Bildung + Gesellschaft

Prof.Dr.

Elektrolyseexperimente auf Filterpapier sind nicht nur schön anzusehen. Sie ermöglichen zudem, mit zwei Elektroden, Filterpapier, einer Elektrolytlösung und einer Spannungsquelle chemische Fachgebiete zu vernetzen.Bei der Elektrolyse vieler Salzlösungen entstehen infolge der Wasserzersetzung Sauerstoff (am Pluspol) und Wasserstoff (am Minuspol). Daneben entstehen weitere Produkte, wie schon Humphry Davy (1778 – 1829) feststellte. Seine Versuchsanordnung bestand aus zwei Gefäßen, die über eine Salzbrücke miteinander verbunden waren. Bei der Elektrolyse einer Natriumsulfatlösung fand er in dem Gefäß mit dem Pluspol eine saure und in dem anderen eine alkalische Lösung. Diese Beobachtungen sind im Chemieunterricht bei der Aufstellung der Teilgleichungen für die Elektrolyse von Wasser hilfreich. Sie lauten:Pluspol (Anode):2 H2O(l) → O2(g) + 4 H+(aq) + 4 e–Minuspol (Kathode):2 H2O(l) + 2 e– → H2(g) + 2 OH-In der experimentellen Schulchemie werden die entstandenen Ionen mit pH-Indikatoren nachgewiesen, die der Elektrolytlösung zugesetzt sind. Sie ändern die Farbe der Flüssigkeit in unmittelbarer Nähe der Elektroden. Die ablaufenden Prozesse lassen sich mit dem Schulexperiment „elektrochemisches Schreiben“1) in Szene setzen.<h2 type="main">INFO: Elektrochemie im Schulunterricht</h2>Im Chemieunterricht haben elektrochemische Experimente eine Schlüsselrolle, um das Donor-Akzeptor-Basiskonzept bezogen auf Elektronenübertragung zu verstehen. Denn nasschemische Redoxreaktionen zeigen nur Edukte und Produkte. Galvanische Elemente sowie Elektrolysereaktionen dagegen machen den Elektronentransfer – durch die räumliche Trennung von anodischer und kathodischer Teilreaktion – mit Messinstrumenten sichtbar und somit verständlicher. Zudem eignen sich solche Experimente als Brücke zwischen chemischen Fachgebieten, etwa bei elektroorganischen Synthesen oder der Elektrolyse bestimmter Salzlösungen.<h2 type="main">Elektrochemisches Schreiben</h2>Benötigt werden ein 9-Volt-Block, ein 25-mL-Becherglas, eine Petrischale, ein Filterpapierstreifen (z. B. 6 cm × 2 cm), Kaliumnitratlösung (c = 0,1 mol · L–1), zwei Kabel, drei Krokodilklemmen, eine stabförmige Elektrode mit abgerundeter Spitze („Schreibelektrode“, z. B. aus Kupfer), ein stabiler Folienstreifen (z. B. 7 cm × 3 cm, ausgeschnitten aus der Deckfolie eines Schnellhefters) und Schutzhandschuhe.Zusätzlich wird eine pH-Indikatorlösung im Experiment verwendet. Besonders geeignet ist ein Gemisch aus Methylrot und Thymolblau (jeweils 0,1%ige ethanolische Lösungen). Die Farbe einer wässrigen Methylrotlösung schlägt bei einem pH-Wert kleiner 4,4 auf Pink und größer 6,2 auf Gelb um. Dazwischen ist die Lösung orangefarben. Eine neutrale Thymolblaulösung ist gelblich und bei einem pH-Wert über 9 blau. (Im stark Sauren wird die Thymolblaulösung rot. Dieser Bereich ist für das Experiment jedoch unwichtig.) Alternativ kommt eine Universalindikatorlösung wie Unisol 113 infrage.Der Filterpapierstreifen wird mit einem Gemisch aus 10 mL der Kaliumnitratlösung und je 40 Tropfen der Indikatorlösungen getränkt (alternativ: 30 Tropfen Unisol 113), indem er über die Petrischale gehalten und mit der Lösung übergossen wird (abtropfen lassen). Danach wird er auf den Folienstreifen gelegt.Das Filterpapier wird mit den Krokodilklemmen und einem Kabel mit dem Minuspol und die Schreibelektrode mit dem Pluspol verbunden. Nun fährt man mit der Elektrode langsam und ohne großen Druck über das Filterpapier. Dabei werden rötliche Striche oder Buchstaben sichtbar. Vertauscht man die Polung, ist die Schrift blaugrün (Mischfarbe aus Blau und Gelb) (<link href="#nadc20244139452-fig-0001">Abbildung 1). Aufgrund der geringen Stoffumsätze ist keine Gasentwicklung beobachtbar. Mit dem Universalindikator malt der Minuspol in Blaugrün und der Pluspol in Orangefarben – allerdings sind die Kontraste wegen der grünen Ausgangslösung nicht so stark wie bei dem Indikatorgemisch.<figure xml:id="nadc20244139452-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/UrS0G9o4SdyCM0SZpTiE"><figcaption><label>Abb.1: </label>Elektrochemisches Schreiben auf einem Filterpapier. Es wurde getränkt mit einer Kaliumnitratlösung und einem Gemisch aus Methylrot- und Thymolblaulösung. In den Bildern ist unten in der Mitte die Position der Krokodilklemme während der Versuchsdurchführung zu erkennen. In ihrem Umfeld ist die jeweils andere Färbung des Elektrolyten erzeugt worden.</figcaption></figure></figure>Mit Phenolphthalein als pH-Indikator (10 Tropfen 1%ige ethanolische Phenolphthaleinlösung in 10 mL Kaliumnitratlösung, c = 0,1 mol · L–1) lässt sich nicht nur elektrochemisch schreiben, sondern die Schrift auch löschen. Der mit der Lösung getränkte Filterpapierstreifen bleibt weiß.Zuerst wird mit dem Minuspol geschrieben. Die Buchstaben haben eine rosa Farbe, da Phenolphthalein bei pH 8,2 von Farblos auf Rosa umschlägt. Nun wird umgepolt, und die Buchstaben werden langsam nachgefahren oder betupft. Sie entfärben sich, da die entstehenden Wasserstoff- mit den zuvor gebildeten Hydroxidionen reagieren (Neutralisationsreaktion, <link href="#nadc20244139452-fig-0002">Abbildung 2):<figure xml:id="nadc20244139452-fig-0002"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/oQR0EJViRs6GxCWGXocf"><figcaption><label>Abb.2: </label>Elektrochemisches Schreiben (oben) und Löschen (unten) mit Phenolphthalein als pH-Indikator.</figcaption></figure></figure>H+(aq) + OH–(aq) →H2O(l)Eine weitere Reaktion an der Anode ist die Oxidation der Metallatome des gewählten Elektrodenmaterials. Bei Eisen werden Eisen(II)- sowie Eisen(III)-Ionen freigesetzt. Letztgenannte lassen sich mit Thiocyanationen (Entstehung roter Aquathiocyanatkomplexe) auch in Form des elektrochemischen Schreibens nachweisen (<link href="#nadc20244139452-fig-0003">Abbildung 3). Hierzu wird das Filterpapier mit einer schwefelsauren Kaliumthiocyanatlösung (0,5 g Kaliumthiocyanat in 10 mL Leitungswasser lösen und 1 mL Schwefelsäurelösung (c = 0,5 mol · L–1) hinzufügen) getränkt. Bei diesem Experiment hat sich ein Mikro-Spatellöffel als Schreibelektrode (Löffelseite) bewährt.<figure xml:id="nadc20244139452-fig-0003"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/Aa4YB9ptTh6Nk6cKK0Bo"><figcaption><label>Abb.3: </label>Elektrochemisches Schreiben durch Komplexbildung.</figcaption></figure></figure><h2 type="main">Mit Fluoreszenzindikatoren</h2>Das elektrochemische Schreiben mit Fluoreszenzindikatoren führt zu besonders eindrucksvollen Effekten. Eine Spatelspitze 5-Aminosalicylsäure (5-ASA) gelöst in 20 mL Leitungswasser ergibt die Elektrolytlösung. Unter UV-Licht (λ = 365 nm) fluoresziert sie mintgrün. Vier Tropfen Schwefelsäure (c = 0,5 mol · L–1) löschen die Fluoreszenz. Mit dieser Lösung tränkt man den Filterpapierstreifen.Anstelle eines 9-Volt-Blocks werden die Kabel an eine Gleichspannungsquelle angeschlossen. Diese wird auf zirka 20 V geregelt. Unter UV-Licht wird mit dem Minuspol sehr langsam geschrieben. Die lokale Erhöhung des pH-Werts erzeugt grün fluoreszierende Striche (<link href="#nadc20244139452-fig-0004">Abbildung 4) – bei genauer Betrachtung fluoreszieren sie zunächst blaugrün und gehen in Mintgrün über. Das entspricht dem Fluoreszenzverhalten von 5-ASA-Lösungen bei verschiedenen pH-Werten (<link href="#nadc20244139452-fig-0005">Abbildung 5).<figure xml:id="nadc20244139452-fig-0004"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/LNcHuo3US9GwUqsWTNB6"><figcaption><label>Abb.4: </label>Leuchtschrift durch den Fluoreszenzindikator 5-Aminosalicylsäure (5-ASA) unter UV-Licht (λ = 365 nm).</figcaption></figure></figure><figure xml:id="nadc20244139452-fig-0005"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/kHNPT0IDQDqxlJbRSNR6"><figcaption><label>Abb.5: </label>5-ASA-Lösungen bei verschiedenen pH-Werten unter UV-Licht (λ = 365 nm) bei pH 3, 7, 12, 14 (v. l. n. r.).</figcaption></figure></figure><h2 type="main">Elektroorganische Synthese</h2>Zunehmend werden mit Elektrolyseverfahren organische Verbindungen hergestellt. Ein wesentlicher Vorteil ist der weitgehende Verzicht auf Oxidations- und Reduktionsmittel – deren Aufgaben übernimmt der elektrische Strom.Im Chemieunterricht werden derartige Verfahren meistens am Beispiel der Kolbe-Synthese thematisiert. Die elektrochemische Bromierung von Fluorescein zu Eosin Y im Schulexperiment ist ebenfalls in der chemiedidaktischen Literatur beschrieben.2) Sie lässt sich in Form des elektrochemischen Schreibens durchführen:3) Als Elektrolyt dient eine Kaliumnitratlösung, in der 0,02 g Fluorescein (Dinatriumsalz, Uranin) und 0,2 g Kaliumbromid gelöst sind. Die Schreibelektrode ist mit dem Pluspol des 9-Volt-Blocks verbunden. Beim Schreiben erscheinen rötliche Buchstaben auf dem Filterpapier (<link href="#nadc20244139452-fig-0006">Abbildung 6).<figure xml:id="nadc20244139452-fig-0006"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/eNepbhCSWO0mw74JnhMr"><figcaption><label>Abb.6: </label>Bromierung: Elektrochemisches Schreiben auf einem Filterpapier, das mit einer wässrigen Lösung aus Uranin und Kaliumbromid getränkt wurde.</figcaption></figure></figure>Bei Verwendung dieses Elektrolyten wird an der Anode (auch) Brom abgeschieden:Pluspol: 2 Br–(aq) → Br2(aq) + 2 e–Das Brom reagiert sofort mit Uranin. Die Reaktion verläuft dabei stufenweise über Mono-, Di-, Tri- bis zum Tetrabromfluorescein (Eosin Y). Strukturformeln verdeutlichen den Gesamtreaktionsablauf (<link href="#nadc20244139452-fig-0007">Abbildung 7).<figure xml:id="nadc20244139452-fig-0007"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/LIyWvz0mReqjXblHNcmC"><figcaption><label>Abb.7: </label>Bromierung von Fluorescein.</figcaption></figure></figure>Der Vorteil dieser Vorgehensweise – vor allem hinsichtlich des Einsatzes dieses Experiments in der Schule: Die problematischen Chemikalien Brom und Bromwasser sind unnötig. Zudem funktioniert die Bromierung ohne Katalysator, was Anlass für eine vertiefte Betrachtung des Mechanismus bieten kann.3)Über weitere, effektvolle Bromierungen berichtet der Autor in Lit. 4).<h2 type="main">Der Autor</h2>Matthias Ducci ist Professor für Chemie und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe sowie geschäftsführender Direktor des dortigen GDCh-Lehrerfortbildungszentrums. Ducci studierte in Oldenburg Chemie und Mathematik für das Lehramt an Gymnasien. Er war Studienrat an der Kooperativen Gesamtschule Rastede und Lehrbeauftragter an der Universität Oldenburg.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/mdlDlkSkKtZNUjf2bxqA"><ul class="references" cited="no" style="numbered" xml:id="nadc20244139452-bibl-0001"><li xml:id="nadc20244139452-bib-0001">1 T. Brenner, I. Kunz, M. Ducci, CHEMKON 2012, 19/3, 111</li><li xml:id="nadc20244139452-bib-0002">2 P. Lanfermann et al., Bromination of Fluorescein – A Facile Model Experiment for Electrosynthesis in Chemistry Classes in Pixel (Hrsg.), Conference Proceedings. New Perspectives in Science Education: 10th Conference Edition (S. 50–56). Filodiritto Publisher. 2021</li><li xml:id="nadc20244139452-bib-0003">3 M. Ducci, CHEMKON 2023, 30/4, 169</li><li xml:id="nadc20244139452-bib-0004">4 M. Ducci, CHEMKON 2023, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1002/ckon.202300028">10.1002/ckon.202300028</accessionid></li></ul>

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Buntes Schreiben mit Strom

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Uta Corinna und Birk Stange arbeiten beide in der chemischen Industrie und haben zwei Kinder, für die sie gleichberechtigt da sein wollen.Das klassische Modell einer Familie aus Vater, Mutter und Kind sieht in den ersten Lebensjahren des Kindes so aus: Der Mann geht arbeiten, die Frau übernimmt die Kinderbetreuung. So erging es auch Uta Corinna Stange und Birk Stange. Doch die Situation hat beide unglücklich gemacht: „Wir haben ganz unterschiedliche Beziehungen zum Kind aufgebaut, und das hat uns nicht gefallen“, sagt Uta, die ebenfalls gerne arbeiten wollte. Wie haben die beiden es geschafft, all ihre Bedürfnisse in Einklang zu bringen?<h2 type="main">Ein Studium verbindet</h2>Birk findet in der Realschule durch einen motivierten Lehrer zur Chemie. Obwohl sein Lehrer während des Fachabiturs nicht die gleiche Begeisterung vermittelt, entscheidet sich Birk, „jetzt erst recht“ ein Chemiestudium anzufangen. Für Uta sind es das „logische Denken und die Aha-Momente”, die ihr Freude an der Chemie bereiten. Bereits vor dem ersten Semester treffen sich die zwei mit anderen Studienanfänger:innen über eine StudiVZ-Gruppe und werden über die Jahre nicht nur Studienkollegen, sondern auch beste Freunde. Gemeinsam mit Steve Waitschat [Nachr. Chem. 2024, 72(4), 18] übernehmen sie im Jahr 2012 als Vorstandsteam das JCF Kiel und planen mit einem Team aus JCF-Mitgliedern das Frühjahrssymposium im Jahr 2016.Für seine Doktorarbeit wählt Birk organische Chemie, während Uta in der Laserspektroskopie promoviert. „Kochen war nicht so mein Ding”, sagt sie und lacht. Erst in der Promotion werden die beiden ein Paar, aber „auch als Freunde haben wir schon viel über das Kinderkriegen geredet und wie wir uns das Leben vorstellen”.Die Entscheidung, während der Promotion ein Kind zu bekommen, war für Uta früh gefallen. Durch ihre Arbeit in der physikalischen Chemie ist sie wenigen Lösungsmitteln und Gefahren ausgesetzt, sie schätzt die Freiheit, ihre Arbeitszeit flexibel einzuteilen und die Nähe der Familie während der Promotion.<h2 type="main">Promotion und Schwangerschaft</h2>Kurz nachdem Uta ihre praktischen Arbeiten im Labor abgeschlossen hat, wird sie schwanger. Da sie noch für Praktika eingeteilt ist, muss sie ihre Schwangerschaft dem Sicherheitsbeauftragten mitteilen. Bis dahin gab es keinen Präzedenzfall am Institut – und anstatt die Risiken des Praktikums in der physikalischen Chemie zu evaluieren, wird Uta aus dem Praktikum ausgeschlossen. „Das ging natürlich wie ein Lauffeuer durch die Arbeitsgruppen. Das war richtig unangenehm.” Sie hätte lieber drei Monate gewartet, ihre Schwangerschaft mitzuteilen. Ihr Doktorvater reagiert schockiert und behandelt sie fortan anders als bisher: Uta darf nicht mehr auf Tagungen fahren oder Zusatzaufgaben übernehmen. „Es war ganz deutlich, dass er mich abgehakt hatte”, obwohl sie ihre Arbeitsweise während der Schwangerschaft beibehielt.Drei Monate nach der Geburt ist sie zurück am Institut. „Ich hatte Angst, dass ich die Promotion nicht beende, wenn ich länger aussetze.” Das Kind steht trotzdem an erster Stelle, und Uta entscheidet, nur noch halbtags zu arbeiten – so, wie sie bezahlt wird. Für die Uni-Kita ist die Tochter zu jung. Stattdessen betreut Utas Mutter die Kleine zwei Tage pro Woche; die anderen Tage teilen sich Uta und Birk. „Wir haben uns das Kind dann beim Mittagessen in der Mensa übergeben.” Von der Uni bekommt Uta einen Schlüssel für einen Ruheraum, um Milch abzupumpen.<h2 type="main">Eltern mit Jobs in der Schweiz</h2>Der Schritt in die Industrie war für Uta und Birk immer geplant. Als die Tochter ein Jahr alt ist, findet Birk einen Job in der Schweiz, und die Familie zieht nach Süddeutschland an die Schweizer Grenze. Dort hat Birk kein Recht auf Elternzeit bei seinem Schweizer Arbeitgeber und arbeitet Vollzeit, um Geld für die junge Familie zu verdienen. „Es ging mir schon nahe, dass ich unsere Tochter anfangs nicht viel gesehen habe”, erzählt Birk. Und Uta ergänzt: „Das war auch eine harte Zeit für mich.” Sie war allein für Kind und Termine zuständig und musste nebenbei ihre Doktorarbeit schreiben. Beim zweiten Kind wollte das Paar die Aufteilung ändern.Doch erst möchte Uta Berufserfahrung sammeln. Sie sucht und findet eine 50-Prozent-Stelle, die keine Laborarbeit erfordert. Nach einem Jahr in einer Schweizer Firma bekommt Uta ihr zweites Kind. Die Reaktionen sind anders als während der Promotion. „Ich hatte kein schlechtes Gewissen mehr oder das Gefühl, mich verteidigen zu müssen.” Nach dem Mutterschutz nimmt Uta sechs Monate unbezahlten Urlaub. Da die Familie in Deutschland wohnt, kann sie Elterngeld beantragen. Ihr Chef zeigt Verständnis und setzt sich dafür ein, dass ihre Stelle nach der für die Schweiz unüblichen Auszeit für sie erhalten bleibt.<h2 type="main">Gemeinsam für die Kinder da sein</h2>Während der zweiten Schwangerschaft kündigt Birk seinen Job, in dem er sich nicht wohlfühlt. Er sucht nach Teilzeitjobs, „das kann man auch mit einem kleinen Kind machen und man ist nicht so lange raus aus dem Job.” Drei Monate vor der Geburt nimmt er eine 50-Prozent-Stelle an. Nach Utas Elternzeit arbeiten beide zu 50 Prozent, obwohl das verglichen mit 100:0 einen finanziellen Nachteil bedeutet. Mit halben Tagen und klaren Zuständigkeiten schaffen die beiden es, die Verantwortung für die Kinderbetreuung zu teilen. „Wir wechseln uns mit dem Hinbringen zu Kita und Schule und dem Abholen ab, und das muss weiterhin klar funktionieren”, erklärt Birk.Birk erhöht bei seinem Arbeitgeber schrittweise auf 100 Prozent, weil der Job ihm Spaß macht. Uta steigert auf 70 Prozent. „Ich bestehe weiterhin darauf, dass wir die Betreuung teilen.“ Besonders wenn die Kinder krank sind, ist das eine anstrengende Zeit. Für solche Fälle können Uta und Birk Home-Office-Tage nehmen. In ihrer Abteilung ist Uta lange Zeit die Einzige mit Kind, „aber trotzdem wird respektiert, wenn ich mal nicht erreichbar bin oder ausfalle, und auch, dass ich trotzdem eine Gruppenleiterposition habe.”<h2 type="main">Der Weg zu 50:50</h2>Viele Gespräche über Kinderbetreuung und Zuständigkeiten haben Uta und Birk zu einem geregelten Alltag geführt. Anders als in der Promotionszeit ist die Familie nun viel entspannter. Die Töchter sind vier und sieben Jahre alt und „aus dem Gröbsten raus”. Für Birk war es anfangs selbstverständlich, viel zu arbeiten, und es fiel ihm schwer, sich Zeit für die Familie zuzugestehen. „Ich bin stolz, dass ich mich über gesellschaftliche Normen und innere Widerstände hinweggesetzt habe und mich dem Unverständnis anderer gestellt habe als Vater.” Etwas, das Birk auch dank seiner Partnerin, ihren Unterhaltungen und dem Privileg, dass beide die gleiche Ausbildung haben, gelungen ist.Bücher wie „Getting to 50/50” von Sharon Meers und Joanna Strober haben der Familie geholfen, die Probleme nach dem ersten Kind festzustellen und das Arbeitsmodell anzupassen. „Es steht überall, dass man in harte Verhandlungen gehen muss mit dem eigenen Partner”, sagt Uta. Uta und Birk sind froh, dass sie es geschafft haben, keine unterschiedlichen Leben zu führen – beide arbeiten und beide sind für die <link href="#nadc20244142212-fig-0001">Kinder da.<figure xml:id="nadc20244142212-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/fI25HtZfQzBLJjKpnn2x"><figcaption><label>Abb.1: </label>Ein Tag, an dem Arbeit mal keine Rolle gespielt hat: Familie Stange am Rhein in Basel. Foto: privat</figcaption></figure></figure>Mit Familie Stange sprach Alexandra Tietze.<h2 type="main">INFO: Chemie und Elternschaft</h2>In dieser Porträtserie spricht das Team Chancengleichheit des Jungchemikerforums mit Chemiker:innen, die Elternschaft und Karriere in Studium, Forschung oder Industrie verbinden. Um Elternschaft in der Chemie und damit zusammenhängende Problematiken sichtbar zu machen, berichten Eltern über ihre Erfahrungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Anregungen an <a href="mailto:chancengleichheit@jcf.io">chancengleichheit@jcf.io</a>

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