Bildung & Gesellschaft

<h2>Max-Planck-Gesellschaft wirbt um Nachwuchswissenschaftlerinnen</h2><p>Die Max-Planck-Gesellschaft will den Frauenanteil in leitenden wissenschaftlichen Positionen erhöhen. Das Lise-Meitner-Exzellenzprogramm schafft bis zum Jahr 2022 bis zu zehn zusätzliche W2-Stellen pro Jahr. Dafür investiert die Gesellschaft über 30 Mio. Euro. Die Wissenschaftlerinnen leiten für fünf Jahre eine Forschungsgruppe. Danach erhalten sie nach erneuter wissenschaftlicher Prüfung eine unbefristete, tariflich vergütete Gruppenleitungsstelle. Zudem besteht die Möglichkeit, an einem Tenure-Track-Verfahren teilzunehmen. Hier erhalten die Bewerberinnen eine unbefristete W2-Stelle mit Gruppenausstattung.</p><p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://goo.gl/7CZM3K" target="_blank">goo.gl/7CZM3K</a></ext-link></p><h2>Ausgezeichnete Lehre in Aachen und Köln</h2><p>Der Stifterverband hat die RWTH Aachen und die Technische Hochschule Köln für ihre Strategie in der Lehre mit dem Genius-Loci-Preis für Lehrexzellenz 2017 ausgezeichnet. Die RWTH Aachen will 75 % der Studierenden zum Abschluss führen und hat ein entsprechendes Lehrkonzept entwickelt. Die Technische Hochschule Köln begleitet und unterstützt neuberufene Professoren dabei, ihre eigene Form der Hochschullehre zu entwickeln.</p><p>Die ausgezeichneten Hochschulen erhalten jeweils 10 000 Euro Preisgeld. In die engere Auswahl für den Preis kamen im letzten Jahr noch die Universitäten in Lüneburg und Mainz sowie die Fachhochschulen in Heidelberg und Coburg.</p><h2>Professorinnenprogramm wird fortgesetzt</h2><p>Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz verlängert das seit dem Jahr 2008 bestehende Professorinnenprogramm bis zum Jahr 2022. Bund und Länder finanzieren die dritte Phase mit 200 Mio. Euro. Für dieses Programm bewirbt sich eine Universität mit einem Gleichstellungskonzept, daraufhin fördert das Programm bis zu vier Professuren.</p><p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://goo.gl/SkfdbY" target="_blank">goo.gl/SkfdbY</a></ext-link></p><h2>Auszeichung für Elektrochemiker</h2><p>Bis zum 23. Februar nimmt die Dechema Vorschläge für die Hellmuth-Fischer-Medaille entgegen. Die Medaille zeichnet Wissenschaftler aus, die Erkenntnisse in Elektrochemie, Korrosion und Korrosionsschutz erweitert oder vertieft haben.</p><p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://dechema.de/en/hellmuthfischermedal2018.html" target="_blank">http://dechema.de/en/hellmuthfischermedal2018.html</a></ext-link></p><h2>Deutschland unter den beliebtesten Gastländern</h2><p>Spanien, Deutschland und Großbritannien sind die beliebtesten Gastländer bei Erasmus-Studenten. Mit dem Erasmus-Programm unterstützt die EU-Kommission jedes Jahr etwa 300 000 Studierende bei einem Auslandssemester. Im Jahr 2014 gingen 15 Prozent der teilnehmenden Studenten nach Spanien. Deutschland und Großbritannien wählten etwa 10 Prozent der Erasmus-Teilnehmer. Nach dem Brexit finanziert das Programm einen Aufenthalt in Großbritannien nur noch bis zum Jahr 2018. Danach müssen Gaststudenten die Studiengebühren dort selbst bezahlen.</p><h2>Forschungskooperation Absorptionsspektrometrie</h2><p>Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, BAM, in Berlin und der Spektrometerhersteller Analytik Jena arbeiten in der Forschung künftig zusammen. Schwerpunkt ist die hochauflösende Absorptionsspektrometrie für die Bestimmung von Elementspuren. Die Partner arbeiten an den Grundlagen mit dem Ziel, die Geräte weiterzuentwickeln.</p><h2>Kleine Chance auf eine Professorenstelle</h2><p>Die Zahl der Ausschreibungen auf Professorenstellen in der Chemie ist in den letzten Jahren um 20 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der Professuren in der Chemie hat dagegen zugenommen: Insgesamt 1027 Professoren lehrten und forschten im Jahr 2015 an Chemiefachbereichen der Universitäten, Junior- und Gastprofessoren mitgerechnet; im Jahr 2013 waren es 1005, und 2009, im ersten Jahr, in dem die Juniorprofessoren mitzählten, waren es 916. In der Biologie ging die Zahl der ausgeschriebenen Stellen für Hochschullehrer ebenfalls zurück, wie der Deutsche Hochschulverband meldet. Insgesamt – so hat das Statistische Bundesamt ermittelt – gibt es an Universitäten, Pädagogischen und Theologischen Hochschulen in Deutschland 22 636 Professuren, seit dem Jahr 2006 (20 161 Professuren) steigt diese Zahl. FZ</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/ilBA7UwSdOWLX6s8CWWQ"><figcaption><label>Abb. 1: </label></figcaption></figure>


Meldung

Notizen aus Forschung und Bildung

Max-Planck-Gesellschaft wirbt um NachwuchswissenschaftlerinnenDie Max-Planck-Gesellschaft will den Frauenanteil in leitenden wissenschaftlichen Positionen erhöhen. Das Lise-Meitner-Exzellenzprogramm schafft bis zum Jahr 2022 bis zu zehn zusätzliche W2-Stellen pro Jahr. Dafür investiert die Gesell...

Prof.Dr.

<p>Einig ist sich eine Mehrheit der Menschen in einem diffusen Unbehagen an der Chemie. Aber wie ist es umgekehrt mit dem Unbehagen der Chemiker? Gemeint ist ein dreifaches Unbehagen: an der Gesellschaft, an den Nachbardisziplinen und, ja, leider auch am eigenen Fach.</p>
<p>Jeder Chemiker kennt es: Ausdrücke wie chemisch oder synthetisch erzeugen in der Öffentlichkeit Unbehagen oder stoßen auf Ablehnung. Der Begriff Natur ruft demgegenüber positive Assoziationen hervor. Mit dem Schlagwort „garantiert ohne Chemie“ kann geworben werden, weil es eine gesündere Lebensweise zu versprechen scheint. Mit strenger Überprüfbarkeit hat das nichts zu tun, und angesichts solch eklatanten Verkennens der Fakten erscheint das Unbehagen der Chemie an der Gesellschaft begründet.</p><p>Über diese Skepsis vieler Mitmenschen ließe sich trefflich diskutieren. Das Problem ist, dass sie sich weit über die Chemie hinaus als genereller Vorbehalt gegenüber Neuem und gegenüber Forschung – als der Suche nach Neuem – äußert. Nehmen wir diese Stimmung, die den Rahmen für unsere Arbeit in Forschung und Lehre abgibt, genügend ernst? Dann los, wehren wir uns gegen den populären oder gar populistischen Kokolores, der heute in so vielen Bereichen Unbehagen erzeugt, Freiheit einengt oder sich als postfaktisch tarnt.</p><p>Vor allem sollten wir nicht wider besseres Wissen vor Ideologen einknicken – nach dem Motto: ohnehin nicht durchsetzbar –, sondern vertreten, dass wir in jedem Fall belegbare Fakten und damit Forschung brauchen, die ja das Wissen schafft, und dass wir uns nicht nur in Bedenken oder dem Wunsch nach einer risikofreien Welt ergehen können.</p><h2>Die lieben Nachbarn</h2><p>Das zweite Unbehagen der Chemiker betrifft ihr Verhältnis zu den Nachbardisziplinen. Ist die Chemie, wenn es etwa um populäre Großprogramme, wo locker Millionen abgezockt werden, oder das Stühlerücken für Exzellenzcluster geht, als scheinbar reife Disziplin in die Defensive geraten oder gar überflüssig geworden? Oder umgekehrt gefragt: Fällt der Chemie dafür genügend Großes ein?</p><p>Viele, auch die GDCh, holen dann das Schlagwort von der Chemie als der „enabling science“ hervor. Ob man nun „enabling science“ negativ als Hilfswissenschaft für andere Disziplinen konnotiert oder positiv im Sinne eines Möglichmachers und Türöffners: Am Ende der Suche nach Relevanz für die Chemie landet man doch bei den üblichen Verdächtigen wie Gesundheit, Energie oder Wasser. Aber wird dann die Chemie noch als Innovationspartner ernst genommen oder nur als Stofflieferantin?</p><p>Drei Beispiele: Der Pharmakologe ist es, der am Ende Formulierung und Testung des neu synthetisierten Wirkstoffs durchführt, der Physiker ist es, der den organischen Farbstoff als Halbleiter in den Feldeffekttransistor einbaut, und der Ingenieur ist es, der das sulfonierte Polyetherketon zur protonenleitenden Membran der Brennstoffzelle verarbeitet. Das klingt, was die Rollenverteilung und den Mehrwert am Ende angeht, ziemlich einseitig. Es ändert aber nichts an dem, was diese Partnerschaften dringend brauchen: neue Strukturkonzepte für Wirkstoffe, Halbleiter und Membranen.</p><p>Das Handwerk und die Kunst der Synthese werden eine Kernaufgabe der Chemie bleiben. Biologen und Physiker sehen dies mit Respekt und fragen gerne nach, was synthetisch möglich ist und was die Stärke einer verlässlichen Struktur-Eigenschaftskorrelation ausmacht. Wir brauchen für eine solche Korrelation – und das gilt für alle Stoffklassen – definierte Stoffe, damit es nicht heißt: „Sie wissen nicht genau, was sie messen, messen es aber sehr genau.“</p><h2>Selbstverständnis der Chemie</h2><p>Nun zum dritten Unbehagen der Chemie: das an sich selbst. Denn was ist der übergreifende Plan der Chemie und was soll sie forschen?</p><p>Die akademische Freiheit steht über allem. Ein Forscher muss das tun, was ihm wichtig erscheint und was er gut kann. Wer Drittmittel will, muss sich der Überprüfung durch die Kollegen stellen. Aber ein Forscher, der sich entschieden hat, nach dem zu fragen, was seine Stoffe können, also nach ihrer Funktion, der muss zweierlei klarstellen:</p><p>Erstens spricht er für sich selbst und nicht als Vordenker der Nation. Und zweitens: Diese Frage zielt nicht zwingend auf „Anwendung“. Mit einiger Berechtigung spricht man von anwendungsoffener Grundlagenforschung, aber Grundlagenforschung kann nicht unmittelbar markt- oder gar profitorientiert sein. Anwendung macht Grundlagenforschung nicht besser, aber Anwendung ist dennoch ein legitimes Ziel von Forschung.</p><h2>Eine stoffliche Welt und die Aufgabe der Chemiker</h2><p>Auch die Biologie und die Physik existieren in einer stofflichen Welt. Ich berufe mich auf eine Zitat von Eijii Kobayashi von Panasonic: „Those who control materials, control technology“. Somit gibt es weder neue Biomedizin noch neue Technologien, erst recht keine Energietechnologien ohne neue Stoffe. Diese müssen aber synthetisiert werden, und es ist der Chemiker, der das kann.</p><p>Was Chemiker für den Eintritt in die Materialforschung brauchen, ist ein Strukturbegriff, der in Komplexität und Längenskala weit über das Molekül in verdünnter Lösung hinausgeht, also vom Atom bis zum makroskopischen Werkstück. Diese komplexen Überstrukturen – unter Einschluss vieler schwacher intermolekularer Wechselwirkungen – und nicht die Molekülstrukturen allein sind verantwortlich für die Funktionen, die wir suchen. Und „Funktion“ erschließt sich nicht in einem vereinzelten Spektrum sondern in einem komplexen System mit fortschreitender Integration seiner Komponenten. Zumeist geht es um Festkörper und Grenzflächen, oft nicht einmal um deren Perfektion, sondern vielmehr um deren Defekte, etwa bei der Katalyse. Im Blick auf den Festkörper und ein Defect Engineering übrigens ist die Anorganik der Organik weit voraus.</p><h2>Materialforschung: Chemie und/oder Ingenieure?</h2><p>Wenn Synthese und Verarbeitung von Stoffen eine Einheit bilden: In welcher Weise soll oder muss sich die Chemie an die Ingenieurwissenschaften binden? Es ist klar, dass eine Entwicklung irgendwann zur ingenieurwissenschaftlichen Ebene des Systems vordringen muss, aber die Chemie kann auch vorher den Aufbruch zu Neuem suchen. Drei Beispiele von Materialforschung, halb Wunsch, halb Wirklichkeit sollen dies illustrieren.</p><p>Erneuerbare Energien: Energiespeicherung für mobile Anwendungen braucht Batterien und Superkondensatoren. Energiespeicherung im Großmaßstab hingegen geht nicht elektrisch, sondern bevorzugt mit energiereichen Stoffen, und die wiederum gibt es nicht ohne Katalyse. Aber selbst wenn wir alle Aspekte einer Wasserstofftechnik beherrschten, wird es keine allgemeine Elektromobilität geben, wenn wir für jede Brennstoffzelle einige Gramm Platin als Katalysator für die Sauerstoffreduktion einsetzen. Es zeichnen sich aber Kohlenstoffnanostrukturen ab, die den Fähigkeiten des Platins als Katalysator zumindest gleichkommen und deutlich billiger sind. Der Gedanke an Kosten klingt profan, aber es geht eben nicht um Energie allein, sondern um bezahlbare Energie.</p><p>Gentherapie: Für eine DNA-Transfektion sind Vektoren, etwa Viren, nötig. Klinisch getestet werden Adenoviren, die aber, abhängig von den Rezeptoren, nicht in Tumor- oder auch Stammzellen gehen. Doch dies funktioniert, wenn man sie durch Wechselwirkung mit chemischen Nanoteilchen, den Dendrimeren, zur Aggregation bringt. Diese Dendrimere haben in separaten Flecken lokalisierte Oberflächenladungen wie Albumine. Ihre Wirkung auf die Viren zu verstehen, beruht somit auf der physikalisch-chemischen Beschreibung der Solvat- und Aggregatstrukturen. Ist es nicht spannend zu sehen, wie viele Kompetenzen unter einem erweiterten Strukturbegriff zusammenkommen müssen, um wirklich komplexe Funktionen wie Nanoteilchen-Virus-Zell-Wechselwirkung, gezielt herzustellen?</p><p>Synthese: Die einen sagen, dass eine auf Silicium aufbauende CMOS-Technologie die gedruckten Schaltungen noch lange beherrschen werde. Andere behaupten, dass die weitere Miniaturisierung neue Halbleiter erfordere. Verfilmbare Graphennanostreifen könnten eine Alternative sein, weil sie die hohe Ladungsträgermobilität des Graphens mit einer geöffneten Bandlücke verbinden. Aber jemand muss sie synthetisieren.</p><h2>Interdisziplinarität – aus Partnerschaft</h2><p>Ich hatte einen Professor, der sagte: „Wenn mir jemand von Zusammenarbeit redet, halte ich mir die Taschen zu.“ Diese Zeiten sind vorbei. Wir müssen den Zusatzwert suchen, der aus Zusammenarbeit und aus Interdisziplinarität entsteht; in der Chemie und darüber hinaus. Unterschiedliche Begriffswelten sollten wir einander erklären und nicht als Herrschaftswissen missbrauchen. Der Chemiker sollte nicht zum Laienmediziner oder Hobbyphysiker denaturieren müssen, um als Innovationspartner ernst genommen zu werden.</p><p>Wer also ist Koch und wer Kellner? Ich sage: Der Chemiker ist der Koch. Aber das hat in meinem Bild, entgegen unserer Spruchweisheit, nichts mit Streit um Wichtigkeit oder um den Stern in der Autorenliste zu tun, sondern mit Partnerschaft und ihrer stofflichen Basis.</p><p>Der Chemiker Klaus Müllen war von 1989 bis 2016 Direktor am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. In den Jahren 2008 und 2009 war er Präsident der GDCh. Über die Aufgaben der Chemiker in einer stofflichen Welt schrieb und sprach Müllen bereits mehrfach, etwa in „Chemie in einer Welt der Materialien“ [Angew. Chem. 2015, 127, 10178] oder als Präsident der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte bei der GDNÄ-Tagung 2014 in Mainz unter dem Titel „Ist die Zukunft schwarz?“ [s. auch: Naturwissenschaftliche Rundschau 2015, 68, Heft 10].</p>

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