Industrie + Technik

Mehr als 350 Teilnehmer aus 30 Staaten trafen sich beim digitalen 5th European Chemistry Partnering (ECP) zum Speed-Dating der Chemieindustrie.In über 1200 Online-Gesprächen und in Flash-Sessions ging es um Kreislaufwirtschaft und vor allem im Eröffnungspanel um neue Finanzierungsansätze für junge und schnell wachsende Chemieunternehmen. In Vorträgen und Workshops diskutierten die Teilnehmer:innen Fragen zum Thema Kunststoffe und stellten Recyclingmethoden vor.Das Global Entrepreneurship Centre Nordrhein-Westfalen präsentierte sich erstmals einem größeren Publikum. Das Zentrum für Start-ups aus Chemie und Bioökonomie will Scale-up-Services anbieten, um etwa Prototypen zu erstellen und in die Produktion einzusteigen.Der European Circular Bioeconomy Fund stellte sein erstes Investment vor: das niederländische Start-up Peelpioneers. Es verarbeitet Orangenschalen aus der Fruchtsaftindustrie zu Produkten wie Orangenöl und Tierfutter, geplant sind zudem Fasern als Fleischersatz. Die Anlage kann zurzeit 30 000 Tonnen Orangenschalen pro Jahr umsetzen. Im Bau ist eine mehr als doppelt so große Fabrik; die tägliche Verarbeitungsmenge soll dem Inhalt eines olympischen Schwimmbeckens entsprechen.Beim Chemanager Innovation Pitch siegte in der Kategorie „Value to Society“ Affix Labs. Das finnische Jungunternehmen entwickelt insektenabweisende und krankheitsvorbeugende Oberflächenbehandlungen. In der Kategorie „Value to Industry“ setzte sich Senorics durch. Die Ausgründung aus dem Institut für Angewandte Photophysik der TU Dresden entwickelt miniaturisierte Nahinfrarotspektroskopiesensoren. Caphenia siegte in der Kategorie „Value to Sustainability“. Das Unternehmen aus Frankfurt am Main produziert aus recyceltem Kohlendioxid und biogenem Gas CO2-neutrale Treibstoffe.Keynote-Lecture, Panel-Diskussionen und Breakout-Sessions des 5th ECP wurden über die chinesische Dachorganisation für den privaten Wirtschaftssektor nach China übertragen. MB

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ECP: digital einfädeln

Mehr als 350 Teilnehmer aus 30 Staaten trafen sich beim digitalen 5th European Chemistry Partnering (ECP) zum Speed-Dating der Chemieindustrie.In über 1200 Online-Gesprächen und in Flash-Sessions ging es um Kreislaufwirtschaft und vor allem im Eröffnungspanel um neue Finanzierungsansätze für jung...

Aus der Menge der Isoprenemissionen, die Zuschauer in die Luft eines Kinosaals abgeben, lässt sich ablesen, wie nervös und angespannt sie einen Film verfolgen. Bislang blieb dieses Ergebnis wenig beachtet, obwohl es geradezu nach einer nachhaltigen Nutzung schreit.
Forscher am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz haben vor ein paar Jahren eine Methode entwickelt, mit der sich messen lässt, ab welchem Alter sich Kinder und Jugendliche einen Film schadlos anschauen können [Nachr. Chem. 2019, 67(1), 114).1)Dabei wird die Konzentration flüchtiger organischer Verbindungen (volatile organic compounds, VOC) in der Luft gemessen. Beteiligt an der Studie waren über 13 000 Zuschauer. Die Werte einer gemessenen Isoprenemission korrelierten für viele Filmgenres und Altersgruppen zuverlässig mit der Anspannung der Zuschauer. Für jüngere Altersgruppen ergaben sich so objektive Hinweise, wie Filme altersgerecht klassifiziert werden können.2)<h2>Anspannungsmarker Isopren</h2>Isopren aus dem menschlichen Stoffwechsel wird im Muskelgewebe gespeichert. Wenn wir uns bewegen, wird es über den Blutkreislauf und die Atmung sowie über die Haut freigesetzt. Unter Standardbedingungen liegt Isopren als farblose Flüssigkeit vor, die aufgrund des niedrigen Siedepunkts (34 °C) einen hohen Dampfdruck hat und sich schnell verflüchtigt.Laut Wikipedia wird Isopren auch von Pflanzen produziert und in die Erdatmosphäre abgegeben.3) Es ist neben Methan derjenige Kohlenwasserstoff mit der höchsten Emissionsrate. Der jährliche Ausstoß soll etwa 600 Megatonnen betragen, die Hälfte davon stammt von tropischen Bäumen.Isopren ist akut wenig toxisch: Der orale LD50-Wert für Ratten – also der Wert, den 50 Prozent dieser Überlebenskünstler nicht mehr aushalten – liegt bei über 2 Gramm pro Kilogramm. Aber Isopren kann auch inhalativ aufgenommen werden. Der Kontakt mit Augen und Haut erzeugt Rötungen und Schmerz, eine respiratorische Absorption ruft Husten, Übelkeit, Brennen und flaches Atmen hervor. Im Tierversuch wirkt Isopren krebserregend und erbgutverändernd.Ist uns also bewusst, welchen Gefahren wir uns und unsere Nachkommen beim Aufenthalt im tropischen Urwald oder im Fernsehsessel bei einem Tatort-Krimi oder einem Terminator-Film aussetzen?Die Gefährdungssymbole (H-Werte) 224 (Gefährdung), 341 (Kann Krebs erzeugen), 350 (Flüssigkeit und Dampf extrem entzündbar) und 412 (Kann vermutlich genetische Defekte verursachen) sowie die Sicherheitshinweise (P-Werte) 210 (Von Zündquellen fernhalten, nicht rauchen), 273 (Freisetzung in die Umwelt vermeiden) und 313 (Ärztlichen Rat einholen) zeigen uns direkt, dass es der brasilianische Präsident nur gut mit uns meint, wenn er die tropischen Urwälder abholzen lässt.4) Man kann ja die Megatonnen dieses amazonischen Isoprens nicht einfach durch einen gigantischen Abzug entfernen.<h2>Die Spannung einfach absaugen</h2>Doch was tun an geschlossenen Orten, in denen höchste Anspannung herrscht? Absaugeinrichtungen zu installieren, etwa über die Entlüftungs- und Klimaanlagen, wäre technisch machbar. Man stelle sich eine weltweite Verbreitung gigantischer Abzugskuppeln und beeindruckender, funktionaler Ansaugarchitektur vor, um dem umfassend ausgasenden Isopren Herr zu werden.Der weltweiten Isoprengewinnung steht von daher nichts im Wege. Und das nicht nur in Kinos – auch die zahlreichen Fußballstadien mit entsprechend eingebauter Absaugtechnik könnten gute Isoprenausbeuten liefern – gerade beim Elfmeterschießen steigt die Spannung ja ins Unermessliche.Oder die Parlamente dieser Welt, in denen – soweit möglich – die Isoprenausbeuten in Zukunft durch wachsende Anspannung bei ansteigender Populistenkonzentration sicher noch beträchtlich erhöht werden können. Der chinesische Volkskongress mit seinen 3000 Mitgliedern tagt allerdings leider nur einmal im Jahr. Zudem nickt er Vorlagen der Regierung mehr oder weniger zu 100 Prozent ab,5) von einer Anspannung und daher ungesund hoher Isoprenproduktion kann dort also keine Rede sein. Aussichtsreicher sind da die Parlamente der Türkei, der Ukraine, Mazedonien, Taiwan, Südafrika oder Jordanien. Sie landeten alle in den „Top 10 der bizarrsten Parlamentsschlägereien“. Offensichtlich herrscht dort große Anspannung6) und folglich eine enorm hohe Isoprenproduktion.Ein guter Kandidat ist mittlerweile leider ausgeschieden. Wie hoch muss die Isoprenkonzentration im Weißen Haus in Washington gewesen sein, als der vormalige Amtsinhaber noch twittern durfte? Höchste Konzentrationen entstanden sicher auch durch die fliegenden Fetzen, wenn fortwährend „enge Mitarbeiter“ ihre Posten wieder verlassen mussten.7) In Amerika gibt es ja sowieso immer und überall Klima- und Entlüftungsanlagen, die sicher leicht für die Isoprengewinnung umgerüstet werden könnten.<h2>Und dann?</h2>Hat man schließlich Abertausende von Tonnen Isopren gewonnen, ergibt sich die Frage: Wohin damit?Deutschland kann ja schon seine 986 000 Tonnen Kunststoffabfälle (2020)8) nicht mehr nach China exportieren, sondern höchstens noch in die neuen Müllkippen-Länder Malaysia und Türkei; und das Zeug einfach – wie bisher 70 Prozent des Plastikmülls – zu verbrennen, ist vielleicht doch nicht so zukunftsträchtig.9–11)Aber wie wäre es mit einer zunehmenden Synthese von α-Terpineol und anderen Duftstoffe aus Isopren?12) Die Welt, wenn sie denn nicht friedlicher wird, könnte zumindest besser riechen.<h2>Ein ganz neuer Kreislauf</h2>Zudem ist Isopren ein Monomer, aus dem sich entsprechende Polymere gewinnen lassen. In unserem Fall wäre dies cis-1,4-Polyisopren – diesmal als nachhaltiger, CO2-neutraler, biobasierter Synthesekautschuk. Hierdurch bestünde also die ersehnte Möglichkeit, die historische Kohlechemie, die semihistorische Petrochemie und die neuere biobasierte Chemie mit Ausgangsstoffen wie Mais oder Kartoffeln, die alle letzten Endes der Menschheit das Essen vom Teller nehmen, zu überwinden. Ein gänzlich neuer Kreislauf in der Chemie – entstanden durch einfaches Absaugen von Isopren aus Anspannungszentren.Man müsste also geradezu die Spannungen in den kritischen Zonen dieser Welt nicht versuchen zu befrieden, sondern sie im Gegenteil kräftig anheizen. Wie schon der Lateiner gemäß der uralten Weisheit sagt: ex contentione chimia13) (Chemie durch Anspannung).Bislang ist ungeklärt, ob Corona die allgemeine Anspannung unterm Strich erniedrigt (Lockdown) oder erhöht (Home Office, Home Schooling, Home Cooking, Home Drinking, Home Wedlock et cetera). Auch hier ließen sich womöglich noch ungenutzte Quellen ausschöpfen.Es bleibt also noch viel Forschungsarbeit zu leisten, am besten in neuen interdisziplinären DFG-Sonderforschungsbereichen. Wie wäre es mit „Die sozioökonomische und -logische Wirkung von Anspannung auf Gesellschaft und Industrie“ (Swagi) oder „Neue, spannende Quellen für Isopren und Kautschuk“ (Nesqik)?Wir sind (an)gespannt.<h2>Der Autor</h2>Der Chemiker Günter Lattermann, Jahrgang 1943, ist Gründungsmitglied und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Kunststoffgeschichte dgkg und der Plastics Heritage European Association PHEA. Er promovierte in Mainz und wirkte in der Makromolekularen Chemie I der Universität Bayreuth. Er hält verschiedene Vorlesungen zur Kunststoffgeschichte und ist Honorarprofessor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin.<div><img src="https://media.graphcms.com/6IdLj68RdSjrGInLZrDw">

</div><figure><img src="https://media.graphcms.com/RzZcW8BmQcmsonUUjZvr"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Was für eine Spannung – ideal für den Isoprenbioreaktor. Illustration: nosyrevy / Adobe Stock</figcaption></figure>

<ul class="references"><li>
1 J. Williams, C. Stönner, J. Wicker et al., Scientific Reports 2016, 6, 25464</li><li>
2 Meldung der MPG: <a href="https://t1p.de/sk33" target="_blank">t1p.de/sk33</a></li><li>
3 <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Isopren" target="_blank">de.wikipedia.org/wiki/Isopren</a></li><li>
4 Meldung auf <a href="https://Sueddeutsche.de" target="_blank">Sueddeutsche.de</a>: <a href="https://t1p.de/juah" target="_blank">t1p.de/juah</a></li><li>
5 Meldung auf <a href="https://tagesschau.de" target="_blank">tagesschau.de</a>: <a href="https://t1p.de/98r6" target="_blank">t1p.de/98r6</a></li><li>
6 Die bizarrsten Parlamentsschlägereien, Meldung auf <a href="https://rp-online.de" target="_blank">rp-online.de</a>: <a href="https://t1p.de/dvet" target="_blank">t1p.de/dvet</a></li><li>
7 Meldung auf <a href="https://noz.de" target="_blank">noz.de</a>: <a href="https://t1p.de/hx8i" target="_blank">t1p.de/hx8i</a></li><li>
8 Meldung auf <a href="https://tagesschau.de" target="_blank">tagesschau.de</a>: <a href="https://t1p.de/313f" target="_blank">t1p.de/313f</a></li><li>
9 Meldung auf <a href="https://epochtimes.de" target="_blank">epochtimes.de</a>: <a href="https://t1p.de/guds" target="_blank">t1p.de/guds</a></li><li>
10 Meldung auf <a href="https://zeit.de" target="_blank">zeit.de</a>: <a href="https://t1p.de/gekw" target="_blank">t1p.de/gekw</a></li><li>
11 B. Hoffmann, Export von Plastikmüll, <a href="https://bettina-hoffmann.info/de/blog/2020/11/ka_plastikmuellexporte.php" target="_blank">bettina-hoffmann.info/de/blog/2020/11/ka_plastikmuellexporte.php</a></li><li>
12 P. Z. Bedoukian, Perfumery and Flavoring Synthetics, Allured Publishing Corp., Carol Stream IL1986, S. 396 ff</li><li>
13 Eigenfindung</li></ul>

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