Inhalt

1167 Von Ausnahmen und Augenmaß
K. Engel
Magazin
Polymerchemie
1176 Responsive Polymersome
J. Gaitzsch, D. Appelhans, B. Voit
Polymersome nutzen das Bauprinzip der Liposomen und eignen sich unter anderem als Wirkstofftransporter.
Elektrodenmaterialien
1181 Vom Mineral lernen
C. Hoch
Inspirationsquelle für Elektrodenmaterialien, etwa für Lithiumionenbatterien, ist ein Phosphatmineral.
August Wilhelm von Hofmann Medal
1185 “Theory creates a world view on chemistry”
C. Remenyi
Sason Shaik, Lise Meitner Minerva Center for Computational Quantum Chemistry, about non-mainstream ideas.
Chemiegeschichte
1187 Ein Mann und seine Reaktion
C. Meinel
Über den Industriechemiker Anton Vilsmeier (1894 — 1962) ist nur wenig bekannt.
Chemie und Öffentlichkeit
1191 Austausch auf Augenhöhe
M.-D. Weitze
Wie können Wissenschaft und Gesellschaft miteinander sprechen?
Giftgas
1194 Das Deutsche passte nicht so gut
H. Sietz
Stalins Chemiker hatten die Formel für den Nervenkampfstoff Sarin aus Deutschland.
Chemie im Alltag
1197 Wohlfühlchemie
S. Rupp
Blickpunkt
Biowissenschaften
1198 Peptidsynthese ohne Ribosomen
M. Groß
Im Allgemeinen entstehen Eiweißstoffe in der Proteinfabrik der Zelle, im Ribosom. Manchmal jedoch stellen spezialisierte Enzymkomplexe die Peptide her.
Chemiewirtschaft
1200 Größte, Innovativste, Mittelmäßigste
M. Bulmahn
1201 Aus der Zwickmühle zur Innovation
M. Kaiserswerth
Wie kann die Forschung gleichzeitig kurzfristig Wert schaffen und langfristig Neues hervorbringen?
1204 Effizient in die Zukunft
P. Krüger, H. Hoffschulz, I. Michelfelder
90 Partner aus Industrie und Wissenschaft erforschen gemeinsam Kohlenstoffnanomaterialien.
1206 Im Zeichen der Unsicherheit
B. Schneider
Im dritten Quartal gab es weniger Übernahmen.
1207 Thomas Seuß: Problemloser Handel?
Analytik
1208 Krankheitserreger im Wasser
S. Lengger, R. Nießner, M. Seidel
Wie sich Wassermengen von mehr als 10 L auf weniger als 1 mL einengen und Keime dabei aufkonzentrieren lassen.
1213 Mikromesszelle für die Elektrochemie 
B. Huber, M. Drüschler, B. Roling
Neue Elektrolytmaterialien in sehr geringen Mengen erfordern kleine Messzellen für ihre Charakterisierung.
1215 Fürs Laboratorium
1170 Chemie
1173 Wirtschaft
1174 Forschung und Bildung
1175 Ausgeforscht
1216 Impressum, Interskriptum
1217 Personalnachrichten
1220 Nachruf Ehrenfried Bulka
1221 Korrespondenz
1223 Rezensionen
1228 Tagungskalender und -berichte
1232 Fortbildungskalender
1234 4. Chinesisch-Deutsches Symposium
1236 EC2E2N
1238 Bio trifft Chemie 
1239 Renate Kießling
1240 Fachgruppen
1247 Jungchemikerforum
1248 Neuaufnahmen
1249 Die GDCh vor Ort
1251 Mehr Naturwissenschaftlerinnen
1253 Stellenmarkt
1256 Stichwortregister
1264 Autorenregister
Titelbild:
Was vom Polymersom übrig blieb [zu S. 1176].

Leitartikel

1167 Von Ausnahmen und Augenmaß K. Engel Magazin Polymerchemie 1176 Responsive Polymersome J. Gaitzsch, D. Appelhans, B. Voit Polymersome nutzen das Bauprinzip der Liposomen und eignen sich unter anderem als Wirkstofftransporter. Elektrodenmaterialien 1181 Vom Mineral lernen C. Hoch Inspirationsq...

Notizen

<h2>Photoelektrische Umwandlung und Energiespeicherung</h2>
Für die Nutzung von Sonnenenergie ist eine Kombination der Umwandlung von Sonnenlicht in Strom und einer direkten Energiespeicherung wünschenswert, aber noch wenig effizient. Für Drähte mit mehreren Zentimetern Länge kombinierten Peng et al. jetzt Umwandlung und Speicherung mit einer Gesamteffizienz von 1,5 %. Hierzu überzogen sie Titandrähte anodisch mit TiO2-Nanoröhren und umschlangen diese durch chemische Gasphasenabscheidung mit Kohlenstoffnanoröhren zu verwundenen Drähten. Durch Aufbringen eines lichtempfindlichen Farbstoffs (cis-Diisothiocyanato-bis(2,2'-bipyridyl-4,4'-dicarboxylato)- bis(tetra-butylammonium-Ruthenium(II)) sowie eines Gelelektrolyten aus Polyvinylalkohol und Phosphorsäure lassen sich Bereiche für photoelektrische Umwandlung und Energiespeicherung in einer Funktionseinheit erzeugen. KMB


<h2>Baeyer-Villiger-Oxidation mit H2O2 — lipophil katalysiert</h2>
Normalerweise initiieren stöchiometrische Mengen Persäure oder Kombinationen aus Carbonsäuren und Wasserstoffperoxid die Baeyer-Villiger-Oxidation von Ketonen. Ishihara und Mitarbeiter berichten jetzt, dass Ketone (1) oder Benzaldehyde die Baeyer-Villiger-Oxidation mit Wasserstoffperoxid als Oxidans in Gegenwart katalytischer Mengen lipophiler Lithium- oder Calciumsalze sowie Oxalsäure eingehen. Die Reaktionsbedingungen sind mild, und die Reaktion liefert hohe Ausbeuten und Chemoselektivitäten. Zudem werden Turnoverzahlen von bis zu 9800 erreicht. Oxylactonisierungen sind ebenfalls in hohen Ausbeuten möglich. UJ


<h2>Chemische Chaperone verstehen</h2>
Über den Iminozucker 2-Acetamido-1,2-dideoxy-d-galactonojirimcin (DGJNAc) als chemisches Chaperon zur Faltung von α-N-Acetylgalactosaminidase (α-NAGAL) berichtete die Arbeitsgruppe von Garman. Lysosomale Speicherkrankheiten entstehen durch Mutationen einzelner lysosomaler Enzyme. Diese genetischen Veränderungen verringern die enzymatische Aktivität, unter anderem durch Fehlfaltung der dreidimensionalen Struktur. Durch chemische Chaperone, die vorübergehend an das aktive Zentrum von solchen unzureichend gefalteten Proteinen binden, lässt sich jedoch eine teilweise Rückfaltung in die native Enzymstruktur auslösen. Bei der Schindler-Kanzaki-Krankheit ist α-NAGAL durch Mutationen enzymatisch nur wenig aktiv. Die Gabe von DGJNAc erhöht die Enzymaktivität jedoch signifikant. Die Autoren analysierten mit einer hochaufgelösten Kristallstruktur erstmals den Bindungsmodus so eingehend, dass in Zukunft rational entworfene chemische Chaperone möglich sein sollten. MK


<h2>Warum Phosphat?</h2>
Elias et al. haben die strukturelle Grundlage dafür untersucht, dass ein Enzym Phosphat und Arsenat trotz ihrer hohen Ähnlichkeit unterscheiden kann und dabei eine tausendfache Selektivität erzielt. Mit einer Kristallstrukturanalyse in Subångström-Auflösung lokalisierten die Autoren die Wasserstoffatome in der Bindung zu Phosphat und Arsenat in einem bakteriellen Phosphatbindeprotein des ABC-Transportersystems. Dabei sind die Ionen so starr fixiert, dass bereits die geringe Änderung in der Bindungslänge von P-O zu As-O die Wasserstoffbrückenbindung entscheidend verzerrt. Phosphat wird so selektiv selbst bei hohem Überschuss von Arsenat transportiert. Somit erscheinen Berichte, nach denen in arsenatreichen Seen Arsen anstelle von Phosphor in die DNA von Bakterien eingebaut wird, weiter sehr zweifelhaft. TK


<h2>Die Jagd nach dem Intermediat</h2>
In Umpolungsreaktionen mit Aldehyden werden seit den Arbeiten von Breslow im Jahr 1958 als Schlüssel-Intermediate 2,2-Diaminoenole postuliert. Nun haben Berkessel et al. erstmals die engsten Verwandten dieser bislang nicht fassbaren Strukturen dargestellt und charakterisiert. Unter Ausschluss von Luftsauerstoff reagieren gesättigte Carbene (Dihydroazolylidene) mit Benzaldehyden und verwandten Derivaten glatt zu 2,2-Diaminoenolen. Detaillierte NMR-spektroskopische Studien belegen deren Identität, reversible Bildung und Reaktivität in Benzoin-Reaktionen. Die ehemalige Aldehydfunktion erfährt durch Addition an das Carben eine elektronische Umpolung, die sich auch in den stark verschobenen 13C- und 1H-Resonanzen manifestiert (110 ppm bzw. 4,40 ppm, jeweils in THF bei 25°C). AJvW


<h2>Gezielte Freisetzung durch H2O2</h2>
Die Gruppe um Almutairi hat Polymere entwickelt, die durch physiologisch relevante H2O2-Konzentrationen abgebaut werden. Dazu synthetisierten die Autoren Polyester, deren Hauptketten formal aus (3-Hydroxymethyl)benzylalkohol sowie Adipinsäure bestehen und Phenylboronsäureester enthalten. H2O2 oxidiert die Boronsäureester zu Borsäureestern, die hydrolysieren und durch Umlagerung auch zur Hydrolyse der Hauptkettenesterbindungen führen. Dabei reichen Konzentrationen von 50 µM H2O2, um die Reaktion auszulösen. Die Polymere (Mw = 10,6 und 51,3 kDa) wurden zu Nanopartikeln verarbeitet (d = 166 bzw. 136 nm). Die Nanopartikel setzten nach Beladung mit Nilrot bzw. Fluoresceindiacetat diese Moleküle verstärkt in Anwesenheit von H2O2 frei. Dies wurde ebenfalls durch H2O2 produzierende neutrophile Granulocyten erreicht. Die Nanopartikel waren nicht cytotoxisch. Die Autoren stellen somit ein Konzept für die gezielte Freisetzung von Wirkstoffen in Gewebe unter oxidativem Stress vor. ATN


<h2>Lebende Materialien produzieren Antibiotika</h2>
Die Gruppe um Stark hat Dreischichtsysteme aufgebaut, deren mittlere Schicht lebende Penicillium-Kulturen beherbergt. Anders als klassische wirkstofffreisetzende Materialien produzieren diese lebenden Materialien kontinuierlich Wirkstoffe. Das Konstrukt besteht aus einer Polyacrylatschicht als Basis, der mittleren Schicht aus Agar und den Pilzkulturen und darauf einer Polycarbonatmembran. Diese Membran erlaubt den Austausch von Wasser, Nähr- und Abfallstoffen und ermöglicht die Abgabe des gebildeten Penicillins. Penicillium bleibt unter den Bedingungen in Gegenwart von Nährmedium über einen langen Zeitraum aktiv; auch Hungerperioden übersteht er problemlos durch einen Ruhezustand. Für eine Anwendung als dauerhaft antibiotisch aktive Oberflächen muss das Problem der Resistenzentwicklung gelöst werden. ATN


<h2>Wasser im Kraftfeld</h2>
Kale und Herzfeld stellen ein klassisches Wassermodell vor, in dem sowohl Dissoziation als auch Polarisierbarkeit implementiert sind. Das Kraftfeld generiert in der Molekulardynamik bessere Übereinstimmungen mit experimentellen Diffusionskonstanten von Protonen und den korrespondierenden Löchern als semiempirische oder quantenmechanische Ansätze. Dieses wenig aufwändige theoretische Niveau erlaubte es den Autoren, eine statistisch ausreichende Zahl von Transportschritten innerhalb von 10 ns bei einer realistischen Verdünnung von 0,1 M zu generieren. Als Ergebnis findet vor dem Lochtransport eine Umwandlung von der entsprechenden Eigen- zur Zundel-Form (Abbildung) statt, sehr ähnlich zur etablierten Protonenleitung. Demnach bietet die Studie trotz des klassischen Ansatzes neue Konzepte, um die Defektleitung zu erklären. TK


<h2>Neuer Weg zu allosterischen Enzyminhibitoren</h2>
Eine neue Methode, um allosterische Enzyminhibitoren zu finden, stellen Wissenschaftler von Genentech vor. Insbesondere Proteasen werden meistens zuerst als inaktive Proformen (auch Zymogene genannt) biosynthetisiert. Durch Abspaltung einer N-terminalen Prodomäne entstehen dann die aktiven Enzyme. Mit einem Phage-Display-Verfahren suchten die Autoren nun nach Peptiden, welche mit hoher Affinität an Procaspase-6 binden, die proteolytisch inaktive und als Tetramer vorliegende Zymogenform von Caspase-6. Unter den so gefundenen Peptidbindern war ein besonderes Peptid, das spezifisch an die Protein-Protein-Interaktionsfläche zwischen den einzelnen Untereinheiten des Tetramers bindet. Dieses Peptid hemmt auch proteolytisch aktive Caspase-6, vermutlich aufgrund der Induktion einer proteolytisch inaktiven Tetramerstruktur der normalerweise als Dimer vorliegenden Caspase-6. Die Studie belegt, dass auch Proenzyme mögliche Targets für die Entwicklung von Enzyminhibitoren darstellen. MK
Axel Jacobi von Wangelin, Regensburg
Ullrich Jahn, Prag
Markus Kaiser, Essen
Tilman Kottke, Bielefeld
Klaus Müller-Buschbaum, Würzburg
Axel T. Neffe, Teltow
Andreas Schnepf, Tübingen


<h2>CpRh-Katalysatoren</h2>
Cyclopentadienyl-(Cp)-Komplexe später Übergangsmetalle sind im Gegensatz zu denen früher Übergangsmetalle selten. Cramer und Ye liefern nun ein Beispiel einer asymmetrischen CH-Aktivierung mit CpRh-Komplexen. In Gegenwart von 2 Mol-% eines chiralen Indenylrhodium-Katalysators gelingt die Addition diverser Olefine an Arylhydroxamate bei Raumtemperatur mit guten Enantioselektivitäten. Der aktive Katalysator bildet sich durch Oxidation des Rhodium(I)-Präkatalysators mit Dibenzoylperoxid. AJvW


<h2>Goldkatalysierte direkte Arylierung mit Arylsilanen</h2>
Die Darstellung von unsymmetrischen Biarylen war bisher eine Domäne von palladiumkatalysierten Kreuzkupplungen oder direkten, aber durch dirigierende Gruppen beschleunigten Arylierungen. Goldkatalysatoren erschienen bisher bei diesem Reaktionstyp weitgehend inaktiv. Ball, Lloyd-Jones und Russell nutzen nun Gold(I)-Präkatalysatoren unter oxidativen Bedingungen zur Darstellung von unsymmetrisch substituierten Biarylen (3) aus Aromaten (1) und Arylsilanen (2). Das Substratspektrum ist breit, und die Ausbeuten sind meist gut. Die Regioselektivität ist gut und folgt der von elektrophilen aromatischen Substitutionen. In Übereinstimmung damit versagt die Reaktion bei stark elektronenarmen Aromaten. UJ


<h2>Ein stabiles Nitren ohne Übergangsmetall</h2>
Nitrene ohne Übergangsmetalle waren bisher nur als Intermediate bekannt. Bertrand et al. beschreiben jetzt die Synthese des ersten isolierbaren, metallfreien Nitrens (3). Zur Synthese wird die kationische Phosphorverbindung (1) mit Natriumazid umgesetzt und es entsteht die neutrale Azidverbindung (2). Durch Bestrahlen einer Toluollösung von (2) mit UV-Licht (254 nm) für zwei Stunden wird das Nitren (3) in 92%iger Ausbeute erhalten und lässt sich als gelber Feststoff isolieren. Die Kristallstrukturanalyse zeigt, dass das Phosphoratom in (3) planar von drei Stickstoffatomen umgeben ist. Die kurze PN-Bindung zum terminalen Stickstoffatom von 146 pm deutet auf eine PN-Mehrfachbindung hin. Durch die Umsetzung von (3) mit einem Isonitril zeigten die Autoren zudem, dass (3) als N-Atom-Transferreagenz fungiert. Somit steht jetzt auch ein Nitren als handhabbares Synthesereagenz zur Verfügung. AS



<ul>
<li>
1_1 


<source>Angew. Chem., doi: 10.1002/ange.201207023.

</li>
<li>
2_1 


<source>Angew. Chem., 
2012, 
124, 
9227.

</li>
<li>
3_1 


<source>Proc. Nat. Acad. Sci. USA, 
2012, 
109, 
17400.

</li>
<li>
4_1 


<source>Nature, 
2012, 
491, 
134.

</li>
<li>
5_1 


<source>Angew. Chem., 
2012, doi: 10.1002/ange.201205878.

</li>
<li>
6_1 


<source>J. Am. Chem. Soc., 
2012, 
134, 
15758.

</li>
<li>
7_1 


<source>Angew. Chem., 
2012, 
124, 
11455.

</li>
<li>
8_1 


<source>Angew. Chem., 
2012, 
124, 
11191.

</li>
<li>
9_1 


<source>Nat. Chem. Biol., 
2012, 
8, 
655.

</li>
<li>
1_2 


<source>Science, 
2012, 
338, 
504.

</li>
<li>
1_3 


<source>Science, 
2012, 
337, 
1644.

</li>
<li>
1_4 


<source>Science, 
2012, 
337, 
1526.

</li>
</ul>

Leitartikel

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