Leitartikel

Bundesliga und BMW – das waren die beiden einzigen deutschen Worte, die ich 1986 kannte. In dem Jahr kam ich aus dem Senegal in die damalige DDR. Nach einem neunmonatigen Sprachkurs in Leipzig am Herder-Institut ging es für mich weiter nach Halle (Saale), um Chemie zu studieren. Nach der Wende konnte ich sogar meine Promotion in Chemie und Geoökologie abschließen. Meine Doktorarbeit befasste sich damals mit der Schwermetallbelastung hallescher Schrebergärten. Die Menschen dort waren neugierig auf mich, und ich war neugierig auf sie. Wir kamen schnell ins Gespräch und unterhielten uns über Arbeit, Bildung und die allgemeine Situation des Ostens nach der Wende. Mein Forschungsinteresse stieß also hier auf mein soziales Interesse.Ich hatte immer das Bewusstsein, dass schlechte Dinge durch Menschenhand gemacht wurden und durch Menschenhand wieder verbessert werden können. Deshalb engagierte ich mich nach meiner Promotion ehrenamtlich und lernte dabei viele Menschen in Halle (Saale) und Umgebung kennen. Daraus entstand die Idee, in die SPD einzutreten, um politische Entscheidungen herbeizuführen.Seit 2013 sitze ich nun als Vertreter einer Minderheit im Bundestag: Ich bin Naturwissenschaftler genauso wie 28 weitere Kollegen, während 152 Juristen und 115 Wirtschaftswissenschaftler von insgesamt 709 Volksvertretern im Bundestag sitzen.Als Chemiker und Sozialdemokrat habe ich dabei besonders den Arbeitsmarkt im Blick: Als ich im August während meiner Sommertour auf einem Podium zum Thema Digitalisierung der Arbeit saß, habe ich deutlich gemacht, dass Jobs in produktionsnahen Bereichen gefährdet sind. Diese Gefahr gibt es in allen Branchen – auch in der Chemiebranche. Die Politik hat die Aufgabe, die Digitalisierung sozialverträglich zu gestalten. Das heißt: Wir müssen darüber nachdenken, was wir mit den Menschen machen, die erstmal keine Arbeit finden können. Qualifizierungen und Weiterbildungen sind wichtig. Der Staat muss hier massiv investieren. Mit dem Berufsbildungspakt haben wir ein Maßnahmenbündel zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung in dieser Wahlperiode vereinbart: Dazu gehört eine Ausstattungsoffensive für Berufsschulen, um diese insbesondere in der digitalen Technik auf den aktuellen Stand zu bringen.Außerdem müssen wir darüber nachdenken, dass die Betriebsräte mehr Mitbestimmung erhalten, wenn es um die Digitalisierung eines Unternehmens geht. Heute kann ein Betriebsrat nicht mitentscheiden, ob er – etwas plakativ gesagt – einen Roboter als Kollegen bekommt oder einen Menschen. Darüber hinaus wird die Bevölkerung schrumpfen. Wir müssen heute bereits überlegen, wie wir es schaffen, dass das Arbeitskräftepotenzial nicht schrumpft. Deshalb setze ich mich mit meiner Fraktion dafür ein, dass wir bald ein Einwanderungsgesetz bekommen, das regeln soll, wer zu uns kommt.Zurück zu den Naturwissenschaftlern im Bundestag: Es ist natürlich schade, dass es so wenige von ihnen gibt. Der wissenschaftliche Sachverstand, der sich auf Erfahrungen und nicht auf Gefühle stützt, könnte im Bundestag größer sein. Die letzten Monate und Wochen zeigen, dass es für manche nicht mehr darum geht, was wahr ist oder was nicht, sondern darum, zu provozieren und die Gesellschaft zu spalten. An dem politischen Alarmismus will ich mich nicht beteiligen, aber eins steht fest: Die Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie muss jeden Tag erkämpft und verteidigt werden.Der 2017 verstorbene polnisch-britische Soziologe Zygmunt Bauman schrieb: „Entweder wir reichen einander die Hände – oder wir schaufeln einander Gräber.“ Bauman war kein Naturwissenschaftler, aber er hat recht. Wir alle müssen uns für das Händereichen entscheiden. Auch wir als Chemiker können dazu beitragen – bei der Arbeit genauso wie bei einer Demo auf den Straßen dieses Landes. BBDr. Karamba Diaby, MdB Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung<div><img src="https://media.graphcms.com/jZQkKuxQrShNTAGnCAZQ">

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Meinungsbeitrag

Demokratie ist kein Selbstläufer

Bundesliga und BMW – das waren die beiden einzigen deutschen Worte, die ich 1986 kannte. In dem Jahr kam ich aus dem Senegal in die damalige DDR. Nach einem neunmonatigen Sprachkurs in Leipzig am Herder-Institut ging es für mich weiter nach Halle (Saale), um Chemie zu studieren. Nach der Wende ko...

Inhalt

Leitartikel939 Demokratie ist kein SelbstläuferK. DiabyWissenschaft &amp; Forschung942 Notizen aus der ChemieBlickpunkt Anorganik945 Lanthanoide – biologisch wichtigH. Lumpe, L. J. DaumannDie Elemente von Lanthan bis Lutetium sind für manche Organismen lebensnotwendig.Biowissenschaften949 Quanteneffekte – ganz natürlichM. GroßÜber Photosynthese und Geruchswahrnehmung.Katalyse952 Brücken mit ChalkogenenP. Wonner, L. Vogel, R. Weiss, S. M. HuberInsekten957 Schon immer die gleiche MedizinT. EnglEine Gruppe von Grabwespen nutzt seit 68 Millionen Jahren das gleiche Antibiotikum.Katalyse961 Ferritinbasierte makroporöse GelnanoreaktorenM. Häring, D. Díaz DíazMehrere Ferritine, also Proteinkomplexe, lassen sich zu einem stabilen makroporösen Hydrogel verbinden.Analytik965 Über die Chemie der SchokoladenherstellungN. Kuhnert, R. d‘SouzaDie Zusammensetzung der Kakaobohne verändert sich bei der Schokoladenherstellung drastisch.Industrie &amp; Technik971 Notizen aus der WirtschaftChemische Industrie972 Was Digitalisierung bedeutetE. FrauendorferProjektbeispiele aus dem Wacker-Konzern.Wirtschaft975 UnternehmensranglistenM. BulmahnWelches Chemieunternehmen ist das größte?Entwicklung976 Wege zu neuen MedikamentenP. Nussbaumer, B. KleblDas vor zehn Jahren gegründete Lead Discovery Center vermittelt zwischen Industrie und Akademia.Entwicklung979 Eine europaweite Drug-Discovery-PlattformD. TzalisIn der European Lead Factory arbeiteten Pharmafirmen und akademische Einrichtungen zusammen.Die Ecke des Wirtschaftschemikers981 Gründer gesuchtT. DaubenfeldInformationstechnik982 Vernetzungsrisiken vermeidenJ. Zenner, N. CrocollAnalytik985 Elektronische Nase und der Duft von KaffeeK. WutzEine neue Ionisationstechnik bringt flüchtige Verbindungen ohne Probenvorbereitung ins Massenspektrometer.988 Neue ProdukteBildung &amp; Gesellschaft990 Notizen aus Forschungspolitik und BildungKarrierekolumne991 Aktivieren Sie bitte den FlugmodusK. BodewitsPro und Contra992 Die Diskussion um Glyphosat ist nicht sachlichGlyphosat ist der am besten untersuchte Herbizidwirkstoff, meint Thoralf Küchler.993 Entscheidungen nach dem Vorsorgeprinzip sind gefordertRein landwirtschaftlich betrachtet gibt es keinen Grund, Glyphosat zu verwenden, entgegnet Johann Zaller.Zeitschriften994 „Chemiker sind zunehmend bereit, neue Wege auszuprobieren“C. RemenyiSeit einem Jahr leitet Neville Compton als Chefredakteur die Angewandte Chemie. Was er damit vorhat, erzählte er im Interview den Nachrichten aus der Chemie.Didaktik997 Wärmepflaster, im Chemieunterricht nachgebautM. Richter, M. S. Homeyer, B. DuvinageWärmeauflagen sollen gegen Gelenk- und Muskelschmerzen helfen. Die freigesetzte Wärme basiert bei einigen dieser Medizinprodukte auf der Redoxreaktion zwischen Eisen, Wasser und Sauerstoff. Ein Modellexperiment veranschaulicht die Funktionsweise.Chemiegeschichte1000 Die Pioniere gingen leer ausH. OffermannsDie Entdecker einiger großtechnischer Oxidationsreaktionen schufen die Basis für milliardendollarschwere Wertschöpfungsketten. Doch die Patente sind abgelaufen und manche Erfinder sogar weitgehend vergessen.Journal1004 Impressum, Interskriptum1005 Personalnachrichten1008 Nachruf Werner Vogel1009 Korrespondenz1010 Rezensionen1011 Tagungs kalender und -berichte1013 Chemistry Views1016 GDCh-Absolventenpreis1017 Vorstandswahl 20191018 Fachgruppen und Arbeitskreise1018 Fachgruppenpreise1019 Jungchemikerforum1020 GDCh Campus Events1021 Die GDCh vor Ort1022 Neuaufnahmen1024 Fortbildungskalender1025 Stellenmarkt1026 Blättern online1026 Vor 50 JahrenAusgeforscht: 1027 Grünlilie mit AlarmanlageTitelbild:Das wird nach etlichen Fermentations- und Prozessschritten aus der Kakaobohne [zu S. 965].Foto: Luigi Giordano, Fotolia<figure><img src="https://media.graphcms.com/OwbUjwZxRoNx4msKz65f"><figcaption><label>Abb. 1: </label></figcaption></figure>

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