Blickpunkt

<h2>Rohstoffversorgung sichern</h2>
IG BCE: Die Politik muss wirtschaftlich, geologisch-geografisch und umweltorientiert handeln.
In Deutschland fehlt eine bundesweite gesetzliche Regelung zur Rohstoffsicherung. Die Industriegewerkschaft Bau, Chemie, Energie (IG BCE) rechnet allerdings nicht mit einer “einfachen, kurzfristig umsetzbaren und wirksamen Gesamtstrategie” als Antwort auf die Rohstofffrage. Die Gewerkschaft beschreibt stattdessen ein Bündel von Maßnahmen für eine nachhaltige Rohstoffversorgung. Dazu gehören 
Erhalt und Ausbau von bergbau- und geotechnischem Wissen durch Forschungsbergwerke und Entwicklung der entsprechenden universitären Ausbildung,
 Forschung zur Aufbereitungstechnik und zum Recycling sowohl bei der Produktgestaltung als auch bei der Rückgewinnung von Rohstoffen,
langfristige Verträge mit Förderländern statt kurzfristiger Gewinnoptimierung durch die möglichst rasche Ausbeutung eines Vorkommens.
Zudem fordert die IG BCE, bestehende Lagerstätten optimal zu nutzen. Dabei störe die Fauna-Flora-Habitat(92/43/ EWG, FFH)-Richtlinie, die ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten verlangt.
Dagegen ist für die Gewerkschaft die Rohstoffinitiative der Bunderregierung verbunden mit der Gründung der deutschen Rohstoffagentur Dera eine “wichtige und richtige Maßnahme, die weiter zu entwickeln ist”. [Siehe diese Nachr. S. 991]
Erste Maßnahmen für eine sinnvolle Aufbereitungstechnik und Recyclingwirtschaft sind nach Ansicht der IG BCE im Kreislaufwirtschaftsgesetz angelegt. Mittel- und langfristig sei Urban Mining, die Gewinnung der Rohstoffe aus Mülldeponien, eine ernsthafte Option.
Eine strategische Rohstoffpolitik muss für die Gewerkschaft wirtschaftliches Wachstum, die soziale Entwicklung der Gesellschaft und vorsorgenden Umweltschutz gleichermaßen fördern.
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<h2>Die europäische Chemie soll wachsen</h2>
Die Produktion legt zu und der deutsche Verband der chemischen Industrie unterstützt Europa.
“Die deutsche chemische Industrie steht zur politischen und wirtschaftlichen Einheit der Europäischen Union”, sagte Klaus Engel, Ende August noch als Präsident des Verbands der chemischen Industrie (VCI). Nach Ansicht des VCI sind durch den Euro Wechselkursrisiken entfallen, Inflation wie Zinsen gesunken, und der Binnenmarkt hat sich belebt. Allerdings verschlechterte die Eurokrise die wirtschaftliche Lage vieler Chemiekunden. Anfang September begräbt Engel die Hoffnung auf einen stabilen Aufschwung im Chemiegeschäft vorerst mit den Worten: “Die EU-Schuldenkrise macht sich nun auch im Inlandsgeschäft bemerkbar.”
Henrik Meincke, Chefvolkswirt des VCI, beschreibt im Chemanager, wie die europäische Chemieproduktion im ersten Halbjahr wegen mangelnder Aufträge zurück ging. Die europäische Chemie produziert dennoch derzeit fast auf Vorkrisenniveau, die Kapazitäten sind zu etwa 79 % ausgelastet. In Deutschland beträgt die Auslastung etwa 84 %.
 Für das kommende Jahr erwarten Wirtschaftsforschungsinstitute, dass die europäische Wirtschaft um mehr als 1 % wächst. Meincke schätzt daher, dass im zweiten Halbjahr dieses Jahres die europäische Chemie mehr produziert als im ersten. Im Jahresdurchschnitt wird sie das Vorkrisenniveau allerdings nicht erreichen. In Deutschland rechnet der VCI mit einem Produktionsrückgang von 3 %.
Für Klaus Engel liegen Schlüssel zum Krisenende nicht nur in Berlin und Brüssel, sondern auch in Athen, Rom, Madrid und Lissabon. Weil der Euro nicht scheitern dürfe, unterstützt die Chemie die Bundesregierung in ihrem Ansatz, andere EU-Staaten finanziell zu fördern und gleichzeitig mehr Einsatz zu fordern. Kritisch sieht der VCI eine direkte Stützung von Banken ohne Gegenleistungen. Ein Schritt in die richtige Richtung ist für Engel der Beschluss, 120 Mrd. Euro aus EU-Töpfen umzuwidmen und mehr Produktion und Beschäftigung zu fördern. Die Länder Südeuropas müssten wettbewerbsfähiger werden. Der VCI hält diesen Prozess für langwierig und mühsam, aber machbar.

Rohstoffversorgung sichern / Die europäische Chemie soll wachsen

Rohstoffversorgung sichern IG BCE: Die Politik muss wirtschaftlich, geologisch-geografisch und umweltorientiert handeln. In Deutschland fehlt eine bundesweite gesetzliche Regelung zur Rohstoffsicherung. Die Industriegewerkschaft Bau, Chemie, Energie (IG BCE) rechnet allerdings nicht mit einer “ei...

Nachrichten aus der Chemie: Seit fünf Jahren besteht die europäische Chemikalienagentur Echa und regelt das Chemikaliensicherheitssystem Reach. Herr Marsmann, wie viele Stoffe hat Bayer seitdem registriert?
Manfred Marsmann: Wir haben in der ersten Phase ungefähr 125 Großstoffe registriert, also solche mit einer Jahresproduktion von mehr als 1000 Tonnen weltweit. Das ist etwa ein Zehntel der Großstoffe die BASF registriert hat, einer im Gegensatz zu Bayer reinen Chemiefirma. Wir setzen viele Stoffe in unserer Arzneimittel- oder Pflanzenschutzmittel-Produktion als Zwischenstufen, Additive und Formulierungsmittel ein.
Nachrichten: Arbeiten zu Reach beschränken sich also nicht nur auf die Registrierung von Stoffen, die Sie selbst produzieren?
Marsmann: Wichtig für uns ist, dass die Chemikalien verfügbar sind. Das bedeutet, dass wir sie vorregistriert haben und jetzt registrieren. Vor allem müssen wir aber auch sicherstellen, dass unsere Lieferanten reachkonform arbeiten. Eine große Aufgabe besteht also darin, dafür zu sorgen, dass die Lieferanten die vielen tausend Chemikalien, die wir beziehen, nach den Buchstaben des Gesetztes vorregistrieren, anmelden und pflegen.
Nachrichten: Die erste Registrierphase ist abgeschlossen, was haben Sie gelernt?
Marsmann: Das Management von Bayer hat — wie andere Unternehmen auch — Reach unterschätzt; man dachte, Reach sei ein einmaliger Kraftakt. Nun wissen wir: Reach ist eine dauerhafte Beschäftigung. Die Registrierung ist der erste Schritt und dann steigt man erst wirklich in das Reach-System ein. Denn jetzt melden sich die Behörden. Und zwar nicht nur die Echa, sondern auch die Chemikalienbehörden in den einzelnen Ländern.
Nachrichten: Die nationalen Behörden beginnen jetzt, die einzelnen Stoffe zu bewerten?
Marsmann: Genau, dabei tauchen natürlich Fragen an die Unternehmen auf. Außerdem kontrollieren die Vollzugsbehörden, ob wir Reach auch richtig anwenden und die Vorgaben erfüllen.


<h2>Weltweit ein System</h2>
Nachrichten: Wie sollte der Umgang mit Chemikalien weltweit idealerweise geregelt sein?
Marsmann: Mein Ideal geht von der Beobachtung aus, dass wir in den verschiedenen Ländern ein vielfältiges Geschehen bei der Chemikaliensicherheit haben. Es gab vor zehn Jahren nur Ansätze einer Regulierung. Jetzt, da etliche Entwicklungsländer, Schwellenländer oder Fast-Industrieländer viel häufiger mit Chemie und Chemikalien umgehen, gibt es überall neue Chemikaliengesetze. Sie haben alle die wesentlichen Elemente: Stoffe erfassen, melden, testen und bewerten.
Nachrichten: Das ist aber überall unterschiedlich organisiert. 
Marsmann: Vielleicht sind gemeinsame Prinzipien möglich. Also: In welchem Zeitraum muss man anmelden? Was sind die gemeinsamen Anforderungen? Welche Informationen gibt man an Kunden weiter? Ich habe da eine lange Liste mit solchen Fragen. Die sollte man standardisieren.
Nachrichten: Lässt sich so etwas gemeinsam von unterschiedlichen Ländern erreichen? 
Marsmann: Vom Ablauf und den wichtigen Elementen her: Ja. Vom Ergebnis her zweifle ich allerdings, dass es funktioniert.
Nachrichten: Warum?
Marsmann: Chemikalienmanagement ist kein weltweit einheitlicher Begriff. In Japan sieht man das anders als in China. In manchen Ländern sollen die Stoffe nur erfasst werden. In anderen sollen sie bewertet werden. Aber dass man den Prozess nach gleichen Managementregeln organisiert, das wäre eine gute Vorstellung. In der EU hat man das auch gemeinsam geschafft. Warum sollten das nicht auch große Wirtschaften versuchen? Dafür gibt es allerdings noch kein Projekt.


<h2>Freiräume mit Reach</h2>
Nachrichten: Wann haben Sie in Europa zum ersten Mal von Plänen zu Reach gehört?
Marsmann: Im Jahr 1998 gab es eine Umweltministerkonferenz in Chester. Die beschloss, dass eine Kommission an einem europaweiten Chemikaliengesetz arbeiten soll, damit nicht nur neu entwickelte, sondern auch alte Stoffe nach neuen Erkenntnissen getestet und registriert werden. Zuvor gab es schon Versuche, mit dem Altstoffproblem fertig zu werden. Aber diese Programme kratzten nur am Altstoffberg. Der Begriff Reach tauchte im Jahr 2000 oder 2001 auf. Ein deutscher Kollege hat ihn erfunden: fünf Buchstaben, die man sich merken, die man gut aussprechen und mit denen jeder etwas anfangen konnte.
Nachrichten: Wenn Sie die Zeit vor Reach und danach vergleichen, welchen Unterschied sehen Sie?
Marsmann: Es gab vor Reach in Deutschland ein Chemikaliengesetz. Dort musste man neue Stoffe bei der Bundesanstalt in Dortmund anmelden. Und es gab ein sehr genaues, striktes Vorgehen dafür. Forschung, Entwicklung und Zwischenstufen mussten vor der Vermarktung peinlichst genau beschrieben werden. Jetzt mit Reach haben wir viel größere Freiräume. Es ist für mich der entscheidende Vorteil von Reach. Weniger die Altstoffregistrierung, weniger das Riskassessment, weniger die Kontrolle gefährlicher Chemikalien, sondern dass man mit Forschungs- und Entwicklungsstoffen für Pflanzenschutz, für Pharma, aber auch für die Anwendung beim Kunden mehr Spielräume hat. Und das ist ein Durchbruch, den wir Reach verdanken.


<h2>Flexible Verfahrensentwicklung</h2>
Nachrichten: Eine Untersuchung der europäischen Kommission fand heraus, dass Reach sogar Innovationen stimuliert. Warum ist das so?
Marsmann: Beispielsweise im Pflanzenschutz bauen die Forscher über Zwischenstufen ein Pflanzenschutzmittel auf. Und diese Synthesen optimieren sie, tauschen die Zwischenstufen aus und machen neue. Das ist ungleich einfacher geworden — auch für Arzneimittel — als es vorher war. Vorher musste man jeden Stoff mit einer Fülle von Daten registrieren. Und wenn etwas nicht geklappt hat, musste man mit einem anderen Stoff von vorn anfangen. Diese Flexibilität für die Verfahrensentwicklung ist ein entscheidendes Moment von Reach. Das hatten wir bisher nicht.
Nachrichten: Wieso funktioniert das jetzt?
Marsmann: Das war nur deswegen möglich, weil die Firmen sich geöffnet haben. Weil sie erklärt haben, was Forschung und Entwicklung mit Chemikalien wirklich bedeutet. Weil sie nicht nur gesagt haben: Das ist ein Neustoff, der muss jetzt angemeldet werden, sondern auch, welchen Stellenwert er für andere Unternehmen hat. Das ist nur gelungen, weil man den Behördenvertreter und den Politiker eingeladen, sich geöffnet hat. Nur durch das Verständnis dieser Prozesse für die neuen Stoffe, die Non-phase-in-Stoffe, gab es diesen Durchbruch. Je offener man ist, je besser man erklärt, desto positiver reagiert der Regulator.
Nachrichten: Ist nicht auch bei den Neustoffen ein Sicherheitskonzept notwendig?
Marsmann: So ein Konzept ist selbstverständlich. Die Sicherheit ist nicht auf Null gefahren, es ist aber jetzt regulatorisch flexibler, als es vorher war. Das ist der große Pluspunkt. Dafür kann man anderes in Kauf nehmen.

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