Foto: Francesco Mocellin, Salar de Atacama, CC BY-SA 3.0)
Lithium – ein kleines Metall kommt groß raus
Lithium führt ein im allgemeinen wenig beachtetes Dasein“ heißt es in einem Artikel über das Leichtmetall in „Chemie in unserer Zeit“ aus dem Jahr 1985 [1]. Dieser Aussage kann man heute gewiss nicht mehr zustimmen.
Das Metall hat quasi den Sprung in unseren Alltag geschafft, denn es ist neben Kohlenstoff das Element, das symbolisch für die Energiewende steht. Während Kohlenstoff jedoch schon jeher eines für die Menschheit wichtigsten Elemente war, hat Lithium erst in den letzten Jahren durch seine Verwendung in Lithium-Ionen-Akkus (s. unten) Karriere gemacht.
Wer in Tageszeitungen sucht, wird schnell fündig: Warnungen vor brennenden Lithium-Ionen-Akkus mischen sich mit Prognosen, wie teuer das Metall in den nächsten Jahren werden wird. Auch die Meldung, dass in Deutschland gerade die erste Raffinerie für die Verarbeitung von Lithiumsalzen ihre Arbeit aufnimmt, hat das Interesse der breiten Öffentlichkeit geweckt.
Reaktionsfreudiges Metall
Das kleinste der Alkalimetalle war vor der Erfindung des Lithium-Ionen-Akkus ein eher unbedeutendes Metall. Das liegt auch daran, dass es – genau wie die schweren Homologe Natrium, Kalium, Rubidium und Cäsium in elementarer Form nicht ganz einfach zu handhaben ist.
Alkalimetalle reagieren mit den Bestandteilen der Luft: mit Sauerstoff, Stickstoff und mit Luftfeuchtigkeit. An der Oberfläche des Lithiums bildet sich deshalb schnell eine Schicht aus Oxid und Nitrid. Es verliert dann seine silbern glänzende Oberfläche und läuft matt an. Um diese Reaktion zu unterbinden, wird es in Mineralöl oder Petrolether gelagert (Abb.1).
Lithium reagiert bereitwillig mit Wasser unter Bildung von Wasserstoff und LiOH [2]. Das trifft auch für die schwereren Alkalimetalle zu, die Reaktion wird für jedes Metall heftiger. Anders als die restlichen Alkalimetalle reagiert Lithium mit Stickstoff zum Nitrid (Li3N). Darin drückt sich die ansonsten eher schwach ausgeprägte Schrägbeziehung zu Magnesium aus, denn auch Magnesium reagiert mit Stickstoff zum Nitrid (Mg3N2). Lithium und Magnesium werden deshalb dafür eingesetzt, um Stickstoff aus Gasen zu entfernen.
Abb. 1: Lithium-Stücke in Paraffinöl (Foto: Tomihahndorf at German Wikipedia, Lithium paraffin, Wikimedia Commons, gemeinfrei)
Will man Lithium zur Reaktion bringen, kann man als Reaktionspartner andere Metalle anbieten, mit denen es Legierungen bildet. Zu den wichtigsten gehören dabei Legierungen mit Aluminium, die sich für Luft- und Raumfahranwendungen qualifiziert haben [3].
Lithiumorganyle sind in der organischen Chemie beliebte Alkylierungsmittel. Auch hier sieht man die Schrägbeziehung zu Magnesium und die Ähnlichkeit zu den Grignard-Verbindungen. Lithiumorganyle sind extrem basisch, hochreaktiv und regieren explosionsartig mit Wasser.
Sie werden deshalb in wasserfreien aprotischen Lösungsmitteln verwendet. An Luft können sie sich zum Teil von selbst entzünden. Neben metallorganischen und intermetallischen Verbindungen geht Lithium auch Verbindungen mit deutlich elektronegativeren Bindungspartnern ein: Neben Oxiden, Nitriden und Halogeniden sind auch die Salze der anorganischen Oxosäuren bekannt.
Nachweis und Entdeckung
Abb. 2.: Rote Flammenfärbung von Lithium (Foto: anonym, FlammenfärbungLi, Wikimedia Commons, gemeinfrei)
Wie andere Alkali- oder Erdalkalimetalle zeigt Lithium eine charakteristische Flammenfärbung (Abb.2).
Alternative Nachweismethoden sind rar, denn Lithiumsalze sind im Allgemeinen gut löslich. Allenfalls farbloses Lithiumhexahydroxoantimonat(V) Li[Sb(OH)6] oder Lithiumphosphat Li3PO4 könnten als Nachweis dienen.
Der schwedische Mineraloge und Chemiker Johan August Arfwedson war im Jahr 1817 der erste, der Lithium in Mineralien entdeckte. Er gab dem Element auch seinen Namen, der sich von vom altgriechischen Wort lithos (Stein) ableitet [6]. Ein Jahr später konnte der Tübinger Chemiker Christian Gottlob Gmelin das Element anhand seiner roten Flammenfärbung nachweisen.
Medizinische Anwendung
Insbesondere Lithiumcarbonat Li2CO3 kommt eine gewisse medizinische Bedeutung zu, denn es wird seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts in der Psychiatrie zur Behandlung der bipolaren Störung und zur Suizidprävention eingesetzt [4]. Dabei wird umgangssprachlich meist von einer Behandlung mit „Lithium“ gesprochen, wenngleich damit nicht die elementare Form gemeint ist.
Auf diese lithiumhaltigen Medikamente und nicht auf das Element Lithium beziehen sich auch zwei Songs der amerikanischen Rockbands Nirvana und Evanescence, die beide den Titel „Lithium“ haben.
Video “Lithium” von Evanescence
Der genaue Wirkmechanismus von Lithiumionen im Zusammenhang mit affektiven Störungen wie der Depression ist noch nicht geklärt, man geht aber davon aus, dass das es in den Serotonin-Stoffwechsel eingreift [5]. Bei der Einnahme von Lithium-haltigen Präparaten ist jedoch auch Vorsicht geboten, denn zum einen ist eine Überdosierung möglich, die sogar tödlich enden kann, zum anderen verursachen Lithiumsalzen auch andere Wirkungen. Bei niedrigen Dosen kann das Schläfrigkeit sein, bei höheren Gaben Zittern, Übelkeit und Herzrhythmusstörungen [5].
Lithium spielte eine Rolle bei der Produktion von Kernwaffen
Lithium mit einem geringen Anteil von 0,006% in der Erdkruste vor. Damit ist es kein besonders häufig vorkommendes Metall. Ab den 1950er-Jahren wurde dem leichten Metall im Zuge der atomaren Wettrüstung während des Kalten Krieges dennoch eine gewisse Bedeutung zuteil.
Es wurde zur Herstellung von Tritium verwendet [7,8], das für den Bau von Wasserstoffbomben mit sogenanntem Fusionssprengstoff nötig war. Bei der Reaktion von Lithium-6 mit einem Neutron entsteht Tritium und Helium-4.
6Li + n à T + 4He
Tritium ist wie Deuterium ein schweres Isotop des Wasserstoffs und kann durch Neutronenaktivierung von Lithium erhalten werden. Tritium ist radioaktiv und wird für die Fusion in der Wasserstoffbombe benötigt. Als Brennstoff für die Fusion diente Lithiumdeuterid (LiD).
Wichtige Anwendung heute: Lithium-Ionen-Akku
Als deutlich “friedlichere” Erfindung gilt die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterie in den 1970er-Jahren und schließlich die Anwendung in wiederaufladbaren Akkus [9]. Der Lithium-Ionen-Akku ist wichtiges Element der Energiewende, also der Umstellung von fossilen Energien (Erdöl, Erdgas, Kohle) auf erneuerbare Energien. Gleich mehrere Vorteile machen den Li-Ionen-Akku zu einem äußerst beliebten Energiespeicher für elektronische Geräte, die wir alle täglich nutzen, etwa Smartphones oder Laptops und Fahrzeuge mit Elektroantrieb.
Lithium ist ein vergleichsweise leichtes Metall und so haben Lithium-Ionen-Batterien im Vergleich zu anderen Batterietypen, die zum Beispiel Nickel und Cadmium enthalten, eine hohe Energiedichte. Das heißt, dass Li-Ionen-Batterien bei relativ geringer Größe und Gewicht viel Energie speichern können. Zudem sind sie langlebig und überstehen Hunderte oder Tausende von Ladungszyklen ohne Kapazitätsverlust.
Sie haben auch gute Ladungseigenschaften: Sie laden schnell und entladen kaum von selbst. Sie sind auch besser umweltverträglich als andere Systeme, die oft nicht ohne ökotoxische Schwermetalle auskommen.
Abb. 3: Lithium-Ionen-Akkumulator (Foto: Kristoferb, Li ion laptop battery, CC BY-SA 3.0)
Funktionsweise eines Lithium-Ionen-Akkus
Wie der Akku funktioniert und welche Vorgänge beim Laden und Entladen im inneren eines Lithium-Ionen-Akkus ablaufen, erklärt dieses Video.
Funktionsweise eines Lithium-Ionen-Akkus (Quelle: www.studyflix.de).
Problematische Gewinnung
Der Abbau von Lithium ist oft mit negativen Auswirkungen für Mensch und Ökosysteme in den Abbauregionen verbunden. So gewinnt man das begehrte Metall nicht nur in Australien oder China, sondern oft auch in ökologisch sehr empfindlichen Gebieten wie Chile, Argentinien und Bolivien, dem sogenannten „Lithium-Dreieck“.
Dort lagern etwa siebzig Prozent des weltweiten Vorkommens in Salzseen. Um Lithium zu extrahieren, pumpt man die ionenreiche Sole in flache Becken und lässt das Wasser verdunsten. Auf diese Weise wird zwar die Konzentration an Lithium-Ionen erhöht, aber dem Untergrund wird auch viel Wasser entzogen. Und das in einer Region, in der es ohnehin schon an Wasser mangelt. Für 1 kg Li verdunsten 2000 Liter Wasser [11], und damit ein Rohstoff, der für das Überleben der indigenen Völker unverzichtbar ist.
Das Ausmaß wird angesichts der wachsenden Zahl an Lithium auf dem Weltmarkt deutlich: Im Jahr 2023 wurden weltweit etwa 180 000 Tonnen Lithium produziert, 34 000 Tonnen mehr als in 2022 [12]. Es gibt alternative Methoden, Lithium zu gewinnen, diese sind jedoch nicht wirtschaftlich.
Selbst wenn man die ethischen und ökologischen Bedenken hinsichtlich der Lithiumgewinnung außer Acht lassen sollte, ist klar: Die Lithium-Vorräte sind endlich und der Bedarf steigt; vor allem, weil im Zuge der Mobilitätswende immer mehr große Akkusysteme gebraucht werden. Immerhin enthält ein konventioneller E-Auto-Akku für einen Mittelklassewagen bis zu acht Kilogramm Lithium [13]. Angesichts dieser Problematik gibt es zwar reichlich Forschungsaktivitäten zu neuen Energiespeichersystemen und zu Lithiumrecycling, aber es gibt noch keine Lösungen, die mit den Status Quo konkurrieren können.
Abb. 4: Salar de Atacama in der Atacama-Wüste im Norden Chiles (Foto: Francesco Mocellin, Salar de Atacama, CC BY-SA 3.0)
Lithium aus Deutschland?
Aufgrund der hohen Nachfrage und der problematischen Gewinnung von Lithium muss man sich auch in Ländern mit schwer zu erreichenden Lithium-Vorkommen mit Methoden beschäftigen, wie man zumindest ein wenig des begehrten Metalls erwirtschaften kann. Auch in Deutschland gibt es seit Kurzem einige Projekte zur Lithiumgewinnung [16].
In Bruchsal bei Karlsruhe beispielsweise gewinnt man in einem Pilotprojekt Lithium aus Thermalwasser. Ähnliche Projekte gibt es auch in der Norddeutschen Bucht. Die Geothermiebohrungen, die man dabei nutzt, sind bis zu mehreren Kilometern tief. Die Konzentration an Li in den heißen Thermalwässern sind zwar nicht besonders hoch, doch das Wasser wird ohnehin zur Wärmenutzung oder Stromerzeugung durch ein hydrothermales Geothermiekraftwerk aus der Erde gepumpt [14, 15]. Bei diesem Prozess Lithium herauszufiltern ist also nur ein anschließender Schritt.
Ob auf diese Weise eine Li-Gewinnung aber je wirtschaftlich betrieben werden kann, ist noch nicht absehbar. Zudem wird auch durch die Nutzung von Thermalwässern der steigende Lithium-Bedarf in den nächsten Jahren nicht gedeckt werden können. Einstweilen sollten wir Lithium als kostbaren Rohstoff ansehen und nicht als Wegwerfprodukt.
Dr. Carolin Sage
Consider Science
https://considerscience.comLiteratur
[1]: Bauer, Richard. "Lithium–wie es nicht im Lehrbuch steht." Chemie in unserer Zeit 19.5 (1985): 167-173. onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ciuz.19850190505
[2]: Hollemann, A. F., Wiberg, E., Wiberg, N., Lehrbuch der Anorganischen Chemie, Auflage 102, Walter de Gruyter, Berlin 2007.
[3]: Campbell, Flake C., ed. Elements of metallurgy and engineering alloys. ASM international, 2008.
[4]: Cipriani, Andrea, et al. "Lithium in the prevention of suicide in mood disorders: updated systematic review and meta-analysis." Bmj 346 (2013).
[5]: Price, Lawrence H., et al. "Lithium and serotonin function: implications for the serotonin hypothesis of depression." Psychopharmacology 100 (1990): 3-12.
[6]: N. Figurowski: Die Entdeckung der chemischen Elemente und der Ursprung ihrer Namen. Aulis-Verlag Deubner, Köln 1981, S. 135.
[7]: Klemm, A. "Lithium in der Kerntechnik." Angewandte Chemie 70.1 (1958): 21-24.
[8]: Deberitz, Jürgen, and Gernot Boche. "Lithium und seine Verbindungen‐Industrielle, medizinische und wissenschaftliche Bedeutung." Chemie in unserer Zeit 37.4 (2003): 258-266.
[9]: Brandt, K. "Historical development of secondary lithium batteries." Solid State Ionics 69.3-4 (1994): 173-183.
[10]: Megahed, Sid, and Bruno Scrosati. "Lithium-ion rechargeable batteries." Journal of Power Sources 51.1-2 (1994): 79-104.
[11]: https://wfd.de/themen/lithium-abbau/
[12]: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1357771/umfrage/weltweite-produktion-von-lithium/
[13]: https://www.planet-wissen.de/technik/verkehr/elektromobilitaet/elektromobilitaet-rohstoffe-100.html
[15]: https://www.enbw.com/unternehmen/themen/elektromobilitaet/lithium-umweltfreundlich-gewinnen.html
Titelfoto: Salar de Atacama in der Atacama-Wüste im Norden Chiles (Foto: Francesco Mocellin, Salar de Atacama, CC BY-SA 3.0)
Dieser Artikel erschien zuerst auf www.faszinationchemie.de.
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