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Makromolekulare Chemie 2013

Polymersynthese und -eigenschaften Multikomponentenreaktionen Mulitkomponentenreaktionen dienen in der organischen Chemie zur effizienten Synthese. Sie haben besonders im letzten Jahr auch Einzug in die Polymerchemie gehalten (Abbildung 1).1 Die Gruppe von Meier nutzte die Passerini-Dreikompone...

Neben krebserregenden synthetischen Lebensmittelkontaminanten gibt es natürliche Inhaltsstoffe von Lebensmitteln, die erbgutverändernd und mutagen wirken, darunter die Phenylpropionide. Zu dieser Gruppe zählen Estragol (1-Methoxy-4-(2-propenyl)-benzol), Safrol (3,4-Methylendioxy-allylbenzol) und Methyleugenol (4-Allyl-1,2-dimethoxybenzol) (Abbildung 1). Sie sind Inhaltstoffe von Gewürzpflanzen wie Basilikum, Fenchel, Sternanis, Estragon, Muskatnuss und Zimt.
Das Scientific Committee on Food (SCF) der Europäischen Union klassifizierte Safrol, Estragol und Methyleugenol als gentoxische Kanzerogene. Diese Substanzen sind als Lebensmittelzusätze in der EU verboten. Seit Januar 2011 dürfen nach der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 Phenylpropanoide als natürliche Bestandteile je nach Lebensmittelkategorie 1 bis 60 mg·kg—1 nicht überschreiten. In den USA hingegen erhielten Methyleugenol und Estragol von der Flavor and Extract Manufacturers Association (Fema) den Gras-Status (generally recognized as safe), weshalb sie dort als synthetische Aromastoffe zugelassen sind.1
Im Jahr 2008 meldete das Joint FAO/WHO Expert Committee in Food Additives (JECFA) Forschungsbedarf, um das Risiko durch geringfügige tägliche Aufnahme von Phenylpropanoiden über die Nahrung, ätherische Öle und Aromastoffe zu beurteilen. Deshalb steht diese Substanzklasse im Fokus des wissenschaftlichen Interesses.2


<h2>Humane Exposition</h2>
Phenylpropanoide wie Methyleugenol und Estragol kommen zwar in Orangen, Bananen und Grapefruits vor, die Konzentrationen sind allerdings gering. Hauptaufnahmequellen für den Menschen sind Kräuter und Gewürze wie Basilikum, Estragon, Muskatnuss und Piment. Die natürlichen Gehalte sind abhängig von der geografischen Herkunft, der Sorte, von Alter und Größe der Pflanze bei der Ernte, vom Ernteverfahren, von den Lagerbedingungen und der Verarbeitung.
Der Methyleugenolgehalt kann innerhalb einer Basilikumpflanze stark variieren, wobei die Konzentration in den Blättern am höchsten ist. Im Verlauf des Pflanzenwachstums sinkt die Methyleugenolkonzentration. Da Gewürzpflanzen häufig auch andere, verwandte Phenylpropanoide enthalten und Menschen verschiedene Arten konsumieren, ist von einer Mehrfachexposition auszugehen.1 Eine weitere Quelle sind Nahrungsergänzungsmittel. Solche auf Basis von Fenchel, Basilikum oder Muskatnuss enthalten hohe Konzentrationen an Safrol, Estragol und Methyleugenol.3
Menschen nehmen täglich schätzungsweise zwischen 0,011 und 0,07 mg·kg—1 Körpergewicht Estragol auf.4 Das SCF schätzt die Aufnahmemenge an Safrol auf 0,005 mg·kg—1 Körpergewicht pro Tag,5 die JECFA gibt höhere Expositionsdaten von durchschnittlich 0,015 ·kg—1 Körpergewicht an.2 Für Methyleugenol stehen in der Literatur durchschnittliche tägliche Aufnahmemengen von 0,19 mg·kg—1 Körpergewicht6 beziehungsweise 0,01 bis 0,66 mg·kg—1 Körpergewicht.7 Für Nahrungsergänzungsmittel wurden mit Berücksichtigung der empfohlenen Tagesdosis tägliche Aufnahmemengen von Estragol, Methyleugenol und Safrol von 0,001 bis 4 mg·kg—1 Körpergewicht postuliert.
In den Expositionsabschätzungen spiegeln sich stark die unterschiedlichen Konzentrationen an Phenylpropanoiden wieder, die auf die botanische Herkunft und den Verarbeitungsprozess zurückzuführen sind. So verbirgt sich unter dem Begriff Basilikum eine Vielzahl an Arten. Das in Europa vorwiegend verzehrte süße Basilikum (Ocimum basilicum L.) enthält meist weniger als 0,2 % Methyleugenol. Die Varietät O. basilicum L. var. basilicum zeichnet sich durch einen durchschnittlichen Methyleugenolgehalt von 1,6 % aus, wohingegen die Unterart O. basilicum subsp. minimum L. Gehalte bis 55 % aufweist. Weiter haben Nahrungsergänzungsmittel auf Basis gefriergetrockneter Extrakte höhere Gehalte als durch Absieden hergestellte Präparate.3


<h2>Metabolismus der Phenylpropanoide</h2>
Phenylpropanoide unterliegen im Fremdstoffmetabolismus einer starken Transformation. Methyleugenol und Estragol werden im Magen-Darm-Trakt fast vollständig resorbiert und gelangen über die Pfortader in die Leber. Die resorbierten Dosen beeinflussen den Metabolismus dieser Verbindungen. So verschiebt sich bei Mäusen und Ratten durch eine Erhöhung der Dosis von 0,05 auf 100 mg·kg—1 Körpergewicht die O-Demethylierung der Methoxygruppen zur 1'-Hydroxylierung. Die Cytochrom-P450-(CYP450)-katalysierte 1'-Hydroxylierung zum proximalen Kanzerogen, also zu einer aktiven Zwischenstufe, und die anschließende Sulfonierung durch Sulfotransferasen (Sult) zum gentoxischen Metaboliten sind die Initiatorreaktionen des kanzerogenen Wirkmechanismus der Phenylpropanoide. Jedoch sind weitere Metabolisierungswege wie die bereits genannte O-Demethylierung, Epoxidierung und 3'-Hydroxylierung beschrieben, die Abbildung 2 am Beispiel Methyleugenol zusammenfasst.8
In Untersuchungen mit Lebermikrosomen wurden verschiedene durch CYP450-gebildete Metaboliten charakterisiert. Hauptmetaboliten sind 1'-Hydroxymethyleugenol, 3'-Hydroxymethylisoeugenol und 6-Hydroxymethyleugenol, weitere Metaboliten sind 3'-Oxomethylisoeugenol und (R,S)-2',3'-Dihydroxy-2',3'-Dihydromethyleugenol. Anders als in weiteren Untersuchungen9 wurde kein Methyleugenol-2',3'-epoxid identifiziert. Die Autoren postulierten die direkte Umsetzung des Methyleugenol-2',3'-epoxids durch mikrosomale Epoxidhydrolasen zum Dihydrodiol.8 Unterschiedliche humane CYP450- und Sult-Isoformen tragen zum Metabolismus der Phenylpropanoide bei (Abbildung 3).
Zusätzlich führt die O-Dealkylierung von Safrol über die Bildung eines 4-Allylcatechols und Oxidation zum 4-Allyl-o-chinon (Abbildung 4). Durch diesen Metabolisierungsweg entstehen reaktive Sauerstoffspezies sowie ein weiterer elektrophiler Metabolit, deren Beitrag zur Kanzerogenität des Safrols bislang unklar ist.
Darüber hinaus gibt es Speziesunterschiede in der Detoxifizierung der aktiven Metaboliten von Estragol, Methyleugenol und Safrol. Die Oxidation der 1'-Hydroxymetaboliten zum korrespondierenden 1'-Oxometaboliten scheint im Menschen die bedeutendste Reaktion für die Detoxifizierung zu sein. Dagegen läuft im Nager vorrangig die Glucuronidierung durch UDP-Glucuronosyltransferasen ab.9,10


<h2>Gentoxizität und Kanzerogenität</h2>
Bei Ratten und Mäusen, die mit Estragol, Methyleugenol und Safrol gefüttert wurden, zeigten die Substanzen eine ausgeprägte leberschädigende Wirkung (Tabelle 1). In mechanistischen Untersuchungen zur Kanzerogenität von Methyleugenol an Ratten erwies sich die Substanze aufgrund seiner DNA-Reaktivität als Initiator der Kanzerogenese.11 Diese Ergebnisse sind auf Safrol und Estragol übertragbar. Die Muttersubstanzen sowie die 1'-Hydroxymetaboliten von Estragol, Methyleugenol und Safrol und ihre Sulfatkonjugate induzieren konzentrationsabhängig DNA-Addukte in vitro und in vivo (Abbildung 5).8,11—13 Nach Inkubation der humanen Leberkrebszelllinie HepG2 war die Rate für die Bildung von DNA-Addukten, bezogen auf 108 Nukleotide, mit Methyleugenol am höchsten, gefolgt von Estragol und Safrol (alle drei Substanzen wurden in gleichen Konzentrationen eingesetzt). Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit In-vivo-Daten über die Bildung von DNA-Addukten in der Leber nach Behandlung von Mäusen mit Estragol, Safrol und weiteren natürlichen Phenylpropanide.14 
Von den bekannten oxidativen Metaboliten des Methyleugenols erhöhte 3'-Oxomethylisoeugenol die DNA-Addukt-Rate in primären Rattenleberzellen (Abbildung 4).8 Untersuchungen zur Beeinflussung der DNA-Reparatur in kultivierten Rattenleberzellen15 sowie die Induktion von DNA-Strangbrüchen und Mikrokernen in der Lungenfibroblastenzelllinie V79 stützen die Daten mechanistisch.16 Weitere zelluläre Zielstrukturen, etwa Histondeacetylasen17 und Topoisomerasen18 von Methyleugenolmetaboliten, sind beschrieben.
Inwieweit die Menge an Methyleugenol, die wir täglich aufnehmen, zu einer Hintergrundbelastung mit Methyleugenol-DNA-Addukten führt, zeigt eine aktuelle Studie an 30 Probanden. 29 Leberbiopsien zeigten einen hohen Anteil an N2-(trans-Methylisoeugenol-3'-yl)-2'-deoxyguanosin (N2-MIE-dG, Abbildung 5). N6-(trans-Methylisoeugenol-3'-yl)-2'-deoxyguanosin (N6-MIE-dA) wurden ebenfalls, jedoch in viel kleineren Mengen nachgewiesen. Die tägliche Exposition Methyleugenol führt in dem Ausmaß zu DNA-Addukten, wie für typische Hepatokanzerogene, etwa Aflatoxin B1, beschrieben.19
Insgesamt gilt die Bioaktivierung (Abbildung 2, S. 342) über die 1'-Hydroxylierung zum 1'-Hydroxymetabolit (proximales Kanzerogen), die nachfolgende Sulfonierung zum Sulfoxymetabolit und der Zerfall dieses instabilen Metaboliten zum Carbokation (ultimales Kanzerogen) als Hauptmechanismus der kanzerogenen Wirkung. Die Bildung des elektrophilen Carbokations wird assoziiert mit einer Reduktion des intrazellulären Glutathionstatus und damit verbunden einem erhöhten zellulären oxidativen Stress. Des Weiteren bindet das Carbokation an Proteine oder DNA. Die These, dass die Sulfatkonjugate und die sich spontan bildenden Carbokationen die ultimalen, also endgültigen Hepatokanzerogene sind, stützen folgende Punkte:
Eine Gabe an 1'-hydroxylierten Metaboliten der Phenylpropanoide führt dazu, dass sich die gleichen DNA-Addukte bilden, jedoch mehr als nach Gabe der Muttersubstanzen (im Gegensatz zur Muttersubstanz gibt es für 1'-Hydroxymetaboliten nur zwei Wege, wie sie im Körper weiter umgesetzt werden);
 eine Co-Exposition mit dem Sult-Hemmstoff Pentachlorphenol reduziert die Tumorrate bei Mäusen und Ratten.1,7
Die Übertragung der In-vivo-Daten auf Menschen erweist sich als schwierig, da die Substanzen im Tierversuch immer in Reinform und in hohen Dosen verabreicht wurden. Menschen verzehren Phenylpropanoide jedoch in sehr kleinen Mengen und in einer Mischung aus komplexen Lebensmitteln oder als Nahrungsergänzungsmittel auf Pflanzenextraktbasis. Die Lebensmittelmatrix enthält weitere Inhaltsstoffe, die möglicherweise die Toxizität der Phenylpropanoide beeinflussen. So unterdrücken methanolische Extrakte unterschiedlicher Phenylpropanoid-reicher Kräuter und Gewürze die Sulfonierung zu den lebertoxischen 1'-Sulfoxymetaboliten. Vor allem Flavonoide (Abbildung 6) wie Nevadensin, Quercetin, Kämpferol, Myricitin und Apigenin erwiesen sich als potente Sult-Inhibitoren mit einer Hemmwirkung im nano- bis mikromolaren Bereich, und der kombinatorische Effekt zeigte eine additive Hemmwirkung. Die genannten Flavonoide verringerten alle die DNA-Addukt-Bildung in HepG2-Zellen nach Inkubation mit 1'-Hydroxyestragol. Dabei verschob sich der Metabolismus von der Sulfonierung und Oxidation hin zur Glucuronidierung.20 In einer In-vivo-Studie an Ratten reduzierte die Gabe von 87,2 mg·kg—1 Körpergewicht Nevadensin zusätzlich zu 150 mg·kg—1 Körpergewicht Estragol die Bildung des DNA-Addukts N2-trans-Isoestragol-3'-yl-2'-deoxyguanosin (E-3'-N2-dG) um 36 %.
Physiologie-basierte Pharmakokinetik(PBPK)-Modelle (Abbildung 7) prognostizieren Adduktmengen, die sich maximal um den Faktor zwei von den In-vivo-Daten unterschieden.21 Die Autoren postulieren einen Beitrag von Nevadensin zur Modulation der 1'-Sulfonierung, basierend auf seiner potenten Hemmwirkung auf die Sult-Aktivität im nanomolaren Bereich und seiner besseren Bioverfügbarkeit, da methylierte Flavonoide im Vergleich zu den hydroxylierten Verbindungen metabolisch stabiler sind und gastrointestinal besser resorbiert werden.22,23 Zu berücksichtigen ist jedoch, das Flavonoide einem starken Phase-II-Metabolismus zu ihren korrespondierenden Glucuronsäuren und Sulfatkonjugaten unterliegen. Insgesamt zeigte das PBPK-Modell jedoch eine stärkere Hemmung des E-3'-N2-dG in der Leber des Menschen, da der Mensch im Vergleich zur Ratte in Leber und der Darm geringere UGT- und Sult-Enzymaktivitäten aufweist.21


<h2>Risikobewertung und Fazit</h2>
Für die Risikobewertung von gentoxischen Kanzerogenen empfiehlt die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) das Margin-of-exposure(MOE)-Konzept,24 das dazu dient, Prioritäten für das Risikomanagement zu setzen. MOE ist definiert als Abstand zwischen einer kanzerogenen Effektdosis, abgeleitet aus der Dosis-Wirkungsbeziehung im Tierversuch und der geschätzten humanen Exposition. Bezugspunkt ist die Dosis, die eine 10%ige Tumorinzidenz bewirkt (Benchmark Dose Lower Confidence Limit, BMDL10). Ein MOE-Wert über 10 000 zeigt eine geringe Priorität für das Risikomanagement an. Die MOE-Werte für die Reinsubstanzen Estragol, Methyleugenol und Safrol liegen alle unter 10 000 (Tabelle 2), daher besteht für alle Reinsubstanzen nach MOE-Definition Handlungsbedarf.
Nach neueren PBPK-Modellen modulieren Matrixeffekte und Effekte weiterer Lebensmittelinhaltsstoffe die Wirkung der Phenylpropanoide, und die Bioaktivierung läuft im geringeren Maße ab als nach Aufnahme der Reinsubstanzen. Die Verwendung der BMDL10-Dosen zur Kalkulation des MOE aus Tierversuchen mit reinem Estragol, Methyleugenol oder Safrol ist ein Worst-Case-Szenario, welches das Risiko für Menschen möglicherwiese überbewertet. Die in silico prognostizierten Matrixeffekte sind jedoch nicht einfach in einen MOE-Wert umzusetzen. Wenn die Verringerung der Menge an DNA-Addukten linear korreliert mit einer Abnahme der Krebsinzidenz, könnte eine neue, höhere BMDL10-Dosis für die MOE-Kalkulation verwendet werden. Dann würden sich die MOE-Werte erhöhen, für Estragol beispielsweise auf 4300 bis 7350, und es ergäbe sich eine wesentlich geringere Priorität für das Risikomanagement.21
Trotz alledem sind diese Verbindungen gentoxische Kanzerogene, in die Risikobewertung fließen sie als Stoffe ohne Schwellenwert ein. Daher und in Anbetracht der Erkenntnisse zu Methyleugenol-DNA-Addukten in humanen Leberbiopsien19 ist eine umfassende Risikobewertung dieser Substanzklasse weiterhin erforderlich.


Melanie Esselen, Jahrgang 1976, studierte von 1997 bis 2002 Lebensmittelchemie an der Technischen Universität Kaiserslautern und promovierte dort im Jahr 2006. Von 2006 bis 2009 war sie Postdoc am Institut für Angewandte Biowissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie. Im April 2010 folgte sie dem Ruf auf die Juniorprofessur Lebensmittelchemie an der TU Kaiserslautern. Dort befasst sie sich mit gentoxischen Mechanismen sowie mit dem Einfluss von Lebensmittelinhaltsstoffen auf epigenetische Prozesse. <a href="mailto:melanie.esselen@chemie.uni-kl.de">melanie.esselen@chemie.uni-kl.de</a>



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