Beruf + Karriere

Die Zahl der wissenschaftlichen Zeitschriften wächst unerbittlich, und sie spezialisieren sich oft auf immer kleinere Abteilungen unseres expandierenden Wissens. So ist es nur konsequent, dass auf die Titel für allgemeine Wissenschaft, allgemeine Chemie, organische Chemie und dann Naturstoffchemie jetzt auch Zeitschriften für eine bestimmte Verbindung folgen.
Eine Pionierleistung in diesem Gebiet hat das Kaffeekränzchen der Coffeinforscher erbracht — es gibt bereits seit vier Jahren das Journal of Caffeine Research (<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://online.liebert" target="_blank">http://online.liebert</a> <a href="https://pub.com/loi/JCR" target="_blank">pub.com/loi/JCR</a></ext-link>). Das Blatt erscheint viermal im Jahr, komplett mit Peer-Review, international, multidisziplinär, wie sich das gehört. Der Umfang des ersten Jahrgangs im Jahr 2011 betrug immerhin 225 Seiten, das reicht schon als Lesefutter für einige Kaffepausen. Leider ist der Umfang im Jahr 2014 auf 143 Seiten geschrumpft.
An mangelndem Medieninteresse kann das nicht gelegen haben, denn der Chefredakteur prahlt in einem Geleitwort damit, dass seine Pressemitteilungen stets auf gute Resonanz gestoßen seien. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Kaffee geht immer, damit kann jedes Publikum etwas anfangen. Und die coolen coffeinhaltigen Energy Drinks sind auch ein ganz heißes Thema. Aber vielleicht wird einfach nicht genügend Coffeinforschung geliefert, um für konstant prallen Jahrgangsumfang zu sorgen.
Dieser Eindruck entsteht, wenn ich die Artikel der letzten Ausgaben unter die Lupe nehme. Im Dezember 2014 wurde über die physiologische Wirkung von Coffein mit und ohne Zucker berichtet, und das Paper auch mit einer Pressemeldung beworben. In einer Untersuchung, die bequem in der letzten Biologiestunde vor den Schulferien durchgeführt werden könnte, maßen die Forscher nach einer wohldosierten Gabe von Zucker, Coffein oder einer Kombination von beidem den Pulsschlag von einem Dutzend Probanden, die nach eigener Auskunft einen Tag gefastet hatten.
Coffein verlangsamte den Herzschlag oder ließ ihn unverändert. Zucker beschleunigte ihn oder ließ ihn unverändert. Und die Kombination? Nun, bei fünf Versuchspersonen schlug das Herz langsamer, bei einer schneller, und bei den übrigen sechs blieb der Puls konstant. Warum die Versuchspersonen auf die Kombinationsgabe unterschiedlich reagierten, konnten die Autoren leider nicht klären. Nichts Genaues weiß man nicht, und weitere Untersuchungen sind erforderlich.
Ein anderer Beitrag im selben Heft hat immerhin ein konkretes Ergebnis zu vermelden: Wenn Kokain den Monatszyklus von Frauen durcheinanderbringt, dann kann Coffein diese unerwünschte Nebenwirkung der Droge blockieren. Warum wollen wir das wissen? Nun, offenbar gibt es Geschlechtsunterschiede bei der Anfälligkeit für Kokainsucht, und die hängen mit den Hormonen und ergo mit dem Zyklus zusammen. Und vielleicht kann ja das braune Pulver die suchtgefährdeten Frauen davor schützen, dass sie zum sehr viel teureren weißen Pulver greifen. Vielleicht auch nicht. Auch hier ist noch weitere Forschung erforderlich.
Trotz aller Begeisterung für das Molekül, das unser Herz vielleicht schneller oder langsamer schlagen lässt und Frauen eventuell vor der Kokainsucht schützt, kann ich der Zeitschrift nicht vorwerfen, dass sie einseitig für den Muntermacher wirbt. Im Gegenteil, die Kommentare im Heft werfen der amerikanischen Aufsichtsbehörde Food and Drug Administration vor, dass sie die Risiken des Coffeins — darunter Abhängigkeit, geringfügige Erhöhung des Blutdrucks sowie bei Schwangeren Verminderung des Geburtsgewichts — unter den Teppich gekehrt habe. Ein anderer Beitrag fordert strikte Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel, denen künstlich Coffein zugesetzt wird, etwa bei Energy Drinks.
Vom Verbraucherschutz bis zur Suchtforschung, von der Naturstoffchemie bis zur Neurobiochemie gibt es schon ein breites und interessantes Themenspektrum, das sich mit dem Coffeinmolekül verknüpfen lässt. Wenn die präsentierten Ergebnisse nicht immer das Aroma der besten Bohne verströmen, liegt das vielleicht daran, dass die erforderliche interdisziplinäre Forschung noch nicht so recht in Schwung gekommen ist. Gemessen daran, wie viele Forschungstreibende regelmäßig Kaffee trinken, gibt es offenbar nur wenige, die ihr Getränk und dessen Wirkung auch wissenschaftlich analysieren. Um ihre Aufmerksamkeit konkurrieren dabei natürlich auch andere Genussmittel. Es gibt wahrscheinlich etliche Journale, die dem Ethanol gewidmet sind, eines davon heißt Cerevisia, nach dem lateinischen Wort für Bier. Aber dem wenden wir uns ein andermal zu.
Michael Groß, <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.michaelgross.co.uk" target="_blank">www.michaelgross.co.uk</a></ext-link>

Neues aus der Kaffeeforschung

Die Zahl der wissenschaftlichen Zeitschriften wächst unerbittlich, und sie spezialisieren sich oft auf immer kleinere Abteilungen unseres expandierenden Wissens. So ist es nur konsequent, dass auf die Titel für allgemeine Wissenschaft, allgemeine Chemie, organische Chemie und dann Naturstoffchemi...

Neues aus der Kaffeeforschung

Überprüfung Ihres Anmeldestatus ...