlichem Handeln.
Helmut Ringsdorf, Mainz; Frank Kuschel, Halle
<a href="mailto:ringsdor@uni-mainz.de">ringsdor@uni-mainz.de</a>
Dieser Beitrag schließt zunächst das Thema ab. Eine Zusammenstellung aller Texte (und Langfassungen) steht im Downloadbereich von <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.NachrichtenausderChemie.de" target="_blank">www.NachrichtenausderChemie.de</a></ext-link>


<h2>Kritiker nicht mundtot machen</h2>
Obwohl ich die Datenlage zu Bisphenol A selbst nicht im Detail kenne, bin ich doch schon sehr verwundert über die Art, in der Helmut Greim versucht, alle Kritiker mundtot zu machen. Er beantwortet [Nachr. Chem. 2011, 59, 124] die ihm gestellten Fragen z.T. gar nicht (warum Tierversuche mit Nagetieren, wenn diese als Modell inadäquat sind?), verweist darauf, dass man “jede Chemikalie im menschlichen Organismus finden” könne und hebt die kommerzielle Bedeutung des Stoffes für die Industrie hervor. Mir liegt der Schluss nahe, dass er aus politischem Kalkül argumentiert, also perfiderweise etwas tut, was er der Gegenseite vorwirft. Ich fühle mich als Bürger und Wissenschaftler sehr unwohl, wenn so jemand Vorsitzender des Scientific Committee on Health and Environmental Risks des Directorate-General Health and consumer protection bei der EU-Kommission ist.
Den Nachrichten aus der Chemie kann ich das Kompliment machen, sich um eine ausgewogene Darstellung der Materie zu bemühen.
Hans W. Steisslinger, Rosengarten
<a href="mailto:hsteisslinger@weleda.de">hsteisslinger@weleda.de</a>


<h2>Orientierung der Zugvögel: noch ein Kandidat</h2>
Zum Artikel “Die große Ausnahme: flavinhaltige Blaulichtsensoren” von Anna Pfeifer und Tilman Kottke [Nachr. Chem. 2011, 59, 23] möchte ich eine Sache richtig stellen. Auf Seite 27 wird behauptet, dass die photochemische Magnetorezeption der einzig plausible Kandidat für die Orientierung von Zugvögeln im Erdmagnetfeld sei. Dies ist so nicht ganz richtig. Ein ebenso plausibler Kandidat ist die Magnetorezeption durch eisenmineralhaltige Rezeptoren. Diese befinden sich im Schnabel von sowohl Zugvögeln als auch Brieftauben sowie sesshaften Vögeln [PLoS One, 2010, 5(2)]. Die Rezeptoren enthalten unterschiedlich strukturierte Eisenmineralien wie superparamagnetische Magnetit-Nanopartikel und Plättchen aus Maghemit-Eiskristallen [Naturw. 2007, 94(8), 631]. Modellrechnungen haben gezeigt, dass die so aufgebauten Sensoren das Potential haben, kleinste Änderungen des Erdmagnetfeldes zu detektieren.
Ursula E. A. Fittschen, Hamburg
<a href="mailto:ursula.fittschen@chemie.uni-hamburg.de">ursula.fittschen@chemie.uni-hamburg.de</a>


<h2>Die andere Art der Diskriminierung</h2>
Joachim Sauer berichtet [Nachr. Chem. 2011, 59, 36], dass Angela Merkel aus politischen Gründen eine Stelle an der Universität nicht bekommen hat. Ich konnte im Westen zwar studieren, habe aber wegen der Diskriminierung von Frauen in der Chemie gar keine Stelle bekommen und muss heute von einer kleinen Rente leben.
Ingeborg Quack, Köln


<h2>Führung schafft Sicherheit</h2>
Nicole Maas und Matthias Brombach beleuchten in ihrem Beitrag “Rechtssicherheit im Labor — Wer haftet beim Unfall” [Nach. Chem. 2011, 59, 353] ein Vorkommnis, dass niemand gern erleben möchte: die — glücklicherweise nur selten schwere oder gar tödliche — Verletzung eines Mitarbeiters. Bei allen Anstrengungen, die in der Regel unternommen werden, ist eine 100%ige Sicherheit nicht zu erreichen. Jedoch kann man ohne unverhältnismäßigen Aufwand sehr nah an dieses Niveau herankommen. Nicht zuletzt helfen Regeln und Umsetzungshilfen wie die Laborrichtlinien, diese Aufgabe zu erfüllen (<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.laborrichtlinien.de" target="_blank">www.laborrichtlinien.de</a></ext-link>, <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.guidelinesforlaboratories.de" target="_blank">www.guidelinesforlaboratories.de</a></ext-link>). Diese gelten übrigens nicht nur für die Mitglieder der Berufsgenossenschaften, sondern ebenfalls im Bereich der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand.
Für den geschilderten Fall hätte der Laborleiter sich Gedanken machen müssen, ob er ohne weitere Unterweisung diesen Auftrag einem mit dieser Tätigkeit nicht vertrauten Mitarbeiter geben konnte. Hinweise zur Notwendigkeit der Unterweisung und zum Handschutz hätten ihm die Laborrichtlinien angeboten, auch ohne dass er sich durch das einschlägige Gefahrstoffrecht hätte durchkämpfen müssen. Dass für eine Substanz wie Flusssäure das Sicherheitsdatenblatt und eine Betriebsanweisung verfügbar sein muss, ist klar. Das ist europäisches und deutsches Recht. Ein kurzes Gespräch über Gefahren und Schutzmaßnahmen vor Aufnahme der Tätigkeit war unverzichtbar. Dramatische Folgen durch Defizite bei der Unterweisung zeigte kürzlich der Tod der 23-jährigen Sheharbano Sangji (<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.rsc.org/chemistryworld/News/2009/January/23010903.asp" target="_blank">www.rsc.org/chemistryworld/News/2009/January/23010903.asp</a></ext-link>).
Wir haben in den Laboratorien ein hohes Sicherheitsniveau, das wir uns auch etwas kosten lassen. Es wäre daher sicherlich völlig praxisfern zu fordern, alle Mitarbeiter permanent über sämtliche Gefahren im Labor zu schulen. Unverzichtbar dagegen ist jedoch ein Konzept der Vorgesetzten, die notwendige Handlungskompetenz bei den im Labor tätigen Personen durch Unterweisung zu verankern und aufrechtzuerhalten.
Thomas Brock, Heidelberg
<a href="mailto:Thomas.Brock@bgrci.de">Thomas.Brock@bgrci.de</a>
Der Artikel “Rechtssicherheit im Labor — Wer haftet beim Unfall” [Nach. Chem. 2011, 59, 353] lässt sich auf wenige Punkte zusammenführen. Führungsverantwortung heißt in der Praxis: Gefährdungsbeurteilung erstellen, Betriebsanweisungen erstellen, Unterweisung durchführen, Erste Hilfe organisieren — und der Staatsanwalt wird sich die Zähne ausbeißen.
Zum Artikel von Joachim Sauer [Nachr. Chem. 2011, 59, 36] möchte ich mich der Zuschrift von Dietrich Demus “Mit Sicherheit nicht alternativlos” [Nachr. Chem. 2011, 59, 366] anschließen.
Udo Hartmann, Berlin
<a href="mailto:udo.hartmann@chemie.hu-berlin.de">udo.hartmann@chemie.hu-berlin.de</a>

Artikel

Korrespondenz

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Dr.-Ing.

<h2>Hochinteressante Nische</h2>
Göttliche Geistesblitze. Pfarrer und Priester als Erfinder und Entdecker. Von Eckart Roloff. Wiley-VCH, Weinheim 2010. 337 Seiten, geb. 24,90 Euro. ISBN 978—3—527—32578—8
Es gehört nicht zu den Aufgaben eines Geistlichen, technische Erfindungen zu machen und naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Doch die Realität sieht zuweilen anders aus. Da waren der Augustinerpater Gregor Mendel (1822—1896), der die statistische Genetik begründete, und der bayerische Priester Sebastian Kneipp (1821—1897), der mit heilsamen Wasserkuren beachtliche Erfolge erzielte. Bekannt ist auch der Freiburger Franziskanermönch Berthold Schwarz, der vermeintliche Entdecker des Schießpulvers (“Schwarzpulver”). Darüber hinaus gab es viele andere, deren Namen heute kaum noch bekannt sind. Es ist ein großes Verdienst des Autors Eckart Roloff, neben den Bekannten vor allem Letztgenannte mit ihren Leistungen vorzustellen. So erfährt der Leser, “dass Geistliche … dabei waren, als es um astronomische Geräte und Waschmaschinen, um den optischen Telegrafen und die Zeitlupe ging, um Logarithmen, Rechenmaschinen, Uhren, Funkverkehr und optimierte Papierproduktion.” Schließlich war es ein evangelischer Pfarrer (Hermann Bräß), der 1786 den Leserbrief begründete. Doch “Schreiben wie Pfarrer Bräß” wurde kein geflügeltes Wort wie “Rechnen wie Adam Riese”, schreibt der Autor.
In 19 Kapiteln findet der Leser historische Fakten, Kuriositäten, aber auch Widersprüchliches und Ungeklärtes, breit recherchiert und gut lesbar aufbereitet, mit Bezug zur Gegenwart. Nach einleitenden Betrachtungen über das Zusammenwirken von christlicher Religion und weltlicher Innovation (Kapitel 1 und 2) erinnert Kapitel 3 an Beispielen an jene Technologien und Leistungen, die in Klöstern und Abteien hervorgebracht und entwickelt wurden. Es geht speziell um Handschriften und Kopien, Landkarten, das Brauen von Bier, den Glockenguss und wegbereitende Leistungen in Medizin und Krankenpflege. Das Kapitel 4 ist der Herausbildung der ersten Universitäten gewidmet. Schließlich folgen 12 Kapitel zum Leben und Werk jener Männer, auf deren Leistungen oben bereits verwiesen wurde. Ein Exkurs führt in die uns heute seltsam anmutende “Theologie der Elektrizität” (Kapitel 13), deren Vertreter die Elektrizität (und den Magnetismus als “göttliche Kraft in der Welt” ansahen. Kapitel 9 enthält Informationen über zumeist erstaunliche mathematische Leistungen von Theologen. Das letzte Kapitel verweist kurz auf den “Umgang der Kirchen mit Innovationen in unserer Zeit”.
Als Chemiehistoriker bedauere ich, dass außer den Diskussionen um Schwarz wenig chemierelevantes aufgenommen wurde. Abgesehen von vielfältigen Beiträgen aus der Zeit der Alchemie sei hier exemplarisch auf die britischen Theologen Stephen Hales (1677—1761) und Joseph Priestley (1732—1804) verwiesen, die mit ihren Arbeiten die pneumatische Chemie begründeten und im Buch nicht zu finden sind.
Insgesamt ist es dem Autor gelungen, mit seinem Buch eine hochinteressante Nische zu erschließen, die sich mühelos weiter füllen ließe. Wie wäre es mit einem Fortsetzungsband?
Horst Remane, Leipzig


<h2>Durchaus nützlich</h2>
English for Presentations at International Conferences. Von Adrian Wallwork. Springer, New York, 2010. 179 Seiten, brosch. 25,35 Euro. ISBN 978—0—470—13115—2
Englisch ist die weltweite Wissenschaftssprache. Wir lesen im Wissenschaftsbetrieb das meiste auf Englisch. Man schreibt Papers (keine Artikel), Abstracts (keine Zusammenfassungen) und präsentiert Posters (keine Plakate), und all das zumeist auf Englisch. Gut, dass es für uns Unglückselige, deren Muttersprache nicht Englisch ist, Hilfen wie das Buch von Adrian Wallwork gibt, das seinem Titel nach Englisch für den Gebrauch bei Tagungen vermittelt.
Das knapp 180-seitige Buch besteht aus 17 Kapiteln, die sich jedoch großteils mit handwerklichen Aspekten beim Erstellen von Tagungsbeiträgen befassen. Zu dieser Gruppe gehören Kapitel 1 über die Erstellung von Folien sowie die Kapitel 6 bis 9, die Tipps zur Formulierung aussagekräftiger Titel geben, Aufzählungs-layouts diskutieren, den Einsatz visueller Effekte besprechen und Rat für den sprachlichen Feinschliff geben. Ebenso erörtert Kapitel 10, wie die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu erhalten ist, und Kapitel 13 Methodik und Aufbau eines guten und dadurch effektiven Vortrags. Schließlich gibt es auch noch Tipps zum Umgang mit Nervosität (Kapitel 5).
Was der Titel in großen Lettern verspricht, English for Presentations, kommt in Wallworks Buch etwas zu kurz. Sicher, das Buch ist auf Englisch geschrieben und schon beim Lesen setzt man sich mit dem Vokabular rund um die Präsentation auseinander. Die Schwäche des Buchs resultiert vielleicht aus dem Ansatz des Autors, möglichst viele Bücher zu schreiben — über zwanzig im Genre des Schreibens und Präsentierens auf Englisch hat er schon verfasst. Dem Buch abträglich ist auch seine mäßige Druckqualität, die speziell bei grau unterlegten Kästen mit Beispieltexten die Lesbarkeit beeinträchtigt. Die wenigen Abbildungen sind von recht grober Qualität.
Das Buch ist aber keineswegs nutzlos. Einige Kapitel widmen sich durchaus der Sprache, nur dürften es davon eben mehr sein. So bespricht Kapitel 3 Aussprache und Betonung an zahlreichen Beispielen (eine Begleit-CD wäre toll), und Kapitel 16 behandelt die Diskussionsrunde nach dem Vortrag. Das Wichtigste kommt in Kapitel 17, nämlich “Useful Phrases”. Hier wird das Buch richtig nützlich. Liest man diese kurzen Sätze und Redewendungen oft genug durch, können beim nächsten Vortrag die wohlgesetzten Worte auf Anhieb sprudeln und das “Sis is, äh, not simpl to ixplän” wegspülen. Hier gibt es auch zwei Tafeln, die Orts-, Richtungs- und Tendenzvokabular visuell und eingängig zusammenfassen.
Aus dem Büchlein kann man also durchaus Nutzen ziehen. Die Tipps zu Vortragstechniken sind gut und korrekt. Ehrlich gesagt, sie sind auch ausführlich genug, um weitere Einkäufe vom bunten Markt der “Art of Scientific ..” einzusparen. Bei dem Preis kann man nicht viel falsch machen.
Thank you for your attention.
Jürgen H. Gross, Heidelberg


<h2>Exzellentes Lehrbuch über Energiespeicherung</h2>
Energy Storage.
Von Robert A. Huggins. Springer, New York, 2010. 406 Seiten, geb. 87,99 Euro. ISBN 978—1—4419—1023—3
Der amerikanische Autor Robert Huggins ist ein weltweit renommierter Materialwissenschaftler und arbeitet an der Universität Stanford. In den Neunzigern war er in Deutschland unter anderem wissenschaftlicher Leiter am Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Ulm. Im seinem Buch bespricht er im Detail die Grundlagen der verschiedenen Energiespeichermethoden, beispielsweise Wärmeenergie, reversible chemische Reaktionen, mechanische oder elektrochemische Energiespeicher.
Die Einführung behandelt allgemeine Aspekte zur Energie und reflektiert natürliche Energieträger wie Holz oder Öl, aber auch Alternativen wie Wasserstoff. Es schließen sich 22 Kapitel mit theoretischen Grundlagen und verschiedenen Energiespeichermöglichkeiten an. Intensiver sind die Batteriethemen besprochen, der Schwerpunkt liegt auf Lithium-Ionen-Zellen. Dabei erläutert das Buch sehr schön die reversible Interkalation und De-Interkalation des Lithiumions als Einlagerungsverbindung in eine Wirtstruktur. Auch Nickel-Metall-Hydrid-Zellen und primäre Batterien sind ein Thema. Ergänzt sind hier die Aktivmaterialien in den Elektroden und die jeweiligen Elektrolyte, aber auch kritische Parameter und Prozesse. Die übrigen Kapitel beschäftigen sich mit thermischer und elektromagnetischer Energiespeicherung, synthetischem Kraftstoff und Wasserstoff.
In jedem Kapitel stehen neben einer kurzen Einführung die Grundlagen zu der betreffenden Energiespeicherung und Materialkunde.
Kapitel 21 reflektiert, wie Energiespeicher für automobile (wie Zebra-Batterie) oder stationäre Applikationen (Solar- und Windkraft) großformatig zu konzipieren sind. Das abschließende Kapitel 22 gibt einen Ausblick auf neuere Energiekonzepte.
An vielen Stellen im Buch finden sich interessante Informationen; so wird zum Beispiel der Begriff “Ragone-Plot” motiviert, der die Performance verschiedener Energiespeicher vergleicht.
Heutzutage ist das Verständnis der Energiespeicherung in Zusammenhängen wichtig. Das Buch hilft dem Leser dabei, die verschiedenen Konzepte, aber auch Aspekte wie Kosten, Lebenszeit oder Sicherheit zu verstehen.
Fazit: Das lehrreiche und didaktisch gut gemachte Buch bietet einen umfassenden Überblick über die physikalischen, elektrochemischen und strukturellen Prinzipien und Grundlagen zu den verschiedenen Möglichkeiten der Energiespeicherung. Zu jedem Kapitel gibt es eine Liste von weiterführenden Literaturhinweisen. Das Buch wendet sich gleichermaßen an Studenten, Doktoranden wie an Hochschul- und Industriewissenschaftler. Das Buch zielt auf Grundlagenverständnis und eignet sich zum Selbststudium oder auch als Nachschlagewerk; es richtet sich nicht an Leser, die sich für rein praktische Applikationen oder Batterietechnik interessieren.
Thomas Wöhrle, Stuttgart


<h2>Lösungen für Probleme in der PVC-Verarbeitung</h2>
PVC-Stabilisatoren. Marktsituation, Anwendungen, Trends. Von Michael Schiller. Carl-Hanser-Verlag, München, 2010. 355 Seiten, geb. 129,— Euro. ISBN 978—3—446—41910—0
Die vorliegende Monografie zur Stabilisierung von PVC enthält eine unübertreffliche Fülle an Informationen für PVC-Fachleute und Einsteiger. Nach einer kurzen Einführung von PVC als Massenkunststoff mit unterschiedlichsten Typen, Herstellverfahren und Verarbeitungsmöglichkeiten steht ein prägnanter Einblick in die PVC-Stabilisierung, der sich auch für Nicht-PVC-Fachleute eignen sollte.
Der eigentliche Hauptteil des Buchs besteht aus einer umfassenden Darstellung der Fehler bei der PVC-Stabilisierung und ihrer Behebung mit ausführlicher Fehlersuchmatrix.
Besonders gelungen ist die Darstellung der PVC-Schädigungsmechanismen, bei denen man sich jedoch eine erweiterte Erörterung von alternativen Stabilisierungssystemen wünscht, da besonders die Bleistabilisierung in Europa bald endgültig aus der Mode kommen dürfte.
Erwähnenswert ist die ausführliche Darstellung der Nachhaltigkeitsaspekte von PVC, die eine Neubewertung von PVC als Massenkunststoff herausfordert.
Neben der Beschreibung von Prüfmethoden und wertvollen Hinweisen zur Rezepturlegungen für die unterschiedlichsten PVC-Anwendungen legt der Autor besonderen Wert auf ungewöhnliche, störende Effekte bei der Verarbeitung wie Plate-out, Stippenbildung, Photoabbau, Bioabbau, Umwelteinflüsse etc. Besonders das Plate-out, das in der Literatur nur selten erwähnt wird, obwohl es in der Praxis der PVC-Verarbeitung weit verbreitet ist, wird hier erstmals nach Ursachen, Einflüssen und Mechanismen untersucht. Die Ausführlichkeit, mit der dieses Problem und seine experimentelle Bearbeitung dargestellt sind, dürfte neu in der PVC-Literatur sein.
Besonders ausführlich beschreibt der Autor den Photoeffekt, die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Witterungseinflüssen auf unterschiedlich stabilisiertes und additiertes PVC sowie biologische und andere Umwelteinflüsse auf Abbau und Veränderungen bei Hart-PVC-Endprodukten. Die ausführlichen Beispiele dürften auch PVC-Spezialisten interessieren, da die Fülle von Anschauungsmaterial und Einzelergebnissen, insbesondere die Änderungen der Absorptionsspektren beim Photoabbau, einzigartig sein dürfte.
Das Buch gibt über das Grundwissen eines PVC-Handbuches hinaus wertvolle Ergebnisse aus der täglichen Praxis der PVC-Verarbeitung und beeindruckt mit detaillierten Einzelergebnissen in großer Fülle. Alles in allem ist es eine hervorragende Ergänzung zum “Plastic Additives Handbook” mit dichter Detailinformation und ein ergiebiges Nachschlagewerk für PVC-Verarbeiter und -Entwickler sowie für alle in der PVC-Industrie Beschäftigten.
Das Buch ist jedem zu empfehlen, der über die normale Stabilisierung und Additierung von PVC hinaus detaillierte Informationen zu speziellen Fragen der PVC-Verarbeitung braucht.
Karl-Josef Kuhn, Lautertal


<h2>— — — Kurz vorgestellt</h2>


<h2>Porträtfotos der Chemienobelpreisträger</h2>
Nobel Chemists. Von Peter Badge. De Gruyter, Berlin, 2011. 160 Seiten, geb. 39,95 Euro. ISBN 978—3—11—025482—2
Im Herbst 2008 erschien “Nobles”, ein über sechs Kilo schweres Coffee-Table-Buch mit sehr schönen Schwarz-Weiß-Porträts sämtlicher Nobelpreisträger, die der Fotograf vor die Kamera bekam. Vom Leben der Porträtierten erzählte ein kurzer Text [Nachr. Chem. 2008, 56, 1175]. Handlicher kommt nun Nobel Chemists daher: Der 21,5 cm × 21,5 cm kleine Band enthält die Fotos der Chemienobelpreisträger aus “Nobles”, ergänzt um die in den letzten Jahren neu hinzugekommenen Laureaten, Lebensdaten und die preiswürdige Arbeit.


<h2>Ein “Ausgeforscht” der Nachrichten verpasst?</h2>
9 Millionen Fahrräder am Rande des Universums. Von Michael Groß. Wiley-VCH, Weinheim, 2011. 298 Seiten, geb. 24,90 Euro. ISBN 978—3—527—32917—5
Michael Groß fasst die Beiträge der Rubrik “Ausgeforscht” in den Nachrichten aus der Chemie von zehn Jahren zusammen und gibt seine Glossen und Kommentare aus Spektrum der Wissenschaften dazu. So entstand ein amüsantes Werk in drei Abschnitten: “Fortschritt und Rückschläge der Technik”, “Menschliches, Allzumenschliches, Zwischenmenschliches” und “Forschung in guter und schlechter Gesellschaft”.


<h2>Nachfolger von “Katzenklon, Katzenklon”</h2>
Ein Löffelchen voll Biotechnologie. Von Reinhard Renneberg. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2010. 196 Seiten, brosch. 9,95 Euro. ISBN 978—3—8274—2563—8
Reinhard Renneberg, Professor für Analytische Biotechnologie an der Hongkong University of Science and Technology veröffentlicht regelmäßig Biotechnologie-Kolumnen in einer Zeitung. 80 dieser “Biolumnen” fasste das Buch “Katzenklon, Katzenklon” zusammen [Nachr. Chem. 2008, 56, 370], 60 weitere stehen nun im Nachfolger-Band. Für beide gilt: Einzeln genossen sind die Kolumnen eine kurzweilige Lektüre über Analysen der eigenen DNA, wollhaarige Mammuts, den Nobelpreis-Wurm und anderes.


<h2>Wissenschaft ganz kurz</h2>
Physik für Eierköpfe. Von Brian Clegg. Rowohlt Taschenbuch-Verlag, Reinbeck bei Hamburg, 2011. 224 Seiten, brosch. 8,99 Euro. ISBN 978—3—499—62687—6
Auf jeweils eineinhalb Seiten erklärt der Autor Phänomene wie Gase, Elektronik, Lichtbrechung oder Wärme und die Grenzen des Wissens. Dazu kommen noch je eine halbe Seite “Fakten für Angeber”.

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