Blickpunkt


<p>Um einen Stoff bei der europäischen Chemikalienagentur Echa für Reach zu registrieren, bildeten Hersteller und Importeure eines Stoffs ein Konsortium, teilten Daten sowie Kosten und reichten das technische Dossier ein. Kosten entstehen für die physikochemischen und toxikologischen Tests, für die Administration des Konsortiums und für Berater, die oft das Dossier erstellen.</p>
<p>Nach Ablauf der Registrierungsfrist für Tonnagen von mehr als 1000 Tonnen pro Jahr im Dezember 2010 veröffentlichte die Echa die Inhalte der Dossiers im Internet. Eine Suchfunktion ermöglicht, auf die Informationen zur Stoffbewertung zuzugreifen, damit Fakten zur Chemikaliensicherheit für jedermann zugänglich sind.</p>


<h2>Leere Dossiers und Datenklau</h2>
<p>In den Jahren von 2010 bis 2013 tauchten neben den korrekt registrierten Dossiers Konkurrenz- und Phantomdossiers auf. Diese sind entweder datenfrei oder enthalten von den Internetseiten der Echa kopierte Informationen. Solche individuellen Dossiers sind nach Artikel 11 der Reach-Verordnung illegal.</p>
<p>Betrüger haben ein Schlupfloch entdeckt: Das Reach-IT-System lässt alle Dossiers zu, wenn sie die automatische Vollständigkeitsprüfung erfolgreich durchlaufen haben und die Registrierungsgebühr an die Echa entrichtet wurde. Nach Artikel 20(2) umfasst die Vollständigkeitsprüfung keine Beurteilung der Qualität der vorgelegten Daten. Dies bedeutet, dass sogar ein Dossier, das nur Punkte und Leerzeichen enthält, die Vollständigkeitsprüfung besteht. Bezahlt der Einreicher die Registrierungsgebühr, erteilt die Echa eine Registriernummer dafür. Dies verzerrt den Wettbewerb, da es Unternehmen ermöglicht, Stoffe auf den Markt zu bringen, ohne relevante Daten zur Stoffsicherheit vorzulegen und ohne sich an den Kosten eines gemeinsamen Dossiers zu beteiligen.</p>
<p>Zwar steht in Echas Rechtsbelehrung vor der Nutzung des Stoffinformationsportals, dass die veröffentlichten Daten urheberrechtlich geschützt sind, in Datenklau mischt sich Echa jedoch nicht ein. Sie verweist bei Beschwerden auf die nationalen Gerichtshöfe.</p>
<p>Artikel 30 bezieht sich auf die Datenteilung für Stoffe, die bereits registriert sind: Für Wirbeltierversuche “müssen” Unternehmen Daten und Kosten teilen, für andere Tests “können” sie dies tun. In der Praxis bedeutet dies, dass die ersten Registranten die Arbeit und die Kosten haben. Spätere Registranten kopieren die Daten vom Echa-Informationsportal. Anschließend bezahlen sie anteilig nur für den einen oder anderen Tierversuch.</p>
<p>Ein Beispiel ist Holzkohle (EG-Nr. 240—383—3), für die neben dem Hauptdossier mittlerweile 35 individuelle Dossiers eingereicht und registriert wurden. Dies ist für Reach-konforme Industrievertreter inakzeptabel. Der federführende Registrant hat Echas Entscheidung, diese illegalen Dossiers anzunehmen, unter der Fallnummer A-022-2013 angefochten. Die Entscheidung steht noch aus.</p>
<p>Über 250 derartige Fälle sind sowohl der Echa wie auch den nationalen Vollzugsbehörden — in Deutschland ist das die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin — seit dem Jahr 2011 bekannt.<sup>1</sup> Die Echa geht den Betrugsfällen nicht nach, sondern folgt ihren eigenen Routinen: den “dossier compliance checks”. Diese Prüfungen beschränken sich auf die Dossiers der federführenden Registranten und auf Opt-out-Dossiers (siehe Kasten).<sup>2</sup> Individuelle Dossiers prüft die Echa nicht und den nationalen Vollzugsbehörden fehlt die Rechtsgrundlage, um hier einzugreifen.</p>


<h2>Streit über Datenteilung</h2>
<p>Ein beunruhigender Fall liegt Echas Widerspruchskammer zur Entscheidung vor: der Streitfall zur Datenteilung einer Vanadiumverbindung (A-017—2013). Echa hatte einem Unternehmen das Recht zugesprochen, auf die Daten des Vanadiumdossiers zuzugreifen, ohne dass es sich an den Kosten für die Erstellung beteiligen musste.</p>
<p>Mindestens 74 ähnliche Fälle liegen bei der Holzkohle vor (Fall DSH 30—3-xxxx-2013 vom 3. April 2014): Echa hatte zahlungsunwilligen Co-Registranten den Zugriff auf die Originaldaten des Dossiers des federführenden Registranten gewährt. Jeder Co-Registrant hatte dafür nur einen Betrag zu zahlen, der zwei Größenordnungen geringer war als die eigentlich erforderliche Zugangsbescheinigung gekostet hätte (25 000 Euro). Für einen solchen Letter of Access sehen die meisten Konsortialverträge vor, die Gesamtkosten des Dossiers (Tests, Berater, Verwaltung etc) durch die Zahl der Co-Registranten zu teilen.</p>
<p>Echa begründet sowohl die Entscheidungen bei der Vanadiumverbindung als auch die zur Holzkohle mit einem Mangel an Transparenz der Kostenteilungsmodelle. Allerdings sind die Kostenteilungsmodelle der seriösen Industriekonsortien durchaus transparent und sehen nicht vor, dass sich Unternehmen zu Ungusten späterer Registranten am letter of access bereichern. Aber in diesen beiden Fällen legten es nichtseriöse Berater darauf an, den Preis zu drücken.</p>


<h2>Konsequenzen für die Industrie</h2>
<p>Leere Dossiers und individuelle Dossiers, die unrechtmäßig kopierte Daten des Hauptdossiers enthalten verzerren den Wettbewerb zu Ungunsten der Reach-konformen Registranten. Echas Haltung, jegliche Dossiers zu akzeptieren, solange die Registriergebühr bezahlt ist, reizt Betrüger, die Kosten- und Datenteilung zu umgehen. Zudem ist es so möglich, gefährliche Stoffe auf den Markt zu bringen, ohne Daten zur Stoffsicherheitsbewertung vorzulegen. Das Risiko, dabei erwischt zu werden, liegt bei maximal 5 %, denn nur bei 5 % der eingereichten Dossiers wird nach Artikel 41(5) die Datenqualität geprüft. Das Risiko ist noch geringer, da die Echa nach bisheriger Praxis nur die Dossiers der federführenden Registranten und Opt-out-Dossiers prüft.</p>
<p>Der Streit um Urheberrechtsverletzungen und faire Kostenteilung muss vor nationalen Gerichtshöfen ausgetragen werden. Daher ist die finanzielle und administrative Hemmschwelle für die Konsortien groß, die Betrüger rechtlich verfolgen lassen wollen. Dies unterminiert den Willen Reach-konformer Registranten, weiter in Reach oder Aktualisierungen ihrer Dossiers zu investieren.</p>
<p>Industrieverbände sind sich dieser Missstände bewusst.<sup>3</sup> Die Verbände versuchen bislang erfolglos, die Europäischen Generaldirektionen sowie das Forum der Behörden der Mitgliedstaaten, die für die Durchsetzung der Reach-Verordnung zuständig sind, zum Umdenken zu bewegen.</p>


<h2>Forderungen an Reach</h2>
<p>Um die Situation zu entschärfen, sollte entsprechend Artikel 11 das Reach-IT-System keine individuellen Registrierungsdossiers akzeptieren.</p>
<p>Individuelle Dossiers müssen wissenschaftlich begründet sein und auf ihre Rechtmäßigkeit hin von der Echa auch nachträglich geprüft werden.</p>
<p>Nach Artikel 10(a) muss der Registrant im rechtmäßigen Besitz der Daten sein. Daher sollte für individuelle Dossiers ein entsprechender Nachweis gefordert und erbracht werden — auch nachträglich.</p>
<p>Bei bereits existierenden individuellen Registrierungen für einen Stoff, bei dem ein Hauptdossier vorliegt, sollte Echa generell die Datenqualität prüfen.</p>
<p>Echa muss die Befugnis erhalten, Registriernummern abzuerkennen.</p>
<p>Die Echa sollte die Möglichkeit schaffen und nutzen, Unternehmen die nicht Reach-konform sind, anzuzeigen.</p>
<p>Die nationalen Vollzugsbehörden sollten ihren Teil tun, um illegale individuelle Registranten dazu zu bewegen, sich dem Hauptregistranten anzuschließen.</p>
<p>Bernd Friede, promovierter Chemiker, ist Corporate Reach Compliance Manager bei Elkem in Norwegen. <a href="mailto:bernd.friede@elkem.no">bernd.friede@elkem.no</a></p>


<h2>Glossar zu Reach</h2>
<p><i>Reach</i>: Die europäische Chemikalienverordnung (EG) 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe trat im Jahr 2007 in Kraft.</p>
<p><i>Echa</i>: Bei der europäischen Chemikalienagentur müssen Hersteller und Importeure Stoffdossiers einreichen. Sie können dazu Konsortien bilden und gemeinsam einen Stoff registrieren lassen.</p>
<p><i>Opt-out-Dossiers</i> sind solche, bei denen ein Hersteller oder Importeur bei manchen Informationen aus dem Konsortium ausschert und Teile des Dossiers separat einreicht.</p>
<p><i>Artikel 5</i> führt die Konsequenzen einer Nichtregistrierung vor Augen: Ohne Daten kein Markt.</p>
<p><i>Artikel 10(a)</i> sieht vor, dass der Registrant im rechtmäßigen Besitz der Daten ist.</p>
<p><i>Artikel 11</i> erlaubt eine Registrierung pro Stoff, die der federführende Registrant einreicht. Dieses Prinzip heißt Osor (one substance one registration). Es soll Tierversuche einschränken und verhindern, dass eine Vielzahl voneinander abweichender Dossiers für denselben Stoff eingereicht wird.</p>
<p><i>Artikel 20 (2)</i>: Bestimmte Felder müssen Einträge enthalten, egal von welcher Qualität.</p>
<p><i>Artikel 30</i> regelt die Datenteilung bei Stoffen, die bereits registriert sind.</p>
<p><i>Artikel 41(5)</i>: 5 % der eingereichten Dossiers sind auf Vollständigkeit zu prüfen.</p>



<ul>
<li>
<sup>1 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://echa.europa.eu/documents/10162/13639/alternatives_test_animals_2011_en.pdf" target="_blank">http://echa.europa.eu/documents/10162/13639/alternatives_test_animals_2011_en.pdf</a></ext-link>.
</li>
<li>
<sup>2 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://echa.europa.eu/documents/10162/13631/guidance_on_data_sharing_en.pdf" target="_blank">http://echa.europa.eu/documents/10162/13631/guidance_on_data_sharing_en.pdf</a></ext-link>
</li>
<li>
<sup>3 </sup>

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.antimony.com/files/cms1/splash/press-release-osor-principle-may-2014---final.pdf" target="_blank">www.antimony.com/files/cms1/splash/press-release-osor-principle-may-2014---final.pdf</a></ext-link>.
</li>
</ul>


Artikel

Registranten sind beunruhigt

Um einen Stoff bei der europäischen Chemikalienagentur Echa für Reach zu registrieren, bildeten Hersteller und Importeure eines Stoffs ein Konsortium, teilten Daten sowie Kosten und reichten das technische Dossier ein. Kosten entstehen für die physikochemischen und toxikologischen Tests, für die...


<p>Umweltverschmutzung und steigende Wassertemperaturen durch den Klimawandel verringern den Sauerstoffgehalt in Ozeanen, Küstengebieten, Fjorden, Lagunen und eben auch in Seen. Es kommt zu Fischsterben durch Sauerstoffmangel, und Zonen, in denen kaum noch Organismen überleben können, breiten sich aus.<sup>1</sup> Um mehr über die Veränderungen der Sauerstoffgehalte in Seen in der Vergangenheit zu erfahren, haben wir Übergangsmetalle wie Mangan und Eisen in Sedimenten des Zürichsees untersucht.<sup>2</sup></p>


<h2>Sedimente als Archive der Seegeschichte</h2>
<p>Die wasserhaltigen Schlämme, welche die Sedimente am Seegrund bilden, bestehen aus verschiedensten mineralischen und organischen Bestandteilen. Die Partikel stammen entweder aus der Wassersäule selbst, sind also Plankton-, Algen- und Bakterienreste sowie Ausfällungen, zum Beispiel Kalk, kommen aus Zuflüssen, die Bodenpartikel und Planzenmaterial enthalten, oder sind Staub aus der Luft. Dadurch bilden sich Sedimentablagerungen, deren Zusammensetzung sich typischerweise mit der Jahreszeit ändert. Diese millimeterdünnen saisonalen Lagen, Warven<sup>3</sup>, ähneln den Jahresringen in Baumstämmen. Eine helle Lage bildet sich im Frühling und im Sommer, wenn massenhaft Kalk im Seewasser ausfällt. Diese alterniert mit einer dunklen Lage, die reich an organischer Substanz ist und die jeweils im Herbst und im Winter entsteht. Zusammen entsprechen eine helle und eine dunkle Lage somit einem Jahr.<sup>2</sup> Durch diese jahreszeitlichen Ablagerungen lassen sich die Sedimente datieren.</p>


<h2>Probennahme von Seesedimenten</h2>
<p>Sedimentkerne, die ungestörtes Material vom Seegrund enthalten, erhält man mit einem modifizierten Schwerelot (short gravity corer), das aus einem PVC-Rohr und einem Gewicht besteht (Abbildung 1). Da der Schlamm sehr wasserreich ist, dringt das Rohr allein durch das Eigengewicht in das Sediment ein und füllt sich.</p>
<p>Im Labor werden die Kerne seitlich aufgeschnitten und geteilt, wobei das weiche Sedimentmaterial im Rohr bleibt, was die Lamination des Seesediments intakt hält. Vor den Untersuchungen müssen die Kerne noch trocknen.</p>


<h2>Studienobjekt Zürichsee</h2>
<p>Der Zürichsee entstand wie die meisten Schweizer Seen am Ende der letzten Eiszeit vor etwa 18 000 Jahren und ist an seiner tiefsten Stelle 137 m tief. Der See durchmischt sich in der Regel im Frühling, wenn die komplette Wassersäule bei etwa 4 °C keine Dichtegradienten aufweist und starke Winde die Bewegung der Wassermasse unterstützen. Durch die Durchmischung reichert sich im Tiefenwasser Sauerstoff an, den Abbauprozesse des organischen Materials aufzehren. Aufgrund dieser Prozesse ergibt sich ein Zyklus aus sauerstoffreichen und sauerstoffarmen oder -freien Zeiten im tiefen Seebecken.</p>
<p>Die Sauerstoffgehalte im Zürichsee hat die Wasserversorgung Zürich seit 1936 monatlich in 19 verschiedenen Tiefen erfasst und dokumentiert. Damit steht ein außergewöhnlicher Datensatz zur Verfügung, um sedimentäre Sauerstoffindikatoren zu entwickeln und zu testen.<sup>2</sup></p>


<h2>Sensitivität von Mn und Fe gegenüber Sauerstoff</h2>
<p>Mn und Fe gehören zu den redoxsensitiven Elementen.<sup>5</sup> Durch die Oxidation mit Sauerstoff bildet sich FeIII bzw. MnIV, in der Folge fallen Oxide, Hydroxide, Phosphate oder Karbonate aus und lagern sich ab. Durch Reduktion unter Sauerstoffarmut entstehen FeII und MnII, die beide wasserlöslich sind. Somit ergibt sich ein Zyklus aus Ablagerung und Auflösung von Fe- und Mn-Verbindungen, abhängig vom Sauerstoffgehalt des Bodenwassers.<sup>5</sup> Allerdings ist dieses vereinfachte Bild durch Reaktionen, Umwandlungsprozesse und Mineralphasen komplizierter. So wird ein großer Teil des Fe nicht durch Redoxreaktionen beeinflusst. Dies trifft anscheinend auch für den Zürichsee zu, denn partikuläres Fe im See wird mit Bodenpartikeln eingewaschen, wodurch Redoxzyklen es nur bedingt beeinflussen.<sup>6</sup></p>
<p>Um das Mn/Fe-Verhältnis richtig zu interpretieren, ist die größere Sensitivität von Mn für Redoxprozesse zu berücksichtigen.<sup>7</sup>,<sup>8</sup> Mn wird schneller als Fe reduziert und somit bevorzugt mobilisiert. Dadurch sinkt das Mn/Fe-Verhältnis unter sauerstoffarmen Bedingungen. Oxidierende Bedingungen erhöhen wiederum das Mn/Fe-Verhältnis, da Mn-Verbindungen ausfallen.<sup>5</sup></p>


<h2>Röntgenfluoreszenzmessungen an Sedimentkernen</h2>
<p>Elemente wie Mn und Fe lassen sich mit einem Röntgenfluoreszenz-Kernscanner (Avaatech XRF core scanner, Abbildung 2, S. 1096) bestimmen, der am Departement Erdwissenschaften der ETH Zürich in Betrieb ist.<sup>9</sup> Diese Geräte analysieren Elemente mit Atommassen zwischen Aluminium und Uran in Sedimentkernen schnell, zerstörungsfrei und hoch aufgelöst. Allerdings erhält man nur relative Konzentrationen, da Wassergehalt, Gehalt an organischen Substanzen und Korngröße die Analyse der Elemente beeinflussen.<sup>9</sup></p>
<p>Der Aufwand der Probenaufbereitung für die Elementbestimmung ist gering: Die Kernoberfläche wird gereinigt und geglättet und mit einer 4 μm dicken Folie bedeckt. Die Rhodium-Röntgenröhre mit Anregungsenergien von 10 und 30 kV wird für jeweils 30 Sekunden betrieben, dabei liegt die Ortsauflösung bei 0,3 mm. Durch diese Auflösung erfassen acht bis zehn Messpunkte bei einem Zürichseekern ein Jahr.<sup>2</sup></p>


<h2>Saisonalität von Mn, Fe und Ca im Zürichsee</h2>
<p>Die XRF-Daten eines Sedimentprofils von der tiefsten Stelle im See (137 m) zeigten zyklisches Verhalten von Mn, Fe und Ca (Abbildung 3).2) Während das Ca-Signal die Kalkausfällung durch Algenwachstum im Frühling und Sommer anzeigt, fallen die Mn-Maxima auf die Frühjahrsmonate, auf Zeiten erhöhter Sauerstoffkonzentration im Tiefenwasser. Dies deutet darauf hin, dass Mn-Verbindungen ausfallen.<sup>2</sup></p>
<p>Anders als beim Mn liegen die Maxima beim Fe-Gehalt im Herbst und im Winter.<sup>2</sup> Frühere Studien über die Partikeldynamik im Zürichsee haben gezeigt, dass ein zweites Fe-Maximum im Sommer auftreten sollte,<sup>6</sup> in den vorliegenden XRF-Daten ist dies aber nicht erkennbar. Eine Erklärung dafür ist, dass der hohe Gehalt an Karbonat im Sediment (20 bis 80 %) während des Sommers das Fe-Signal verdünnt und somit das zweite Fe-Maximum unterdrückt.<sup>2</sup></p>
<p>Verdünnungseffekte bei XRF-Messungen lassen sich durch Bildung von Elementverhältnissen korrigieren.<sup>9</sup></p>


<h2>Mn/Fe-Verhältnis als Indikator für Sauerstoff</h2>
<p>Die Mn/Fe-Werte im Sedimentkern folgen den Trends der Sauerstoffmessdaten, die Maxima im Mn/Fe-Verhältnis korrelieren mit den Maxima der Sauerstoffdaten.<sup>2</sup> Diese Korrelation deutet darauf hin, dass dieses Verhältnis ein Indikator für den Sauerstoffgehalt im Tiefenwasser ist — trotz der vielfältigen Redoxprozesse und die dadurch größere Variabilität als bei den Sauerstoffdaten.</p>
<p>Die Sauerstoff-Messreihen wie das Mn/Fe-Verhältnis zeigen, dass die Sauerstoffgehalte im Tiefenwasser vor 1955 durch den erhöhten Eintrag von Nährstoffen wie Stickstoff- und Phosphorverbindungen (Eutrophierung) sehr gering waren (Abbildung 4). Dies verbesserte sich mit dem Bau von Kläranlagen, und so stiegen ab Ende der 1960er Jahre auch die Sauerstoffkonzentrationen im Seewasser wieder.<sup>10</sup> Die Abnahme der Sauerstoffgehalte seit den späten 1980er Jahren hängt mit den steigenden Durchschnittstemperaturen in der Region zusammen, die eine Folge des Klimawandels sind. Die Temperatur des Oberflächenwassers im Zürichsee stieg zwischen den 1950er und den 1990er Jahren um durchschnittlich 0,24 K pro Dekade.<sup>12</sup> Höhere Temperaturen vermindern generell die Mischung im See, der See stagniert dadurch zunehmend, und schlussendlich gelangt weniger Sauerstoff ins Tiefenwasser.<sup>12</sup>,<sup>13</sup></p>
<p>Der Sedimentkern zeigt laminierte Ablagerungen bis ins Jahr 1895,<sup>2</sup> wodurch der neue Sauerstoffindikator auch für die Zeit vor Beginn der kontinuierlichen Sauerstoffmessungen im Jahr 1936 angewendet werden kann. Die Mn/Fe-Verhältnisse deuten auch für diesen Zeitraum auf generell sehr niedrige Sauerstoffgehalte hin, was wohl mit der frühen Eutrophierung des Zürichsees zusammenhängt, die durch massive Algenblüten in den Jahren 1896 und 1898 dokumentiert ist.<sup>14</sup></p>


<h2>Räumliche Variation des Mn/Fe-Verhältnisses</h2>
<p>Unsere Untersuchungen an Kernen in geringeren Wassertiefen (135 m, 123 m) zeigen, dass die Variabilität des Mn/Fe-Verhältnisses dort abnimmt oder komplett verschwindet und somit auch nicht mehr mit den Sauerstoffkonzentrationen der untersuchten Wassertiefen zusammenhängt.<sup>2</sup> Nach früheren Studien kann es in Seentypen mit ähnlichem Sauerstoffgehalt wie dem Zürichsee zu einer geochemischen Fokussierung kommen,<sup>15</sup> wobei die wiederholte Oxidation und Reduktion von redoxsensitiven Elementen zum Transport beispielsweise von Mn in größere Wassertiefen führt. Dies würde erklären, weshalb das Mn/Fe-Verhältnis als Sauerstoffindikator nur im tiefsten Seebecken funktioniert. Eventuell führt auch Sedimentmobilisierung zu einer weiteren Fokussierung der untersuchten Elemente.</p>


<h2>Anwendung des Sauerstoffindikators</h2>
<p>Die Ergebnisse für den Zürichsee sind auf weitere Seen übertragbar. Durch die Fokussierung<sup>15</sup>,<sup>16</sup> ist das Mn/Fe-Verhältnis allerdings nur an der tiefsten Stelle eines Sees als Sauerstoffindikator aussagekräftig.<sup>2</sup> Außerdem muss der See eine zyklische Anreicherung von Sauerstoff aufweisen, denn falls der See dauerhaft mit Sauerstoff angereichert ist, kommt es nicht zu einem Transport von Mn in größere Wassertiefen. Ein dauerhaftes Sauerstoffdefizit würde dagegen die Bildung von Mn-Ablagerungen verhindern oder deren Auflösung verursachen.</p>
<p>Weitere Studien in anderen Seen sind notwendig, um mehr über die Dynamik von Mn/Fe-Verhältnissen gegenüber Sauerstoff zu erfahren, sowie dessen Aussagekraft und generelle Anwendbarkeit als Indikator für den Sauerstoffgehalt in Seen zu erfassen.</p>
<p>Sebastian Näher, Jahrgang 1984, hat Geologie an der Universität Mainz und der ETH Zürich studiert und in organischer Geochemie promoviert. Derzeit arbeitet er mit einem DFG-Forschungsstipendium als Postdoktorand an der Curtin University in Perth, Australien. Die vorgestellte Arbeit war ein Bestandteil seiner Dissertation an der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut der ETH, und am Institut für Biogeochemie und Schadstoffdynamik (IBP) an der ETH Zürich. Adrian Gilli, Jahrgang 1973, ist Geologe am Departement für Erdwissenschaften der ETH Zürich. Sein Fachgebiet sind die Analysen von Seeablagerungen und die Rückschlüsse daraus auf vergangene Umweltveränderungen und Naturgefahren wie Hochwasser und Felsstürze. Yvonne Hamann, Jahrgang 1977, ist promovierte Geologin und arbeitet seit 2007 an der ETH Zürich. Sie befasst sich mit Ermittlung und Auswertung von XRF-Daten. Carsten J. Schubert, Jahrgang 1966, hat Geologie und Paläontologie studiert und am Alfred-Wegener-Institut und der Universität Bremen promoviert. Er leitet die Abteilung Oberflächengewässer an der Eawag und forscht am Methankreislauf, untersucht biogeochemische Kreisläufe und macht Paläoumweltrekonstruktionen. <a href="mailto:carsten.schubert@eawag.ch">carsten.schubert@eawag.ch</a> </p>


<h2>Datierung von Seesedimenten</h2>
<p>Wenn ein Sediment nicht laminiert ist, also keine jahreszeitspezifischen Ablagerungen erkennbar sind, dann liefern radiometrische Methoden eine Datierung. Dazu dienen die Radionuklide 137Cs und 210Pb.</p>
<p>137Cs setzten die Atombombenversuche in den 1950er und frühen 1960er Jahren frei, und die 137Cs-Konzentration erreichte ein Maximum vor dem Verbot für Kernwaffenversuche im Jahr 1963. Weiter gelangten bei der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 erhebliche Mengen an 137Cs in die Umwelt.</p>
<p>Im Gegensatz dazu entsteht 210Pb durch den radioaktiven Zerfall von 226Ra über 222Rn als Teil der natürlichen 238U-Zerfallskette. 210Pb wird aus der Atmosphäre ausgewaschen und gelangt direkt oder über den Oberflächenabfluss in den See, wo es sich an Partikeln bindet und sich schlussendlich am Seeboden ablagert. 210Pb ist radioaktiv und zerfällt mit einer Halbwertszeit von 22,3 Jahren. Dieser Aktivitätsabfall mit der Sedimenttiefe kann ebenfalls dazu dienen, das Alter der Sedimente zu bestimmen. Mit diesen zwei Methoden lassen sich Sedimente etwa der letzten 150 Jahre datieren.<sup>4</sup></p>


<h2>QUERGELESEN</h2>
<p>Ein Röntgenfluoreszenz-Kernscanner (XRF core scanner) bestimmt hochaufgelöst Mangan-, Eisen- und Calciumprofile in Sedimentkernen aus Seen.</p>
<p>Die Zusammensetzung der Sedimente ändert sich mit den Jahreszeiten. Dadurch entstehen Warven, die wie die Jahresringe eines Baums eine Datierung zulassen, im Fall des Zürichsees bis ins Jahr 1895.</p>
<p>Die Kombination mit den monatlichen Sauerstoffdaten aus dem Zürichsee seit 1936 erlaubt Rückschlüsse auf den Einfluss des Sauerstoffs auf redoxsensitive Elemente.</p>
<p>Mit dem Bau von Kläranlagen ab Ende der 1960er Jahre nahm der Sauerstoffgehalt des Zürichsees zu, seit den späten 1980er Jahren sinkt als eine Folge der Klimaerwärmung der Sauerstoffgehalt wieder.</p>



<ul>
<li>
<sup>1 </sup>

 
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<sup>2 </sup>

 
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<sup>4 </sup>

 
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123–<lpage>149.</lpage>
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Artikel

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