Beruf + Karriere


<p>Seit Mai 2012 lebe ich mit meiner Frau und meinen beiden Kindern in Leeds in Nordengland. Dort promoviere ich als Stipendiat innerhalb des Initial Training Networks Nanomotion am Institut für Materialwissenschaften der Universität.</p>
<p>Ein Initial Training Network, ITN, ist ein Ausbildungsnetzwerk der europäischen Kommission und setzt sich aus Hochschulen aus mindestens drei EU-Ländern zusammen, forschende Unternehmen können sich ebenfalls beteiligen. Am ITN Nanomotion arbeiten zwölf Doktoranden und ein Postdoc, und zwar an acht Hochschulen und Unternehmen aus fünf Ländern Europas: aus Spanien, Portugal, England, Irland und Deutschland. Die Kooperationspartner arbeiten in der Regel an materialwissenschaftlichen Forschungsinstituten oder solchen, die Nanotechnik als Schwerpunkt haben.</p>
<p>Die ITNs haben zum Ziel, Forscher eines Themengebiets zu Experten auszubilden und innerhalb Europas zu vernetzen. Die Stipendiaten in einem ITN forschen an ähnlichen Themen und absolvieren während ihrer Promotion gemeinsame Termine wie Workshops und Projekttreffen.</p>
<p>Beim ITN Nanomotion geht es um Bewegung auf der Nanoskala, und dabei spielt der piezoelektrische Effekt eine Rolle. Das Netzwerk befasst sich sowohl mit gemeinsamen Methoden — ein Schwerpunkt ist die Rastersondenmikroskopie — als auch mit gemeinsamen Themen, darunter Multiferroika, biologische Piezoelektrika oder Lithiumionenbatterien. Meine Arbeit in Leeds dreht sich um magnetoelektrische Kopplung in einphasigen Multiferroika.</p>


<h2>Internationale Mobilität gefordert</h2>
<p>Nach meiner Diplomarbeit am Forschungszentrum Caesar in Bonn wurde ich auf eine Stellenausschreibung von Bosch aufmerksam, die für das ITN Nanomotion einen Doktoranden suchte. Seltsam fand ich zunächst, dass sich die Ausschreibung nur an Ausländer richtete. Dann habe ich mir dieses ITN, die Projekte im Ausland und die Stellenausschreibungen dazu genauer angesehen.</p>
<p>Für die Wissenschaftler, die in einem ITN arbeiten, gilt eine Mobilitätsregel. Nach der dürfen sie keine Stelle in dem Land annehmen, in dem sie in den letzten drei Jahren hauptsächlich gelebt haben.</p>
<p>Je mehr ich darüber nachdachte, desto interessanter und aufregender fand ich den Gedanken, im Ausland zu promovieren. Schließlich verloren meine Frau und ich die Furcht vor dem Leben im Ausland und sahen es als Chance zur persönlichen Weiterentwicklung.</p>


<h2>Was an einer Promotion in einem ITN anders ist</h2>
<p> Wissenschaftliches Niveau und zeitlicher Rahmen einer englischen Promotion in Chemie ähneln der deutschen. Allerdings sind Doktoranden in Deutschland stärker in die Lehre einbezogen, während in England Lecturer Aufgaben wie Vorlesungen und Seminare übernehmen.</p>
<p>Ein Unterschied der Promotion in einem ITN zu einer regulären Promotion sind zunächst die Projektziele. Diese werden vor Beginn der Arbeiten festgelegt und stehen bereits im Projektantrag, der an die EU-Kommission geht. Sie sollen die Teilnehmer zum zielgerichteten Arbeiten anhalten. Diese Ziele sind zwar nicht starr, legen aber das Grundkonzept der Promotion fest.</p>
<p>Außerdem stimmen sich die Projektleiter über Forschungsaufenthalte der Doktoranden und Post-Docs an den Partnerinstitutionen ab. Dies soll sicherstellen, dass ein Stipendiat unterschiedliche Methoden und unterschiedliches Fachwissen kennen lernt. Obwohl die Forschungsaufenthalte bereits im Projektantrag stehen, wird dieser Punkt flexibel gehandhabt. Einen Forschungsaufenthalt habe ich bereits an der Universität Duisburg-Essen an der ingenieurwissenschaftlichen Fakultät absolviert und werde noch an der Universität Aveiro, Portugal, an einem Forschungszentrum für Keramik und Kompositmaterialien arbeiten.</p>
<p>Während der ersten Zeit hatte ich das Gefühl, dass die Promotion im Netzwerk sich nicht von einer Arbeit ohne das Netzwerk unterscheidet. Die Kooperationen liefen nur schleppend an, es stand eher das soziale Miteinander im Vordergrund. Später begriff ich, dass dieses Miteinander, das Knüpfen von Kontakten, der wichtigste Aspekt des Netzwerks ist. Durch die gemeinsamen Termine lernen sich die Wissenschaftler des Netzwerks besser kennen, als dies beispielsweise am Rande einer Konferenz möglich ist. Wir tauschen uns immer mehr untereinander aus und profitieren von den Erfahrungen und vom Wissen der anderen und deren Kollegen. Es ist, als habe ich neben meinem eigenen Arbeitskreis einen weiteren, der sich über Europa verteilt. Vermutlich hält dieser Effekt länger an, als der durch die unmittelbaren Kooperationen durch das ITN während der Promotion.</p>
<p>In dem ITN Nanomotion stammen sieben Teilnehmer aus Europa, aus Österreich, Frankreich, Portugal, Irland sowie aus Serbien und Russland, ich bin der einzige Deutsche. Alle anderen kommen aus Indien, Costa Rica, Iran, Vietnam und Pakistan. Somit stammen lediglich 5 von 13 Teilnehmern aus EU Staaten.</p>


<h2>Leben und arbeiten in England — die Sprache</h2>
<p>Die Sprache spielte eine große Rolle bei der Entscheidung, nach Leeds zu gehen. So musste ich nicht während der Promotion eine weitere Fremdsprache erlernen. Darüber hinaus gefiel mir das Thema sehr gut und ich verstand mich von Anfang an gut mit dem Betreuer.</p>
<p>Trotz meiner Sprachkenntnisse war der Anfang in England nicht leicht. So war ich oft unsicher ob ich in einer Gesprächssituation zu pingelig oder taktlos war. Es dauerte etwa sechs Monate, bis ich herausfand, dass der kulturelle Unterschied nicht allzu groß ist. Es reicht aus, offen und freundlich aufzutreten. Dies gilt nicht nur im Umgang mit Briten, sondern auch mit Kollegen aus anderen Ländern. Der Ausländeranteil unter den Forschern dort ist hoch, sie kommen überwiegend aus Indien, Pakistan, China, aus arabischen Ländern, Ost- und Südeuropa.</p>
<p>Größere Probleme hatte ich mit dem Alltagsenglisch und dem Dialekt in Nordengland. Beides klingt gegenüber dem Schulenglisch wie eine andere Sprache. Zudem konnte ich mich oft selbst nicht gut genug ausdrücken und musste lange überlegen, um meine Gedanken präzise in Worte zu fassen. Daher verloren viele das Interesse an längeren Gesprächen mit mir.</p>
<p>Meinem älteren Sohn, der bereits in Deutschland in den Kindergarten ging, fiel es anfangs schwer, im englischen Kindergarten zurecht zu kommen oder mit anderen Kindern zu spielen. Inzwischen spricht er beide Sprachen fließend. Kinder erhalten zwar 15 kostenlose Kindergartenstunden pro Woche, sobald sie drei Jahre alt sind. Ganztägige Kinderbetreuung kostet in England aber um die 1000 Euro im Monat und ist für uns unerschwinglich, daher geht meine Frau nicht arbeiten. Dafür gibt es viele Krabbelgruppen, sodass es ihr leicht fiel, über die Kinder Anschluss zu finden.</p>
<p>Nach einem guten Jahr liefen Alltagsgespräche endlich reibungslos, und ich konnte auch präzise Fachgespräche führen. Dieses Erfolgserlebnis und die damit verbundene Selbstsicherheit sind für mich die wichtigsten Aspekte an einem längeren Auslandsaufenthalt. Ich kann nur wärmstens empfehlen, diesen Schritt zu wagen.</p>
<p>Leonard Frederic Henrichs, Jahrgang 1987, hat in Bonn studiert und dort im Jahr 2012 seine Diplomarbeit in physikalischer Chemie abgeschlossen. Seine Promotion an der Universität Leeds wird er voraussichtlich im Mai 2015 fertig stellen.</p>


<h2>Stipendien für Doktoranden in einem ITN</h2>
<p>Doktoranden, die in einem Initial Training Network arbeiten, erhalten ein Stipendium von 38 000 Euro im Jahr. Hinzu kommen eine Mobilitäts- und bei eigenen Kindern oder Ehepartner eine Familienvergütung. Dieser Betrag wird an das Preisniveau des jeweiligen Ziellandes angepasst. Für Forschungsmittel und Reisen stehen großzügige Budgets zur Verfügung. ITNs gibt es auch im neuen Forschungsrahmenprogramm der EU, Horizont 2020, sie heißen jetzt Innovative Training Networks.</p>
<p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.humboldt-foundation.de/nks/horizont_2020_innovative_training_networks.html" target="_blank">www.humboldt-foundation.de/nks/horizont_2020_innovative_training_networks.html</a></ext-link></p>



Materialwissenschaft in England

Seit Mai 2012 lebe ich mit meiner Frau und meinen beiden Kindern in Leeds in Nordengland. Dort promoviere ich als Stipendiat innerhalb des Initial Training Networks Nanomotion am Institut für Materialwissenschaften der Universität. Ein Initial Training Network, ITN, ist ein Ausbildungsnetzwerk de...


<p>Die Arbeitsbelastung ist im Chemiestudium durch Präsenzzeiten, Laborarbeit, Praktikumsberichte, Klausurvorbereitungen etc. sehr hoch, und über 40 Prozent der Chemiestudenten brechen das Studium ab (Abbildung 1). Allerdings ist meist nicht nachvollziehbar, ob diese Studierenden die Universität verlassen oder das Studienfach wechseln, daher die Bezeichnung Schwund. Gleichwohl ist Schwund für die Universität mit Kosten sowie für die Studierenden mit Zeitverlust verbunden.</p>
<p>Wie können Hochschulen dazu beitragen, die Schwundquote zu senken? Eine Frage, die sie sich hierzu stellen müssen, ist: Wie kann oder soll die Universität Studierende auswählen? Oder allgemein: Wer eignet sich für ein Chemiestudium?</p>
<p>Aus Sicht der Hochschulen wissen viele Studienanfänger zu wenig darüber, was sie in ihrem Studium erwartet. Möglicherweise informieren sie sich nicht ausreichend. Allerdings haben sie im Vorfeld kaum Gelegenheit, zu erfahren, wie es wirklich ist zu studieren.<sup>2</sup>—<sup>4</sup> Dies führt dazu, dass Studienanfänger oft realitätsferne Erwartungen an eine universitäre Ausbildung mitbringen. In der Chemie unterschätzen sie vor allem die körperlichen Anforderungen der Laborarbeit. Studierende erkennen in der Studieneingangsphase außerdem selten, in welchem Gesamtzusammenhang der Lernstoff steht. Aber gerade diese Kenntnis würde sie für das weitere Studium motivieren.<sup>5</sup></p>
<p>Hochschulzulassungsverfahren berücksichtigen vor allem das theoretische Wissen aus der Schule. Praktische Erfahrungen und Kenntnisse spielen ein untergeordnete Rolle.</p>


<h2>Die Situation an der Ludwig- Maximilians-Universität</h2>
<p>Im Bachelorstudiengang “Chemie und Biochemie” der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München lag die durchschnittliche Gesamtschwundquote bis zur Einführung eines Eignungsfeststellungsverfahrens um die 43 Prozent (Abbildung 2). Durch das Eignungsfeststellungsverfahren, das die gewichtete Abiturnote berücksichtigt (besser als 2,5), fiel die Schwundquote auf etwa 30 Prozent. In beiden Fällen bestimmen die ersten beiden Semester den Schwund. Nach dem dritten Semester brechen nur noch vier bis sieben Prozent der Studierenden das Studium ab.</p>
<p>Die LMU München nahm diesen Befund zum Anlass, um in einem Projekt den Schwund in den ersten Semestern des Chemiestudiums anzugehen. Im Jahr 2008 begann die Universität damit, das Grundpraktikum im Bachelorstudiengang Chemie und Biochemie umzugestalten.</p>


<h2>Realistischer Einblick ins Chemiestudium</h2>
<p>Die Grundidee ist, das bisherige Grundpraktikum im ersten Fachsemester aufzuteilen: Drei Wochen des Praktikums und der zugehörigen Vorlesung absolvieren die Studieninteressenten als Vorpraktikum, bevor sie sich einschreiben. Voraussetzung, um am Vorpraktikum teilzunehmen, ist die Zugangsberechtigung für den Chemiestudiengang nach positiver Eignungsfeststellung.</p>
<p>Das Vorpraktikum beginnt immer in der ersten Septemberwoche. Damit die Teilnehmer einen realistischen Einblick in das Chemiestudium erhalten, ist das Vorpraktikum zeitlich wie die späteren Semester organisiert: Vormittags hören die Teilnehmer eine zweistündige Vorlesung, nachmittags arbeiten sie im Labor. So erleben die Studierenden das Chemiestudium in einem Schnupperstudium vor der Immatrikulation und können so überprüfen, ob sie sich dafür eignen. Falls sich die angehenden Studenten nach dem Vorpraktikum gegen ein Chemiestudium entscheiden, können sie sich noch für ein anderes Studienfach einschreiben.</p>
<p>Damit sich die zeitliche Gesamtbelastung der Studierenden im ersten Semester nicht erhöht, ist das Vorpraktikum dem eigentlichen Grundpraktikum im ersten Semester zugeordnet und damit Pflicht. Das Grundpraktikum endet nun zwei bis drei Wochen vor Vorlesungsschluss (Abbildung 3, S. 832). Die Studierenden haben hierdurch am Ende des Semesters mehr Zeit, sich auf Klausuren vorzubereiten.</p>


<h2>Neu aufbereitete Inhalte</h2>
<p>Das vorgezogene Praktikum soll die Studierenden nicht nur auf den Studienalltag vorbereiten, sondern auch Voraussetzungen für die folgenden Praktika legen. Dazu zählen die Sicherheit im Labor sowie praktische Fähigkeiten.</p>
<p>Fachlicher Schwerpunkt des Vorpraktikums ist die anorganische Chemie. Die Versuche entstammen größtenteils dem alten Grundpraktikum und sind teilweise neu aufbereitet. Thematische Aufhänger sind der sichere Umgang mit Gefahrstoffen und Säure-Base-Gleichgewichte, ergänzt durch ein Skript.<sup>6</sup> In jeder der drei Wochen des Vorpraktikums steht ein anderes Thema auf dem Plan. Zum Abschluss des Vorpraktikums gibt es eine Klausur, welche die Teilnehmer freiwillig schreiben, die sie aber auf die Abschlussklausur des Grundpraktikums anrechnen lassen können.</p>
<p>Das Liebig-Lab, so heißt das neue Grundpraktikum, behandelt alle Hauptlehrbereiche der Chemie an der LMU, also anorganische, organische, physikalische Chemie sowie Biochemie. So erhalten die Studierenden einen frühzeitigen Überblick über die Gebiete der Chemie an der LMU. Inhalte und Praktikumsablauf wurden — wie im Vorpraktikum — mit Unterstützung von Lernpsychologen neu gestaltet. Dazu wurden Versuchsreihen mit ähnlichen Inhalten in sechs Themenwochen gebündelt. Die Studierenden sollen dadurch die Versuche besser einordnen können und lernen, die Erkenntnisse hinter den Versuchen zu hinterfragen. Für den Kalkkreislauf ist unter anderem Leitungswasser in München ein Aufhänger. Sicherheitsaspekte nehmen eine wichtige Position ein.</p>
<p>Insgesamt erstreckt sich das Liebig-Lab über neun Wochen an jeweils vier Nachmittagen. Da es als forschungsnahes Praktikum konzipiert ist, sind die letzten zwei Praktikumswochen einem kleinen Forschungsprojekt vorbehalten, in dem die Studierenden in Zweiergruppen selbstständig Lösungen entwickeln, durchführen und präsentieren. Die Studierenden erwerben damit frühzeitig neben fachlichen auch soziale und methodische Kompetenzen.</p>


<h2>Studierende befragt</h2>
<p>Um Verbesserungen noch während der Umstellungsphase zu ermöglichen, befragten Lernpsychologen sowohl Studierende als auch Praktikumsassistenten schriftlich und teilweise mündlich. Dabei zeigte sich schon im ersten Jahr der Umstellung eine hohe Zufriedenheit der Studieninteressenten mit dem Vorpraktikum. Die Anfänger bemängelten damals allerdings, dass die Lernziele und Anforderungen nicht klar wurden und die Vorlesung nicht genügend mit den praktischen Versuchen abgestimmt war.<sup>7</sup></p>
<p>Die letzte spezielle Evaluation des Vorpraktikums in der Projektlaufzeit fand vor Beginn des Wintersemesters 2010/2011 statt. Befragt wurden 194 Studierende mit einem Rücklauf von 46 Prozent. Hierbei hat das Vorpraktikum 86 Prozent der Befragungsteilnehmer insgesamt gut gefallen, 85 Prozent halten es für ein “empfehlenswertes Erfolgsmodell”. 90 Prozent der Studierenden glaubten, durch das Vorpraktikum eine bessere Vorstellung vom Chemiestudium bekommen zu haben, und 81 Prozent dachten, dass ihnen dadurch der Einstieg in das Grundstudium leichter fallen würde. 69 Prozent der Befragten gaben an, dass das Vorpraktikum ihnen geholfen habe zu überprüfen, ob ihre Entscheidung für das Chemiestudium richtig war.</p>
<p>Die meisten Befragten glaubten weiterhin, dass das Vorpraktikum Studienabbrüche verhindern könne. 83 Prozent stimmte der Aussage zu, dass es so seltener zu einem “Praxisschock” im ersten Semester komme. 44 Prozent der Studierenden vermuteten von sich selbst, dass sie ohne das Vorpraktikum möglicherweise einen solchen Praxisschock bekommen hätten. 96 Prozent der Befragten fanden, das Vorpraktikum sei beizubehalten.</p>
<p>Offensichtlich ist es gelungen, die Inhalte des Laborpraktikums in einen Gesamtzusammenhang einzubetten und praktische Anwendungsbezüge zu zeigen. Nur jeweils 9 Prozent stimmten diesen Aussagen nicht zu. Darüber hinaus berichteten 62 Prozent der Befragten, das Liebig-Lab habe sie für das Chemiestudium motiviert, bei 72 Prozent hat es das Interesse an der Chemie verstärkt. 68 Prozent der befragten Studierenden fanden das Forschungsprojekt motivierend, 72 Prozent gaben an, dabei viel dazu gelernt zu haben.</p>
<p>Auch die beteiligten Universitätsmitarbeiter zeigten sich zufrieden mit dem Vorpraktikum. Insbesondere die Projektleiter waren der Meinung, das Vorpraktikum erfülle seinen Zweck, auf das Studium vorzubereiten, zu motivieren und für das sichere Arbeiten im Labor auszubilden. Didaktisch und logisch sei es eine runde Sache. Die Dauer von drei Wochen empfinden sie als optimal. Auch seien die Studieninteressenten hoch motiviert, obwohl sie eigentlich noch Ferien hätten.</p>


<h2>Ergebnis der Umgestaltung</h2>
<p>Das Ziel, die Gesamtschwundquote weiter zu senken, hat die Umgestaltung bisher nur in Teilen erreicht. Die größte Wirkung hat weiterhin das Eignungsfeststellungsverfahren (EFV) mit den Schulnoten als Kriterium. Dieses reduziert die Schwundquote im Vergleich zu einem offenen Zugang zum Studium um etwa zehn Prozentpunkte (Abbildung 2). Bei den Schwundquoten mit EFV bilden ab Wintersemester 2009/10 die Teilnehmerzahlen zu Beginn des Vorpraktikums (Abbildung 4) die Bezugsbasis. Die Schwundquote der immatrikulierten Studierenden nach dem ersten Semester liegt durch das Vorpraktikum unter zehn Prozent (Abbildung 2). Dies ist insofern bemerkenswert, als ein doppelter Abiturjahrgang vorliegt. Jedoch änderte sich nichts am Anstieg der Abgänger nach dem zweiten Semester (Abbildung 2).</p>
<p>Insgesamt haben sowohl Studierende als auch Universitätsmitarbeiter die Neugestaltung des Grundpraktikums im ersten Semester begrüßt. Als zielführend bei der Vermeidung von Studienabbrüchen stuften alle Beteiligten vor allem das Vorpraktikum ein. Dem Liebig-Lab wurde dabei eine untergeordnete Rolle zugeschrieben. Denn Studierende, die nicht die notwendige Motivation für ein Chemiestudium aufbringen, werden das Liebig-Lab mit großer Wahrscheinlichkeit nicht antreten. Diese Einschätzung teilt das Bayerisches Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung, IHF.<sup>8</sup></p>
<p>Die Einbettung der einzelnen Versuche in größere Themenzusammenhänge, verbunden mit praktischen Aufhängern verdeutlicht, welche Bedeutung der Lernstoff auch für den weiteren Studienverlauf hat. Dieser Aspekt fehlt in naturwissenschaftlichen Studiengängen häufig und kann ein wesentlicher Grund dafür sein, warum die Motivation der Studierenden in der Eingangsphase so weit sinkt, dass sie einen Studienabbruch erwägen.</p>
<p>Weitere Projekte zur Reduktion der Schwundquote stehen in der Literatur.<sup>8</sup>,<sup>9</sup></p>
<p>Thomas Engel ist promovierter Chemiker und Studiengangskoordinator für Chemie und Biochemie an der LMU München.</p>


<h2>QUERGELESEN</h2>
<p>Studienanfänger haben oft keine Vorstellungen darüber, wie hoch die Arbeitsbelastung im Chemiestudium ist. Zudem können sie kaum erkennen, in welchem Gesamtzusammenhang der Lernstoff im ersten Semester steht.</p>
<p>Dies demotiviert die Studierenden und gilt mit als Grund dafür, dass viele das Chemiestudium in den ersten Semestern abbrechen.</p>
<p>Die Ludwig-Maximilians-Universität München hat das Grundpraktikum inhaltlich und organisatorisch neu gestaltet und versucht so, die Anfänger besser auf das Studium vorzubereiten und zu motivieren.</p>


<h2>Fachkräftemangel vorhergesagt</h2>
<p>Bis zum Jahr 2020 fehlen der deutschen Chemieindustrie nach einer Studie der Bonner Wirtschafts-Akademie bis zu 15 000 Fachkräfte. Diese Ansicht vertreten 41 % der befragten Personalverantwortlichen, und ebenso viele gehen von bis zu 25 000 unbesetzten Fachstellen aus. Derzeit bemerken 73 % der Chemieunternehmen allerdings keinen nennenswerten Fachkräftemangel. Dennoch sinken die Bewerberzahlen, damit einhergehend passen viele Bewerbungen nicht auf das ausgeschriebene Anforderungsprofil und etliche Anwärter verfügen nicht über die nötige Fachkompetenz. Immer öfter gehen auf ausgeschriebene Positionen überhaupt keine Bewerbungen ein.</p>


<h2>Gehalt nicht das Wichtigste</h2>
<p>Nachwuchskräften ist beim zukünftigen Arbeitgeber die Unternehmenskultur wichtiger als Gehalt oder Statussymbole. Das zeigt der branchenübergreifende “Industrie-Innovationsindex”, für den das Forsa-Institut im Auftrag des Spezialchemiekonzerns Altana 250 Manager sowie 250 Berufseinsteiger in deutschen Industrieunternehmen befragte. Lediglich für 28 % der jungen Arbeitnehmer ist ein überdurchschnittliches Einkommen entscheidend bei der Wahl des Arbeitgebers. Zu den relevanten Auswahlkriterien gehören hingegen ein kooperatives Arbeitsklima (87 %), Gestaltungsspielraum (66 %), Aufstiegsperspektiven (56 %) sowie Erfolg (47 %), Image (34 %) und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens (34 %).</p>
<p>Claudia Schierloh, Frankfurt am Main</p>


<h2>Führungskräfte wollen individuelle Weiterbildung</h2>
<p>Führungskräfte wünschen sich Weiterbildungsmaßnahmen mit individueller Beratung und Austausch in kleiner Runde. Tatsächlich besuchen sie vor allem Ein- bis Zweitagesseminare, Kurzworkshops sowie Fachkongresse und -messen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des deutschen Führungskräfteverbandes.</p>
<p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.fki-online.de/uploads/media/20131014" target="_blank">www.fki-online.de/uploads/media/20131014</a> -manager-monitor-qualifizierung_02.pdf</ext-link></p>



<ul>
<li>
<sup>1 </sup>

U. Heublein, J. Richter, R. Schmelzer, D. Sommer, Die Entwicklung der Schwund- und Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen (Statistische Berechnungen auf der Basis des Absolventenjahrgangs 2010), HIS Forum Hochschule (3) 2012. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.his.de/pdf/pubfh/fh-201203.pdf" target="_blank">www.his.de/pdf/pubfh/fh-201203.pdf</a></ext-link>.
</li>
<li>
<sup>2 </sup>

U. Heublein, C. Hutsch, J. Schreiber, D. Sommer, G. Besuch, Ursachen des Studienabbruchs in Bachelor und in herkömmlichen Studiengängen, Hannover, HIS-Projektbericht, Dez. 2009.
</li>
<li>
<sup>3 </sup>

U. Heublein, R. Schmelzer, D. Sommer, J. Wank, Die Entwicklung der Schwund- und Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen, Hannover, HIS-Projektbericht, Mai 2008.
</li>
<li>
<sup>4 </sup>

 
M. Busker, 
M. Klostermann et al., 
“<article-title>Nicht nur Schulwissen auffrischen: Vorkurse in Chemie</article-title>”, 
<source>Nachr. Chem., 
(2011), 
59, 
684–<lpage>687.</lpage>
</li>
<li>
<sup>5 </sup>

 
W. Derboven, 
G. Winker, 
<source>Ingenieurwissenschaftliche Studiengänge attraktiver gestalten, <publisher-loc>Berlin</publisher-loc>, <publisher-name>Springer Verlag</publisher-name>, (2010).

</li>
<li>
<sup>6 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri">http://</ext-link><a href="http://cup.uni-muenchen.de/study/ch/bachelor/vorpraktikum.php" target="_blank">http://cup.uni-muenchen.de/study/ch/bachelor/vorpraktikum.php</a>
</li>
<li>
<sup>7 </sup>

C. Börensen, K. Gensch, Zwischen- bericht zur Initiative “Wege zu mehr MINT-Absolventen”, München, 2009. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.ihf.bayern.de/?id=109&amp;tx_ttnews[tt_news]=1041" target="_blank">www.ihf.bayern.de/?id=109&amp;tx_ttnews[tt_news]=1041</a></ext-link>
</li>
<li>
<sup>8 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.ihf.bayern.de/18/" target="_blank">www.ihf.bayern.de/18/</a></ext-link>.
</li>
<li>
<sup>9 </sup>

K. Gensch, C. Kliegl, Studienabbruch — was können Hochschulen dagegen tun? in IHF Beiträge: Studien zur Hochschulforschung, Band 80, München, 2011. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.ihf.bayern.de/uploads/media/ihf_studien_hochschulforschung-80.pdf" target="_blank">www.ihf.bayern.de/uploads/media/ihf_studien_hochschulforschung-80.pdf</a></ext-link>
</li>
</ul>


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