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In Chemie, Pharmazie, Lebensmittelchemie und Biotech sind häufiger extreme Temperieraufgaben zu lösen, darunter schnelle Temperaturwechsel im Reaktor oder punktgenaues Heizen für Kunststoffe.
Oft stellt sich als Temperieraufgabe, einen Reaktor auf Betriebstemperatur hochzufahren und diese dann über einen langen Zeitraum exakt zu halten. Aber es gibt extremere Anforderungen – ein Beispiel: Bei einer Methanisierung in einem Power-to-Gas-Prozess sind Reaktionspartner erst auf 330 °C zu heizen, dann innerhalb weniger Minuten auf 150 °C abzukühlen (Temperieranlage in Abbildung 1).<figure><img src="https://media.graphcms.com/mZkFtg7uSDmIF3VE9q64"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Temperieranlage für schnelles Kühlen am Max-Planck-Institut in Magdeburg: Oben auf der Konstruktion sitzt der Behälter mit der Kühlflüssigkeit. Diese strömt nach automatisiertem Umlegen eines Drei-Wege-Hahns zum Temperiergut. Dieses befindet sich hinter der Temperieranlage in einem Rohr-in-Rohr-Reaktor aus wasserstoffbeständigem Edelstahl, der dort in einem abgeteilten Bereich (Kapelle) steht. Im inneren Rohr findet die Reaktion statt, während durch das äußere Rohr die Temperierflüssigkeit strömt. Foto: Jens Bremer</figcaption></figure>
<h2>Methanisierung</h2>Bei der Methanisierung reagieren Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid mit Wasserstoff zu Methan und Wasser. Dabei ist zunächst eine hohe Aktivierungsenergie zu überwinden. Wenn die Reaktion läuft, ist ein schnelles Abkühlen geboten, allein um den temperaturempfindlichen Katalysator zu schonen.Für eine Kühlleistung von mindestens 100 Kelvin pro Minute, ohne im Endpunkt zu unterschwingen, also zeitweise unter die 150 °C zu fallen, wurde statt eines üblichen elektronischen Regelventils ein pneumatisches Drei-Wege-Ventil eingebaut. Denn mit diesem ist der Temperaturwechsel schneller als beispielsweise mit einem Plattenwärmetauscher. Das Drei-Wege-Ventil arbeitet so wie ein Wasserhahn, den man schlagartig von „heiß“ auf „kalt“ dreht. Genauso schlagartig ändert sich die Temperatur. Dabei gibt es von vornherein zwei unterschiedlich temperierte Flüssigkeitskreisläufe. Die Alternative besteht darin, ein einziges Temperiermedium durch Wärmeentzug herunterzukühlen (zum Beispiel über einen Plattenwärmetauscher). Dieser Vorgang ist aber immer ein Stück träger als ein plötzliches Umschalten.Die zentrale Mess-, Steuer- und Regelungstechnik steuert pneumatische Aktuatoren an, und diese wiederum stellen das Ventil um. Damit koppelt es den heißen Temperierkreis ab, und die kältere Flüssigkeit strömt aus einem Behälter in einen Rohr-in-Rohr-Reaktor aus wasserstoffbeständigem Edelstahl, der in einem abgeteilten Bereich, der Kapelle, steht. Im inneren Rohr findet die Reaktion statt, während durch das äußere Rohr das Temperiermedium strömt. Als Temperierflüssigkeit beim Abkühlen dient ein Thermalöl, das insbesondere die hohen Anfangstemperaturen bis 330 °C verträgt (Marlotherm SH).<h2>Temperatur und Reaktionsverlauf vorhersagen</h2>Die Forschungsgruppe Prozesstechnik um Kai Sundmacher am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg untersucht mit der beschriebenen Temperieranlage, wie dynamisch sich ein Methanisierungsprozess betreiben lässt. Denn wenn zum Beispiel weniger Wasserstoff zur Verfügung steht, etwa weil für die Wasserelektrolyse mit Strom aus Windkraft zu wenig Wind weht, soll der Reaktor auf niedrigerem Niveau weiterarbeiten, bis wieder mehr Wasserstoff da ist. Für einen solch flexiblen Betrieb ist schnelle Regulierung wichtig, ohne einen Reaktor-Runaway durch überschwingende Temperatur zu riskieren.Nach Jens Bremer aus der Gruppe Prozesstechnik des Magdeburger Max-Planck-Instituts ist bislang wenig über die Zyklenstabilität der verwendeten Thermalöle bekannt. Er vermutet, dass hohe Anforderungen an das Thermalöl durch regelmäßige und schnelle Temperaturwechsel deren Haltbarkeit beeinträchtigen.Vor dem experimentellen Betrieb der Methanisierungsanlage unter dem Namen Forecast (Flexible Operation for Catalytic Syntheses) modellierte und optimierte Bremer mehr als zwei Jahre mit dem Programm Matlab Temperaturführung und Reaktionsgeschehen. Dabei galt es, 20 000 bis 30 000 Differentialgleichungen, die Energie- und Massentransport beschreiben, mit numerischen Verfahren gleichzeitig zu lösen. So ließ sich das dynamische Verhalten des Systems ausgehend von einem definierten Anfangszustand berechnen.<h2>Cloud und Software für Temperieraufgaben</h2>Für weniger komplexe Fälle als die Methanisierung gibt es cloudbasierte Lösungen, die Zustands- und Prozessdaten digital erheben und verarbeiten. Sie dienen dazu, Temperierprozesse zu überwachen und zu optimieren sowie für die Instandhaltung zu planen. Ein Beispiel ist Logotherm vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart (Abbildung 2).<figure><img src="https://media.graphcms.com/zbahpODTS4yEWYeDhM1E"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Im Applikationszentrum des Fraunhofer-Instituts IPA: Die Software für die Temperiertechnik bringt fortlaufend die Daten auf den Bildschirm, etwa Wartungszeitpunkte und die Temperaturaufzeichnung über vorgegebene Zeiträume, und hilft so, die Prozesse zu überwachen und zu optimieren. Foto: Fraunhofer IPA/Rainer Bez</figcaption></figure>
Ein Ingenieursteam hat in einem Gemeinschaftsprojekt mit dem Unternehmen gwk Gesellschaft Wärme Kältetechnik, Meinerzhagen, eine Methode entwickelt, um Werkzeuge zu temperieren, mit denen die Kunststoffverarbeitung Bauteile formt. Hintergrund war die Prozessführung der variothermen Temperierung, bei der also geheizt und gekühlt wird.Zunächst waren die relevanten Variablen aus der Menge an Daten zu definieren. Berücksichtigt haben die Entwickler insbesondere Temperaturmesswerte im Werkzeug, Heiz- und Kühlleistungen sowie Komponentenlaufzeiten. Auf nachgelagerte Temperaturmesswerte etwa haben sie verzichtet.<h2>Pixelheizung</h2>Systeme auf Basis der keramischen Dickschichttechnik steuern kleine Heizelemente und temperieren damit Kunststofffolien an definierten Stellen (Abbildung 3). Bei solchen Systemen liegen auf der Oberfläche eines zirka 1 Millimeter dicken Keramiksubstrats Heizleiterschleifen etwa in Form von Pixeln oder Ringelementen. Die elektrischen Kontakte befinden sich auf der Rückseite des Substrats.<figure><img src="https://media.graphcms.com/mkpzlO8lQ7epLFNhCcS9"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Temperiersystem auf Basis keramischer Dickschichten. Hier lassen sich einzelne Pixel aufheizen, daher eignet sich das System dazu, Kunststoff zu formen. Foto: Wattron</figcaption></figure>
Diese randlosen Heizelemente geben ihre Wärme beim physischen Kontakt an eine Kunststoffformmasse ab. Die Wärme wird über den elektrischen Widerstand der Leiterschleife erzeugt, die gleichzeitig der Temperaturmessung dient. Die Leiterbahnen bestehen aus Keramik mit einem Zusatz metallischer Partikel.Eine Standardausführung hat 40×40-mm-Heizmodule mit 64 Pixeln, jedes 5×5 mm groß. Die Pixel sind zu Quadraten von 8×8 Pixeln angeordnet (cera2heat, Wattron, Freital). Mehrere Module aneinander ergeben einen großen, digital steuerbaren Flächenheizer.Dabei wird die Wärme unmittelbar an der Heizoberfläche mit einer Leistung von 70 Watt pro Quadratzentimeter erzeugt. Das spart Energie und lässt sich dynamisch regeln (&lt; 100 Hertz). Die Heizelemente erwärmen Kunststofffolien definiert inhomogen, jedes Pixel nimmt also eine bestimmte Temperatur mit einer Genauigkeit von 1 Kelvin an. Becher und Blister werden so thermogeformt, dass stärker zu verformende Stellen auf eine höhere Temperatur und weniger zu verformende auf eine entsprechend geringere Vorwärmtemperatur gebracht werden.Vorteil dieser Technik: Die Wanddickenverteilung des Formteils wird homogener, für das Endprodukt kann eine dünnere Kunststofffolie verwendet werden, was 10 bis 30 Prozent Material spart.1)Blisterverpackungen für die Pharmaindustrie zum Beispiel werden heute noch mit Stempeln hergestellt, was viel Werkstoff erfordert. Das kann mit der neuen Temperiertechnik einfacher und schneller gehen. Auch unregelmäßig geformte Verpackungen lassen sich in einem Zug fertigen.In der Elektronik dient das Temperierverfahren zur Umformung von zweidimensional auf Folie gedruckten Schaltkreisen in stabile dreidimensionale Strukturen. Das Matrixsystem ist in Testanlagen bei Kunden im Einsatz, dieses Jahr soll es in Serie gehen.<h2>Folien versiegeln</h2>In einer zweiten Ausführungsform (cera2seal) lassen sich Verpackungen für temperaturempfindliche Produkte versiegeln, ohne das Produkt, zum Beispiel Schokolade, zu schädigen. Pharmaindustrie, Biotech und Medizintechnik formen mit diesem digitalen Siegelsystem unter anderem Beutel, Deckelfolien und Portkatheter.Für das Matrix- wie für das Siegelsystem entwickelt der Hersteller zurzeit Anwendungen für die chemische Industrie und die biotechnische Produktion. Ein Beispiel ist das Verfahren, das Spout-Beutel verschließt. Solche Beutel mit Ausgießer eignen sich zum Beispiel für Blutkonserven und Medikamente. Flüssigkeiten, zähflüssige oder rieselfähige Stoffe, Medizinprodukte, Hygieneprodukte oder Lebensmittel lassen sich mit der lokalen Wärmeregulierung über den Spout entnehmen und dosieren. Dazu wird in der Herstellung der Spout-Bereich stärker erwärmt als die reine Folie neben dem Spout. Auf diese Weise lasse sich solche Verpackungen erstmals aus einem einzigen Material fertigen.Der promovierte Chemiker Christian Ehrensberger ist freier Mitarbeiter der Nachrichten aus der Chemie.<h2>AUF EINEN BLICK</h2>Um chemische Prozesse wie die Methanisierung flexibel zu betreiben und dabei unter Kontrolle zu halten, ist es erforderlich, die Temperatur schnell und genau zu regulieren. Dies erfordert neben der Technik Simulationen und Rechnungen.Cloudbasierte Lösungen erheben und verarbeiten für weniger komplexe Temperaturregelungen Zustands- und Prozessdaten.Systeme auf Basis keramischer Dickschichten steuern kleine Heizelemente in Form von Pixeln oder Ringen und temperieren so an definierten Stellen.
<ul class="references"><li>
1 <a href="https://www.validierungsfoerderung.de/" target="_blank">www.validierungsfoerderung.de/</a> aktuelles/aktuelles/echt-heiss (Stand 12.11.2020)</li></ul>

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