Leitartikel

Wer über die Rolle des einzelnen Wissenschaftlers in der Gesellschaft nachdenkt, gelangt schnell zu einem zentralen Begriff, nämlich dem der Verantwortung. Verantwortung hat einen doppelten Sinn: verantwortlich sein und Verantwortung tragen.Ersteres scheint trivial: Jeder einzelne Wissenschaftler ist verantwortlich für die Existenz seiner Entdeckungen. Dennoch wird diese Verknüpfung seitens der Wissenschaft mit Zurückhaltung gesehen. Man behält sich das Recht vor, durch das Argument, dass man ja Wissenschaft betreibe, die einzig von der Neugierde, von der puren Lust am Neuen getrieben sei, vor den Implikationen des eigenen Tuns zu fliehen. Gern werden Bilder wie das des Messerschleifers bemüht, dem man doch keinen Vorwurf machen könne, wenn mit einem seiner Küchenmesser ein Mord begangen werde. Es ist ja die dumme Menschheit, welche die Entdeckungen nicht klug einsetzt. Dies ist ein zweifaches Scheinargument. Erstens wurde ein Küchenmesser, um im Bild zu bleiben, hergestellt, um etwa Gemüse zu schneiden und nicht, um einen Menschen zu töten. Zweitens sind dem Menschen durchaus die Funktionen eines Messers bekannt, aber nicht die Funktionen und Implikationen einer wissenschaftlichen Entdeckung. Die einzige Person, die diese erklären kann, ist der Wissenschaftler, der sie machte.Eine weitere Schwierigkeit kommt hinzu: Bei der Diskussion der Frage nach der Verantwortung des Wissenschaftlers ist die Fokussierung auf zum Beispiel kriegsrelevante Forschung hinderlich. Mag das Bild einer Entdeckung, deren Ergebnisse entweder für Zahnpasta oder für Chemiewaffen dienen könnten, journalistisch auch noch so stark sein – es verstellt den Blick darauf, dass jeder Forscher für die Implikationen seiner Forschung verantwortlich ist, und eben nicht nur der, der etwa an Dual-use-Molekülen arbeitet. Gefahren lauern gerade dort, wo die Themen leise sind, weil sie, anders als Krieg und Mord, keinen Bezug zur Lebenswelt eines außerhalb der Wissenschaft stehenden Menschen haben. Dies gilt umso mehr, als die transformative Kraft von Forschungsergebnissen immer größer wird. Ihr aktiver Missbrauch, und dies ist eine neue Entwicklung, ist nicht mehr erforderlich, um dem Menschen zu drohen.Hier kommt der zweite Sinn von Verantwortung ins Spiel – Verantwortung tragen. Es reicht schlichtweg nicht aus, das schwindende Vertrauen der Laien in wissenschaftliche Einsichten zurückzufordern. Der einzelne Wissenschaftler muss die Verantwortung für sein Tun übernehmen. Dies kann nur ein Prozess innerhalb der wissenschaftlichen Disziplin sein. Gesetzliche Vorschriften etwa sind zum Scheitern verurteilt, denn sie sind schwerfällig und national gebunden.Die Wissenschaft muss sich dafür aus jener ratlosen Nervosität befreien, aus dem reflexartigen Ducken, wenn es um Implikation geht. Wem das nicht schmeckt: Es gibt freilich für jeden Wissenschaftler die Option des Zynikers – also zu bekennen, dass ihn nichts kümmere als sein unmittelbares Tun. Doch von der Wissenschaft ist Fürsorge zu erwarten; der einzelne Wissenschaftler ist hier in der Bringschuld. Denn die Wissenschaft versäumte in der internen Diskussion den Punkt, an dem ihr Fortschritt nicht mehr selbstverständlich mit menschlichem Fortschritt gleichzusetzen war. Die sichtbare Konsequenz ist die Melancholie des Wissenschaftlers, der eine Kluft zwischen sich und seinem Tun zu empfinden beginnt. Dieses Gefühl einer Trennung ist ebenso unsinnig wie gefährlich: Wissenschaft ist und bleibt Menschenwerk und hat damit Teil der Gesellschaft und nicht von ihr weg oder gar gegen sie gerichtet zu sein.Eine praktische Annäherung sähe so aus: Der Wissenschaftler muss sich in seinem Tun beständig fragen, ob dieses Tun ihn als Mensch stärkt, der in einer Gesellschaft Wissenschaft betreiben möchte; das heißt, ob es über ihn als einzelnen Wissenschaftler hinausweist. Falls nicht, wirkt sein Tun trennend und ist zu prüfen.Dies weist dem einzelnen Wissenschaftler eine gewaltige Verantwortung zu. Dass mancher sich davon überfordert fühlen mag, gestehe ich gerne zu. Doch ein Wissenschaftler hat keinen Anspruch darauf, sich wohl zu fühlen. Mehr noch: Er soll sich nicht wohlfühlen. Denn keine Tätigkeit birgt heute größere Macht als die des Wissenschaftlers. BBDr. Leonhard Möckl, Stanford University. Der Leitartikel entstand auf Basis seines Vortrags beim „Experiment Zukunft – Wertedenken in der Chemie“ in Berlin.<div><img src="https://media.graphcms.com/nHJq9mxhTtm6ZuTIerdC">

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Meinungsbeitrag

Die neue Macht des Forschers

Wer über die Rolle des einzelnen Wissenschaftlers in der Gesellschaft nachdenkt, gelangt schnell zu einem zentralen Begriff, nämlich dem der Verantwortung. Verantwortung hat einen doppelten Sinn: verantwortlich sein und Verantwortung tragen.Ersteres scheint trivial: Jeder einzelne Wissenschaftler...

Wissenschaft & Forschung

Pyrrolizidinalkaloide stehen im Verdacht, Krebs zu erzeugen, und sind immer wieder in Tees oder Honig nachweisbar. Die problematische Analytik der Substanzen und ihr zum Teil ungeklärtes Verhalten in Lebens- und Futtermitteln machen eine Risikoeinschätzung schwierig.
In der kalten Jahreszeit steigt in deutschen Haushalten der Konsum von Kräutertees. Gesüßt wird der Teeaufguss gerne mit Honig – der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland von mehr als einem Kilogramm gehört zu den höchsten weltweit. Speziell diese beiden Lebensmittelgruppen geraten seit einigen Jahren immer wieder in die Schlagzeilen, weil Lebensmittellabore hohe Kontaminationen mit Pyrrolizidinalkaloiden (PA) nachweisen. PA sind eine Gruppe pflanzlicher Sekundärmetabolite, die bestimmte Pflanzen der Familien der Boraginaceae, Asteraceae, Apocynaceae und Fabaceae als Fraßschutz bilden.1) Nach heutigem Kenntnisstand treten mehr als 660 PA und PA-N-Oxide (Pano) in mehr als 6000 Pflanzenarten weltweit auf, was um die drei Prozent der weltweiten Flora entspricht.2) Auch heimische Arznei- und Küchenkräuter wie Beinwell (Symphytum spp.) und Borretsch (Borago officinalis) enthalten diese Alkaloide.<h2>Strukturen und Wirkungen</h2>Chemisch betrachtet sind PA und Pano bicyclische tertiäre Amine beziehungsweise deren N-Oxide, auch Necinbasen genannt, die mit verzweigten Polyhydroxycarbonsäuren (Necinsäuren) verestert sind. Giftig sind nur 1,2-ungesättigte PA und Pano, die an den Positionen C7 und C9 hydroxyliert und mit mindestens einer Necinsäure verestert sind (Abbildung 1, S. 110).<figure><img src="https://media.graphcms.com/yYcl6PdQKaA6emWeUQxe"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Strukturen der wichtigsten 1,2-ungesättigten Pyrrolizidinalkaloid(PA)-Grundkörper und weiterer PA verschiedener Veresterungsgrade. Durch die verschiedenen Necinsäuren und mehrere Stereozentren ergibt sich die immense Stoffvielfalt dieser Pflanzentoxine.</figcaption></figure>
PA/Pano gelten als protoxisch: Nach Verzehr bauen Enzyme in der Leber die Substanzen zu Pyrrolestern um (Infokasten, S. 111). In dieser metabolisch aktivierten Form bilden sich daraus Protein- und DNA-Addukte, die sowohl bei akuter als auch bei chronischer Aufnahme von PA/Pano die Leber und andere Organe schädigen.3) Vergiftungen bei Weidetieren sind bereits seit vielen Jahrzehnten bekannt, etwa als Seneziose oder Schweinsberger Krankheit.4)Da PA-haltige Pflanzen sehr genügsam in ihren Umweltansprüchen sind, breiten sie sich als Unkräuter auf Wiesen oder brach liegenden Flächen schnell aus. Bei Wasserkreuzkraut (Senecio aquaticus) ist dies immer wieder im Allgäu, bei Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea) in Schleswig-Holstein zu beobachten (Abbildung 2). Bund und Länder informieren daher Landwirte regelmäßig über Maßnahmen, wie mit PA-haltigen Pflanzen umzugehen ist und wie sie einzdämmen sind.<figure><img src="https://media.graphcms.com/LIE5Z5HQnSNkF99qecx9"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Pyrrolizidinalkaloid(PA)-haltiges Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea), das sich auf einer Naturschutzfläche in Schleswig-Holstein stark ausgebreitet hat, auf der Vieh weidet. Weil zu wenige alternative Futterpflanzen auf dieser Fläche wachsen, ist nicht auszuschließen, dass dort Weidetiere die PA-haltigen Pflanzen fressen. Bienen finden hier zwar ein reichhaltiges Angebot, bringen jedoch über Pollen und Nektar Senecio-PA in den Honig ein. <named-content>Fotos: Lehrstuhl für Lebensmittelsicherheit, Tierärztliche Fakultät der LMU München.</named-content></figcaption></figure>
<h2>1,2-Dehydropyrrolizidinalkaloide im Körper</h2>Wie andere Xenobiotika werden 1,2-ungesättigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) nach der Aufnahme zunächst durch den Metabolismus im Körper aktiviert, bevor sie ihr toxisches Potenzial entfalten. Retronecin- und Heliotridin-Typ-PA unterscheiden sich bei der Konfiguration am C7-Atom, durchlaufen aber den identischen Giftungsweg. Neben der reversiblen enzymatischen Bildung korrespondierender PA-N-Oxide als Entgiftungreaktion können im Phase-I-Metabolismus PA an C3 oder C8 hydroxyliert werden.Otonecin-Typ-PA bilden das Carbinolamin nach einem etwas anderen Mechanismus. Aufgrund des methylierten Stickstoffatoms können diese kein N-Oxid bilden und nach oxidativer N-Demethylierung entsteht lediglich an C8 eine Hydroxyabgangsgruppe.Durch Eliminierung von Wasser entstehen aus den Carbinolaminen hochreaktive Pyrrolester. Durch Reaktion mit den N-Termini der Nukleinbasen Adenin oder Guanin entstehen DNA-Addukte, die zum Verlust der Zellfunktionen und zu Tumoren führen können. Durch die Konjugation mit nukleophilen Termini von Proteinen im Zuge des Phase-II-Metabolismus entstehen Proteinaddukte.<h2>Von der Wiese auf den Tisch</h2>Ein bedeutender Aufnahmeweg von PA und Pano für den Verbraucher ist der direkte Verzehr von Teilen oder von Aufgüssen PA-haltiger Pflanzen. Zudem nehmen Verbraucher die Substanzen unwissentlich als Verunreinigungen in Kräutertees, Honig und Nahrungsergänzungsmitteln auf. Die alkaloidhaltigen Pflanzen gedeihen als Unkräuter zwischen Kulturpflanzen und gelangen vor allem durch maschinelle Ernte ins Produkt. So gab es vor einigen Jahren einen Fall, bei dem Blüten und Blätter des PA-haltigen Gemeinen Kreuzkrauts (Senecio vulgaris) in einer abgepackten Salatmischung zu finden waren.5)PA-haltige Pflanzen schmecken so bitter, dass weidende Tiere sie in der Regel meiden. Als Beimischung in Futtermitteln wie Heu, Silage oder gepressten Trockenpellets (Cobs) nehmen die Tiere sie jedoch nicht mehr wahr. Auch wenn es an alternativen Futterquellen mangelt, fressen Weidetiere PA-haltige Pflanzen.Nach der Aufnahme durch die Tiere gehen die Verbindungen zum Teil in deren Milch, Fleisch, Organe und Eier über.6) Bislang wurden in Europa für diese tierischen Lebensmittel aber nur sehr niedrige, für den Menschen unbedenkliche PA-Belastungen detektiert.7)Aufgrund der auffälligen Blüten sind PA-Pflanzen Ziel von Honigbienen, die in Folge PA und Pano durch Pollen und vor allem über Nektar in den Honig einbringen. In Gegenden mit hohem Anteil dieser Pflanzen können somit vor allem lokal erzeugte und unvermischte Imkerhonige teils sehr hohe PA-Gehalte aufweisen. Dem können Imker durch die Wahl des Standorts für ihre Bienenvölker zumindest teilweise entgegenwirken.8)<h2>Noch keine Höchstgehalte festgelegt</h2>Die Aufnahme von PA und Pano ist ein nicht zu unterschätzendes Risiko für Verbraucher und Nutztiere. Das Codex-Komitee für Kontaminanten in Lebensmitteln der Weltgesundheitsorganisation (CCCF), die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) befassen sich deshalb seit Langem mit dieser Problematik. Regelmäßig veröffentlichen sie Stellungnahmen und Bewertungen zum Vorkommen von PA in Lebens- und Futtermitteln, Analysemethoden und zu Vermeidungsstrategien.Maximalgehalte für PA/Pano in Lebens- und Futtermitteln wurden in der Europäischen Union bislang nicht erlassen. Gemäß dem Alara-Prinzip (as low as reasonably achievable) sollte die Exposition gegenüber genotoxisch und kanzerogen wirksamen PA/Pano aber auf ein Minimum reduziert werden.<h2>Auf der Suche nach der richtigen Analysenmethode</h2>Die Verantwortung dafür, dass Menschen so wenig wie möglich PA und Pano ausgesetzt sind, haben die Erzeuger von Lebens- und Futtermitteln durch eigene Kontrollen sowie die Überwachungsämter durch Analysen der entsprechenden Produkte. Daher gibt es eine große Nachfrage nach verlässlichen Analysenmethoden für Qualitätskontrolle und behördliche Überwachung. Bislang steht jedoch keine standardisierte Methode zur Quantifizierung von PA zur Verfügung. Auch die amtliche Methodensammlung nach dem Lebens- und Futtermittelgesetzbuch gibt keine Methoden vor.Aktuelle Methoden zur PA-Analytik nutzen vorwiegend LC-MS/MS, verfolgen aber zwei grundverschiedene Ansätze: Die Bestimmung in Summe oder die Einzelanalytmethode. Bei der Summenmethode werden die Analyten mit Reduktionsmitteln wie Lithiumaluminiumhydrid chemisch zu ihren Pyrrolizidin-Grundkörpern reduziert und als Summe bestimmt.9) Vorteil dieses Ansatzes ist, dass er sowohl bekannte als auch unbekannte PA in der Probe erfasst, die zumindest identische Grundkörper aufweisen. Auch müssen so nicht viele unterschiedliche und teure Referenzsubstanzen beschafft werden, sofern zur Quantifizierung nicht mit internem Standard gearbeitet wird. Nachteil ist die zeitaufwendige Probenvorbereitung, zudem geht das ursprüngliche Analytprofil der Probe verloren. Somit ist es schwierig, unterschiedliche Toxizitäten einzelner PA zu berücksichtigen.Der zweite Ansatz ist die Multianalyse einzelner PA und Pano anhand ihrer Retentionszeiten und charakteristischen MRM-Übergänge im Massenspektrometer, wie sie derzeit das Bundesinstitut für Riskiobewertung anwendet.10) Nachteile sind hierbei die begrenzte Verfügbarkeit an kommerziell erhältlichen PA/Pano-Referenzstandards, deren hohe Kosten sowie der enorme Zeitaufwand, der für die Auswertung aller Analyten für jede Probe anfällt. Ein Kompromiss wäre, eine Auswahl an PA-Analyten festzulegen, die in entsprechenden Matrices besonders häufig vorkommen, zum Beispiel 21 PA/Pano in Tee und Kräutertee.11)Neben dem ungelösten Problem, welche Methodik in der behördlichen Überwachung von PA anzuwenden sei, bereiten die Analyteigenschaften selbst Schwierigkeiten. Strukturbedingt existieren viele PA-Stereoisomere, die bei MS/MS-Detektionen meist identische Produkt-Ionen in identischen Verhältnissen generieren. Daher ist die chromatographische Trennung der Analyten wichtiger als bei herkömmlicher MS-basierter Analytik, sofern die Isomere nicht in Summe erfasst werden sollen.Vor allem durch ihre korrespondierenden N-Oxide bedingt weisen PA einen breiten Polaritätsbereich auf, der in der Chromatographie zu Problemen führen kann. Die Coelution isomerer Analyten zu vermeiden, erfordert Säulenmaterialien mit hoher Selektivität und optimierte Fließmittelgradienten oder höhere Analysenzeiten.Auch in der Probenvorbereitung wirkt sich die unterschiedliche Polarität einzelner PA und Pano auf die Effizienz von Extraktion und Extraktreinigung aus und somit auch auf deren Wiederfindungsraten. Mit stark verdünnter Schwefelsäure und Kationentauscher-Festphasenkartuschen lassen sich sehr gute bis akzeptable Wiederfindungsraten erzielen, dennoch besteht Optimierungsbedarf.<h2>Analytabhängiges Verhalten im Lebens- und Futtermittel</h2>Eine Risikobewertung erfordert neben analytischen Methoden Kenntnisse über Verhalten und Stabilität der PA in verschiedenen Matrices. So bauen sich die Analyten in silierten Futtermitteln ab, während über das Verhalten von PA in Honig kaum Kenntnisse vorliegen.12)Während experimenteller Untersuchungen zu Absetzeffekten von PA hatten sich in zwei natürlich kontaminierten, gelagerten Imkerhonigen die Pano-Gehalte nach einigen Wochen verringert.13) Eine Folgestudie zeigte einen raschen Rückgang der Gehalte dotierter Pano in unbehandelten Honigen innerhalb weniger Tage (Abbildung 3).14) Die jeweils korrespondierenden PA wiesen im gleichen Zeitraum hingegen konstante Gehalte auf. Die PA/Pano-Gehalte in trockenen pflanzlichen Materialien, wie (Kräuter-)Tees und Heu, blieben selbst über ein halbes Jahr gleich (Abbildung 3).<figure><img src="https://media.graphcms.com/Sxr7PQcgRCyNEdVw9hQJ"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Verlauf der Summengehalte aller Analyten, der 1,2-ungesättigten Pyrrolizidinalkaloide (PA) und der PA-N-Oxide (Pano) in Pfefferminztee (A), Heu (B) und Honig (C) bei Lagerung im Dunkeln bei 20 °C. Pflanzenmaterialien wurden mit Jakobskreuzkraut und Gewöhnlichem Natternkopf versetzt, um ein breiteres Analytspektrum zu erhalten, und Honig mit Standardlösungen aller 25 Analyten dotiert.</figcaption></figure>
Die Ursache der verringerten Pano-Gehalte in Honig ist nicht geklärt. Für die Analytik und Bewertung ergibt sich daraus die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Beprobung ein vermutlich PA-haltiger Honig reproduzierbare Ergebnisse liefert und was dies für den Verbraucherschutz bedeutet. Ungeklärt ist auch, ob Derivate vorliegen, welche die in der Studie genutzte Analytik nicht nachweist, und ob diese noch giftiger sind.<h2>In Zukunft</h2>Um das Risiko durch PA-Kontaminationen in der Nahrungskette zu bewerten, ist die Datenlage zu verbessern, und es müssen weitere Informationen zur Belastung von Lebens- und Futtermitteln in Deutschland und Europa gewonnen werden. Darüber hinaus sind wissenschaftliche Arbeiten erforderlich, die Struktur-Wirkungsbeziehungen verschiedener PA-Gruppen aufklären und jeweils die toxikologische Relevanz ableiten.15)Gesetzlich bindende Höchstmengen an PA/Pano in Lebens- und Futtermitteln sind erst dann zu erwarten, wenn ausreichend Daten zur Toxikologie und Exposition vorliegen und es Empfehlungen zu einer standardisierten Analysenmethodik (Summen- oder Einzelanalytmethoden) gibt.<figure><img src="https://media.graphcms.com/vvTW6B2GQuS9BfsMRppD"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Blüten des Jakobskreuzkrauts. Die Pflanze enthält leberschädigende Pyrrolizidinalkaloide, die Bienen in den Honig eintragen.</figcaption></figure>
<h2>QUERGELESEN</h2>1,2-ungesättigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) und deren N-Oxide (Pano) sind protoxische pflanzliche Sekundärmetabolite, die in Pflanzen weltweit vorkommen, also auch in heimischen Kräutern.In die Nahrungskette gelangen PA vor allem durch (Kräuter-)Tee, Honig und Futtermittel. Hohe oder über längere Zeit aufgenommene Mengen können Organe schädigen und Krebs verursachen.Die Analytik der Substanzen ist aufwendig, denn die Stoffe sind vielfältig, liegen in isomeren Strukturen vor und haben einen breiten Polaritätsbereich. Über die Stabilität der Verbindungen in unterschiedlichen Matrices ist wenig bekannt.<h2>Vitakasten</h2>Florian Kaltner, Jahrgang 1988, studierte Lebensmittelchemie an der TU München. Als externer Doktorand von Michael Rychlik, Lehrstuhl für Analytische Lebensmittelchemie der TU München, promoviert er seit dem Jahr 2016 am Lehrstuhl für Lebensmittelsicherheit der LMU München in Oberschleißheim. Dort beschäftigt er sich mit Analytik und Charakterisierung von Pyrrolizidinalkaloiden und ihren Metaboliten in Lebens- und Futtermitteln. <a href="mailto:florian.kaltner@ls.vetmed.uni-muenchen.de">florian.kaltner@ls.vetmed.uni-muenchen.de</a><div><img src="https://media.graphcms.com/5F55xJ1TuibzLQd3Fa1R">

</div>Christoph Gottschalk, Jahrgang 1978, studierte Ernährungswissenschaften an der TU München. Nach seiner Promotion an der TU München in Lebensmittel- und Umweltanalytik wechselte er ans Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin und übernahm unter anderem die Leitung des Arbeitsbereichs Pyrrolizidinalkaloide. Seit 2012 leitet er den Arbeitsbereich Bioanalytik am Lehrstuhl für Lebensmittelsicherheit der Tierärztlichen Fakultät der LMU München und forscht unter anderem über Kontaminanten in der Lebensmittelkette.<div><img src="https://media.graphcms.com/atQwmEX1QceMVrvQkiaV">

</div>Manfred Gareis, Jahrgang 1953, studierte Tiermedizin an der LMU München, promovierte und habilitierte dort. Nach der Habilitation übernahm er die Leitung des Instituts für Mikrobiologie und Toxikologie an der früheren Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach, jetzt Max-Rubner-Institut. Seit dem Jahr 2012 ist er Ordinarius am Lehrstuhl für Lebensmittelsicherheit an der Tierärztlichen Fakultät der LMU München. Forschungsschwerpunkte sind Zoonose-, Lebensmittelinfektions- und intoxikationserreger, toxinogene Mikromyceten und Mykotoxine in Nahrungskette und Umwelt.<div><img src="https://media.graphcms.com/mtLKyNsaTTO82Go6yIPH">

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<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 T. Hartmann, L. Witte in Alkaloids: Chemical and Biological Perspectives [Hrsg.: L. S. Pelletier], Elsevier, Oxford, 1995, 9, 155–233.</li><li>
2 L. Smith, C. Culvenor, J. Nat. Prod. 1981, 44, 129–152.</li><li>
3 J. A. Edgar, S. M. Colegate, M. Boppré, R. J. Molyneux, Food Add. Contam. A 2011, 28, 308–324.</li><li>
4 F. Willmot, G. Robertson, The Lancet 1920, 196, 848–849.</li><li>
5 Bundesinstitut für Risikobewertung, Stellungnahme 028/2007, 2007, 1–23.</li><li>
6 P. P. J. Mulder, S. L. de Witte, G. M. Stoopen et al., Food Add. Contam. A Chem. Anal. Contr. Expo. Risk Assess. 2016, 33, 1826–1839.</li><li>
7 P. P. J. Mulder; P. López Sanchez, M. Castelari et al., Food Add. Contam. A Chem. Anal. Contr. Expo. Risk Assess. 2017, im Druck.</li><li>
8 M. Kempf, P. Schreier, T. Beuerle, J. Verbrauch. Lebensm. 2010, 5, 393–406</li><li>
9 L. Cramer, H. M. Schiebel, L. Ernst, T. Beuerle, J. Agr. Food Chem. 2013, 61, 11382–11391.</li><li>
10 D. Bodi, S. Ronczka, C. Gottschalk et al., Food Add. Contam. A Chem. Anal. Contr. Expo. Risk Assess. 2014, 31, 1886–1895</li><li>
11 Bundesinstitut für Risikobewertung, Vorläufige Empfehlung 002/2016, 2016, 1–2.</li><li>
12 C. Gottschalk, S. Ronzcka, A. Preiß-Weigert et al., Anim. Feed Sci. Technol. 2015, 207, 253–261.</li><li>
13 C. Gottschalk, A. Huckauf, A. Dübecke, F. Kaltner, M. Zimmermann, I. Rahaus, T. Beuerle, 2017, unveröffentlicht.</li><li>
14 F. Kaltner, M. Rychlik, M. Gareis, C. Gottschalk, 2017, unveröffentlicht.</li><li>
15 Bundesinstitut für Risikobewertung, Presseinformation 016/2017, 2017, 1–2.</li></ul>

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