Blickpunkt


<p> Für eine offene und kooperative akademische Wirkstoffforschung und Laborchemie müssen die Daten für jedermann verfügbar sein, also quelloffen. Solche Open-Access-Datenbanken erfordern flexible Werkzeuge, welche die Daten verarbeiten und damit Wissen gewinnen. In Chemoinformatik und Wirkstoffforschung treten dabei typische Arbeitsabläufe auf:</p>
<p><list list-type="order">
<list-item>
</list-item></list></p><p>Daten filtern, transformieren und migrieren</p>

<list-item>
<p>Informationssuche wie Struktur-, Reaktions-, Pharmakophor- oder objektrelationale Datensuche</p>
</list-item>
<list-item>
<p>Datenanalysen wie Statistik, Clustering oder an Struktur-Wirkungsbeziehungen orientiert auf Basis maschinellen Lernens.</p>
</list-item>
<p></p>


<h2>Das CDK-Taverna-Projekt</h2>
<p>Eine Chemoinformatik-Workflowlösung kombiniert Open-Source-Projekte wie die Workflowumgebung Taverna,1) die Chemoinformatikbibliothek Chemistry Development Kit (CDK)2) und die Datenbankerweiterung Pgchem::Tigress.<sup>3</sup> Mit dem kompletten CDK-Taverna-Projekt4) lassen sich Arbeitsabläufe in der Chemoinformatik grafisch erstellen und ausführen sowie erstellte Workflows veröffentlichen.</p>
<p>Das Projekt enthält über 160 verschiedene Arbeitseinheiten (Prozessoren). Darunter sind Prozessoren zum Laden und Speichern von Molekülen in Formaten wie MDL MOL/SD-Files, Smiles, CML, InchiTM. Andere Prozessoren berechnen Moleküleigenschaften, führen Clusteranalysen durch und filtern Moleküle mit Substruktursuchen. Zudem enthält das Projekt Prozessoren für den Zugriff auf Moleküldatenbanken: das Datenbankmanagementsystem PostgreSQL mit der Open-Source-Erweiterung Pgchem::Tigress für Datensätze mit bis zu einer Million Moleküle.</p>


<h2>Workflows teilen und anwenden</h2>
<p>Die Website myExperiment5) stellt eine virtuelle Forschungsumgebung bereit, mit der sich wissenschaftliche Workflows gemeinsam nutzen lassen. Das Design der Plattform ist von Web 2.0 inspiriert: Nutzer diskutieren über Workflows oder machen sie anderen zugänglich — unabhängig von der Workflowumgebung. Neben der Website bietet myExperiment ein Plug-in für Taverna. Dieses ermöglicht die Suche, das Betrachten und das Laden von veröffentlichten Workflows innerhalb von Taverna (Abbildung 1).</p>
<p>Beispiele für die Anwendung des CDK-Taverna-Projekts finden sich im Folgenden in Moleküleigenschaftsberechnungen oder der Wirkstoffforschung.</p>


<h2>Kurierungsprobleme und Moleküleigenschaften</h2>
<p>Um Softwarebibliotheken und Daten verschiedener Datenbanken zu validieren, wurden Methoden des CDK analysiert, die Atomtypen identifizieren. So sind während der Datensatzverarbeitung Kurierungsprobleme erkennbar. Probleme dieser Art können durch das Speichern von chemisch falsch kodierten Molekülen entstehen. Beispielsweise speichern Datenbanken manchmal Stickstoffatome innerhalb einer Nitrogruppe als fünfbindigen Stickstoff. Damit ist das Molekül falsch kodiert und molekulare Eigenschaftsberechnungen liefern falsche Ergebnisse. Die Validierung zeigte, dass es dem CDK an Atomtypen schwerer Atome mangelt, das Kit sich jedoch sehr gut für Naturstoffe und organische Moleküle eignet.</p>
<p>Die Pgchem::Tigress-Datenbankerweiterung ermöglicht neben dem Speichern und Indexieren von Molekülen das Berechnen von Moleküleigenschaften wie der Molmasse. Damit lassen sich Molmassenverteilungen für verschiedene Datenbanken erstellen und innerhalb eines CDK-Taverna-Workflows nutzen.</p>


<h2>Diversitätsanalyse</h2>
<p>Für eine Diversitätsanalyse einer proprietären, also nichtöffentlichen, und zweier Open-Source-Datenbanken wurden mit dem CDK molekulare Deskriptoren berechnet (Abbildung 2, S. 41). Ein Fuzzy-logic-Algorithmus (ART2a) erlaubte dabei mit freier Klassenzahl schnell zu klassifizieren. Die Analyse zeigte ähnliche chemische Räume für Naturstoffdatenbanken und davon abgegrenzte Räume für Nicht-Naturstoffdatenbanken. Die Diversitätsanalyse ergab zudem weiße Flecken in der proprietären Datenbank. Das bedeutet, dass sie die Anwendungsdomäne (Naturstoffe, Pharmaka etc.) dort nicht gut abdeckt. So lassen sich viele Chemoinformatikprobleme mit quelloffenen Programmen bearbeiten.</p>
<p><b>Thomas Kuhn</b> ist promovierter Chemiker und Applikationsmanager bei Bayer Business Service in Leverkusen. Der promovierte Chemiker <b>Christoph Steinbeck</b> ist Team Leader Chemoinformatics and Metabolism beim European Bioinformatics Institute in Cambridge. <b>Achim Zielesny</b> ist Professor für Chemie, Chemoinformatik und Bioinformatik an der Fachhochschule Gelsenkirchen.</p>


<h2>— — — Quergelesen</h2>
<p>Die quelloffenen Bibliotheken Taverna und Chemistry Development Kit meistern zusammen mit der Open-Source-Datenbankerweiterung Pgchem::Tigress immer wiederkehrende Arbeitsabläufe der Chemoinformatik.</p>
<p>Das aus den drei Komponenten bestehende Projekt CDK-Taverna bearbeitet Datensätze mit bis zu einer Million Molekülen.</p>
<p>Einmal erstellte Workflows dokumentieren die Arbeiten und sind die Basis für weitere Tätigkeiten.</p>


<h2>— — — CDK-Taverna auf einen Blick</h2>
<p>Taverna und das CDK-Taverna-Plug-in laufen auf den Betriebssystemen Windows, Linux sowie Mac. CDK-Taverna ist unter der LGPL-Lizenz veröffentlicht. Die CDK-Taverna-Version 0.5.1 nutzt die Taverna-Version 1.7.1. Verbesserungswürdig an diesem System sind das User-Interface und die komplizierte Installation: Nach der Installation von Taverna muss die CDK-Taverna-Plug-in-Seite zu Tavernas Plug-in-Manager hinzugefügt werden. Innerhalb des Plug-in-Managers ist nun die CDK-Taverna-Version zur Installation wählbar. Nach der Installation ist Taverna neu zu starten.</p>


<h2>— — — Kurz notiert</h2>


<h2>Fachbegriffe übersetzen</h2>
<p>Bei Fachbegriffen liefern Online-Wörterbücher wie <a href="https://dict.leo.org" target="_blank">dict.leo.org</a> oft nur unbefriedigende Ergebnisse für Übersetzungen vom Deutschen ins Englische oder umgekehrt. Die Seite <a href="https://linguee.de" target="_blank">linguee.de</a> kann da mehr. Sie enthält etwa 100 Millionen Satzbeispiele, die im Internet in Deutsch und Englisch vorliegen — insbesondere aus wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsberichten. Die Suche in Linguee liefert nun die angewendete Vokabel. Der Nutzer sieht also nicht nur das übersetzte Wort allein, sondern auch im Satzzusammenhang mit Quellenangabe und kann dadurch leichter entscheiden, ob der Übersetzungsvorschlag passt. Erweiterungen auf Französisch, Italienisch und Spanisch sind für nächstes Jahr geplant.</p>
<p> <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.linguee.de" target="_blank">www.linguee.de</a></ext-link></p>
<p><i>Axel Schunk, Berlin</i></p>


<h2>Zufällige Teilstücke liefern Wirkstoffkandidaten</h2>
<p>Die Software Molblaster generiert aus Molekülen (mathematische Graphen) Populationen zufälliger Teilstrukturen. Mit bestimmten dieser Fragmente lässt sich in Datenbanken nach Substanzen suchen, aus denen sich Wirkstoffkandidaten für die medizinische Chemie ergeben.</p>
<p>Zwischen biologisch ähnlich aktiven Molekülen existieren Beziehungen der Substrukturen. Diese sind durch den Vergleich ihrer Fragmentpopulationen ermittelbar. Die Fragmente werden dabei durch randomisiertes Löschen von Bindungen der einzelnen molekularen Graphen erzeugt. Der Informationsgehalt von Fragmenten ist für eine bestimmte Substanzklasse ermittelbar. So lässt sich für jede mögliche Klasse aktiver Substanzen eine geringe Zahl (10 bis 40 Substrukturen) von klassencharakteristischen Signaturfragmenten identifizieren.</p>
<p><i>José Batista, b-it Life Science Informatics</i></p>


<h2>Gemessen und verlinkt</h2>
<p>Primärdaten, also Messdaten aus Experimenten, lassen sich wie Zeitschriftenartikel veröffentlichen. Zusammen mit der Technischen Informationsbibliothek (TIB) Hannover ermöglicht der Thieme-Verlag die Publikation von Primärdaten, zunächst in den elektronischen Zeitschriften Synthesis und Synlett. Mitarbeiter der TIB bereiten dafür die Daten auf und vergeben einen Digital Object Identifier (DOI). Davon profitieren Wissenschaftler, die Primärdaten erheben oder Daten anderer für eigene, Arbeiten nutzen möchten. Die Daten werden dauerhaft gespeichert, durch die DOI-Vergabe zugänglich, recherchierbar, zitierfähig und verlinkbar. So greifen Wissenschaftler im Internet nicht nur auf einen Artikel, sondern auch auf die begleitenden Daten zu.</p>
<p> <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.thieme-connect.de" target="_blank">www.thieme-connect.de</a></ext-link></p>


<h2>Interaktive Lehre</h2>
<p>Ein ein interaktives elektronisches Unterrichtssystem verhalf Theodor Dingermann, Universität Frankfurt am Main, möglicherweise zum Sieg beim Wettbewerb des Studentenmagazins Unicum um den Titel Professor des Jahres in der Kategorie Naturwissenschaften/Medizin. Vor zwei Jahren hatte er ein TED-Abstimmungssystem mit 75 Handgeräten für den Unterricht angeschafft. Damit lässt sich das gelehrte Wissen wie bei Zuschauerumfragen im Fernsehen abfragen [Nachr. Chem, 2008, 56, 1145]. Bezahlt hatte Dingermann das System mit dem Preisgeld zum Preis für exzellente Lehre, den er von der 1822-Stiftung zwei Jahre zuvor erhalten hatte. Dingermanns Studenten wissen sein Engagement zu schätzen, wie sie Unicum erzählten: ”Seine Vorlesungen sind extrem spannend gestaltet und zeigen insbesondere einen Überblick über aktuelle Entwicklungen. Er versteht die Begeisterung an seinem Fach auf die Studenten zu übertragen.“</p>



<ul>
<li>
<sup>1 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://taverna.sourceforge.net" target="_blank">http://taverna.sourceforge.net</a></ext-link>.
</li>
<li>
<sup>2 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://cdk.sourceforge.net" target="_blank">http://cdk.sourceforge.net</a></ext-link>.
</li>
<li>
<sup>3 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://pgfoundry.org/projects/pgchem" target="_blank">http://pgfoundry.org/projects/pgchem</a></ext-link>.
</li>
<li>
<sup>4 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://cdk-taverna.de" target="_blank">http://cdk-taverna.de</a></ext-link>.
</li>
<li>
<sup>5 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.myexperiment.org" target="_blank">www.myexperiment.org</a></ext-link>.
</li>
</ul>


Artikel

Open‐Source‐Workflows

Für eine offene und kooperative akademische Wirkstoffforschung und Laborchemie müssen die Daten für jedermann verfügbar sein, also quelloffen. Solche Open-Access-Datenbanken erfordern flexible Werkzeuge, welche die Daten verarbeiten und damit Wissen gewinnen. In Chemoinformatik und Wirkstofffors...


<h2>Lesezeichen für alle</h2>
<p>Den Anfang machten Lesezeichendienste. Wer mehr als einen Rechner nutzt, kennt das Problem: Man hat eine interessante Website als Lesezeichen (Favorit, Bookmark) gespeichert — nur leider sitzt man nun an einem anderen Computer ohne Zugriff darauf. Lesezeichendienste speichern die Favoriten im Internet und machen sie so von jedem Rechner aus abrufbar. Der für diese Dienste verwendete Begriff Social Bookmarking zeigt, dass die Idee weiter geht: Lesezeichen lassen sich auch mit auf der Plattform registrierten Freunden teilen oder für die Allgemeinheit freigeben.</p>
<p>Um das Sammeln zu erleichtern, gibt es Erweiterungen für den Webbrowser, die Lesezeichen nach Klick online speichern. Schlagworte (tags) und Beschreibungen bezeichnen die Fundstücke näher und machen sie sortierbar. Auf eine Sortierung in Ordner oder Verzeichnisse verzichten diese Dienste üblicherweise.</p>
<p>Die größeren Bookmarking-Dienste wie Delicious1) und Mr. Wong2) verfügen durch hohe Nutzerzahlen über große Archive mit bewerteten und verschlagworteten Lesezeichen. Daher sind sie eine Alternative zu regulären Websuchen. Um mit diesen Diensten Daten zu suchen, ist im Gegensatz zum Speichern von Lesezeichen keine Registrierung nötig. Inzwischen finden sich auch Lesezeichen zu chemischen Themen in diesen Archiven.</p>


<h2>Geteilte Literatur</h2>
<p>Es gibt Online-Dienste, mit denen sich Fundstellen aus Fachpublikationen sammeln lassen. Üblicherweise extrahieren diese Systeme automatisch alle bibliografischen Daten, wenn eine Publikation im Internet in die eigene Literaturliste aufgenommen wird. Auch diese Literaturlisten sind mit anderen teilbar.</p>
<p>Die Plattform Bibsonomy3) erlaubt, an einem gemeinsamen Ort im Internet sowohl Lesezeichen als auch Literaturstellen zu sammeln. Diese werden jedoch getrennt behandelt: Lesezeichen führen direkt zu der entsprechenden Website, Literaturstellen leiten zum Zitat und dem Abstract weiter. Das Zitat lässt sich in verschiedenen Formaten anzeigen, und die Daten können im Bibtex- oder Endnote-Format exportiert werden.</p>
<p>Der von Springer gesponserte Dienst CiteULike4) beschränkt sich auf Literaturstellen, von denen laut Betreiber über drei Millionen im System zu finden sind. Nutzer sortieren ihre Literaturzitate mit Schlagworten und können die Zitate in vielen Formaten exportieren. In Anwendergruppen lässt sich ein gemeinsamer Literaturpool anlegen. Die Gruppen stehen entweder jedem offen oder erfordern eine Einladung. Anhand der nutzereigenen Bibliothek schlägt die Plattform automatisch weitere, potenziell interessante Veröffentlichungen vor. Interessierte können zudem Rezensionen schreiben.</p>
<p>Connotea5) ist die Plattform der Nature Publishing Group zum Sammeln von Literaturstellen. Über eine Browser-Erweiterung erfassen Nutzer Publikationen per Klick und extrahieren die bibliografischen Daten. Die Fundstücke können sie mit einer Beschreibung kommentieren und verschlagworten. Sie entscheiden dabei, ob eigene Literaturlisten privat bleiben oder ob sie die Listen mit Kollegen oder der Öffentlichkeit teilen. Für eigene Publikationen kann sich ein Nutzer als Autor kenntlich machen. Auch ein Datenexport ist möglich.</p>


<h2>Viele Wege zum Ziel</h2>
<p>Für das Speichern von Internet-Lesezeichen und Literaturstellen gibt es inzwischen mehrere kostenlose Dienste mit ähnlichem Funktionsumfang. Entscheidungshilfe bei der Wahl des richtigen Dienstes liefert die Frage, wo eventuell bereits Kollegen registriert sind und welche Oberfläche mehr zusagt. Das eigene Literaturverzeichnis vom Internet aus zu erreichen und mit anderen Wissenschaftlern zu teilen, erlauben alle vorgestellten Plattformen.</p>
<p>Der promovierte Chemiker <b>Björn Lippold</b> arbeitet als Redakteur bei <a href="https://Chemie.de" target="_blank">Chemie.de</a> Information Service in Berlin. <a href="mailto:lippold@chemie.de">lippold@chemie.de</a></p>



<ul>
<li>
<sup>1 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://delicious.com" target="_blank">http://delicious.com</a></ext-link>.
</li>
<li>
<sup>2 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://www.mister-wong.de" target="_blank">http://www.mister-wong.de</a></ext-link>.
</li>
<li>
<sup>3 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://www.bibsonomy.org" target="_blank">http://www.bibsonomy.org</a></ext-link>.
</li>
<li>
<sup>4 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://www.citeulike.org" target="_blank">http://www.citeulike.org</a></ext-link>.
</li>
<li>
<sup>5 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://www.connotea.org" target="_blank">http://www.connotea.org</a></ext-link>.
</li>
</ul>


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