Industrie + Technik

Barbara Pohl ist bei Eurachem in der Arbeitsgruppe Methodenvalidierung tätig. Was sie motiviert, wie sie zu Eurachem kam und warum ihr die Arbeit Spaß macht.Nachrichten aus der Chemie: Sie unterstützen Eurachem als Mitglied der Arbeitsgruppe Methodenvalidierung – und zwar ehrenamtlich. Warum?Barbara Pohl: Jeden Tag werden Millionen von Messungen in Laboren auf der ganzen Welt durchgeführt, zum Beispiel an medizinischen Proben, Proben aus der Umwelt oder an Lebensmitteln oder anderen Produkten. Da ist es wichtig, dass die Analysen valide sind und korrekt durchgeführt werden. Denn auf Basis der Messergebnisse werden teilweise weitreichende Entscheidungen getroffen, die sich auf Politik und Gesellschaft auswirken. Also auf uns persönlich.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/sMyh2GskQ7aA4fYxBkzs">Da denkt man gleich zurück an die Coronapandemie.Genau. In der Pandemie konnten wir erleben, dass aufgrund eines Messwerts die Entscheidung fiel, ob eine Person in Isolation ging oder nicht.Beispiele gibt es aber viele: So entscheiden auch Chemie- und Pharmafirmen auf Basis von Analysenwerten, ob ein Produkt oder Medikament die Anforderungen erfüllt – und damit in den Verkauf kommt oder eben nicht. Anhand von DNA-Analysen entscheiden Forensiker, ob eine Person am Tatort war.Und Ihre Arbeitsgruppe bei Eurachem trägt dazu bei, dass solche Messergebnisse verlässlich sind?Ja, wir beschäftigen uns damit, wie sich analytische Methoden validieren lassen. Wir diskutieren aktuelle Themen der Methodenvalidierung, besprechen neue Trends und neue gesetzliche Vorgaben. Unsere Erkenntnisse geben wir dann an die Community weiter.In Form von Veröffentlichungen?Als Leitfaden und indem wir Workshops anbieten. Das machen alle Eurachem-Arbeitsgruppen. Die Leitfäden gibt es alle online, meistens auch in mehreren Sprachen. Wir haben den Leitfaden „Die Eignung von Analyseverfahren – Ein Leitfaden für Laboratorien zur Verfahrensvalidierung und zu verwandten Themen“ verfasst. Wir aktualisieren und erweitern ihn laufend.Mit 70 Seiten ist er recht umfangreich für einen Leitfaden.Genau, der Leitfaden ist ja auch als Nachschlagewerk gedacht. Es gibt aber auch eine zweiseitige Zusammenfassung. Und auch zum Thema Messunsicherheiten haben wir eine Zusammenfassung erstellt. Bei der Arbeit im Labor oder beim Schulen von Mitarbeitenden sind diese Leaflets natürlich hilfreicher als der lange Leitfaden. Man findet die Dokumente übrigens alle online auf der Eurachem-<url href="https://eurachem.org">Website</url>.Wie aufwendig ist es, in so einer Eurachem-Arbeitsgruppe mitzuwirken?Wir treffen uns zweimal im Jahr, einmal virtuell und einmal in Präsenz. Das dauert dann meistens zwei Tage, inklusive eines gemeinsamen Abendessens. Zusätzlich dazu bekomme ich manchmal Dokumente zu neuen europäischen oder nationalen Richtlinien geschickt, die ich mit meinem Fachwissen beurteilen soll. Das finde ich besonders spannend, und dadurch bin ich auch immer auf dem neusten Stand. Das hilft mir auch für die Kurse, die ich zur Methodenvalidierung anbiete.Aber das findet natürlich alles ehrenamtlich neben dem Job oder anderen Verpflichtungen statt. Den Zeitaufwand sollte man schon einkalkulieren.Und wo treffen Sie sich?Das ist unterschiedlich. Letztes Jahr sind wir der Einladung eines griechischen Kollegen gefolgt, der das Treffen an der Universität Athen organisiert hat. Die Treffen sind deswegen auch immer eine Gelegenheit, zu reisen und Städte in ganz Europa kennenzulernen. Meistens lassen sich die Kollegen und Kolleginnen vor Ort dazu auch was Nettes einfallen. Unser griechischer Kollege Giorgos hat uns dieses Jahr zum Beispiel eine Führung durch das historische Kostis-Palamas-Gebäude in Athen gegeben und eine kleine Stadtführung.Sie sind schon seit Jahren Mitglied in der Arbeitsgruppe Methodenvalidierung. Sie scheinen also Spaß an der Arbeit bei Eurachem zu haben. Was gefällt Ihnen besonders?Der Austausch mit den europäischen Kollegen und Kolleginnen. Wir sind ein Team von zwölf Personen aus verschiedenen europäischen Ländern, zum Beispiel Griechenland, der Türkei, Spanien, Italien und Belgien. Die Leiterin unsere Arbeitsgruppe, Helen Cantwell, kommt aus Irland. Man lernt immer wieder neue Trends und Analyseverfahren kennen, und es ist interessant zu sehen, wie andere europäische Labore aufgestellt und ausgestattet sind, welche Schwerpunkte sie haben und wie sie arbeiten. Kontakte zu knüpfen kann dabei auch wertvoll für die eigene Arbeit sein.Und wie wird man Mitglied in einer Eurachem- Arbeitsgruppe?Eurolab-Deutschland, die deutsche Mitgliedsorganisation von Eurachem, benennt Mitglieder für die europäischen Arbeitsgruppen. Ich bin für die GDCh Mitglied bei Eurolab-Deutschland. Weil ich mich schon lange mit dem Thema Methodenvalidierung beschäftige – ich gebe zum Beispiel auch bei der GDCh regelmäßig Kurse dazu –, wurde ich als Expertin in die Eurachem-Arbeitsgruppe entsandt.Ich kann nur dazu ermutigen, Mitglied bei Eurolab-Deutschland zu werden, wenn man beruflich oder privat mit Prüflaboren zu tun hat – ob über eine Organisation oder als persönliches <link href="#nadc20254148453-fig-0001">Mitglied.<figure xml:id="nadc20254148453-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/84pyKM9EQg6coJiMIkdU"><figcaption><label>Abb.1: </label>Barbara Pohl ist nicht nur Expertin für Methodenvalidierung bei Eurachem, sie leitet auch das Fachprogramm Geprüfter Qualitätsexperte GxP der GDCh. Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Programms sprach sie über ihre Erfahrungen als Kursleiterin. Zum Interview auf Youtube: <a href="https://t1p.de/3sx7p" target="_blank">t1p.de/3sx7p</a></figcaption></figure></figure><h2 type="main">Zur Person: Barbara Pohl</h2>Barbara Pohl, promoviert in analytischer Chemie und Kernchemie, ist derzeit freiberufliche Beraterin für Qualitätssicherung, Archivierung, Dokumentenmanagement und analytische Methodenvalidierung. Zuvor war sie Leiterin der Qualitätssicherung am Institut für Toxikologie bei der Firma Merck. Bei der GDCh ist sie Vorstandsmitglied der Fachgruppe Seniorexperten Chemie sowie Leiterin der Weiterbildungskurse zur Methodenvalidierung und Qualitätssicherung. Zudem gehört sie dem Expertengremium für Chemikaliensicherheit der GDCh und Gesellschaft für Toxikologie an. Außer bei Eurachem ist Pohl auch bei Eurolab-Deutschland im Ausschuss für chemische Analytik tätig.<source>Foto: Foto Schuch, Weiterstadt

Artikel

„Analysen müssen valide sein“

Insektizidresistenzen bekämpfen | Mit Kryoelektronenmikroskopie hat ein Team in Shenzhen in China Struktur und Funktion des ATP-binding-cassette(ABC)-Transporters der Subfamilie H des rotbraunen Reismehlkäfers aufgeklärt. Der Transporter schleust Lipide und Pestizide aus, was den Lagergetreideschädling resistent macht. Ein synthetisches Maltosetensid verhindert dieses Entgiften. Weil der Transporter nur in Insekten vorkommt, könnte er als Target für neue Insektizide dienen.Cell, doi: 10.1016/j.cell.2024.11.033Erneuerbare Energie aus Meerwasser | Eine Pilotanlage des chinesischen Unternehmens Cenertech produziert H2 durch Meerwasserelektrolyse. Die Offshore-Plattform nutzt Wind- und Solarenergie und integriert Anlagenteile, die H2 reinigen und Strom verarbeiten. Ohne das Meerwasser vorab zu entsalzen, stellt Cenertech so 200 Kubikmeter H2 pro Stunde her. Eine ähnliche neue Anlage des chinesischen Petrochemie-Unternehmens Sinopec erzeugt 20 Kubikmeter H2 pro Stunde.Mikroplastik entfernen | Aus Tintenfisch-Chitin und Baumwoll-Cellulose haben Forschende der Universität Wuhan in China einen Schwamm hergestellt, der Mikroplastik-Partikel adsorbiert. Er entfernt auch nach fünf Spülzyklen noch 95 Prozent der Polystyrol-, Polymethylmethacrylat-, Polypropylen- und Polyethylenterephthalat-Partikel aus Süß- und Salzwasser. Mikroorganismen oder (an-)organische Schadstoffe im Wasser stören dabei nicht.Sci. Adv., doi: 10.1126/sciadv.adn8662Medikamente testen | Ein Team des Riken-Instituts in Japan baut potenzielle Zielproteine für Arzneistoffe in lebenden Mäusen ab. So lassen sich Wirksamkeit und Nebenwirkungen neuer Medikamente bewerten, die etwa bestimmte Proteine inhibieren. Die Forschenden markieren die Zielproteine mit Degrons. Diese Aminosäuresequenzen werden nach Verabreichen eines Agonisten von Ubiquitinligasen im Körper erkannt, welche die Zielproteine ins Abbausystem einschleusen.Nat. Commun., doi: 10.1038/s41467-024-54308-9Rolf Schmid, <a href="https://www.bio4business.eu" target="_blank">www.bio4business.eu</a>

Meldung

Blick nach Asien

Fluorierte Treibhausgase | Im Jahr 2023 nutzte die deutsche Wirtschaft Destatis zufolge 8096 Tonnen fluorierte Treibhausgase – etwa so viel wie in den beiden Vorjahren. Diese Gase tragen potenziell so viel zur Erderwärmung bei wie 7,2 Mio. Tonnen CO2. Rund ein Viertel der 8096 Tonnen entfallen auf das Kältemittel Tetrafluorpropen, gut ein Fünftel auf das Treib- und Kältemittel Tetrafluorethan. Treibhausgasemissionen von 674 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente hat das Umweltbundesamt für 2023 prognostiziert, 1,4 % (9,4 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente) davon verursacht durch fluorierte Treibhausgase. Insgesamt sind das 10,1 % weniger Treibhausgasemissionen als im Vorjahr (2022: 750 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente).Zur Destatis-Pressemeldung: <a href="https://t1p.de/bg5e0" target="_blank">t1p.de/bg5e0</a>Anreize für Klimaziele | Das Institut für Energieeffizienz in der Produktion der Universität Stuttgart befragte 861 Unternehmen im Herbst 2024 zu Anreizen und Hemmnissen, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren und Energieeffizienz zu steigern. Hauptanreiz sind für 70 % gesetzliche Vorgaben. Über die Hälfte will bereits im Jahr 2035 klimaneutral sein – statt 2045, wie von der Bundesregierung angestrebt. 30 % sehen die gesetzlichen Vorgaben negativ für die eigene Energieeffizienz. 3 % geben an, nur mit Kompensationsmaßnahmen bis 2045 klimaneutral werden zu können.Weitere positive Anreize sehen Unternehmen etwa in wirtschaftlicher Resilienz und höherer Wettbewerbsfähigkeit; als Hemmnisse nennen sie fehlende Zeit, technische Voraussetzungen und finanzielle Mittel.Zur Meldung der Universität Stuttgart: <a href="https://t1p.de/r7n1c" target="_blank">t1p.de/r7n1c</a>Klimaneutral werden | Ein Industrie-Szenario des Wuppertal-Instituts und der Universität Kassel zeigt, wie die Produktion in Deutschland bis zum Jahr 2045 klimapositiv werden kann: Prozesswärme ist elektrisch zu erzeugen; Biomasse ist stofflich zu nutzen, etwa alternativ zu fossilen Brennstoffen; Abscheiden und Speichern von CO2 mindert CO2-Emissionen, etwa in der Zement- und Kalkindustrie sowie Abfallwirtschaft; Recycling ersetzt fossile Rohstoffe.Zur Studie: <a href="https://t1p.de/ls6r1" target="_blank">t1p.de/ls6r1</a>Katharina Käfer

Industrie und Klima

Trotz Produktionsplus sank der Umsatz in der chemisch-pharmazeutischen Industrie.Mit 221 Mio. Euro liegt der <link href="#nadc20254148298-fig-0001">Umsatz der chemisch-pharmazeutischen Industrie im Jahr 2024 dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) zufolge 2 % unter dem Vorjahreswert. Im Ausland wurden 139 Mio. Euro erwirtschaftet (–1 %), 82 Mio. in Deutschland (–4 %). Ein Grund: rückläufige Preise – Chemikalien waren im Schnitt 2,5 % günstiger als im Vorjahr. Obwohl die Produktion verglichen mit dem Jahr 2023 um 2 % gestiegen ist, liegt sie immer noch 16 % unter dem Niveau von 2018. Die Chemie verzeichnete dabei ein Plus von 4 %, die Pharmabranche ein Minus von 1,5 %. Die Produktion chemischer Grundstoffe, von Polymeren sowie Konsumchemikalien war seit 2018 um mehr als ein Viertel reduziert worden und erholte sich nun leicht (+8, +4 beziehungsweise +2 %).<figure xml:id="nadc20254148298-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/QI1ZCgPNSLWMl3NgNAbd"><figcaption><label>Abb.1: </label>Bilanz für das Gesamtjahr 2024: Änderung verglichen mit dem Vorjahr. Quelle: VCI</figcaption></figure></figure>Trotzdem waren Produktionsanlagen wegen fehlender Aufträge durchschnittlich nur zu 75 % ausgelastet – dauerhafte Stilllegungen sind die Folge.Bürokratie und Regulierungen belasten mehr als zwei Drittel der Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit, wie eine Umfrage des VCI zeigt. Mehr als die Hälfte gibt hohe Steuern sowie steigende Kosten für Rohstoffe, Energie und Arbeit als belastend an, mehr als ein Drittel die geopolitische Lage. KK

Bilanz des Jahres 2024

Um erneuerbare Energie effizient zu nutzen und CO2-Emissionen zu senken, braucht es zus&auml;tzliche Energiespeicher und ein besseres System, um die Stromnachfrage flexibel an die Verf&uuml;gbarkeit anzupassen. Wie lassen sich daf&uuml;r chemische Energiespeicher wie Wasserstoff einsetzen?
Durch die Elektrifizierung energie- und treibhausgasintensiver Prozesse sind der Klassifikationsgesellschaft DNV zufolge die globalen Stromspeicherkapazit&auml;ten bis Mitte des Jahrhunderts um das 17-Fache auszuweiten: Lag die Speicherkapazit&auml;t im Jahr 2023 noch bei 1,75 Terawattstunden, wird in rund 25 Jahren eine Kapazit&auml;t von 30 Terawattstunden n&ouml;tig sein.1) Auch f&uuml;r die W&auml;rmeversorgung ist mit einer Zunahme der ben&ouml;tigten Energiespeicherkapazit&auml;t zu rechnen, um auf treibhausgasneutrale W&auml;rme umzustellen. Da etwa im Winter und nachts kaum Strom aus Solar- und Windkraftwerken verf&uuml;gbar ist, sind Ersatzspeicher f&uuml;r &Ouml;l und Gas n&ouml;tig, etwa Holzabf&auml;lle oder Biogas.
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/CoPHlNOITa6OeWUUbB5q">
<figcaption><label>Abb.1: </label>Energie l&auml;sst sich in chemischen Bindungen speichern und in fl&uuml;ssiger oder gasf&ouml;rmiger Form transportieren. So l&auml;sst sich der Energiesektor auch direkt mit anderen Sektoren koppeln, etwa der chemischen Industrie. Abbildung: leszekglasner / Adobe Stock</figcaption>
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<h2 type="main">Was chemische Speicher leisten k&ouml;nnen</h2>
Einen &Uuml;berblick zu Energiespeicheroptionen sowie speziell zur Stromspeicherung gaben wir bereits in fr&uuml;heren Ausgaben der Nachrichten aus der Chemie [Nachr. Chem. 2023, 71(9), 32; 2024, 72(10), 28].
Chemische Energiespeicher basieren auf reversiblen chemischen Reaktionen und schlie&szlig;en damit einen Stoffkreislauf. Verglichen mit anderen Speichern, etwa physikalisch-mechanischen, elektrischen oder elektrochemischen, hat das Vorteile:
<list>Die gravimetrische und volumetrische Speicherdichte der technisch relevanten chemischen Energiespeicher ist um ein bis zwei Gr&ouml;&szlig;enordnungen h&ouml;her als die von Lithiumionenakkus. Sie liegt etwa bei 12 kWh &middot; kg</list>&ndash;1<list> f&uuml;r Benzin, 33 kWh &middot; kg</list>&ndash;1<list> f&uuml;r Wasserstoff, 14 kWh &middot; kg</list>&ndash;1<list> f&uuml;r Methan und jeweils 6,4 kWh &middot; kg</list>&ndash;1<list> f&uuml;r Methanol und Ammoniak verglichen mit 0,1 &ndash; 0,3 kWh &middot; kg</list>&ndash;1<list> f&uuml;r Lithiumionenakkus.</list>2)<list><listitem> Die Speicherprodukte eignen sich deswegen f&uuml;r Anwendungen, bei denen die Elektrifizierung an Grenzen st&ouml;&szlig;t. Beispiele sind Flugzeuge oder &Uuml;berseeschiffe.</listitem><listitem>Das Trennen der Reaktionspartner unterbindet die chemische Reaktion. Dadurch ist die Speicherdauer theoretisch beliebig lang, und es gibt keine Selbstentladung.</listitem><listitem>Energie in chemischen Bindungen zu speichern erm&ouml;glicht, den Energiesektor mit anderen zu koppeln, beispielsweise dem Verkehr oder der chemischen Industrie. Elektrolytisch erzeugter Wasserstoff l&auml;sst sich etwa direkt als Rohstoff einsetzen, um Stahl oder Ammoniak herzustellen. Weil diese Prozesse bisher meist auf fossiler Energie basieren, zum Beispiel Kohle oder Erdgas, lassen sich so die Treibhausgasemissionen senken.</listitem></list>
<h2 type="main">Wo Wasserstoffenergie sinnvoll ist</h2>
Ein Nachteil chemischer Speicher ist verglichen mit Batteriespeichern die geringe Energieeffizienz. Wird beispielsweise Wasserstoff hergestellt, gespeichert und r&uuml;ckverstromt, ergibt das derzeit nur rund ein Drittel der urspr&uuml;nglich eingesetzten elektrischen Energie. Werden synthetische Kraftstoffe mit Wasserstoff hergestellt, reduziert sich dieser Wert durch zus&auml;tzliche Umwandlungsverluste nochmals.3) Mit dem Energieaufwand, der f&uuml;r ein mit synthetischem Kraftstoff betriebenes Fahrzeug n&ouml;tig ist, lie&szlig;en sich f&uuml;nf bis sechs Elektroautos betreiben.
Ziel muss also sein, regenerativen Strom m&ouml;glichst unmittelbar zu nutzen oder verlustarme Speicher einzusetzen, etwa Batterien oder physikalische Speicher. Lithiumionenbatterien etwa bieten Roduner et al. zufolge eine Energieeffizienz von 85 bis 98 Prozent [Nachr. Chem. 2024, 72(10), 28].
Chemische Speicher k&ouml;nnen sinnvoll sein, wenn keine Alternativen vorhanden sind oder wenn sich dadurch teure Infrastrukturinvestitionen vermeiden lassen.
Wie sich Wasserstoffenergie nutzen l&auml;sst, zeigt Tabelle 1. Wasserstoff ist wertvoller, wenn er als Rohstoff genutzt wird anstatt als chemischer Stromzwischenspeicher oder um W&auml;rme zu erzeugen. Wo Strom direkt zu einem Energie-effizienzgewinn f&uuml;hrt, sind statt Wasserstoff andere Optionen zu bevorzugen. Dies gilt beispielsweise beim Landverkehr mit batterieelektrischen Fahrzeugen, beim Erzeugen von W&auml;rme oder K&auml;lte mit W&auml;rmepumpen oder dem Nutzen von Prozessw&auml;rme. Wasserstoff eignet sich allerdings, um Eisen, Stahl und Grundchemikalien wie Ammoniak oder Methanol nahezu treibhausgasneutral herzustellen. Au&szlig;erdem l&auml;sst sich mit Wasserstoff regenerativ erzeugte Energie langfristig speichern, um die Energieversorgung in einer Dunkelflaute zu sichern oder Notstrom zum &Uuml;berbr&uuml;cken pl&ouml;tzlicher Versorgungsengp&auml;sse zur Verf&uuml;gung zu stellen.
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<figcaption><label>Tab.1: </label>Qualitativer Vergleich von H2-Nutzungsoptionen: je dunkler das Gr&uuml;n, desto besser.</figcaption>
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Zudem sind Wasserstoff und seine Speicherprodukte Methanol, Ammoniak oder nachhaltige Flugkraftstoffe auch f&uuml;r die Schiff- und Luftfahrt sowie den Schwerlasttransport auf Langstrecken relevant. Denn sie erfordern hohe Energiespeicherdichten, die sich nur durch chemische Speicher erreichen lassen.5)
<h2 type="main">CO2 vermeiden, Energie sparen</h2>
Rohstoffe aus der Natur k&ouml;nnen ebenfalls der Treibstoffproduktion dienen. Allerdings begrenzen Fl&auml;chenbedarf und Nutzungskonkurrenz durch andere Anwendungen die Rohstoffmengen. B&auml;ume und Holzreste sollten daher vorrangig als Baumaterial oder f&uuml;r Zellstoff genutzt werden, sodass Kohlenstoff f&uuml;r Jahrzehnte zwischengespeichert anstatt als CO2 in die Atmosph&auml;re emittiert wird. Zudem erfordert es viel Energie, Biomasse zum Herstellen von Grundchemikalien aufzubereiten, ihr beispielsweise das Wasser zu entziehen: n&auml;mlich etwa viermal so viel wie Verfahren, die fossile Rohstoffe nutzen.
Energiegewinn setzt CO2 frei &ndash; und diese Emissionen sollten so weit wie m&ouml;glich vermieden oder kompensiert werden. CO2 l&auml;sst sich zwar f&uuml;r den Kohlenstoffkreislauf reaktivieren: In der inversen Wassergas-Shift-Reaktion reagiert es mit Wasserstoff, beispielsweise aus der Wasserelektrolyse, zu Kohlenstoffmonoxid. Dieses l&auml;sst sich nutzen, um Methanol herzustellen. Das Reaktivieren von CO2 und Wasser zu Methanol erfordert allerdings eine hohe Reaktionsenthalpie von 7 MWh &middot; t&ndash;1, die sich in der Praxis durch W&auml;rmeverluste und Zusatzaggregate zu einem Energiebedarf von mehr als 10 MWh &middot; t&ndash;1 Methanol summiert. Die Methanolsynthese aus Synthesegas (CO + 2 H2) ist dagegen theoretisch um 0,8 MWh&middot;t&ndash;1 exotherm, weil Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff bereits reduzierte Formen von CO2 und Wasser sind. In der Praxis ben&ouml;tigt die Reaktion etwa 1 MWh &middot; t&ndash;1 Methanol.6)
Wird CO2 durch Direktsorption (Direct Air Capture) aus der Umgebungsluft gewonnen, ist es zudem aufzukonzentrieren. Auch das ist energieaufwendig. Insgesamt ben&ouml;tigt es drei- bis viermal mehr Energie, CO2 abzuscheiden und zu nutzen, als biogene Kohlenstoffverbindungen zu verwenden.5)
In Fermentations- oder Synthesegasanlagen und Biomassekraftwerken l&auml;sst sich CO2 energieg&uuml;nstig aus unvermeidbaren Emissionen abtrennen. Bei einer CO2-Konzentration von 20 bis 40 Prozent und einer Reinheitsanforderung von 90 Prozent sind 23 bis 45 kWh &middot; t&ndash;1 CO2 Energie n&ouml;tig7) &ndash; wenig verglichen mit Direct Air Capture bei CO2-Konzentrationen von unter einem Prozent, das h&ouml;herer Energien von mehreren Megawattstunden pro Tonne CO2 bedarf. Die Nutzungsoptionen von Biomasse lassen sich daher anhand des Energiebedarfs, des Erhalts von C&ndash;C-Bindungen und der CO2-Freisetzung priorisieren (Tabelle 2).
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<figcaption><label>Tab.2: </label>Biomasse-Nutzungsoptionen und deren Energiebedarf, Erhalt der C&ndash;C-Bindungen und CO2-Freisetzung. Anhand dieser Angaben lassen sich die Nutzungsoptionen priorisieren. Daten aus rechnerischen Absch&auml;tzungen W. H&uuml;bingers</figcaption>
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Derzeit basieren unsere Energiewirtschaft und Chemieindustrie haupts&auml;chlich auf fossilem Kohlenstoff: Gas und &Ouml;l sind nahezu ideale Rohstoffe f&uuml;r Energietr&auml;ger und Chemieprodukte. Fossile Rohstoffe enthalten von Natur aus viel chemisch gespeicherte Energie und lassen sich in Raffinerien durch Cracking oder mehrfache Destillation kosten- und energiesparender aufreinigen als etwa Biomasse. Die CO2-Emissionen auf Netto-Null zu reduzieren, wird daher Energie kosten. Wenn m&ouml;glich, sollte CO2 als Endprodukt deshalb vermieden werden. Das ist etwa bei der Biomassevergasung mit Wasserdampf m&ouml;glich, die Wasserstoff freisetzt. Das Wasser f&uuml;r den Wasserdampf ist meist bereits in der Biomasse enthalten.
Wird CO2 chemisch reduziert, etwa zu Ameisens&auml;ure, Formaldehyd, Methanol oder Methan, korreliert der Energieaufwand mit der ben&ouml;tigten Wasserstoffmenge (Diagramm rechts oben). In der Praxis sind zudem der Marktwert der Produkte sowie Energieverluste bei der Wasserstoffelektrolyse und der Synthese von Folgeprodukten zu ber&uuml;cksichtigen.
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<figcaption><label>Abb.2: </label>Energiebedarf pro Mol C1-Produkt aus der CO2-Hydrierung, errechnet aus den Standardbildungsenthalpien unter Ber&uuml;cksichtigung der H2-Erzeugung mit Elektrolyse. Daten aus rechnerischen Absch&auml;tzungen T. Osterlands auf Basis des NIST Chemistry WebBook: <a href="https://t1p.de/hszq1" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/hszq1</a></figcaption>
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<h2 type="main">Was folgt</h2>
Priorit&auml;t muss in den n&auml;chsten zehn bis zwanzig Jahren die Defossilisierung der Energiewirtschaft haben. Fossil befeuerte Kraftwerke sind durch Wasserkraftwerke, Solarstrom und Windenergie zu ersetzen. Physikalische oder elektrochemische Energiespeicher sowie Biomasse-Kraftwerke k&ouml;nnen Dunkelflauten, etwa an tr&uuml;ben Tagen im Winter, &uuml;ber Tage bis Wochen &uuml;berbr&uuml;cken und Lastspitzen kappen, also den Stromverbrauch zu Spitzenlastzeiten reduzieren. Energie aus Biomasse ist dabei billiger, als Wasserstoff in Gaskraftwerken zu verfeuern. Der Gesamtwirkungsgrad von der elektrolytischen Wasserstofferzeugung &uuml;ber das Speichern bis zur R&uuml;ckverstromung liegt bei unter 50 Prozent.8)
Daher ist auch eine Elektrifizierung des Stra&szlig;enverkehrs folgerichtig: Batteriebetriebene Landfahrzeuge sind etwa 3,5-mal so effizient wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren &ndash; und damit trotz h&ouml;herer Anfangsinvestition auf Dauer g&uuml;nstiger. Gleiches gilt f&uuml;r W&auml;rmepumpen.9)
Sektoren&uuml;bergreifend und unabh&auml;ngig von der Speicherart sind Anteil und Absolutmenge an nachhaltiger elektrischer und thermischer Energie verglichen mit dem jetzigen Zeitpunkt zu erh&ouml;hen. Nur so lassen sich die vertraglich vereinbarten Klimaziele in Deutschland und europa- sowie weltweit erreichen. Mit einem Anteil von 56 Prozent erzeugte Deutschland seinen Strom im Jahr 2023 erstmals mehrheitlich aus erneuerbaren Energiequellen.10) Bei gleichbleibenden Investitionen wird Deutschland noch mehr als 10 Jahre ben&ouml;tigen, um nahezu 100 Prozent zu erreichen. Da f&uuml;r alle Speicheroptionen viel Material und Energie n&ouml;tig sind, sollte der Speicherbedarf minimiert werden. Chemische Energiespeicher k&ouml;nnen Deckungsl&uuml;cken &uuml;berbr&uuml;cken und Anwendungen dienen, die eine hohe Energiedichte voraussetzen. F&uuml;r Strom und W&auml;rme gilt: Der &ouml;konomische Nutzen einer Speichermethode h&auml;ngt von der gesamten gespeicherten Energie ab &ndash; und damit von der Zahl der Lade- und Entladezyklen &uuml;ber einen gegebenen Zeitraum. Ein Langzeit-Speicher, der nur wenige Zyklen pro Jahr durchl&auml;uft, darf entsprechend nur wenig kosten, um wirtschaftlich zu sein.
<h2 type="main">AUF EINEN BLICK</h2>
Chemische Energie l&auml;sst sich theoretisch beliebig lange speichern, denn das Trennen der Reaktionspartner stoppt die Reaktion.
Die Speicherdichte von Wasserstoff, Methan oder Ammoniak ist um ein bis zwei Gr&ouml;&szlig;enordnungen h&ouml;her als die von Lithiumionenakkus.
Chemische Speicher eignen sich daher etwa f&uuml;r Flugzeuge, &Uuml;berseeschiffe oder Langzeitspeicher zur Notstromversorgung.
Chemische Bindungen zu erhalten und CO2 als Endprodukt zu vermeiden spart Energie, etwa bei der Biomassenutzung.
<h2 type="main">Die Autoren</h2>
Den Beitrag verfasst haben Thomas Osterland (Foto), Wolfgang H&uuml;binger und Emil Roduner. Osterland ist seit 2015 Professor f&uuml;r chemische Technologie an der Hochschule Augsburg in der Fakult&auml;t Maschinenbau und Verfahrenstechnik. H&uuml;binger erarbeitet bei BASF in Ludwigshafen Langfriststrategien, abgeleitet aus Technologieentwicklung, Forschungssteuerung und Scouting. Roduner ist Professor f&uuml;r physikalische Chemie an der Uni Stuttgart sowie au&szlig;erordentlicher Professor der Uni von Pretoria (im Ruhestand).<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/0Lot5HYcQXSkSNyWjbQi">
Foto: Saskia Schweizer
<ul class="references" cited="no" xml:id="nadc20254148276-bibl-0001">
<li xml:id="nadc20254148276-bib-0001">1 DNV Energy Transition Outlook 2024: <a href="https://dnv.de/energy-transition-outlook/download/" target="_blank" rel="noopener">dnv.de/energy-transition-outlook/download/</a></li>
<li xml:id="nadc20254148276-bib-0002">2 A. A. Nkembi, M. Simonazzi, D. Santoro, P. Cova, N. Delmonte, Batteries 2018, 10, 88, doi: <accessionid ref="info:doi/10.3390/batteries10030088">10.3390/batteries10030088</accessionid></li>
<li xml:id="nadc20254148276-bib-0003">3 Staiger, R., Tantau, A., Analyse von Power-to-X-Anwendungen mit gr&uuml;nem Wasserstoff. In: Gesch&auml;ftsmodellkonzepte mit gr&uuml;nem Wasserstoff. Sustainable Management, Wertsch&ouml;pfung und Effizienz, 2024, Springer Gabler, Wiesbaden, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1007/978-3-658-30576-5">10.1007/978-3-658-30576-5</accessionid></li>
<li xml:id="nadc20254148276-bib-0004">4 R. Gloor, Energiesparm&ouml;glichkeiten in S&auml;gereien, [Hrsg.: Schweizer Bundesamt f&uuml;r Konjunkturfragen (Bfk)], 1996</li>
<li xml:id="nadc20254148276-bib-0005">5 J. Clausen, Das Wasserstoffdilemma: Verf&uuml;gbarkeit, Bedarfe und Mythen, Berlin, 2022</li>
<li xml:id="nadc20254148276-bib-0006">6 Rechnerische Absch&auml;tzungen von Wolfgang H&uuml;binger</li>
<li xml:id="nadc20254148276-bib-0007">7 M. Bui, C. S. Adjiman, A. Bardow, E. J. Anthony, A. Boston et al., Energy Environ. Sci. 2018, 11, 1062, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1039/C7EE02342A">10.1039/C7EE02342A</accessionid></li>
<li xml:id="nadc20254148276-bib-0008">8 A. J. Headley, S. Schoenung, Hydrogen Energy Storage: <a href="https://t1p.de/qwztu" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/qwztu</a></li>
<li xml:id="nadc20254148276-bib-0009">9 W. Brinker, Bunsen-Magazin 2022, 3, 72</li>
<li xml:id="nadc20254148276-bib-0010">10 Destatis-Pressemeldung: <a href="https://t1p.de/ozzwa" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/ozzwa</a></li>
</ul>

Chemische Energie richtig speichern

Im Juli 2024 hatte Prime Lithium gemeldet, Li in höchstem Reinheitsgrad aus Spodumen (LiAl[Si2O6], Foto) herstellen zu können. Jetzt will das vom Chemiker und ehemaligen Lanxess-CEO Heitmann mitbegründete Unternehmen eine Pilotanlage in Stade bauen, die ab dem Jahr 2027 Lithiumhydroxid herstellen soll. Ab etwa 2030 sollen drei Produktionslinien jeweils 20 000 Jahrestonnen Li für insgesamt 1,5 Mio. Elektroautobatterien produzieren.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/VUtPQernS2SadmYSE37w">Kunzit ist eine Varietät des lithiumhaltigen Minerals Spodumen, aus dem in Stade Lithium gewonnen werden soll. Géry Parent, Public domain, via Wikimedia CommonsDer Geschäftsführer von Prime Lithium, Axel C. Heitmann, wird alleiniger Anteilseigner des Hamburger Unternehmens. Zu den bisher von ihm gehaltenen 15 % übernimmt er 85 % von der Deutschen Rohstoff AG, einer Holdinggesellschaft für Rohstoff- und Bergbauunternehmen in Mannheim.

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