Industrie & Technik

<h2>Sartorius kauft Bioanalytik</h2><p>Der Pharma- und Laborzulieferer Sartorius kauft die in Albuquerque, USA, angesiedelte Intellicyt für 90 Mio. US-Dollar. Der Entwickler einer Zellscreening-Plattform beschäftigt 55 Mitarbeiter und setzte im vergangenen Jahr 13,4 Mio. US-Dollar um.</p><p>Zudem erwirbt Sartorius die auf Virenquantifizierung spezialisierte Virocyt. Das Start-up mit Sitz in Broomfield, USA, erwartet für das laufende Jahr 3 Mio. US-Dollar Umsatz. Sartorius übernimmt für etwa 16 Mio. US-Dollar.</p><p>Markus Seidl, Frankfurt am Main</p><h2>Abrechnung Deepwater Horizon</h2><p>Die Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon im April 2010 kostete den britischen Energiekonzern BP nach eigenen Angaben knapp 62 Mrd. US-Dollar. Steuerliche Effekte reduzierten dies auf 44 Mrd. US-Dollar. Bei dem Unfall im Golf von Mexiko waren elf Menschen ums Leben gekommen. Eine Stahlglocke schloss das Leck erst nach 87 Tagen. 3,2 Mio. Barrel Öl waren ins Meer gelaufen und hatten mehr als 2000 Kilometer Küste verschmutzt. BP musste hohe Strafen und Renaturierungs-Projekte bezahlen. CS</p><h2>Substitution von Formaldehyd</h2><p>Das Zuger Biotechunternehmen AVA-CO2 hat ein Forschungsprojekt gestartet, um Formaldehyd durch 5-Hydroxymethylfurfural (5-HMF) zu ersetzen. Das Unternehmen gewinnt 5-HMF durch chemische Dehydrierung von Hexosen. Die Schweizer Kommission für Technologie und Innovation unterstützt das Projekt finanziell. Die Substitution betrifft vor allem die holzverarbeitende Industrie, da dort Formaldehyd in Klebstoffen und Bindemitteln auftaucht [Nachr. Chem. 2016, 64, 417].</p><p>Helena Rimmer, Frankfurt am Main</p>

Meldung

Kurz notiert

Sartorius kauft BioanalytikDer Pharma- und Laborzulieferer Sartorius kauft die in Albuquerque, USA, angesiedelte Intellicyt für 90 Mio. US-Dollar. Der Entwickler einer Zellscreening-Plattform beschäftigt 55 Mitarbeiter und setzte im vergangenen Jahr 13,4 Mio. US-Dollar um.Zudem erwirbt Sartorius...

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<p>Zurzeit sorgen einige geplante Transaktionen in Chemie- und Agrochemiesparten für Aufsehen und Spekulationen. Dazu gehören die Zusammenschlüsse von Dow und Dupont, Chemchina und Syngenta sowie Bayer und Monsanto. Setzen die Unternehmen ihre Pläne um, ändert dies die Agrochemie- und Saatgutbranche. Über solche Chemietransaktionen berichteten Bernd Schneider et al. in den Nachrichten aus der Chemie aus Sicht von Investmentbankern und stellten die Vorteile solcher Deals für den Kapitalmarkt heraus.<sup>1)</sup> Was das für die Forschung und Entwicklung (F+E) sowie die Mitarbeiter jeweils bedeutet, erhellen ein Aufsatz mit dem Titel „Why Dupont Shrunk Its Central Research Unit“ in Chemical and Engineering News sowie Leserzuschriften mit Bezug auf den geplanten Zusammenschluss.<sup>2,3)</sup> Die Verheißungen synergistischer Effekte gründen sich auf Marktmacht sowie Einsparungen bei Personalkosten und Projekten. Hier scheint sich eine Entwicklung anzubahnen, die seit gut drei Jahrzehnten in der Pharmaindustrie gang und gäbe ist und die Firmenlandschaft besonders in den letzten 15 Jahren verändert hat.</p><h2>Vor dreißig Jahren</h2><p>Wer sein Chemie-, Pharmazie- oder Biologiestudium schon drei Jahrzehnte hinter sich hat, wird sich an Pharmaunternehmen mit hoher Reputation und F+E-Produktivität erinnern, die interessante Arbeitgeber waren, aber deren Namen heute verschwunden sind. Diese Firmen sind nicht pleite und waren auch nicht in finanziellen Schwierigkeiten, sondern sie wurden von größeren Unternehmen geschluckt – man sagt „akquiriert“.</p><p>In den 1970er Jahren war Hoechst das weltgrößte Pharmaunternehmen, heute ist es Historie. Hoechst gibt es nicht mehr. Nach der Zerschlagung Anfang der letzten Jahrhundertwende wurde daraus zunächst Aventis, dann Sanofi-Aventis und seit 2011 nur noch Sanofi. Das ist kein Einzelschicksal, viele Unternehmen sind von der Bildfläche verschwunden: etwa Beecham, Cyanamid, ICI, Roussel-Uclaf, Schering, Squibb, Syntex, Upjohn, Wyeth. Die in der Pharmabranche größeren Akquisitionen und Zusammenschlüsse (merger and acquisitions, M+A) der letzten 20 Jahre zeigt Tabelle 1.</p><p>In unzähligen Fachartikeln und Patenten stehen die Namen, lassen sich die F+E-Leistungen nachvollziehen. Tabelle 2 zeigt, wo diese Firmen gelandet sind. Die meisten der heutigen Big-Pharma-Unternehmen sind nicht organisch gewachsen, sondern durch Akquisitionen groß geworden. Entsprechend komplex und vielseitig ist jeweils ihre Geschichte. Ein Beispiel ist Sanofi, dessen Werden aus 23 Unternehmen ein Diagramm im Internet zeigt, wobei mehrere Kleinakquisitionen unberücksichtigt blieben.<sup>4)</sup> Ähnlich, aber noch komplexer ist die Geschichte von Pfizer.</p><table-wrap>

<label>Table 1</label><h2>Akquisitionen der letzten 20 Jahre.</h2><img src="https://media.graphcms.com/Uyl7CWXASJWhlQ6cF72m">

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<label>Table 2</label><h2>Wo die verlorenen Firmen gelandet sind.</h2><img src="https://media.graphcms.com/qWbGmeMlSE2oAmEFU4iY">

</table-wrap><h2>Kein Stillstand</h2><p>Es gab im vergangenen Jahrhundert viele M+A-Aktivitäten, aber in den letzten 15 Jahren sind es immer mehr geworden. Es sieht nicht danach aus, dass diese Entwicklung zum Stillstand kommt, eher das Gegenteil ist der Fall. Einige solcher Elefantenhochzeiten sind vorhersehbar und werden in den kommenden Jahren stattfinden. Dieser Konzentrationsprozess bedeutet, dass die Branche der forschenden global operierenden Pharmaunternehmen der Autoindustrie ähnlich wird. Ursprüngliche Kernkompetenzen wie Produktion und sogar F+E stehen nicht mehr im Fokus der Big-Pharma-Unternehmen. Sie reduzieren das finanzielle Risiko durch Auftragsvergabe an andere Unternehmen (Outsourcing) etwa an Auftragsforschungsinstitute sowohl im präklinischen als auch klinischen Bereich (contract research organizations, CROs) und Vertragshersteller (contract manufacturing organizations, CMOs). Beides sind Wachstumsbereiche. In der Autoindustrie leisten solche Zulieferer bereits etwa 70 Prozent der Wertschöpfung. Bei den großen Pharmafirmen dürfte dies bereits bei mehr als 30 Prozent liegen und weiter zunehmen.</p><h2>Transaktionstreiber</h2><p>Die wesentlichen Treiber der Megadeals (Transaktionen mit einem Wert über zehn Milliarden US-Dollar, USD) im Pharmabereich und Beispiele dafür sind</p><p><list list-type="simple"><list-item></list-item></list></p><p>stagnierendes oder rückläufiges eigenes Wachstum etwa aufgrund des Patentablaufs umsatzstarker Produkte (Blockbuster) und ungenügender Nachschub neuer Produkte aus der eigenen F+E: Pfizer/Wyeth und Merck &amp; Co./Schering-Plough;</p><list-item><p>neue Technologien oder Produktgruppen, interessante Pipeline bei Roche/Genentech und bei Novartis/Alcon;</p></list-item><list-item><p>Druck durch Großaktionäre, Hedgefonds, Investmentbanken mit Aussicht auf höhere Aktienkurse bei Actavis/Forest Labs;</p></list-item><list-item><p>strategischer Vorteil durch Verlagerung des Headquarters oder einer Holding (tax inversion transactions) in ein Land mit niedrigerer Steuerrate wie Irland bei Actavis/Allergan; solche Deals, wie auch Pfizer mit der Übernahme von Allergan einen plante, hat das US-Finanzministerium jetzt gestoppt;</p></list-item><list-item><p>Ehrgeiz des Topmanagements und die Aussicht auf hohe Abfindungen (zwei- und bisweilen sogar dreistelliger Millionendollarbetrag) sind die Regel.</p></list-item><p></p><p>Zudem finden Megadeals statt, um Produktportfolios zu komplettieren oder zu erweitern, etwa bei Bayer/Merck &amp; Co. Consumer Health und bei Gilead/Pharmasset. Unternehmen wollen die Marktmacht steigern oder die Marktführerschaft erlangen wie bei Pfizer/Wyeth und bei Shire/Baxalta.</p><p>Ein weiterer Grund besteht darin, Kosten durch Personal- und Projektreduktionen zu senken. Dies heißt dann synergistischer Effekt und ist die Regel.</p><p>Neben den Megadeals finden zahlreiche Übernahmen unter 10 Mrd. USD statt: Big Pharma kauft zunehmend Biotechfirmen auf, weil sie interessante neuartige Produkte in früher klinischer Entwicklung oder eine breit anwendbare neue Technologie haben. Oft läuft das darauf hinaus, dass das – normalerweise kleine – Unternehmen der großen Organisation der Big Pharma mit mehr als 10 000 F+E-Mitarbeitern einverleibt wird und die Mitarbeiter der gekauften Firma mit einer Abfindung nach Hause geschickt werden.</p><h2>Die Forschung leidet</h2><p>Die pharmazeutische Primärforschung, die Drug Discovery, haben Big-Pharma-Unternehmen neuerdings zum Teil in Universitäten und andere Forschungsinstitute verlagert. Das spart Geld und reduziert das Risiko. Ein Grund dürfte auch sein, dass die riesigen Forschungsabteilungen zu unbeweglich und bürokratisch geworden sind, und die Entscheidungen über Forschungsrichtungen und Projekte oft von Finanzmanagern und Marketinglern anstatt von den Forschungsleitern dominiert werden. Zusätzlich gibt es nach Akquisitionen immer wieder Themenwechsel und Projektreduktionen, F+E-Mitarbeiter werden freigesetzt, Produktionsanlagen und Standorte geschlossen. Das sind die viel besungenen und die Aktienkurse beflügelnden Synergien. Die generelle Unsicherheit – auch des Arbeitsplatzes – bremst aber die Kreativität der F+E-Mitarbeiter. In den vergangenen 15 Jahren haben die 15 größten Pharmafirmen, die für über 50 Prozent des weltweiten Pharmageschäfts (zurzeit etwa 1000 Mrd. USD Ab-Werk-Umsätze) stehen, annähernd eine halbe Million Mitarbeiter freigesetzt.</p><p>Den negativen Einfluss der Megamerger auf die pharmazeutische Forschung und Entwicklung und deren Produktivität hat der ehemalige President of Pfizer Global Research and Development kritisch beleuchtet und den Trend nachlassenden F+E-Wettbewerbs sowie geringerer Investitionen in F+E als alarmierend bezeichnet.<sup>5)</sup></p><h2>Gekaufte Erfolge</h2><p>Die erfolgreichsten Blockbuster der letzten Jahre sind aus Akquisitionen hervorgegangen:</p><p><list list-type="simple"><list-item></list-item></list></p><p>biopharmazeutische Krebspräparate (monoklonale Antikörper, Mabs): Roche erwirtschaftete im Jahr 2015 mehr als 20 Mrd. USD damit; die Mabs stammen von Genentech;</p><list-item><p>Humira (monoklonaler Antikörper, Adalimumab): Abbvie erwirtschaftete im Jahr 2015 etwa 14 Mrd. USD damit; Originator, also das Unternehmen, das die ersten Schritte zur Entwicklung des Wirkstoffs machte, war Knoll;</p></list-item><list-item><p>Lipitor (Atorvastatin): Pfizer, im Jahr 2012 etwa 12 Mrd. USD, Originator war Warner-Lambert;</p></list-item><list-item><p>Sovaldi (Sofosbuvir) und Harvoni (Kombination aus Sofosbuvir mit Ledipasvir) gegen Hepatitis C: Gilead, im Jahr 2015 etwa 20 Mrd. USD, Originator von Sofosbuvir war Pharmasset.</p></list-item><p></p><p>Die auf antivirale (HIV-)Therapeutika fokussierte Firma Gilead Sciences, die häufig noch als Biotechunternehmen gilt, obwohl sie keine Biopharmaka im Sortiment führt, hat mit dem Erwerb der Firma Pharmasset einen Glücksgriff getan: Das Sofosbuvir wurde Ende 2013 von der FDA zugelassen, und es hat die erfolgreiche Therapie von Hepatitis C möglich gemacht. Kurze Zeit danach kam noch das Kombinationspräparat Harvoni auf den Markt, und beide Präparate haben im Jahr 2015 einen weltweiten Umsatz von knapp 20 Mrd. USD gebracht. Gilead hatte im Jahr 2011 einen Umsatz von gut 8 Mrd., 2015 von knapp 33 Mrd. USD. Der Nettogewinn nahm um 59 Prozent zu; Gilead war damit das siebtgrößte Pharmaunternehmen der Welt und mit 19 Mrd. USD das mit dem höchsten Nettogewinn. Hier hat sich die 11 Mrd. USD teure Akquisition rasch rentiert.</p><p>Die durchschnittlichen Nettogewinne der größten multinationalen Pharmaunternehmen liegen übrigens bei 23 Prozent vom Umsatz, was sie für Kapitalanlagen durch große (Pensions-)Fonds interessant macht.</p><h2>Wer gewinnt</h2><p>Einige Akquisitionen verliefen wenig erfolgreich, außer für die Aktionäre und das Top Management. So hatten weder die Übernahme von Pharmacia im Jahr 2002 noch die von Wyeth 2008/9 einen andauernden Effekt auf Umsatz und Gewinn von Pfizer: Im Jahr 2008, also vor der Übernahme von Wyeth, setzte Pfizer 48 Mrd. USD um und nach einem Zwischenhoch von 67 Mrd. im Jahr 2011 waren es im Jahr 2014 wieder knapp 50 Mrd. USD. Der F+E-Aufwand sank unter das Niveau von 2008. Ähnlich ist die Bilanz bei anderen Akquisitionen: Positive Effekte sind oft nur von kurzer Dauer; negative Effekte auf Forschung und Entwicklung gibt es häufig.<sup>5)</sup></p><p>Eine Studie, die 65 Fusionen in der Pharmaindustrie der Jahre 1990 bis 2007 untersuchte, kommt zum Ergebnis, dass Fusionen zum Nachlassen der Investitionsanstrengungen führen.<sup>6)</sup></p><p>Nun sind nicht nur M+A-Deals in der Pharmabranche an der Tagesordnung, sondern auch Tauschgeschäfte, Asset Swaps, wie zwischen Novartis und GSK. Dabei machten Novartis die Onkologie und GSK die Vakzine zu Schwerpunkten, und beide Firmen profitierten schon nach kurzer Zeit davon. Zurzeit verhandeln Sanofi und Boehringer über ein entsprechendes Tauschgeschäft: OTC-Produkte an Sanofi und Tiergesundheit an Boehringer. Man kann sich vorstellen, dass solche Asset Swaps die jeweilige Marktführerschaft eher stärken als Megadeals.</p><p>Axel Kleemann, Manager und promovierter Chemiker, studierte in Frankfurt am Main. Seine Industriekarriere begann im Jahr 1968 in der organisch-chemischen Forschung bei Degussa in Hanau-Wolfgang. Von 1987 bis 2000 war er im Vorstand von Asta Medica. Seit 1988 ist Kleemann Honorarprofessor an der Universität Frankfurt. Nach Pensionierung hatte er zahlreiche Beirats- und Aufsichtsratsmandate inne. Er war im Vorstand von GDCh, DPhG, DIB und Dechema. <a href="mailto:aklee60032@aol.com">aklee60032@aol.com</a></p>
<ul><h2>Literatur</h2><li>
<sup>1 </sup>B. Schneider, B. Mehran, L. Kretzinger, Nachr. Chem. 2016, 64, 420–423.</li><li>
<sup>2 </sup>A. H. Tullo, Chem. Eng. News, 2016, 94, 22–24.</li><li>
<sup>3 </sup>Chem. Eng. News, 2016, 94, 2–4.</li><li>
<sup>4 </sup><ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://en.sanofi.com/our_company/" target="_blank">http://en.sanofi.com/our_company/</a> history/history.aspx</ext-link></li><li>
<sup>5 </sup>J. L. LaMattina, Nature Rev. Drug Discov. 2011, 10, 559–560.</li><li>
<sup>6 </sup>J. Haucap, J. Stiebale, FAZ, 13.06.2016, S. 19 und DICE Discussion Paper Nr. 218.</li></ul>


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