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Gartenstühle, die sich selbst im Sonnenlicht reinigen, hat die Fraunhofer-Allianz Photokatalyse entwickelt. Forscher der acht beteiligten Institute beschichteten die Kunststoffoberfläche mit Titandioxid. Auf diesen Gartenstühlen bildet sich bei feuchter Witterung und an schattigen Lagerplätzen kein dicker schleimiger Film aus Algen, Moos, Bakterien oder Pilzen (Abbildung). Denn der UV-Anteil des Sonnenlichts aktiviert einen Selbstreinigungsprozess. Dabei wirkt Titandioxid als Katalysator für die Reaktion zwischen Wasser und Sauerstoff, bei der desinfizierende Hydroxylradikale entstehen. Mittlerweile sind erste selbstreinigende Gartenmöbel auf dem Markt.
Photokatalytische Beschichtungen gibt es nicht nur für Gartenmöbel: Das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik arbeitet an einer selbstreinigenden Beschichtung für Smartphones. Meist ist die UV-Strahlung aber nicht intensiv genug, um Titandioxid zu aktivieren, so dass der Abbau Wochen dauern würde. Ein mit Titandioxid beschichtetes Smartphone muss deswegen eine Stunde in der Sonne liegen, damit Fingerabdrücke und sonstige Fettfilme schnell verschwinden.


<h2>Blauer Biorhythmus</h2>
Eine Glasscheibe, die das Wohlbefinden der Menschen dahinter steigern soll, hat das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung entwickelt. Bisher waren Glasscheiben auf maximale Durchlässigkeit bei 555 nm angelegt. Man ging davon aus, dass Licht dieser Wellenlänge den Biorhythmus steuert. Tatsächlich ist jedoch der Blauanteil im Tageslicht für den menschlichen Biorhythmus verantwortlich. Blaues Licht hat aber einen Wellenlängenbereich von 380 bis 480 nm und wird von den meisten Fenstern reflektiert.
Eine Beschichtung aus porösem Siliciumdioxid des ISC entspiegelt das Glas und ist zwischen 450 und 500 nm maximal durchlässig. Dreifach verglaste Fensterscheiben sind auf den dem Scheibenzwischenraum zugewandten Glasoberflächen 0,1 µm dünn beschichtet und zu 79 Prozent für blaues Licht durchlässig, herkömmliche Scheiben nur zu 66 Prozent. Ziel ist es, diese Lichtdurchlässigkeit durch Beschichtung der äußeren Oberflächen auf 95 Prozent zu erhöhen.
Der Fensterscheibenhersteller Uniglas aus Montabaur hat bereits das mit porösem Siliciumdioxid beschichtete und dreifach isolierte Fenster mit “Wohlfühlglas” auf den Markt gebracht.


<h2>Wechselwarme Matratzen</h2>
Der US-amerikanische Hersteller Sealy hat Matratzen entwickelt, welche die Schlaftemperatur regulieren. Eingebaute Latentwärmespeicher (Phase Change Material, PCM) wirken als Heizung und Klimaanlage in einem. Bisher wurden nur Wände, Zimmerdecken und Fußböden mit Latentwärmespeichern beschichtet. Zu den PCMs zählen Salzhydrate, Zuckeralkohole und organische Materialien wie Paraffine und Fettsäuren. Steigt die Temperatur im Raum, nimmt der Stoff Wärme auf und wird flüssig. Sinkt die Temperatur, erstarrt der Stoff und gibt Wärme ab.
Die BASF bietet seit längerem das PCM Micronal als Baustoff an. Es besteht aus Paraffinwachsen, die in Acrylglas verkapselt sind. Micronal schmilzt je nach Paraffintyp bei 23 °C oder 26 °C und kühlt dann Räume um 3 K bis 4 K.
 Sealy hat nun 8 bis 15 Zentimeter dicke wärmeregulierende Lagen entwickelt und sie direkt unter der Matratzenoberfläche eingearbeitet. Jede Lage kombiniert ein PCM mit einem Formgedächtnispolymer und verspricht nun die optimale Schlaftemperatur: Im Sommer bleibt es kühl und im Winter warm.
Severine Rupp ist freie Mitarbeiterin der Nachrichten aus der Chemie.

Artikel

Wohlfühlchemie

Gartenstühle, die sich selbst im Sonnenlicht reinigen, hat die Fraunhofer-Allianz Photokatalyse entwickelt. Forscher der acht beteiligten Institute beschichteten die Kunststoffoberfläche mit Titandioxid. Auf diesen Gartenstühlen bildet sich bei feuchter Witterung und an schattigen Lagerplätzen ke...

Blickpunkt

Die Biosynthese der Proteine in zellulären Lebewesen nutzt eine Maschinerie aus Ribosom, Boten- und Transfer-RNA (tRNA), tRNA-Synthetasen und weiteren Faktoren.1 Dieses Biomolekülgewirr, das die Forschung in den letzten sechs Jahrzehnten halbwegs zu durchschauen lernte, dient jedoch der Einfachheit und Benutzerfreundlichkeit: Mit diesem ribosomalen Apparat kann jede Zelle und können auch Zellorganellen wie Mitochondrien und Chloroplasten die 20 Standard-Aminosäuren in jeder Kombination und Reihenfolge miteinander verknüpfen. Dies führt zu einer astronomischen Zahl von möglichen dreidimensional strukturierten Proteinen.
Um neue Proteine und Enzyme zu erfinden, musste die Evolution also lediglich die in der DNA der Gene enthaltene Vorlage mutieren. Aufbau und Funktion der Fabrik sind unabhängig davon, welches Produkt sie gerade ausspuckt.


<h2>Enzymatische Produktion</h2>
Während die Proteinbiosynthese mit ein- und demselben Apparat beliebig viele verschiedene Proteine produzieren kann, kennt die Zelle auch den anderen Fall: Jedes Produkt benötigt einen speziellen Syntheseapparat. Dies ist für viele mittelgroße Moleküle der Fall, von denen manche als Antibiotika oder als Zellgifte gegen Krebs medizinisch nützlich sind. Diese Naturstoffe sind im Gegensatz zu Proteinen, Nukleinsäuren und Kohlenhydraten keine Polymere und eignen sich deshalb nicht für die standardisierte Herstellung nach Art des Ribosoms.2
Neben den Polymeren aus dem Ribosom und den kleineren Molekülen aus dem jeweils spezialisierten Syntheseapparat produziert die Zelle eine weitere Gruppe von Molekülen: Es gibt bei vielen Mikroorganismen Naturstoffe, die aus bis zu 20 Aminosäuren aufgebaut, also als Oligopeptide zu klassifizieren sind. Sie werden aber nicht am Ribosom, sondern von Enzymen hergestellt.
Bei diesen nichtribosomalen Peptiden bestimmt nicht eine Boten-RNA die Folge der Aminosäurebausteine, sondern die räumliche Anordnung der enzymatischen Funktionseinheiten. Sie führen innerhalb eines Multidomänenenzyms die Verknüpfungsreaktionen nacheinander aus. Diese Enzyme heißen nichtribosomale Peptid-Synthetasen (NRP-Synthetasen). Eine Eigenart des Produktionsvorgangs ist, dass die Zwischenprodukte in jedem Schritt kovalent an das Enzym gebunden bleiben. Auf diese Weise vermeidet die Zelle Fehler durch Wegdiffundieren von unfertigen Molekülen.
Bei den enzymatischen Domänen der Enzyme sind obligate Funktionen, die in allen NRP-Synthetasen vertreten sind, zu unterscheiden von den optionalen, die je nach Art des angestrebten Produkts vertreten sind oder nicht. Alle bisher bekannten NRP-Synthetasen enthalten eine Adenylierungs-, eine Peptidylgruppenträger- und eine Kondensationsdomäne.
Zu den optionalen Funktionseinheiten gehört zum Beispiel die Cyclisierung, Oxidation, Reduktion, Methylierung und Formylierung. Hier herrscht eine größere chemische Variationsbreite als beim Ribosom, das nur genau eine Art von Bindung knüpft, nämlich die Peptidbindung. Immerhin gibt es bei Proteinen noch nachträgliche (posttranslationale) Modifizierungen, doch in den meisten Fällen handelt es sich um einfache Reaktionen wie die Phosphorylierung von Alkoholgruppen oder die Methylierung von Aminen.
Bei den größeren nichtribosomalen Peptiden gibt es ziemlich große Enzymkomplexe: Für die Synthese von Bacitracin (Abbildung) aus einem Dutzend Aminosäuren benötigen die Bakterien der Art Bacillus subtilis 40 katalytische Domänen, die in drei getrennten Enzymen untergebracht sind.3 Bacitracin dient in der Medizin als Antibiotikum zur äußerlichen Anwendung.


<h2>Eisenliebend und Ester am Enzym</h2>
Die chemische Vielfalt der nichtribosomalen Peptide ist vor allem bei Bakterien umfassend erforscht worden, wobei sich die Arbeitsgruppe von Mohamed Marahiel an der Universität Marburg besonders hervorgetan hat. Sie berichtete allein in diesem Jahr von einer neuen funktionellen Gruppe in nichtribosomalen Peptiden und von einem neuen Syntheseweg für eine bereits bekannte Molekülstruktur.
Bei der neuen funktionellen Gruppe handelt es sich um einen O-Acylhydroxamsäureester. Diesen fanden Marahiel und seine Mitarbeiter im Bakterium Actinosynnema mirum in einem Siderophor, also einem Eisenträger, den sie Mirubactin nannten. Bakterien nutzen diese Moleküle, um Fe3+ in ihrer Umwelt löslich und damit ihrem Stoffwechsel zugänglich zu machen. Im Fall von pathogenen Bakterien können Siderophore zudem dazu dienen, dem Wirtsorganismus, also zum Beispiel auch dem menschlichen Patienten, das an Proteine wie Hämoglobin gebundene Eisen zu entreißen.
Marahiels Arbeitsgruppe spürte weiterhin in dem Genom des Bakteriums die Gene für den spezialisierten Enzymapparat auf. Nach den aus den Gensequenzen abgeleiteten Folgerungen wird die ungewöhnliche Esterbindung von einer am Carboxyterminus des Enzyms angesiedelten Kondensationsdomäne geknüpft.
Der neue Syntheseweg gehört ebenfalls zu einem Siderophor: zur Verbindung Rhodochelin aus dem Bakterium Rhodococcus jostii RHA1. Genetische Studien hatten vorher zwei Gene mit der Biosynthese der für die Funktion des Siderophors essenziellen <sc>l</sc>-δ-N-formyl-δ-N-hydroxyornithin-Gruppen in Verbindung gebracht. Durch getrennte Exprimierung dieser Gene und In-vitro-Experimente mit den resultierenden Enzymen charakterisierten die Marburger Forscher den Reaktionsweg.5


<h2>Der Einfallsreichtum der Pilze</h2>
Auch im Reich der Fungi, also der Pilze von Champignons bis hin zu Schimmelpilzen, gibt es eine reichhaltige Vielfalt von handgeschneiderten Peptiden. Mit der rasanten Zunahme der sequenzierten Genome kamen in den vergangenen Jahren immer neue Informationen über NRP-Synthetasen auch bei den Pilzen hinzu. Im Genom des Schimmelpilzes Aspergillus fumigatus allein fand man 14 Abschnitte, die offenbar für NRP-Synthetasen codieren.6
Die Pilze bedienen sich dabei teilweise einer anderen Chemie als die Bakterien. So zeigten Xue Gao et al. vor Kurzem, dass bei cyclischen Peptiden der Fungi der Ringschluss von einer Domäne ausgeführt wird, die der aus Bakterien bekannten Kondensationsdomäne ähnelt. Bei Bakterien hingegen schließt normalerweise eine Thioesterase-Domäne den Ring.7
Vor Kurzem wurde erstmals auch die Synthese eines nichtribosomalen Peptids in einem Tier berichtet, nämlich in der Seeanemone (Nematostella vectensis). Hier handelt es sich um ein cyclisches Dipeptid, das auf ungewöhnliche Weise entsteht. Das zuständige Enzym ist mit den Aminoacyl-tRNA-Synthetasen verwandt, die normalerweise Aminosäuren mit der zugehörigen tRNA verknüpfen. Von dem Gen einer solchen Synthetase zweigte offenbar vor Urzeiten eine Variante ab, deren Genprodukt sich auf Abwege begab und statt der tRNA eine zweite Aminosäure mit ihrem Substrat verknüpfte.8 


<h2>Im Modellbakterium</h2>
Da viele nichtribosomale Peptide bereits pharmakologische Eigenschaften aufweisen und ein breiteres Spektrum an chemischen Funktionsgruppen enthalten als die am Ribosom hergestellten Peptide und Proteine, hat der Forschungszweig der nichtribosomalen Peptide das Interesse der Pharmaforschung geweckt. Sie sucht nun nach Wegen, um die pharmakologisch aktiven Naturstoffe in großem Maßstab herzustellen, und ihre Aktivität zu modifizieren.
Die Arbeitsgruppe von Kenji Watanabe an der University of Southern California in Los Angeles zeigte bereits im Jahr 2006 die Transplantation der kompletten Synthese eines nichtribosomalen Peptids in das Modellbakterium Escherichia coli.9
Nachdem die enzymatische Funktion vieler Domänen jetzt bekannt ist, lassen sie sich neu kombinieren. Zudem ließe sich ihre chemische Spezifität ändern.10 Auf diesem Weg wären zum Beispiel neuartige Antibiotika zu entwickeln.
Michael Groß ist freier Wissenschaftsautor in Oxford, England. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.michaelgross.co.uk" target="_blank">www.michaelgross.co.uk</a></ext-link>



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<person-group person-group-type="editor">N. Civjan</person-group>, Herausg.<source>Natural Products in Chemical Biology, <publisher-name>Wiley</publisher-name>, 2012.
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3 


G. Schoenafinger, 
M. A. Marahiel, 
in: <source>Natural Products in Chemical Biology, <person-group person-group-type="editor">(N. Civjan, ed.)</person-group>, <publisher-name>Wiley</publisher-name>, 2012.
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K. Watanabe, 
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A. P. Praseuth et al., 
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10 

 
T. W. Giessen, 
M. A. Marahiel, 
<source>FEBS Letters 
(2012), 
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