Journal

<h2>April, April</h2>
Habe gerade das neuste Heft durchgeblättert, Seite 404 ist interessant, eigentlich in der heutigen Zeit ein Top-April-Scherz.
Eva E. Wille, Weinheim
<a href="mailto:ewille@wiley.com">ewille@wiley.com</a>
In der aktuellen Ausgabe könnte es sein, dass sich auf Seite 404 ein Druckfehler eingeschlichen hat. Oder ist es ein sehr skurriler IT-Scherz?
Heinz-Hubert Fischer,
<a href="mailto:hfischer@kellyservices.de">hfischer@kellyservices.de</a>
Nachrichten-Leser Heinz-Hubert Fischer vermutet richtig: 404 ist der http-Fehlercode für “Seite nicht gefunden”. Red.


<h2>Kein Scherz</h2>
Pünktlich zur April-Ausgabe haben die Nachrichten aus der Chemie die neue Volumeneinheit “Newton-Kubikmeter” erfunden: “Eine im Jahr 2008 in Betrieb genommene Pilotanlage am Standort Schwarze Pumpe mit CO2-Flüssiglagerung hat eine Rauchgasbildung von 7000 Newton-Kubikmeter pro Stunde und eine CO2-Abscheidung von 240 Tonnen pro Tag bei einer Reinheit von mehr als 99,7 Prozent.” [Nachr. Chem. 2011, 59, 335]
Vermutlich rührt der Fehler daher, dass die ursprüngliche, nicht SI-kompatible Abkürzung “Nm3” für Normkubikmeter falsch übertragen wurde. Im Kollegenkreis hatten wir erst vor kurzem eine Diskussion darüber, ob diese Abkürzung zu Missverständnissen führen kann. Sie wird unter anderem in der Industrieemissionsrichtlinie verwandt.
 Thomas Brinkmann, Sevilla
<a href="mailto:Thomas.Brinkmann@ec.europa.eu">Thomas.Brinkmann@ec.europa.eu</a>


<h2>Eyjafjallajökull</h2>
Als Vorsitzender des Arbeitskreises Atmosphärenchemie, aber auch als im Arbeitsgebiet aktiver Wissenschaftler möchte ich mich gerne zum Beitrag “Lähmendes Halbwissen” [Nachr. Chem. 2010, 58, 740] äußern, da hier in diesem Artikel eine Reihe unrichtiger und tendenziöser Aussagen gemacht werden.
(i) Titel: Es mag heutzutage en vogue sein, als Journalist reißerische Formulierungen zu wählen, aber Sachlichkeit könnte schon bei der Überschrift eines Artikels beginnen und dies sollte besonders für die Nachrichten aus der Chemie gelten. Der gewählte Titel setzt meines Erachtens alle Beteiligten herab und dieses sollte nicht geschehen.
(ii) Einleitender Kursivtext: “Methoden in den Kinderschuhen”: Trifft nicht zu, alle Methoden sind vorhanden und werden angewendet. “Nicht eine zentrale Stelle”: Diese Stelle, die in Deutschland die Auswirkungen atmosphärischer Phänomene auf den Transportsektor behandelt, ist der Deutsche Wetterdienst und in den USA die Noah. Auch andere europäische Länder haben derartige Einrichtungen und Behörden.
(iii) Leibniz-Institut …: Der Name unserer Einrichtung ist “Leibniz-Institut für Troposphärenforschung”.
(iv) Aussage Andreas Weigelt: Andreas Weigelt wird falsch zitiert. Er hat nicht gesagt, dass optische Partikelzähler nicht für Vulkanstaub ausgelegt sind.
(v) Schlusswendung: Der Vulkanascheausbruch hat zu erheblichen Aktivitäten geführt, aber es brauchte sicherlich unter den Forschern niemand “auf Trab gebracht” zu werden.
Ich frage mich, was die Nachrichten aus der Chemie mit dem Abdruck eines solchen Artikels erreichen wollen. Ist es denn überraschend, dass verschiedene Fachleute verschiedene Meinungen zum Ausdruck bringen ? Oder dass Messungen verschiedener Arbeitsgruppen nicht zu identischen Ergebnissen führen ?
Nach meinem Empfinden setzt der ganze Beitrag die an den Untersuchungen der Aschewolke Beteiligten herab, da viele unterschiedliche Aussagen aneinandergereiht werden, die den Eindruck von Widersprüchlichkeit und Unwissen erwecken sollen. Dieses wird dem Einsatz der Wissenschaftler und Doktoranden an den beteiligten Einrichtungen nicht gerecht, die in der fraglichen Zeit Tag und Nacht Messungen und Rechnungen durchgeführt haben, um zu belastbaren Aussagen zu dem beobachteten Phänomen zu kommen. Ergebnisse aus unserem Hause finden sich dazu in A. Ansmann et al., Geophys. Res. Lett. 37, L13810 (07/2010).
Schade, dass die Nachrichten nicht die Gelegenheit nutzen, das in den Gliederungen der GDCh selbst vorhandene Fachwissen, hier z. B. des AK Atmosphärenchemie, zu nutzen.
Hartmut Herrmann, Leipzig


<h2>Alternativlos oder nicht? Ein Nachtrag</h2>
Mit einigem Befremden habe ich den Beitrag des aus DDR-Zeiten wissenschaftlich und persönlich hochgeschätzten Kollegen Dietrich Demus [Nachr. Chem. 2011, 59, 366] zum Artikel von Joachim Sauer [Nachr. Chem. 2011, 59, 36] gelesen. Während letzterer durchaus differenziert auf die tiefgreifenden Veränderungen im ostdeutschen Hochschulwesen nach der Wiedervereinigung eingeht, versucht Demus dagegen anhand weniger und unkommentierter Zahlen über Personalveränderungen zu zeigen, daß die vollzogene Umgestaltung der Wissenschaftslandschaft in den neuen Ländern nicht alternativlos war. Die Gegenüberstellungen von pauschalen Beschäftigten- oder Berufungszahlen im Hochschulwesen vor und nach 1990 allein scheinen mir jedoch zur Beschreibung der komplexen Hintergründe und Notwendigkeiten der personellen Veränderungen nicht ausreichend, zumal je nach Quelle und Zeitpunkt durchaus unterschiedliche Zahlen genannt werden. Ohne die von Demus zitierten Quellen infrage stellen zu wollen, möchte ich doch darauf hinweisen, dass z. B. von Arno Hecht veröffentlichte Zahlen [Hochsch. Ost 2000, 1—2, 210] bereits Gegenstand kritischer Diskussion waren [L. Gilbert, Hochsch. Ost, 2000, 3—4, 311] und auch die vom damaligen sächsischen Wissenschaftsminister Hans-Joachim Meyer im Dezember 1994 gezogene Bilanz, nach der von 1762 Berufungen 1164, d.h. 66 % an Ostdeutsche gingen [Tagesspiegel 29. 9. 2010], ein etwas anderes Bild zeichnet, als die von Demus angeführten Zahlen für die Jahre 1994—1999. Die detaillierte Analyse der Neubesetzung von Chemieprofessuren nach 1990, wie sie z. B. von Sauer [Nachr.Chem. 2011, 59, 36] für die Humboldt-Universität und von Scheller [Nachr. Chem. 2010, 58, 1280] für die TU Dresden gegeben wurde, lassen ebenfalls keine generelle Bevorzugung von Westdeutschen erkennen. Es steht jedoch außer Frage, daß viele ostdeutsche Wissenschaftler sich in der Nachwendezeit schwerwiegenden Problemen in der Fortsetzung ihrer beruflichen Tätigkeit gegenübersahen, die vielfach nicht oder nur unbefriedigend gelöst werden konnten. Dies jedoch allein auf den übermächtigen Einfluss westdeutscher Interessen und nicht auch auf die DDR-Hinterlassenschaft zurückzuführen, führt an der Realität vorbei und ist Teil dessen, was der ostdeutsche Theologe Richard Schröder treffend als “Kolonisationslegende” der deutschen Einigung [Tagesspiegel 19. 11. 2002] charakterisiert hat.
Bei der Frage, ob ein grundsätzlich anderer Weg für die nach 1990 vollzogene Umgestaltung der von der DDR hinterlassenen Wissenschafts- und Hochschulstrukturen sinnvoll gewesen wäre, sind gerade die anderen Ostblockstaaten kein gutes Beispiel. Bei allen Fehlern sprechen die Erfolge beim Aufbau von hocheffektiven und erfolgreichen Wissenschaftsstrukturen in den ostdeutschen Ländern für die Richtigkeit der eingeschlagenen Entwicklung. Um sich davon zu überzeugen lohnt z. B. ein Rundgang durch den heutigen Campus der TU Dresden oder den neuen Institutsbereich Adlershof der Humboldt-Universität. An beiden Standorten habe ich viele Jahre meines wissenschaftlichen DDR-Lebens verbracht und kann deshalb die beeindruckenden Fortschritte der letzten Jahre gut beurteilen.
Abschließend möchte ich anmerken, dass ich den Vergleich der Neugestaltung des Wissenschaftssytems in Ostdeutschland nach 1990 mit “den Umbrüchen bei Beginn und Ende der Naziherrschaft 1933 und 1945” für außerordentlich fragwürdig halte. Dass es sich bei letzteren um eine völlig andere historische und menschliche Dimension handelt, die nicht nur die totale Vernichtung von Existenzgrundlagen, sondern darüber hinaus die unmittelbare Gefährdung des Lebens bis hin zum brutalen Mord enthielt, ist wohl unbestritten.
Günter Engelhardt, Konstanz
<a href="mailto:g-engelhardt@gmx.de">g-engelhardt@gmx.de</a>
Mit diesem Beitrag schließen die Nachrichten die Diskussion. Alle Texte (und Langfassungen) stehen im Downloadbereich von <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.NachrichtenausderChemie.de" target="_blank">www.NachrichtenausderChemie.de</a></ext-link>


<h2>Beherzte Taten sind gefordert</h2>
Bekanntlich gehören zu einer erfolgreichen Promotion immer zwei: der Doktorand und der Doktorvater. Dabei ist es menschlich verständlich, dass Ersterer versucht, den Aufwand zur Erreichung des begehrten Ziels so gering wie möglich zu halten. Es ist deshalb die primäre Aufgabe des Letzteren sicherzustellen, dass das Niveau gehalten wird. Nach meiner Einschätzung zeigt die Affäre um Freiherr zu Guttenberg nur die Spitze des Eisbergs, denn ich bin überzeugt, dass Hunderte solcher “falscher” Doktoren existieren und damit primär die Hochschulen auf der Anklagebank sitzen (sollten). Die Hochschulen und dort die Doktorväter haben die eminent wichtige Aufgabe, den Spreu vom Weizen zu trennen, unredliche Arbeiten zurückzuweisen und, vergleichbar einem “Schutzgitter”, zwielichtige Elemente von der Promotion fernzuhalten. Nur: Kommen sie ihrer Aufgabe nach den hohen wissenschaftlichen Kriterien auch nach? Ist die Qualitätskontrolle dort lückenlos? Wenn Doktortitel quasi am Fließband verliehen werden, wenn den in einschlägigen Zeitungen angepriesenen Geschäftsmodellen mit Angeboten zu Doktortiteln kein Riegel vorgeschoben wird und wenn offenbar die Anforderungen an eine Doktorarbeit sich von einer Fakultät zur nächsten drastisch unterscheiden, dann ist der Hochschulverband zur Selbstreinigung aufgerufen. Wenn die es nicht schaffen (angesichts unserer föderalen Bildungsstruktur und dem jahrelangen Versuch unserer Länder-Kultusminister, nach mehrere Versuchen eine Rechtschreibreform auf den Weg zu bringen, zweifle ich allerdings daran), dann ist der Gesetzgeber gefordert.
Titelinflation und Niveauabsenkung sollte nicht geduldet werden, nur wer stemmt sich dagegen? Also, lieber Herr Professor Kempen, nicht beschwörende Reden, sondern beherzte Taten an den Hochschulen sind gefordert!
 A. Commichau, Odenthal
<a href="mailto:axelcommichau@aol.com">axelcommichau@aol.com</a>

Artikel

Korrespondenz

April, April Habe gerade das neuste Heft durchgeblättert, Seite 404 ist interessant, eigentlich in der heutigen Zeit ein Top-April-Scherz. Eva E. Wille, Weinheim ewille@wiley.com In der aktuellen Ausgabe könnte es sein, dass sich auf Seite 404 ein Druckfehler eingeschlichen hat. Oder ist es ein s...

<h2>Analytische Chemie auf sechs Seiten?</h2>
Lerntafel “Analytische Chemie”. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2010. 6 Seiten. 6,95 Euro. ISBN 978—3—8274—2644—4
Die wichtigsten Aspekte der analytischen Chemie zusammengefasst auf wenigen Seiten: Kann das gelingen? Neben sechs weiteren Lerntafeln zur Chemie ist im Spektrum-Verlag nun auch eine Kurzübersicht der analytischen Chemie erschienen. Auf einem halben Dutzend Seiten sollen die wichtigsten analytischen Grundbegriffe als Orientierungshilfe für Studierende am Anfang des Bachelorstudiums so zusammengefasst sein, dass die Lerntafel sowohl Vorlesungsskripte ergänzt als auch als Repetitorium dient. Das Autorenteam hat hierfür die Schwerpunkte “Analysenverfahren, Probennahme und -vorbereitung”, “Klassische nasschemische Analysenmethoden”, “Datenauswertung und Qualitätssicherung”, “Chromatographische Trenntechniken”, “Molekülspektroskopie und -massenspektrometrie” sowie “Atomspektroskopie und Elementanalytik” identifiziert.
Es ist zugegebenermaßen schwierig, sich innerhalb der Vielfalt der analytischen Chemie auf einen Themenkanon zu fokussieren — jedoch ist die hier getroffene Auswahl nur teilweise gelungen. So passt insbesondere der Kurzüberblick zu den nasschemischen Methoden nicht in diese Lerntafel, die sich in weiten Teilen mit modernen instrumentellen Methoden der Chromatographie und Spektroskopie beschäftigt. Vor allem der Trennungsgang der Kationen, der eher den Grundlagen der anorganischen Chemie als denen der Analytik zuzuordnen ist, ist hier fehl am Platz. Auch die Auswahl der instrumentellen Methoden ist wenig befriedigend. Warum ist neben Gaschromatographie, HPLC, Dünnschicht- und Ionenchromatographie die Kapillarelektrophorese nicht erwähnt? Warum gibt es keinen Beitrag zur Elektroanalytik oder Sensorik? Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen, da die Lerntafel mit der Wahl der Überschrift “Analytische Chemie” den Anspruch auf ein breites Spektrum von Inhalten erhebt, die sich kaum in dieser Kürze zusammenfassen lassen.
Konzeptionell wäre es daher sinnvoller gewesen, ausgewählte Bereiche der analytischen Chemie, etwa die analytischen Trenntechniken, die Atomspektroskopie, die Massenspektrometrie oder die Strukturanalytik auf einer Lerntafel zu komprimieren und konsistenter zu erläutern. Der Leser hätte hiervon mehr gehabt — vorausgesetzt natürlich, dass er sich auf die Fakten auf einer solchen Lerntafel verlassen kann. Dies ist hier leider an vielen Stellen nicht der Fall. So ist unter anderem die Definition der relativen Standardabweichung falsch, es wird zwischen Gas- und Säulenchromatographie unterschieden, eine Umkehrphase für die HPLC wird durch “Hydrophobierung” mit einem Silan und anschließender Beladung mit flüssigem Paraffin hergestellt, typische LC-Partikelgrößen sind hier noch stets 10 µm, die Nachweisgrenzen der wellenlängendispersiven und der energiedispersiven Röntgenfluoreszenzanalyse sind falsch beschrieben, und die Erklärung des Quadrupol-Massenanalysators basiert offenbar auf einem schlecht geschriebenen Eintrag in Wikipedia.
Um die Ausgangsfrage zu beantworten: Nein, diese Lerntafel ist weder konzeptionell noch inhaltlich gelungen.
Martin Vogel, Münster


<h2>Arbeitsbuch mit Fragen und Antworten</h2>
Grundkurs Chemie I und II. Allgemeine, Anorganische und Organische Chemie für Fachunterricht und Selbststudium.
Von Arnold Arni. Wiley-VCH, Weinheim, 2011. 564 Seiten, brosch. 49,90 Euro. ISBN 978—3—527—33068—3
Diese Neuerscheinung kombiniert zwei Klassiker von Arnold Arni, nämlich den Grundkurs Chemie I (in der 4. überarbeiteten Auflage) und den Grundkurs Chemie II (in der 3. überarbeiteten Auflage). Schade, dass der Verlag den Aufwand gescheut hat, ein Gesamtinhaltsverzeichnis und ein gemeinsames Sachregister anzulegen sowie die Seiten durchgehend zu nummerieren. So ist die einzige Änderung dieser Neuerscheinung, dass man ein Buch statt zwei Büchern im Schrank stehen hat. Seit fast zwei Jahrzehnten kann man sich mit diesen Büchern im Selbststudium fundiertes Chemiewissen aneignen.
Nun ist auf 564 Seiten ein umfassendes Arbeitsbuch der Chemie entstanden. Teil 1 befasst sich in 18 Kapiteln mit der allgemeinen und anorganischen Chemie, und Teil 2 behandelt in 12 Kapiteln die organische Chemie. Jedes Kapitel schließt mit einer Art Klassenarbeit (Erfolgskontrolle genannt) ab, wozu das Buch sogar einen ziemlich strengen Notenschlüssel mitliefert. Das Buch enthält zudem eine ausführliche und sicher hilfreiche Anleitung des Autors zum Selbststudium. Leider steht diese im dritten Vorwort; “Vorwortmuffel” werden sie höchstwahrscheinlich überblättern.
Das Selbststudium baut grundlegend auf den zahlreichen Fragen und ausführlichen Antworten zu jedem Lernschritt auf. Der Autor empfiehlt ausdrücklich, einen Spickzettel anzufertigen sowie die Fragen schriftlich zu bearbeiten, wozu meist eine gute halbe Seite im Buch zur Verfügung steht. Zum Konzept gehört auch, dass die Leser mit Textmarker arbeiten, und so bekommt das Buch erst nach und nach seine persönliche Note. Auf Hervorhebungen jeglicher Art wurde deshalb bewusst verzichtet, der Text wirkt auf den ersten Blick ungewohnt einheitlich und wenig ansprechend. Zudem ist das Buch nur sehr sparsam mit Schwarzweiß-Illustrationen versehen.
Wer also nicht nur eine kurze Zusammenfassung überfliegen, sondern sich richtig in die Chemie vertiefen will und am Bearbeiten von Fragen Spaß hat, der hat das richtige Buch gewählt und wird bestimmt gleich mit dem Periodensystem der chemischen Elemente loslegen wollen.
Ulrike Flad, Stuttgart


<h2>Chemiebaukästen gab es schon im 18. Jahrhundert</h2>
Vom tragbaren Labor zum Chemiebaukasten — Zur Geschichte des Chemieexperimentierkastens unter besonderer Berücksichtigung des deutschsprachigen Raums.
Von Florian Karl Öxler. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2010. 364 Seiten, brosch. 33,— Euro. ISBN: 978—3—8047—2829—5
Auf Grundlage einer umfangreichen Materialsammlung zeigt Florian K. Öxler mit dieser lesenswerten Monographie, dass sich die Tradition, Laien chemische Versuche machen zu lassen, bis in das 18. Jahrhundert verfolgen lässt. Bereits 1731 hatten Peter Shaw (1694 — 1764) und Francis Hauksbee (1687 — 1763) ein “Portable Laboratory” entwickelt, das auf dem “Laboratorium Portatile” von Johann Joachim Becher (1635 — 1682) aus dem Jahr 1689 basierte.
Die Entwicklung im deutschen Sprachraum bestimmte besonders der Jenaer Apotheker Johann Friedrich August Göttling (1753—1809). Sein “Vollständiges chemisches Probir-Cabinet” aus dem Jahr 1790 bestand aus einem Set von Reagenzien und Geräten sowie einem Anleitungsbuch, das sowohl für den berufsmäßigen Einsatz als auch für den Laien konzipiert war und in einem extra dafür angefertigten Holzkasten verstaut werden konnte. Öxler beschreibt dieses “Probir-Cabinet” umfassend und geht auf die Bemühungen Göttlings ein, spezifische Sets für einzelne Anwendergruppen zu entwickeln. Auch Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770 — 1837) entwickelte Probierkabinette, die, wie der Autor feststellt, denen von Göttling außerordentlich ähnlich waren. So kann sich der Leser ein Bild von den Streitigkeiten zwischen Göttling und Trommsdorff in dieser Frage machen. Ein “Chemisches Spielwerk” vertrieb zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Nürnberger Kaufmann Georg Hieronimus Bestelmeier (1764—1829).
Florian Öxler gelingt es, Gegenstände und mögliche Versuche dieser frühen Sets verständlich zu beschreiben.
Für Experimentierkästen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es keine Nachweise, diese Situation änderte sich erst am Ende des 19. Jahrhunderts wieder. Inwiefern dies aber mit dem fehlenden Chemieunterricht begründet werden kann, wie der Autor es tut, sei dahingestellt, denn diese Aussage gilt nicht für die Realschulen, die in den 1850er-Jahren staatlich anerkannt wurden.
Öxler widmet sich ausführlich dem “Kosmos-Baukasten Chemie”, den der Schweizer Naturkundelehrer und Zeichner Wilhelm Fröhlich (1892 — 1969) entwickelte. Seinen Lebensweg wie den anderer, die eng mit der Entwicklung der Experimentiersätze verbunden sind, zeichnet Öxler nach.
Der Autor stellt auch dar, wie unterschiedlich sich nach 1945 die Chemiebaukästen im östlichen und westlichen Teil Deutschlands entwickelten. Er diskutiert Sicherheitsfragen, die erst in den 1980er-Jahren verstärkt bei der Ausstattung der Chemiekästen berücksichtigt wurden. Auch Genderaspekte in der Gestaltung der Anleitungsbücher und in der Werbung für die Sets sowie didaktische Fragen spricht er an.
Diese wohl erste Zusammenstellung von Experimentierkästen aus drei Jahrhunderten eignet sich gut dazu, die Entwicklung der Chemie nachzuvollziehen. Deshalb sei sie allen empfohlen, die sich für Chemiegeschichte und Chemiedidaktik interessieren.
Gisela Boeck, Rostock

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