Blickpunkt


<p>Im Jahr 2010 hat die chemische Industrie Österreichs nach dem Einbruch von 2008/09 das Comeback geschafft. Diesen Schwung hat sie auch ins Jahr 2011 mitgenommen. Das vergangene Jahr ist für die Chemie gut gelaufen. Einem recht dynamischen ersten Halbjahr folgte ein zweites Semester mit zwar etwas schwächerem, aber doch zufrieden stellendem Wachstum. Insgesamt ergab sich ein deutliches Umsatzplus. In den Zahlen finden sich aber Preissteigerungen für Vormaterialien wieder, die die Industrie zwangen, ihre Produktpreise anzuheben.</p>


<h2>Anorganische Chemie stark, Pharma schwächer</h2>
<p>Die Teilsparten profitierten in unterschiedlichem Ausmaße vom Konjunkturaufschwung. Anorganische Chemikalien zogen besonders kräftig an, sie legten um 31 % im Umsatz zu. Stark waren auch Chemiefasern mit 23 %, Kunststoffwaren, Kautschukwaren und Kunststoffe mit 19, 17 bzw. 16 % Umsatzplus. Zuwächse im einstelligen Bereich meldeten Lacke, Industriegase, Seifen-, Wasch- und Putzmittel sowie Agrochemikalien. Das Branchenschwergewicht Pharma lief dagegen nicht so gut, es stagnierte.</p>
<p>Zugelegt hat auch der Außenhandel mit Chemiewaren. Die Branche profitierte von der engen Verflechtung mit der Konjunkturlokomotive Deutschland, in die rund ein Viertel der Exporte gehen.</p>
<p>Die Ausfuhren stiegen um 8,5 % insgesamt. Neben Deutschland war die Nachfrage aus Belgien, Schweden, Polen, Tschechien, Rumänien und der Schweiz stark. Stark angezogen hat auch der Export in die Türkei, in die Ukraine, nach Brasilien, Südkorea und China. Nachgefragt wurden vor allem anorganische Chemikalien, Chemiefasern, Kautschukwaren und Kunststoffe.</p>
<p>Die Außenhandelsbilanz war bei Importen von 19,1 Mrd. Euro geringfügig negativ.</p>


<h2>Konjukturstütze Binnenmarkt</h2>
<p>Auch der Heimmarkt entwickelte sich robust und war damit eine zusätzliche Stütze der Konjunktur. Die Investitionen wurden im Vorjahr nur leicht ausgeweitet. Für das laufende Jahr sind wieder kräftigere Zuwächse geplant.</p>
<p>Die gute Chemiekonjunktur wirkte sich auch auf den Arbeitsmarkt aus. Die Unternehmen stellten zusätzliches Personal ein. Insgesamt stieg der Mitarbeiterstand um zirka 3 %.</p>
<p>Grundsätzlich sieht die Chemie das Jahr 2012 positiv, wenn auch nicht mehr in so hellem Licht wie das abgelaufene Jahr. Sie rechnet mit einem geringfügigen Umsatzplus. Allerdings ist die allgemeine Wirtschaftsentwicklung derzeit von einer Reihe von Unwägbarkeiten geprägt, nicht zuletzt durch die Unsicherheit auf den Finanzmärkten. Sollten diese schlagend werden, ergibt sich rasch ein anderes Bild.</p>
<p>Der promovierte Jurist Johann Pummer ist stellvertretender Geschäftsführer des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs.</p>



Artikel

Österreichs Chemiewirtschaft bleibt zuversichtlich

Im Jahr 2010 hat die chemische Industrie Österreichs nach dem Einbruch von 2008/09 das Comeback geschafft. Diesen Schwung hat sie auch ins Jahr 2011 mitgenommen. Das vergangene Jahr ist für die Chemie gut gelaufen. Einem recht dynamischen ersten Halbjahr folgte ein zweites Semester mit zwar etwas...


<p>Die Karosserie des Trabbi bestand aus Baumwollgewebe in Phenolharz, also aus einem faserverstärkten Kunststoff. Das wurde lange belächelt, doch die gewichtssparende Idee erlebt zurzeit im Fahr- und Flugzeugbau eine Renaissance: Leichtere Verkehrsmittel verbrauchen weniger Sprit. Außerdem sind die neuen faserverstärkten Kunststoffe, die statt Baumwolle meist Fasern aus Glas, Kohlenstoff oder aromatischen Polyamiden enthalten, so stabil, dass sie den Vergleich mit Metall nicht scheuen müssen.</p>
<p>In Sachsen-Anhalt, wo die Kunststoffindustrie eine lange Tradition hat, setzen viele Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf die zukunftsträchtigen Leichtbaumaterialien und ihre vielfältigen Anwendungen.</p>


<h2>Helme für alle</h2>
<p>Schuberth in Magdeburg produziert aus faserverstärkten Kunststoffen Spezialhelme für Feuerwehrleute, Polizisten, Soldaten und Bauarbeiter; sogar für Formel-1-Piloten wie Fernando Alonso und Michael Schuhmacher. Deren Helme sind maßgeschneidert und im hauseigenen Wind- und Akustikkanal entwickelt. Das Unternehmen exportiert in 55 Länder und produziert jährlich 1,5 Millionen Helme, davon 200 000 für Motorradfahrer. Angesichts dieser Zahl klingt es erstaunlich, was Marketingleiter Marc-Thorsten Lenze sagt: “85 Prozent der Prozesse bei uns sind Handarbeit.” Allein das Aufkleben des Dekors kann eine halbe Stunde dauern.</p>


<h2>Windräder: Stahl und Kunststoff</h2>
<p>Auch in Rotorblättern für Windkraftanlagen steckt viel Handarbeit. Fünf Autominuten von Schuberth entfernt sitzt die Rothenseer Rotorblattfertigung, die zu Enercon gehört, dem größten deutschen Hersteller von Windkraftanlagen. In Magdeburg produziert das Unternehmen 47 Meter lange Rotorblätter aus glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK). Die Matten werden zwar halbautomatisch zugeschnitten, aber von Hand in der Form ausgelegt, wo sie in mehreren Etappen in einem Vakuuminfusionsverfahren mit Polyurethanharzen und Härtungsmitteln getränkt werden. “Wir benötigen vom Auflegen der ersten Gewebe bis zum Endbeschichten gut vier Tage”, erklärt Geschäftsführer Volker Ziem. Da GFK relativ flexibel sind, besteht das erste Drittel des Rotorblatts aus Stahl. Die Verstärkung verhindert, dass das Blatt bei starkem Wind am Rotor anschlägt.</p>


<h2>Die Komposit-Experten</h2>
<p>Metalle und faserverstärkte Kunststoffe, aber auch GFK und kohlefaserverstärkte Kunststoffe (CFK oder Carbon genannt) lassen sich noch nicht optimal miteinander verbinden. Das liegt unter anderem daran, dass Carbon bei Erwärmung schrumpft, während sich die meisten anderen Materialien ausdehnen. Damit die Verbindung trotz der bei Temperaturwechsel auftretenden Spannungen dauerhaft hält, werden die Materialien aufwendig verklebt, erklärt Jürgen Häberle, Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Er ist auch Geschäftsführer des angegliederten Zentrums für Faserverbunde und Leichtbau (ZFL) in Haldensleben. Das ZFL versteht sich als wissenschaftlicher Dienstleister für die Industrie, bietet aber auch Fortbildungen an.</p>
<p>Seit Oktober gibt es an der Hochschule Magdeburg-Stendal auch einen dualen Studiengang “Maschinenbau/Composite-Technologie”, der Studium und Ausbildung in einem Unternehmen kombiniert. Die Absolventen verlassen die Hochschule als Ingenieur mit Bachelor-Abschluss und als Facharbeiter “Verfahrensmechaniker Kautschuk- und Kunststofftechnik”.</p>
<p>Auf dem Arbeitsmarkt werden sie gefragt sein, denn Faserverbundwerkstoffe sind vielfältig einsetzbar. Der Automobilzulieferer IFC Composite aus Haldensleben produziert sogar Gelenkwellen und Blattfedern für Transportfahrzeuge aus Verbundwerkstoffen. Auf der Internationalen Automobilausstellung 2011 präsentierte das Unternehmen die weltweit erste GFK-Blattfeder für einen 40-Tonner. Sie wiegt 17 Kilogramm und damit fast 50 Kilogramm weniger als eine vergleichbare Stahlfeder. Außerdem halte sie länger und dämpfe die Abrollgeräusche der schweren LKW besser, sagt IFC.</p>
<p>Die faserverstärkten Kunststoffe sind zwar leicht und stabil, erfordern aber spezielle Verarbeitungsverfahren. Die Auslieferung der neuen Boeing 787, deren Rumpf aus Carbon besteht, hatte sich deswegen um drei Jahre verzögert. Beim klassischen Fräsen etwa zerfaserte das Leichtbaumaterial so stark, dass die Ingenieure erst neue Techniken entwickeln mussten.</p>
<p>Die Leichtbaubranche hat ohne Frage Potenzial, aber nicht nur das Zentrum für Faserverbunde und Leichtbau hat noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit vor sich.</p>
<p>Uta Neubauer ist freie Wissenschaftsjournalistin in Bad Soden am Taunus.</p>


<h2>Nachrüsten?</h2>
<p><b>Frage 60:</b> Ich habe in meinem Unternehmen einen neuen Stoff entwickelt, der derzeit reges Interesse bei Impfstoffherstellern findet. Für den Stoff und seine Verwendung habe ich ein internationales Patent angemeldet, welches kürzlich offengelegt wurde. Neben dem in der Anmeldung geschilderten Herstellungsverfahren habe ich nun ein weiteres Verfahren zur Herstellung dieses Stoffes entwickelt. Ich frage mich jetzt, ob ich das neue Verfahren noch in die laufende Patentanmeldung aufnehmen kann?</p>
<p><b>Antwort:</b> Eine anhängige Patentanmeldung darf nie in einer Weise erweitert werden, die Schutz für ursprünglich nicht offenbarte Ausführungsformen bietet. Nach der Einreichung einer Patentanmeldung ist daher keine Möglichkeit mehr gegeben, ein anderes Verfahren “nachzumelden” (mit einer Ausnahme, s. u). Sie könnten natürlich Ihr Verfahren zum Gegenstand einer neuen Patentanmeldung machen. Fraglich ist allerdings, ob eine solche Anmeldung ihr Geld wert wäre. Üblicherweise ist der aus Verfahrenspatenten resultierende Schutz in der Praxis gering, weil der Patentinhaber die Beweislast für die Verletzung trägt [<i>Nachr. Chem.</i> <i>2006</i>, 54, 997 und 1108]. Darüber hinaus ist aus Ihrer bisherigen Patentanmeldung bereits ein guter Schutz für den Stoff selber und für dessen Verwendung gegeben, welcher unabhängig von dem verwendeten Herstellungsverfahren ist. Von daher würde ein zusätzliches Verfahrenspatent frühestens in 18 Jahren relevant werden.</p>
<p>Allerdings wäre schlimmstenfalls denkbar, dass ein Dritter dieselbe Verfahrenserfindung macht, dafür ein Patent bekommt und Ihnen damit Probleme macht. Dieser Dritte hätte natürlich dieselben Beweisprobleme wie Sie. Könnte er allerdings beweisen, dass Sie das Verfahren nutzen, dann könnte er unter Umständen die Benutzung untersagen. Davor schützt Sie in Deutschland das Vorbenutzungsrecht [<i>Nachr. Chem. 2006, 54</i>, 1221]. Ein derartiges Vorbenutzungsrecht gibt es allerdings nicht in allen Ländern, insbesondere nicht in den USA. Um die Gefahr einer derartigen Patentierung eines Dritten zu begrenzen könnten Sie das neue Herstellungsverfahren in einem beliebigen Journal publizieren. Sie könnten es aber auch im Rahmen einer Bescheidserwiderung beim Patentamt erwähnen. Dieses wäre dann, weil die Akteneinsicht jedermann frei steht, Stand der Technik gegen Dritte, auch wenn dieser nur schwer zu finden ist.</p>
<p>Eine andere Variante ergibt sich aus dem Patentrecht der USA: Sie könnten Ihr neues Verfahren dort als “Continuation in Part Application” einreichen. Es handelt sich hierbei um die Möglichkeit eine bereits existierende Patentanmeldung tatsächlich zu ergänzen und auf diese Ergänzung auch Schutz zu erhalten. Die Anmeldung wird rechtlich als neue Anmeldung angesehen. Die Kosten hierfür liegen grundsätzlich in der Größenordnung einer neuen US-Anmeldung. Damit hätten Sie das Verfahren in den USA beschrieben, könnten in den USA sogar Ansprüche daraus geltend machen und hätten für alle anderen Länder Dritten die Möglichkeit verbaut, für das Verfahren noch ein Patent zu bekommen.</p>



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