Journal

<h2>Der Wert des Doktortitels</h2>
Ernst Guggolz weist zu Recht darauf hin [Nachr. Chem. 2011, 59, 990], dass sich bei den vor einiger Zeit bekannt gewordenen Plagiatsfällen Presse und Öffentlichkeit hauptsächlich auf die “Täter” konzentriert haben, dass aber ein beachtlicher Anteil an Mitschuld bei den Universitäten und Doktorvätern liegt, die offenbar ein rigides Qualitätsmanagement bei Durchführung und Prüfung der Dissertation vermissen ließen. Das ist bedauerlich und durch diese Verfehlungen hat die Reputation des deutschen Doktorgrads, auch im Ausland, deutlichen Schaden genommen. Dieser Schaden wirkt sich auf alle Promovierten aus. Damit steht die Frage im Raum: Wie stellen wir sicher, dass das Ansehen des deutschen Doktortitels nicht nur wiederhergestellt, sondern, besser noch, gesteigert wird?
Hier wäre auch die GDCh, einer der größten europäischen Wissenschaftsverbände mit mehr als 20 000 promovierten Mitgliedern, gefordert, Position zu beziehen, ihre Stimme zu erheben und wenigstens für Mindeststandards bei deutschen Promotionen zu votieren. Es muss sichergestellt werden, dass in Deutschland hohe Anforderungen an eine Promotion zu stellen sind, und diese sowohl von Doktoranden als auch Doktorvätern ohne Abstriche konsequent und einheitlich eingehalten werden müssen, bei Nichtbefolgung strikt sanktioniert werden. Die GDCh sollte sich in diesem Sinne deutlich und öffentlich im Rahmen der ihr satzungsgemäßen Möglichkeiten und Kontakte artikulieren. Ein Neuanfang ist dringend nötig.
Axel Commichau, Odenthal
<a href="mailto:axelcommichau@aol.com">axelcommichau@aol.com</a>


<h2>Deutschland braucht Kernenergie</h2>
Es ist erfreulich, dass die Nachrichten aus der Chemie eine Pro-Kontra-Darstellung zum Thema Kernenergie veröffentlicht haben [Nachr. Chem. 2011, 59, 954]. Dazu folgende Anmerkungen zum Artikel von Joachim Nitsch: Die Aussage von Nitsch greift zu kurz. Klimaschutz ist nicht das Wesentliche für die Kernenergie. Die Kernenergie liefert gemeinsam mit Kohlekraftwerken und Gaskraftwerken die Grundlast für die Stromerzeugung, die für die Industrie, die Bahn und auch für die Haushalte lebensnotwendig ist. Der “Wetterstrom” aus Solarkraftwerken und Windkraftanlagen nutzt da wenig, weil die Kapazitäten für Stromspeicherung und Stromtransport nicht ausreichend vorhanden sind. Kein vernünftiger Mensch behauptet, dass die Welt allein mit Kernenergie versorgt werden kann und soll. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat immer wieder festgestellt, dass zukünftig alle Arten der Energieerzeugung genutzt werden müssen, um den Energiebedarf bei steigender Weltbevölkerung zu decken. Die behauptete “nicht existierende Fehlerfreundlichkeit” gilt auch für andere Industrien und den Straßenverkehr mit seinen mehr als 3000 Toten in Deutschland.
Der Ausstieg der Kernenergie in Deutschland ist ein Fehler, es sind keine Länder dem deutschen Beispiel gefolgt. Dagegen hat Heribert Offermanns [Nachr. Chem. 2011, 59, 954] mit seinen Aussagen über die Zukunft der Kernenergie völlig Recht. Deutschland kann es sich nicht leisten bei der Kernenergie abseits zu stehen und dem Ausland das Feld zu überlassen. Die “Wendekanzlerin” wäre gut beraten die Fehlentscheidung “Atomausstieg” zu revidieren. Die Abgeordneten im Bundestag, die bei der Abstimmung der Energiewende wie bei der DDR-Volkskammer nahezu vollständig zustimmten, würden einer Kehrtwende in der Energiepolitik auch wieder zustimmen, wenn es sich herausstellt, dass es ohne Kernenergie nicht funktioniert.
 Ludwig Lindner, Marl
<a href="mailto:ludwig_lindner@t-online.de">ludwig_lindner@t-online.de</a>
Der Artikel von Joachim Nitsch [Nachr. Chem. 2011, 59, 954] enthält Aussagen, die nicht hinzunehmen sind:
 Unterstellt man, dass CO2 ein Klimagift ist, so ist jede Art der Stromerzeugung durch Einsatz nicht-fossiler Brennstoffe zu fordern und fördern, also auch der der Kernkraftwerke.
 Wenn von der über sehr langen Zeiten — Jahrhunderte — sicheren Lagerung der Kernbrennstoffe und ihrer Abfallprodukte geschrieben wird und die Geschichte anderer Brennstoffe unerwähnt bleibt — untypisch deutsch — , so ist der Hinweis erforderlich, dass die Vorräte an fossilen Brennstoffen endlich sind und deren Entstehung nicht mit Jahrhunderten, sondern mit Jahrmillionen anzusetzen sind.
 Sprachlich verunglückt ist: “Ein inhärentes Problem ist aber ihre (gemeint ist die Kernkraft) nicht existierende Fehlerfreundlichkeit”. Lässt man die Negation “nicht” weg und wandelt entsprechend das Substantiv, so spricht der Autor bei Kernenergie von existierender Fehlerfeindlichkeit, der man, sieht man von der Wortschöpfung ab, als Befürworter der friedlichen Nutzung der Kerntechnik gern zustimmt.
Friedrich Löffler, Wesseling
<a href="mailto:f.w.loeffler@t-online.de">f.w.loeffler@t-online.de</a>

Artikel

Korrespondenz

Der Wert des Doktortitels Ernst Guggolz weist zu Recht darauf hin [Nachr. Chem. 2011, 59, 990], dass sich bei den vor einiger Zeit bekannt gewordenen Plagiatsfällen Presse und Öffentlichkeit hauptsächlich auf die “Täter” konzentriert haben, dass aber ein beachtlicher Anteil an Mitschuld bei den U...

<h2>Weihnachten bei Pharmazeuten</h2>
Moleküle, die Geschichte schrieben. Stern- und Schicksalsstunden der Arzneimittelforschung. Von Andreas S. Ziegler. S. Hirzel Verlag, Stuttgart, 2011. Audio-CD, ca. 118 min. 19,80 Euro. ISBN 978—3—7776—2170—8
Was haben Giftgasangriffe während des Ersten Weltkriegs mit der modernen Krebstherapie zu tun, und warum wurde dem amerikanischen Präsidenten Dwight Eisenhower nach einem Herzinfarkt Rattengift verabreicht? Diese und weitere Fragen beantwortet Andreas Ziegler, Pharmazeut und freier Wissenschaftsjournalist, in seinem Hörbuch. Es erzählt die kuriose, denkwürdige und nicht selten auch tragische Entstehungs- und Entdeckungsgeschichte von 25 pharmazeutischen Wirkstoffen, die aus der heutigen Welt teils nicht mehr wegzudenken sind. Dazu gehören Penicillin, das gefäßerweiternde Glyceroltrinitrat, besser bekannt als Nitroglycerin, und die Antibabypille. Wie der Titel “Stern- und Schicksalsstunden der Arzneimittelforschung” schon andeutet, konzentriert sich der Autor nicht auf die chemische Struktur oder gar auf den biochemischen Metabolismus der Substanzen, sondern rein auf die Geschichte, die hinter ihnen steht. So berichtet er im Kapitel “Vitamin C” über den englischen Schiffsarzt James Lind, der sich der Bekämpfung der Skorbut verpflichtete. Die Ursache dieser tödlichen Mangelerkrankung war damals unbekannt. Sie war seit dem 15. Jahrhundert vor allem unter Seeleuten gefürchtet. An Bord der Salisbury wählte Lind 1747 für eine systematische Studie zwölf an Skorbut leidende Besatzungsmitglieder, die er in sechs Gruppen einteilte. Jeder Gruppe verabreichte er täglich eines der seinerzeit vermuteten Heilmittel gegen die Krankheit. Darunter waren verdünnte Schwefelsäure oder ein Gemisch aus Knoblauch, Senfkörnern und verschiedenen Baumharzen, mit dem die Seeleute ihren Gaumen spülten. Vollständige Heilung beobachtete Lind nur bei den Männern, die täglich zwei Apfelsinen und eine Zitrone aßen. Im Jahr 1933 klärten schließlich Norman Haworth und sein Assistent Edmund Hirst die Struktur des anti-skorbutischen Inhaltsstoffs der Zitrusfrüchte auf und gaben ihr den Namen Ascorbinsäure — neben der damals schon verbreiteten Bezeichnung Vitamin C. Damit sich der Zuhörer besser in die beschriebene Situation hineinversetzen kann, untermalen typische Geräusche den Text: etwa Meeresrauschen in der Geschichte über den Schiffsarzt. Wer wissenschaftlichen Hintergrund zu den ausgewählten Substanzen sucht, wird bei diesem Hörbuch nicht fündig. Wer aber auf dem Heimweg per Bus und Bahn ausspannen möchte, Lust auf eine Gute-Nacht-Geschichte verspürt oder seiner Oma etwas über ACE-Hemmer erzählen will, sollte hier reinhören. Als Weihnachtsgeschenk ist es für praktisch jeden geeignet, der keine generelle Abneigung gegen Naturwissenschaften hegt.
★★★★☆
Anna Schnurr, Frankfurt


<h2>— — — Opulentes Jubiläum</h2>
Denkorte. Max-Planck-Gesellschaft und Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft: Brüche, Kontinuitäten, Erinnerungen 1911—2011. Hrsg. von Peter Gruss, Reinhard Rürup. Sandstein Verlag, Dresden, 2011, 383 Seiten, geb. 38,00 Euro. ISBN 978—3—9424—2201—7
Die Max-Planck-Gesellschaft feierte dieses Jahr ihr hundertjähriges Bestehen — am 11. Januar 1911 wurde ihr Vorgänger, die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, gegründet. Das Buch zeichnet die Geschichte der Gesellschaft und ihrer Institute nach.
Im ersten Teil behandeln fünf Beiträge die Geschichte der Max-Planck-/Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (MPG/KWG) und beleuchten ihr Selbstverständnis, ihre Struktur sowie ihre Forschungserfolge. Besonders beeindruckt der Beitrag von Felicitas von Arentin zum Thema “Im Zeichen der Minerva: Traditionen, Symbole und der Umgang mit der Vergangenheit”, in dem sie das zunächst rückwärtsgewandte Selbstverständnis der MPG beschreibt: Bis in die 1980er Jahre betonte die Gesellschaft die Traditionslinie zur KWG stark und kaschierte deren Rolle und Verstrickung in die deutsche Geschichte. Erst in den 90er Jahren setzte ein Wandel ein.
Das Buch gliedert sich in seinem folgenden Hauptteil in drei Kapitel: “Kontinuitäten. Historische Orte mit Zukunft”, “Brüche. Aufgegebene Orte der Forschung” und “Transformationen. Neue Orte mit Geschichte”. Jedes Kapitel stellt mehrere Max-Planck-Institute oder -Einrichtungen vor. Der Band nutzt dabei ein Konzept, das in der kulturwissenschaftlich ausgerichteten Geschichtswissenschaft unter dem Schlagwort “Erinnerungsorte” populär ist. Dieser Ansatz, sich an einzelnen Orten zu orientieren und an einzelnen Beispielen die Entwicklungslinien des Gesamten nachzuzeichnen, geht auf und ist faszinierend.
Während das Kapitel “Kontinuitäten” Institute vorstellt, die — vor achtzig bis hundert Jahren gegründet — bis heute dauerhaft Forschung auf dem annähernd gleichen Gebiet und am gleichen Ort betreiben, geht es im Kapitel “Transformationen” um Institute, die ihren Ort oder ihre Forschungsrichtung geändert haben. Am spannendsten ist das Kapitel “Brüche”. Eine Reihe von Instituten gibt es heute nicht mehr. Am Beispiel von sechs Instituten geht dieses Kapitel der Frage nach, warum. Während z. B. das KWI für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik tief in die Verbrechen des Dritten Reiches verstrickt war und in der Max-Planck-Gesellschaft nicht mehr fortgeführt wurde, kam 2004 das Aus für das MPI für Biologie nach 89 Jahren wegen der zu großen Diversifizierung der Biowissenschaften.
Neun jeweils mehrseitige Interviews sind über die Kapitel verstreut. Zumeist sind es Ehemalige, die zu Wort kommen, und dabei ergeben sich überraschende Perspektiven. Neben einem ehemaligen Institutsleiter wie Günther Wilke vom MPI für Kohlenforschung in Mülheim, kommt Peter Ostenberg, der Glasbläser des MPI für Zellphysiologie, zu Wort.
Großformatige, hervorragend fotografierte Bilder runden das Buch ab. Es lohnt sich, das Buch vor der eigentlichen Lektüre einfach durchzublättern und die Bilder auf sich wirken zu lassen.
★★★★★
Christian Remenyi, Frankfurt


<h2>— — — Amüsant, schräg, beängstigend</h2>
Die Ordnung der Dinge. Im Reich der Elemente. Von Sam Kean, Hoffmann und Campe, Hamburg, 2011. 445 Seiten, geb. 22,— Euro. ISBN 978—3—455—50208—4
Chemie scheint nicht gerade sexy zu sein — auf gefühlte 100 populärwissenschaftliche Physikbücher kommt ein solches Chemiebuch. Dabei wissen wir doch alle, Chemie ist, wenn's stinkt und knallt. Daraus kann doch jeder ein Buch machen? Nicht ganz: Es braucht auch noch jemanden, der so schreiben kann, dass man es auch förmlich riecht und hört.
Sam Kean ist dieser Mann. Der Klappentext spricht die Wahrheit, wenn er ihn zitiert: “Zu jedem Element gibt es eine amüsante, schräge oder beängstigende Geschichte zu erzählen”. Dann legt Kean los, und er ist mitreißend. Ich habe das Buch zweimal gelesen, einmal in der Bücherhalle im Überflugmodus und einmal sorgfältig, um es für die Nachrichten zu rezensieren. Beim zweiten Mal war es immer noch genauso spannend.
Beim zweiten Mal fiel mir natürlich auf, dass etliche Sachverhalte, nun ja, etwas unsauber wiedergegeben werden. Ich meine, dass dies in einem populärwissenschaftlichen Buch verzeihbar ist. Wahllos herausgegriffenes Beispiel gleich aus der Einleitung: “…dass sich Quecksilber … so … verhält, weil es ein Element ist …” Nun, die einzige Rechtfertigung, dem Laien-Leser gleich mit relativistischen 6s-Elektronen und Professor Pekka Pykköö zu kommen, wäre dessen cooler finnischer Name. (Doch, doch. Exakt so funktioniert das menschliche Gedächtnis.) “Die gleichen Döntjes kann man woanders genauer nachlesen”, grummelt konsequenterweise ein Mitrezensent (sinngemäß zitiert) im Internet, womit er zwar in der Sache recht hat, aber die Döntjes wollen erst einmal erzählt werden: Zuerst kommt die Freude an der Wissenschaft, Exaktheit lernt man von alleine.
Es spricht natürlich nichts dagegen, für eine zweite Auflage einen Fachmann drübergehen zu lassen und Sachen zu korrigieren, die sich ohne Umstände korrigieren lassen. Speziell gilt das für völlig unnötige Klöpse, die der Übersetzer verbockt hat. Das sind Klassiker wie sodium/Natrium, und einmal hat er eine Steilvorlage für die Aprilseite geliefert und aus Menthol Methanol gemacht. Eine Schande, wenn man sich deswegen an “den Kean” nur als “den mit dem Methanol” erinnern würde.
Coda: Sam Kean. Den gibt der Chemielehrer seiner Klasse. Dann klappts auch mit dem Pisa.
★★★★☆
Hauke Reddmann, Hamburg


— — — Für Krimileser
Nach dem Tod ist vor der Geburt. Von Wolfgang Melzer. Schardt-Verlag, Oldenburg, 2011. 187 Seiten, brosch. 12,80 Euro. ISBN 978—3—89841—601—6
Ein ehemaliger Studienrat wird in einen deutsch-französischen Mordfall hineingezogen. Dem Buch merkt man es nicht an, aber der Autor ist Chemiker.
Für Krimischreiber
Gemeine Gewächse: Das A bis Z der Pflanzen, die morgen, verstümmeln, berauschen und uns anderweitig ärgern. Von Amy Stewart. Berliner Taschenbuch-Verlag, 2011. 299 Seiten, brosch. 11,95 Euro. ISBN 978—3—83330—715—7
 Dies ist ein Kompendium über Giftpflanzen nicht nur in fernen Ländern, sondern auch vor unserer Haustüre. Die kurzweiligen Geschichten sind aber nur in Häppchen genießbar.


<h2>— — — Halbwissen zum Weiterfragen</h2>
Endlich Mitwisser. Die allerbesten Fragen — beantwortet von Professor Holger.
 Von Holger Wormer, Michael Dietz. Verlag Kiepenheuer &amp; Witsch, Köln, 2011. 316 Seiten, brosch. 8,95 Euro. ISBN 978—3—462—04305—1
 Holger Wormer, Chemiker und Wissenschaftsjournalist, beantwortet seit 2007 im Radiosender 1Live Hörerfragen, die ein Naturwissenschaftler mehr oder weniger plausibel beantworten kann. Darunter sind skurrile Fragen wie “Sterben Spinnen im Staubsauger?”, Fragen, die man sich selbst schon häufiger gestellt hat: “Warum klebt der Duschvorhang?” und auch Klassiker: “Warum ist der Himmel blau?” Einige Fragen, bei denen eher der Philosoph als der Naturwissenschaftler gefragt ist, tauchen auch auf: “Was ist das Nichts?”. Die 101 besten Fragen und Antworten sind jetzt als Buch erschienen, sortiert in die Rubriken Körper, Haushalt, Tiere, Liebe &amp; Sex, Party &amp; Film und Wetter.
Gleich vorab: Nur ein paar Fragen haben etwas mit Chemie zu tun und nicht nur bei den Antworten auf diese Fragen wünscht sich die Leserin, Professor Holger wäre ein wenig mehr in die Tiefe gegangen. So bleibt die Antwort zu der Frage, wie die Streifen chemisch auf das Zebra kommen, unklar: “Bestimmte chemische und biochemische Reaktion kann man sich so vorstellen, dass sie wie ein Pendel ständig zwischen verschiedenen Stoffen hin- und herpendeln.” Das Buch verzichtet auf erläuternde Abbildungen — es ist ja auch aus einer Radiosendung entstanden. Die Struktur von Teflon mit Worten zu umschreiben, ist aber etwas sperrig, und ich bin mir nicht sicher, ob eine solche Beschreibung dem Laien hilft. Warum er keine Formeln verwendet, begründet der Autor allerdings so: Eine “in Verlags- und Autorenkreisen verbreitete Faustformel besagt, dass jede Formel in einem Buch die Verkaufszahlen halbiert”. Schade eigentlich.
Auf der anderen Seite findet Wormer immer wieder Antworten, bei denen auch der Naturwissenschaftler staunt. Überrascht hat mich beispielsweise die Erklärung, warum Würste wissenschaftlich gut untersucht sind: wegen der Ähnlichkeit zwischen Würsten im Kochtopf und Brennstäben im Atomkraftwerk. Und auf die Idee, die Abschirmung meiner Mikrowelle zu testen, indem ich mein Mobiltelefon in das abgeschaltete Gerät lege und es anrufe, war ich noch nicht gekommen, werde das Experiment aber so bald wie möglich nachholen.
Was das Buch aber unbedingt empfehlenswert macht, ist das letzte Kapitel “Professor Holger zum Selbermachen”— wenn man dringend eine Antwort auf eine Frage braucht, der Professor aber gerade frei hat. Dies ist eine Art Kurzlehrgang über saubere Recherche für Anfänger — mit hilfreichen Links und einer Checkliste, wie Quellen und Experten zu bewerten sind. Hier lernen Schüler und Studenten (oder auch Wissenschaftsjournalisten), für die Wikipedia sonst die Wahrheit ist, Informationen aus dem Netz kritisch zu hinterfragen. Hier zeigt sich Wormers Arbeitsfeld: Er ist Professor für Wissenschaftsjournalismus an der Uni Dortmund.
Wie der Sender 1Live richtet sich das Buch — vom Tonfall und den gelegentlich eingestreuten Fotos her — an ein junges Publikum, ohne dabei zu nerven.
★★★☆☆
Frauke Zbikowski, Frankfurt


<h2>— — — Geschichte um Geschichte</h2>
Das wilde Leben der Elemente. Eine Kulturgeschichte der Chemie.
Von Hugh Aldersey-Williams. Carl-Hanse- Verlag, München, 2011. 464 Seiten, geb. 24,90 Euro.
ISBN 978—3—4464—2686—3
Zu jedem Element des Periodensystems kennt Hugh Aldersey-Williams eine Anekdote. Ausgangspunkt ist oft sein Wunsch, ein Periodensystem in natura zu besitzen, ein Regal mit jedem chemischen Element. Dabei sammelt er eher Geschichten als Elemente. So scheitern seine Versuche, Uran aus einer homöopathischen Arznei und Phosphor aus dem eigenen Urin zu gewinnen, aber die Schilderungen bieten dem Chemiker manches, was er über die Entdeckung der Elemente noch nicht wusste.
Im Buch sind die Elemente nicht nach dem Periodensystem sortiert, sondern unter fünf Überschriften zusammengefasst: Macht, Feuer, Handwerk, Schönheit und Erde.
Unter Macht beschreibt der Autor beispielsweise die Edelmetalle, aber auch Plutonium und Quecksilber. Unter Feuer versammelt er Schwefel, Phosphor, die Halogene, Sauerstoff und Wasserstoff. Nur das Kapitel Erde befasst sich mit einer einheitlichen Gruppe: den Seltenerdelementen.
Das Buch ist für Nichtchemiker geschrieben, wie die Erklärung zu Ozon zeigt: “Ozon enthält statt der händchenhaltenden zwei Atome in dem Sauerstoff, den wir atmen, drei in einem Dreieck angeordnete Atome.” Trotz oder wegen der vielen Geschichten ermüdet das Buch den Leser manchmal. Vielleicht liegt es am britischen Humor des Autors, an seiner Weitschweifigkeit oder daran, dass Elemente eben doch kein Leben haben — und schon gar kein wildes.
★★☆☆☆
Maren Bulmahn, Frankfurt


<h2>— — — Atmosphärisches aus der Chemie</h2>
Chemie über den Wolken … und darunter. Hrsg. von Reinhard Zellner und der GDCh. Wiley-VCH, Weinheim, 2011. 238 Seiten, brosch. 29,90 Euro. ISBN 978—3—5273—2651—8
“Chemie über den Wolken … und darunter” ist das offizielle Buch der GDCh zum internationalen Jahr der Chemie. Herausgeben von Reinhard Zellner, dem Nestor der Atmosphärenforschung in Deutschland, zeigt das Buch die Spannbreite der Wissenschaft Chemie und ihre Wechselwirkung und Schnittstellen mit angrenzenden Fachgebieten. Kaum ein Forschungsgebiet ist so interdisziplinär wie die Chemie über den Wolken (und darunter). Ausgangspunkt des Buchs war das 2007 erschienene Chemie-in-unserer-Zeit-Sonderheft “Chemie der Atmosphäre”. Für den nun erschienenen Sammelband wurden einige der Artikel überarbeitet oder aktualisiert, etliche kamen hinzu.
Heraus gekommen ist ein Buch mit 29 Beiträgen — geschrieben zumeist von Wissenschaftlern aus der akademischen Forschung — zu den Themen: Atmosphäre, Kohlendioxid, Methan, Lachgas, dicke Luft, Feinstaub, Wasser, Gletscher, OH-Radikale, Spurenanalytik, FCKW und Ozon. Die Beiträge kommen im typischen Stil der Chemie in unserer Zeit daher, also reich bebildert und mit Infografiken versehen. Die Texte bieten eine Fülle an Informationen. Einzig das letzte Kapitel “POPs, Reach und unsere Umwelt” wirkt etwas zusammengeschustert. Während sich der große Beitrag über Persistant Organic Pollutants (POPs) gut liest und stimmig in das Gesamtbild des Buches einbettet, wirken die letzten beiden Beiträge über chemischen Pflanzenschutz und die Chemikalienverordnung Reach wie ein Nachklapp, der zwanghaft beweisen soll, wie nachhaltig und umweltbewusst die Chemie geworden ist.
 Das Buch ist vom Anspruch her eher ein Fachbuch denn ein Sachbuch — obwohl der Klappentext den Eindruck erweckt, das Buch sei für die breite Öffentlichkeit bestimmt und behauptet, die Texte seien leicht verständlich. Das stimmt aber nur, wenn man als Zielgruppe Chemiker und andere Naturwissenschaftler ins Auge fasst. Der interessierte Laie wird an dem komplexen Stoff, den vielen Formeln und der Fachsprache arg zu knabbern haben. Für den Chemiker ist das Buch aber eine Fundgrube aktueller und spannender Fragen, welche die Chemie erforschen und vielleicht auch beantworten kann.
★★★★☆
Christian Remenyi, Frankfurt


<h2>Kurz vorgestellt</h2>
Nobelpreisträgerschmiede
Hundert Jahre an der Schnittstelle von Chemie und Physik: Das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft zwischen 1911 und 2011. Von Thomas Steinhauser, Jeremiah James, Dieter Hoffmann, Bretislav Friedrich. De Gruyter, Berlin, 2011. 326 Seiten, geb. 59,95 Euro. ISBN 978—3—11—023915—7
Das Fritz-Haber-Institut in Berlin wurde vor 100 Jahren als Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie gegründet. Aus diesem Anlass geben drei Wissenschaftshistoriker und ein Physikochemiker der Max-Planck-Gesellschaft einen Einblick in die Geschichte des Instituts und beleuchten auch seine Rolle während des Ersten Weltkriegs, des Nationalsozialismus und des Kalten Kriegs.
Stoff für Recherchen
100 Jahre Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Teil 1: Chronik 1911—2011.
Von Eckart Henning und Marion Kazemi. Duncker &amp; Humblot, Berlin, 2011, 1175 Seiten, gebundene Ausgabe 84,00 Euro. ISBN 978—3—4281—3623—0
Das im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft entstandene Buch listet chronologisch Informationen auf und ist eine gute Quellensammlung für eigene Recherchen. Es ist im Wesentlichen eine überarbeitete und fortgeschriebene Version des im Jahr 1998 herausgegebenen Buches “50 Jahre Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften”. Zwei weitere Teile sind in Vorbereitung: Teil II wird Dokumente zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft vorstellen, Teil III ist ein Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft.
Biografie eines Nobelpreisträgers
Paul Ehrlich — Leben, Forschung, Ökonomie, Netzwerke.
Von Axel C. Hüntelmann. Wallstein Verlag, Göttingen, 2011. 360 Seiten, geb. 29,90 Euro. ISBN 978—3—8353—0867—1
Paul Ehrlich — Nobelpreisträger für Medizin — wurde neben seinen Forschungsarbeiten in der Immunologie vor allem für die Entwicklung des ersten Chemotherapeutikums Salvarsan gegen Syphilis berühmt. Die Biografie berichtet über Leben und Arbeit des Wissenschaftlers, illustriert mit historischen Bildern.

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