Bildung + Gesellschaft

Virtuelle Veranstaltungen in Wissenschaften beibehalten? | 74 % von 925 Befragten sind dafür, Konferenzen weiterhin virtuell abzuhalten. Das ergab eine Umfrage der Zeitschrift Nature. Drei Viertel der Umfrageteilnehmer:innen besuchten nach Beginn der Coronapandemie mehrere Online-Veranstaltungen. 18 % gaben an, wenigstens an einer teilgenommen zu haben. Knapp die Hälfte sieht die leichte Zugänglichkeit aus finanzieller und logistischer Sicht als größten Vorteil. Den größten Nachteil sehen die Befragten in der Schwierigkeit, sich virtuell mit anderen zu vernetzen.Die GDCh fragte 1300 Mitglieder, in welcher Form das Wissenschaftsforum Chemie künftig stattfinden soll. Die Hälfte plädierte für eine Präsenzveranstaltung, 47 % für Hybrid und nur 3 % für eine reine Onlineveranstaltung. SN<ul class="references"><li>
1 A. Remmel, Nature 2021, 591, 185</li></ul>
Online-Kurse profitieren von der Covid-19-Pandemie | Die Nutzerzahlen von Onlinekursen stiegen zwischen 2019 und 2020 um 50 %. Die Finanzierung in Europa, mit Ausnahme von Deutschland, wuchs um etwa 70 %. Die Wachstumsrate in Deutschland liegt bei 20 %.Etwa ein Fünftel aller besuchten Kurse hatten den Schwerpunkt Business und ein weiteres Fünftel Technologie. Naturwissenschaftliche Kurse wurden zu knapp einem Zehntel von allen Kursteilnehmenden besucht. SN<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://classcentral.com/report/mooc-stats-2020" target="_blank">classcentral.com/report/mooc-stats-2020</a></ext-link>Ideen und Konzepte für die digitale Lehre | Einen frei zugänglichen Sammelband über die Digitalisierung des Studiums hat das Hochschulforum Digitalisierung herausgebracht. Autorinnen und Autoren beschreiben ihre Erfahrungen aus der Praxis, stellen hochschuldidaktische Ideen vor und diskutieren die Schwierigkeiten, ob und wie sich Lehre digitalisieren lässt. Das Hochschulforum Digitalisierung wurde im Jahr 2014 als Initiative des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft und des Centrums für Hochschulentwicklung CHE gegründet. FZ<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://hochschulforumdigitalisierung.de" target="_blank">hochschulforumdigitalisierung.de</a></ext-link>PDF-Datei des Buchs „Digitalisierung in Studium und Lehre gemeinsam gestalten“: <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://t1p.de/5qai" target="_blank">t1p.de/5qai</a></ext-link>

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Bildung – virtuell und digital

Virtuelle Veranstaltungen in Wissenschaften beibehalten? | 74 % von 925 Befragten sind dafür, Konferenzen weiterhin virtuell abzuhalten. Das ergab eine Umfrage der Zeitschrift Nature. Drei Viertel der Umfrageteilnehmer:innen besuchten nach Beginn der Coronapandemie mehrere Online-Veranstaltungen....

Seit 100 Jahren wird in Teltow am Südrand Berlins Polymerforschung betrieben. Die Eingliederung des Instituts für Polymerenchemie (IPOC), eines Akademie-Instituts der DDR, in die gesamtdeutsche Forschungslandschaft steht exemplarisch für die wissenschaftspolitischen Umbrüche im Zuge der Wende 1989/90.
Im Jahr 1921 nahm die Forschungs- und Patentzentrale der Glanzstoff AG in Teltow-Seehof die Textilfaserforschung auf. Hauptaufgabe innerhalb der Glanzstoff-Fabriken war es, die Herstellung von Textilfasern auf Cellulosebasis zu verbessern.1949 übernahm die Akademie der Wissenschaften innerhalb ihres Forschungsbereichs Chemie den Standort als Institut für Faserstoff-Forschung. Die Aufgaben für Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung wurden deutlich erweitert: etwa bei der Verfahrensentwicklung für Reifencord aus Cellulose, bei Textilfasern aus Polyacrylnitril (Wolpryla), Polyamid (Dederon) oder Polyester (Grisuten).Im Jahr 1972 wurde der Name in Institut für Polymerenchemie (IPOC) geändert. Forschungsthemen waren neuartige Materialien wie Polyelektrolyte, Polyethylen, Polyvinylchlorid oder Proteine und neue Anwendungen, etwa Wundpulver, Flockungsmittel, Membranen (für die künstliche Niere) oder Nahrungsmittel.Die wissenschaftlichen Ergebnisse des Instituts brachten nationales und internationales Ansehen. Bis 1985 war keiner der Direktoren des Instituts SED-Mitglied (Erich Correns 1949 – 1961, Herrmann Klare 1961 – 1968, Burkhart Philipp 1969 – 1981, Gerhard Reinisch 1981 – 1985).<h2>Das Jahr 1989</h2>Im Jahr 1989 vertiefte die wirtschaftliche und politische Situation in der DDR sowie die zunehmende Bürokratisierung von Arbeitsabläufen die Kluft zwischen den Instituts- und Bereichsleitungen und der Belegschaft – etwa 470 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon zirka 180 in nicht-forschenden Bereichen. Angesichts der merkwürdigen Ergebnisse der Kommunalwahlen im Sommer verbreiteten sich auch im IPOC im September heimliche Aufrufe der Bürgerrechtsbewegung Neues Forum, und Unterschriftsaktionen wurden gestartet. Die freien Meinungsäußerungen in einer Wandzeitung nahmen zu, ohne dass Partei- und Institutsleitung einschreiten konnten.Anfang November wurde die Institutsleitung auf einer Belegschaftsversammlung heftig kritisiert; den Fall der Mauer am 9. November begrüßte ein großer Teil der Belegschaft. Unter der Bezeichnung „Alternative Gruppe“ konstituierte sich eine Opposition gegen die Institutsleitung.Ende November 1989 wurde auf Druck der Wissenschaftler des Instituts erstmals ein wissenschaftlicher Rat demokratisch gewählt. Die meisten Stimmen erhielten Burkart Philipp und Dieter Paul (nur ein Bereichsleiter belegte den 18. Platz).1) In einer Belegschaftsversammlung im Dezember wurde der Institutsleitung unter Jürgen Dahlmann (Direktor seit 1985) das Misstrauen ausgesprochen.In der konstituierenden Sitzung des wissenschaftlichen Rates kurz vor Weihnachten 1989, der zu diesem Zeitpunkt neben den wissenschaftlichen soziale Fragen der Zukunft zu behandeln hatte, wurde Burkart Philipp als neuer Institutsleiter durchgesetzt. Ab 1. Februar 1990 übernahm er wieder die Leitung des Instituts.Die ersten Arbeitsmonate der neuen Leitung waren der inneren Demokratisierung der Institutsstruktur gewidmet. Die schwerfällige Bereichsstruktur wurde zugunsten einer Abteilungsstruktur verändert. Die „Alternative Gruppe“ schloss die Bewertung der früheren Leitung ab und bewirkte damit personelle Umbesetzungen.Die politischen Veränderungen im Institut wurden mit Augenmaß und ohne Vergeltungsstreben durchgeführt. Ehemalige SED-Mitglieder wurden von den Schaltstellen entfernt. Wenn sie menschlich integer waren, erhielten sie Positionen, die ihren Fähigkeiten entsprachen.Die wissenschaftliche Arbeit im Institut blieb trotz allen Turbulenzen nicht liegen. Zirka 200 Publikationen und etwa 20 Patente aus diesem Zeitraum zeugen davon.Parallel zur Demokratisierung im Inneren und den wissenschaftlichen Arbeiten gab es zunehmend Kontakte zu Wissenschaftlerpersönlichkeiten sowie staatlichen und Wissenschaftsinstitutionen der Bundesrepublik, darunter zu den Berliner Universitäten und Forschungsinstitutionen, zum Forschungsministerium, zur Max-Planck-Gesellschaft und zur Industrie.<h2>Aus einem wurden mehrere Institute</h2>Der Wissenschaftsrat der Bundesrepublik hatte 1990 die Aufgabe, den Übergang in eine gesamtdeutsche Forschungslandschaft vorzubereiten. Bereits im zweiten Quartal wurde erkennbar, dass das ursprüngliche Konzept – nämlich das IPOC als einzelnes Polymerinstitut in voller Breite und mit einem großen Teil der Belegschaft weiterzuführen – nicht zu realisieren war. Stattdessen kam es zu einem Vorschlag, das Institut nach fachlichen Gesichtspunkten auf verschiedene Träger aufzuteilen. Entscheidend für die Zukunft des Standorts wurde die Evaluierung des vorgelegten Teilungskonzepts durch die mit internationalen Wissenschaftlern besetzte Arbeitsgruppe Chemie des Wissenschaftsrates unter Hansjoachim Sinn (Uni Hamburg) im Dezember 1990. Nach Vorträgen und Besichtigung und fairen Diskussionen blieb nur das Abwarten, aber die gefühlte Stimmung war positiv.Inzwischen sank die Zahl der Beschäftigten. Vielen Mitarbeitern erschien die Zukunft zu unsicher und sie wechselten den Arbeitsplatz.Im Juli 1991 veröffentlichte der Wissenschaftsrat seine Empfehlung.2) Darin stand unter anderem: „Eine Bereicherung für die deutsche Forschungslandschaft bedeutet die Abteilung Membranforschung in Teltow-Seehof. Es wird vorgeschlagen, eine GKSS-Außenstelle zu bilden.“ Damit hatte 1992 das Institut für Chemie der GKSS im westdeutschen Geesthacht einen Institutsteil in Brandenburg gewonnen. (1994 wurde Dieter Paul Institutsleiter – eine der ersten Berufungen aus dem Osten in den Westen.) Es wurde weiterhin empfohlen, ein Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) zu gründen. Ende 1991 handelte die MPG entsprechend, nachdem sie 1990 noch sehr zögerlich gewesen war. Das empfohlene Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP war schon im April 1991 als zunächst befristete Einrichtung gegründet worden. Dazu kamen eine Außenstelle des Instituts für angewandte Materialforschung Bremerhaven und Gruppen an der neuen Universität Potsdam.Sozialpolitisch wurde die Umgestaltung des Forschungsstandorts zum Erfolg. Auch weil es Vorruhestandsregelungen gab und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Vermittlung der Institutsleitung ein neues Wirkungsfeld fanden, verlor niemand wegen der Umstrukturierung seine Arbeit. Entlassen wurden lediglich zwei Mitarbeiter – sie hatten für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR gearbeitet.Am 31.12.1991 hörte das Institut für Polymerenchemie auf zu bestehen, und die neuen Institutionen nahmen offiziell ihre Arbeit auf.<h2>Die Geschichte geht weiter</h2>Ursachen für die erfolgreiche Umgestaltung des Standorts waren: Ein realistisches Wissenschafts- und Organisationskonzept für die Neugestaltung, der wissenschaftliche Ruf des früheren Instituts, die politisch neutrale oder sogar ablehnende Haltung der Mitarbeiter gegenüber DDR-Parteibürokratie und Staatsideologie, die den Neuanfang nach der Wende erleichterte, und die Unterstützung westdeutscher und westberliner Fachkollegen, Vertreter von Behörden und Unternehmen in der Wendezeit bei der Neugestaltung des Standorts.Max-Planck- und Fraunhofer-Institut verließen im Jahr 2000 den Standort, um in Potsdam-Golm in Neubauten dichter an der Universität zu sein und Platz für Erweiterungen zu finden.3) Knapp 30 Jahre nach der Zugehörigkeit des Forschungsstandortes zur GKSS hat das Helmholtz Zentrum Hereon Geesthacht in Teltow mit dem Institut für aktive Polymere (Leitung Andreas Lendlein) neue Schwerpunkte in der Materialforschung, Biowissenschaften und Medizin gesetzt.Die 100-jährige Forschungstradition in Teltow besteht somit fort.<h2>Der Autor</h2>Der Chemiker Dieter Paul, Jahrgang 1938, war von 1994 bis 2002 Direktor des Institutes für Chemie des GKSS-Forschungszentrums Geesthacht. Er erlebte als einer der letzten in der DDR zum Professor berufenen Wissenschaftler die Wende in Teltow mit und gestaltete den Übergang in verantwortlicher Position. Sein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Standorts für ihre Kreativität und Leistungsbereitschaft, ohne die es keinen Erfolg auf dem Weg in die gesamtdeutsche Forschungslandschaft gegeben hätte. <a href="mailto:CDPaul@web.de">CDPaul@web.de</a><div><img src="https://media.graphcms.com/N4VWnK1ESWakGWDmz2nQ">

</div><figure><img src="https://media.graphcms.com/3H6bsjbNREGuLyo0KFDn"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Seit 100 Jahren Forschungsstandort: Gebäude der Patentabteilung Seehof der Glanzstoff AG im Jahr 1921. Foto aus: 25 Jahre Glanzstoff, Ecksteins Bibliogr. Verlag Berlin 1924</figcaption></figure>

<ul class="references"><li>
1 Der Bericht basiert auf: D. Paul, B. Philipp, 80 Jahre Polymerforschung in Teltow-Seehof, Forschungszentrum Geesthacht 2003</li><li>
2 Wissenschaftsrat der BRD, Stellungnahme vom 5.7.1991, erschienen 1992, S. 58–62</li><li>
3 B. Philipp, D. Paul, Nachr. Chem. 2003, 51, 33</li></ul>

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