Biokatalysatoren I Enzyan Biocatalysis identifiziert Biokatalysatoren, die Produkte aus vorzugsweise erneuerbaren Ausgangsstoffen liefern. Zudem optimiert das Grazer Unternehmen die Bedingungen, unter denen die Biokatalysatoren die höchste ...
Weltraumchemie
Antreiben, schützen, verbinden
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Das liefern Chemieunternehmen für Raketen, Satelliten und Erkundungen im All: Schaumstoffe absorbieren Schall und schützen elektronische Raketensysteme vor Startvibrationen. Wasserstoffperoxid treibt Raketen an, und Folien beschichten Solarzellen, die Satelliten mit Energie versorgen.
Tausende von Kleinsatelliten werden im All platziert, um Kommunikation auf der Erde zu ermöglichen. Die Trägerraketen dafür benötigen Antriebssysteme, die wendig, einfach zu handhaben und wirtschaftlich sind. Raumfahrtunternehmen und Start-ups drängen auf einen Markt, der bisher geprägt war von großen staatlichen Organisationen wie der US-amerikanischen National Aeronautics and Space Administration (Nasa) oder der European Space Agency (Esa). Die privaten Unternehmen optimieren bisherige Techniken unter Wettbewerbsbedingungen, was für Chemiefirmen Aufträge und Investitionsmöglichkeiten bedeuten kann.
Satelliten bauen
Materialien müssen im Weltraum temperatur- und UV-beständig sein sowie raschen Temperatur- und Druckwechseln standhalten. Das Münchner Unternehmen Wacker Chemie liefert dafür spezielle Silikondicht- und -klebstoffe. Sie entsprechen den Standards der Esa für Solarmodule an Satelliten, die in bis zu 36 000 Kilometern Höhe die Erde umkreisen.
Die Materialien sollen möglichst wenig ausgasen, um Delaminierungen unter den Niederdruckbedingungen im Weltraum zu vermeiden. Sie müssen zudem kälteflexibel und elastisch bis zur Glasübergangstemperatur bei unter –100 °C sein. So lassen sich damit Solarzellenarrays auf der Polyimidfolie über der Sonnensegel-Trägerstruktur befestigen.
Antistatische Kleber eignen sich für Erdungsbaugruppen, und tiefschwarze Pigmentierung ermöglicht, optische Komponenten lichtdicht zu verkleben.
Die Raumsonde Light Sail 2, die im November 2022 in der Erdatmosphäre verglüht ist, wurde mit einem 32 Quadratmeter großen, quadratischen Sonnensegel angetrieben. Einen Monat sollte die Sonde der gemeinnützigen, nichtstaatlichen Organisation Planetary Society halten; sie kreiste etwas mehr als drei Jahre um die Erde.
Raketen antreiben
Für die Raumfahrt entwickeltes Wasserstoffperoxid produziert das Essener Unternehmen Evonik in Rheinfelden und im US-amerikanischen Bayport: Der Treibstoff Propulse startet Raketen. Zudem soll er Satelliten mit kurzen Impulsen navigieren helfen. H2O2 zersetzt sich an einem Katalysator und entwickelt dabei Hitze, Wasserdampf und Sauerstoff, was den Schub erzeugt.
Für ein EU-Projekt (hybrid propulsion module for transfer to geo, Hyprogeo) entwickelte Evonik 98%iges Wasserstoffperoxid als Treibmittel für ein Hybridraketentriebwerk. Dabei reagiert der aus H2O2 freigesetzte Sauerstoff zum Beispiel mit Polyethylen, das das Weinheimer Unternehmen Freudenberg speziell für solche Anwendungen herstellt. Die Reaktion liefert ausreichend Schub, um Satelliten in den Orbit zu bringen.
Derzeit arbeitet Evonik an einem zweiten EU-Projekt mit (european newspace vertical orbital launcher, Envol). Neun Unternehmen aus sieben Ländern bilden ein Konsortium, geleitet vom norwegischen Rüstungskonzern Nammo Raufoss. Es soll ein Hybridraketensystem für den europäischen Raumfahrtmarkt entwickeln, das bis zu 500 Kilogramm schwere Satelliten ins All befördert; 300 Kilogramm wiegt der Satellit, 200 Kilogramm sind Nutzlast. Evonik stellt den Treibstoff sowie Kenntnisse zu H2O2-Materialverträglichkeit, -Lagerung, -Handhabung, -Dosierung und -Transport.
Seit mehr als zehn Jahren arbeitet das Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an Raketenantriebssystemen. Es verwendet bei Experimenten auf dem DLR-Testgelände in Trauen in der Lüneburger Heide Evoniks Propulse als Treibstoff (Foto).
Von der Erde zu Mond und Mars
Der Rover Perseverance landete im Februar 2021 auf dem Mars (Foto). Er enthält für die Lithiumionenbatterien auf diese Raumfahrtmission abgestimmte Nickel-Kobalt-Aluminiumoxid-Kathodenmaterialien des Unternehmens BASF. Die Marsmission fliegt das BASF-Produkt 472 Millionen Kilometern ins All.
Auf den Mond gelangten Produkte der Ludwigshafener bereits im Juli 1969 mit der Apollo 11: Eine feuerfeste Beschichtung, der Lack Diofan 190D, schützte die Elektronik der Mondlandefähre. Und der Greifarm eines amerikanischen Space Shuttles im Jahr 1987 bestand aus dem BASF-Kunststoff Celion GY 70.
Die Trägerrakete Ariane 5 transportiert für die Esa Satelliten in den Weltraum. Seit dem Jahr 2005 verkleidet Basotect, ein BASF-Schaumstoff auf Melaminharzbasis, die Raketenspitze. Er schützt die Satelliten vor dem Schalldruck durch hochfrequente Vibrationen während der Startphase. Die offenzellige Schaumstruktur des Werkstoffs aus hauchdünnen Stegen macht das Material elastisch. Daher lassen sich die Basotect-Platten an der konisch geformten Innenseite der Nutzlastverkleidung montieren. Der Schaumstoff bleibt bei Temperaturen zwischen –200 °C und 240 °C flexibel.
Weitere Produkte für die Luft- und Raumfahrt sind hydroxylterminierte Polybutadiene von Evonik; sie halten Polyurethan-Matrizen als Bindemittel in Feststofftriebwerken zusammen. Evonik-Hartschaumstoff dient als Kern von Sandwich-Kompositmaterialien in Raumfahrzeugen. Wacker liefert zudem Polysilicium als Grundmaterial für Mikroelektronik und Solarpanels in Satelliten.
Neue Raumfahrt
Ein neuer Raumfahrtsektor nennt sich „New Space“: Start-ups statt der großen staatlichen Agenturen treiben die Entwicklung voran. Ein Wettbewerb des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt hat drei Start-ups ausgezeichnet, die an Kleinträgerraketen etwa für den Satellitentransport arbeiten. Die drei Start-ups erhalten insgesamt 25 Millionen Euro aus dem deutschen Beitrag im Esa-Programm:
Den ersten Preis erhielt Isar Aerospace Technologies. Ihre Trägerrakete Spectrum soll Nutzlasten wie Satelliten von bis zu 1000 Kilogramm in die Erdumlaufbahn befördern. Kürzlich hat das Unternehmen zudem mehrere Starts mit dem US-amerikanischen Anbieter von Weltraumreisen, Spaceflight, vereinbart. Die Isar-Aerospace-Gründer sind ehemalige Studierende der Technischen Universität München; sie bauen unweit der bayerischen Landeshauptstadt an ihrer Rakete, die erstmals in der zweiten Jahreshälfte starten soll.
Die Rocket Factory Augsburg (RFA) will ihre RFA One Ende des Jahres vom Saxavord Spaceport auf den Shetlands, dem nördlichsten Punkt Großbritanniens, starten. Partner ist das ukrainische Unternehmen Lunar Research Service. Der Flug soll Informationen für weitere Missionen sammeln, etwa zur Monderforschung.
Das Start-up Hy Impulse Technologies aus Neuenstadt am Kocher in Baden-Württemberg setzt auf Hybridmotoren, die festes Paraffin mit flüssigem Sauerstoff verbrennen. Kürzlich haben Flüssigsauerstofftanks aus kohlefaserverstärktem Polymer von Adamant Composites, einem griechischen Verbundwerkstoffhersteller, dafür einen Bersttest bestanden (Video zu sehen unter t1p.de/hky6i). Ein erster Start könnte nächstes Jahr gelingen.
Nachrichten-Redakteurin Maren Bulmahn hat sich unter Unternehmen umgeschaut, die Weltraumtaugliches produzieren.
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