Bildung + Gesellschaft

Jedes dritte Stickstoffatom im menschlichen Körper hat die Düngemittelindustrie durchlaufen. Dies ist außerhalb der Chemie allerdings nur wenigen bekannt. Das Futurea Science Center setzt hier an und möchte Chemie und Gesellschaft beim Thema Stickstoffdünger zusammenbringen.
Die Stickstofffixierung, also die Aktivierung von Stickstoff durch Verbindung mit anderen Elementen, ist ein Schlüsselprozess in Natur und Technik. Mit dem Haber-Bosch-Verfahren gelingt es seit 100 Jahren, großtechnisch Ammoniak herzustellen, der die Grundlage für Stickstoffdünger ist. Kaum eine Erfindung hatte eine ähnliche Tragweite. Mehr als 100 Millionen Tonnen aktiven Stickstoffs werden weltweit produziert – Tendenz steigend. Man sagt, dass die Erde ohne Dünger nur etwa 1,5 Milliarden Menschen ernähren könnte. Ein wahrhaft großes Thema, in dem sich das Spannungsverhältnis zwischen Chemie und Gesellschaft spiegelt.Deutschlands größter Ammoniak- und Harnstoffproduzent befindet sich in Piesteritz bei Wittenberg, zirka 100 Kilometer südlich von Berlin. Das Unternehmen SKW Stickstoffwerke Piesteritz hat im Jahr 2017 mitten am Marktplatz von Wittenberg ein Science Center gegründet, in dem man der Bedeutung der Stickstofffixierung für die Welternährung und auch der Firmengeschichte und dem Produktportfolio der SKW nachgehen kann. Durch die Initiative, anstelle eines Firmenmuseums auf dem Werksgelände auf den Marktplatz zu gehen, gelangt Wissenschaft mitten in die Gesellschaft, und Wittenberg präsentiert sich zugleich als Kultur- und Industriestadt. Der Name „Futurea“ ergibt sich aus einer Verbindung von Future (Zukunft) und Urea (Harnstoff).Lokalbezug entsteht durch die Kaufmannsfamilie Blume, die einst in dem Haus am Markplatz lebte. Der Kampf gegen den Hunger und das Streben nach ausreichend Nahrung für alle werden aus Perspektive dieser Familie umrissen. Vom Ackerbau über vorindustrielle Selbstversorgung und die wachsende Nachfrage nach Nahrung in den Städten der Industrialisierung gelangt man zu den heutigen Herausforderungen der weltweiten Ernährung.<h2>Mitmachen gewünscht</h2>Ein Science Center ist kein Museum und auch kein reines Ausstellungshaus. Vielmehr sind hier die Mitmachexperimente zentrale Elemente, die durch gelbe Markierungen gut als solche zu erkennen sind. Experimente in Chemieausstellungen sind ein notorisches Problem – man denke an Sicherheitsaspekte und didaktische Schwierigkeiten, wenn „nichts zu sehen“ ist. Die Wittenberger lösen dieses Problem so: Die Besucher erleben interaktive Experimente, durch die sie schrittweise von Schauspielern (im Video) und mit einer echten Apparatur geführt werden. So wird eine historische Apparatur vorgestellt, die den Stickstoffgehalt in Pflanzen bestimmt. Dabei werden Fehlvorstellungen – „Warum nimmt die Pflanze den Stickstoff nicht direkt aus der Luft?“ – aufgegriffen und Informationen vermittelt, etwa dass Weizen zu zwei Prozent aus Stickstoff besteht.Medienstationen sind mit realen Gegenständen verbunden, etwa wenn der Molekülaufbau mit einer Kombination aus Multimedia und Holzkugeln erfolgt oder wenn der Besucher beim Thema Zahnpasta auf eine Tube drückt und daraufhin eine Medienstation beschreibt, welche Rolle Harnstoff in der Zahnpasta spielt.So spricht Futurea mit einfallsreichen Vermittlungsformen sowohl Schüler als auch erwachsene Besucher an. Zwei Stunden sollte man sich nehmen für den Rundgang, um alles auszuprobieren.<h2>Viele Fragen an Wissenschaft und Gesellschaft</h2>Eine Herausforderung für ein Science Center in einem eher kleinem Ort ist es, mittelfristig ausreichend Besucher zu haben. Veranstaltungen könnten hier ein geeignetes Instrument sein, zumal die Themen reichlich Material bieten für Kontroversen und Dialoge. In solchen Dialogen ließe sich fragen, wieso Kunstdünger den Hunger in der Welt bis heute nicht beseitigt hat. Oder wie Überdüngung mit dem Nitratgehalt im Trinkwasser und dem Stickstoffeintrag in die Weltmeere zusammenhängen.Die technische Ammoniakgewinnung – die seit 100 Jahren weitgehend unverändert läuft und bei der keine wesentlichen Effizienzsteigerungen zu erwarten sind – ist ein energieintensiver Prozess, der eine Temperatur von 450 Grad Celsius und 200 bar Druck benötigt. Wie lässt sich der enorme Energiebedarf der Stickstofffixierung verringern? Diese Frage drängt, denn das Haber-Bosch-Verfahren verschlingt via Steam Reforming Unmengen an Erdgas – die industrielle Ammoniakproduktion gilt als verantwortlich für bis zu 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen.Heutige Forschungsansätze möchten es der Natur gleichtun und Stickstoff ohne Hitze und Hochdruck fixieren. Sie sollten den Weg ins Futurea finden. Man ist freilich noch weit davon entfernt, den biologischen Prozess der Stickstofffixierung nachahmen zu können. Es lassen sich hier zwei Ansätze identifizieren – biomimetische vor allem auf der Basis von Nitrogenasen und chemisch-katalytische, in denen beispielsweise Amine elektrochemisch synthetisiert werden. Ein Verständnis der Nitrogenasen und des biochemischen Apparats von Knöllchen- und Cyanobakterien, die den Luftstickstoff in Ammoniak umwandeln, könnte helfen, einen technischen Prozess bei milden Temperaturen zu entwickeln. Andere vielversprechende Ansätze aus der synthetischen Biologie möchten Bodenbakterien optimieren, damit Stickstoffdünger im Minimaßstab direkt an der Pflanze entsteht.Über solche neuen Ansätze könnte man in Wittenberg diskutieren und damit Chemie und Gesellschaft noch stärker in einen Dialog treten lassen. Dabei betreffen viele Fragen nicht nur Wissenschaft und Industrie, sondern auch die Verbraucher: Wie lässt sich Lebensmittelverschwendung vermeiden? Ließe sich durch Verzicht auf Fleischkonsum ein Großteil der Düngemittelproduktion und damit das energieintensive Haber-Bosch-Verfahren sogar überflüssig machen?Marc-Denis Weitze ist Privatdozent für Wissenschaftskommunikation an der TU München und leitet den Themenschwerpunkt Technikkommunikation der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech).<figure><img src="https://media.graphcms.com/Y3Kgo5KSlWGEUdS80YsQ"><figcaption><label>Abb. 1: </label>In der Mitte der Gesellschaft: Das Science Center Futurea befindet sich am Marktplatz in Wittenberg. Foto: Marc-Denis Weitze</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/xude8Zm6Rg2ZD28PJLhc"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Chemiegeschichte und Stoffumwandlungen vermittelt das Futurea in interaktiven Stationen. Hier ein historischer Apparat zur Bestimmung des Stickstoffgehalts in Pflanzen. Foto: Marc-Denis Weitze</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/McV68RpgSwSxiC2dcBuh"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Besucher erkennen durch physische und virtuelle Modelle chemische Zusammenhänge. Foto: Anita Back / futurea</figcaption></figure>

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Eine Ruhmeshalle für den Dünger

Jedes dritte Stickstoffatom im menschlichen Körper hat die Düngemittelindustrie durchlaufen. Dies ist außerhalb der Chemie allerdings nur wenigen bekannt. Das Futurea Science Center setzt hier an und möchte Chemie und Gesellschaft beim Thema Stickstoffdünger zusammenbringen. Die Stickstofffixieru...

„Natur statt Chemie“, „Chemiefreies Leben“, „Stark ohne Chemie“, die Liste an diesen aus der Werbung entnommenen Slogans ließe sich beliebig erweitern. Doch Chemie kommt überall vor, erst recht in der Natur.
Konsumgüter werden häufig mit Slogans beworben, die sie gezielt von Chemie abgrenzen sollen. Doch selbst wenn Putzmittel, Medikamente, Kosmetika oder Lebensmittel keine synthetischen Chemikalien aufweisen, sind dennoch chemische Inhaltsstoffe für die gewünschte Wirkung verantwortlich.Dass solche Werbesprüche die Gesellschaft beeinflussen, zeigen beispielsweise Ergebnisse der Rose-Studie (The Relevance of Science Education). Hierbei gaben unter 15-jährigen Deutschen circa 65 Prozent der befragten Mädchen und 50 Prozent der Jungen an, dass sie die schädlichen Auswirkungen der Naturwissenschaften gravierender einstufen als deren Nutzen.1)Im Gegensatz dazu gibt es in der Gesellschaft oft romantisierte Vorstellungen von der Natur. Der Jugendreport Natur betitelte dieses Phänomen als Bambi-Syndrom: Jugendliche halten Natur grundsätzlich für harmonisch und schön, aber auch für bedroht und hilfsbedürftig.2)In der öffentlichen Meinung sind Chemie und Natur demnach Gegensätze. Dass Chemie als Naturwissenschaft die Natur beschreibt, um deren Stoffe und Stoffumwandlungen zu erklären, ist Laien selten bewusst. Doch Chemie gibt es insbesondere in der Natur. An diesem Punkt setzt das Unterrichtskonzept „Chemie Pur – Unterrichten in der Natur“ an.<h2>Das Unterrichtskonzept</h2>Die Idee des Unterrichtskonzepts Chemie Pur besteht darin, Chemiestunden in die Natur zu verlegen. Die Schüler sollen dabei mit Stoffen, die sie direkt vor Ort gewinnen, Umweltprozesse experimentell erarbeiten. Dies bringt die von Lernenden häufig als abstrakt empfundenen Inhalte des Chemieunterrichts mit naturnahen Phänomenen in Einklang. Die Chemie-Pur-Lerneinheiten richten sich an die Oberstufe und berücksichtigen die Rahmenbedingungen von „Chemie im Kontext“,3) sie zeigen also die Rolle der Chemie für die Lebenswelt der Schüler. Chemie Pur orientiert sich an folgenden Kriterien:<list list-type="simple"><list-item></list-item></list>Experimente außerhalb des Klassenzimmers (Natur als Labor),<list-item>Reaktionen von Naturstoffen mit möglichst wenig Laborgeräten und -chemikalien,</list-item><list-item>Umweltprozesse am Anschauungsobjekt,</list-item><list-item>inhaltliche Orientierung an den Basiskonzepten des Unterrichtsfachs Chemie,</list-item><list-item>Einsatz digitaler Medien.</list-item>Innerhalb einer Lerneinheit gibt es drei Phasen: Erläuterung der fachlichen Hintergründe, eigenverantwortliches Experimentieren im Freiland und Deutung der Ergebnisse.<h2>Ablauf einer Chemie-Pur-Lerneinheit</h2>Die erste Phase soll den Schülern den Kontext klar machen, also welchen Hintergrund und welche Bedeutung die Experimente in der Lebenswelt der Schüler haben. Die Lehrer erläutern das notwendige Fachwissen, weisen auf Gefahrenquellen oder andere Besonderheiten der Versuche hin, etwa wie Chemikalien aufzubewahren und zu entsorgen sind.In der zweite Phase erhalten Kleingruppen von zwei bis fünf Lernenden einen Koffer mit Laborgeräten (Abbildung 1), einem Reagenziensatz, einem GPS-Gerät und einem Tablet-PC. Auf dem Tablet-PC befindet sich ein vorbereitetes Lernmodul mit Hintergrundinformationen sowie Arbeitsaufträgen mit Versuchsvorschriften. Zudem listet es die GPS-Koordinaten der Standorte der jeweiligen Naturmaterialien und prüft mit Lernaufgaben die Ergebnisse der Experimente sowie Erkenntnisse über die Umweltprozesse.<figure><img src="https://media.graphcms.com/BZVwhWSQTsWExPXLc2S3"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Zwei Schülerinnen identifizieren den Kirschlorbeerstrauch anhand einer Bestimmungshilfe auf dem PC. Fotos: Alexander Engl</figcaption></figure>
Die Besonderheit dieses Unterrichtskonzepts liegt darin, dass es zum Beispiel Boden, Pflanzen, Gewässer und Sonnenlicht einbezieht. Deshalb verzichtet es bewusst auf kultivierte Pflanzen oder industriell hergestellte Naturstoffe. Zusätzlich werden Naturmaterialien eingesetzt, deren aufbereitete Inhaltsstoffe als Edukte für weitere Experimente dienen.Anders als bei anderen Ansätzen4) weisen die Schüler nicht nur Inhaltsstoffe nach, sondern nutzen sie auch, um weitere chemische Reaktionen einzuleiten. Die Fachdidaktik unterscheidet dabei explizit zwischen Stoff- und Teilchenebene.Da die meisten Materialien für die Versuche der Natur entnommen werden, haben die Experimente eher qualitativen Charakter. Außerdem nennen die Versuchsbeschreibungen keine exakten Mengenangaben, da die extrahierten Naturstoffe standort-, tages- und jahreszeitabhängig in unterschiedlichen Konzentrationen vorkommen.Gemeinsam mit den Schülern fasst der Lehrer schließlich die Ergebnisse zusammen und ordnet die Deutungen in Basiskonzepte der Chemie ein, wie sie für die gymnasiale Oberstufe vorgegeben sind. Abschließend übertragen die Schüler die Erkenntnisse auf konkrete Umweltprozesse.<h2>Bodenanalyse mit organischen Säuren</h2>Bodenkundliche Themen eignen sich hervorragend dazu, Lernenden naturwissenschaftliche Phänomene und Zusammenhänge anhand von Experimenten zu veranschaulichen. Denn das Ökosystem Boden bildet Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und andere Bodenorganismen. Zudem erhalten Schüler die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden.Die Lerneinheit „Bodenanalyse mit organischen Säuren“5) zeigt das Donator-Akzeptor-Basiskonzept am Beispiel einer qualitativen Untersuchung der anorganischen Bestandteile des Bodens. Die Experimente thematisieren dabei Säure-Base-Reaktionen, Fällungsreaktionen, Komplexbildungsreaktionen und Redoxreaktionen und zeigen ein praktisches Anwendungsbeispiel. Dazu dienen Eisen- und Calciumkationen sowie das Carbonation. Eisen- und Calciumionen spielen im Stoffwechsel von Pflanzen eine wichtige Rolle, Carbonationen fungieren als pH-Puffer im Boden.6)<h2>Die Stationen: Boden, Blätter, Früchte</h2>An der ersten Station der Lerneinheit entnehmen die Schüler eine Bodenprobe. Die darin enthaltenen Ionen schließen sie mit einem pH-abhängigen Trennungsverfahren auf (Abbildung 2, S. 19).7)<figure><img src="https://media.graphcms.com/ONQReFKXShOtkrq03NyM"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Reaktionen beim pH-abhängigen Trennungsverfahren für Bodenproben.</figcaption></figure>
Mit dem Extrakt aus Sauerampferblättern fällen die Schüler an der zweiten Station Calciumionen aus der Bodenlösung als Calciumoxalat (Abbildung 3, S. 19).<figure><img src="https://media.graphcms.com/0ptNPUppTrOTTjsg8IEi"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Eine Schülergruppe untersucht Oxalsäure aus den Blättern des Sauerampfers.</figcaption></figure>
An den Stationen drei und vier weisen die Schüler Eisenionen in der Bodenprobe nach: Mit dem Extrakt aus Mädesüßblüten bildet sich der Salicylatoeisen(III)-Komplex (Abbildung 4),8) der Eisen durch seine braune bis violette Farbe anzeigt. Da Mädesüß nur im Juni und Juli blüht und nur auf Feuchtwiesen und an Gewässersäumen wächst, ist eine verdünnte Salicylsäurelösung eine Alternative.<figure><img src="https://media.graphcms.com/cDb1dS3oSiutbomnAxXP"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Salicylatoeisen(III)-Komplex; er entsteht, wenn der wässrige Extrakt der Mädesüßblüten mit Eisen(III)ionen-haltiger Lösung versetzt wird.</figcaption></figure>
Mit dem Extrakt von Blättern des Kirschlorbeers (Station vier) bildet sich Berliner Blau. Kirschlorbeer enthält Prunasin, das durch wässrige Extraktion hydrolytisch gespalten wird und Blausäure freisetzt.9)Mit Hagebuttenextrakt entfärben die Schüler an der fünften Station die Lösungen mit den positiven Eisennachweisen wieder, da die Ascorbinsäuremoleküle aus den Früchten die Eisenionen reduzieren.Abbildung 5 zeigt alle Lösungen der Lerneinheit nebeneinander.<figure><img src="https://media.graphcms.com/HbNdMUcORGekCCJtdgi1"><figcaption><label>Abb. 5: </label>Edukte und Produkte der Nachweisreaktionen der Stationen Sauerampfer, Mädesüß, Lorbeerkirsche und Hagebutte: (1) Sauerampferextrakt, (2) Calciumionen-haltige Bodenlösung, (3) Calciumoxalat als Produkt von (1) und (2), (4) Eisenionen-haltige Bodenlösung, (5) Reaktionsprodukt von (4) und Salicylsäurelösung, (6) Reaktionsprodukt von (5) und Hagebuttenextrakt (11), (7) Kirschlorbeerextrakt, (8) Eisen(II)lösung, (9) Eisen(III)lösung, (10) Berliner Blau als Produkt von (7) bis (9), (11) Hagebuttenextrakt, (12) Reaktionsprodukt von (10) und (11).</figcaption></figure>
<h2>Weitere Einheiten mit Lavendel, Rosskastanien oder Brombeeren</h2>Drei weitere Chemie-Pur-Einheiten sind bisher veröffentlicht: „Ätherischen Ölen auf der Spur“,10) „Faszination Fluoreszenz – Sonnenschutz in der Natur“11) und „Farbenpracht im Freiland“.12)In der Einheit über ätherische Öle bauen die Schüler zunächst eine freilandtaugliche Wasserdampfdestillationsapparatur, mit der sie aus getrockneten Lavendelblüten das Öl gewinnen. Mit dem Öl untersuchen die Schüler dessen Stoffeigenschaften, beispielsweise dessen Löslichkeit oder Flüchtigkeit.Die Lerneinheit über Sonnenschutz thematisiert die positiven und negativen Auswirkungen von UV-Strahlung auf Menschen und Natur. Dabei betrachten die Schüler unter anderem die Fluoreszenz von Rosskastanienextrakt.„Farbenpracht im Freiland“ greift pflanzliche Farbstoffe auf und gliedert sie nach ihrer molekularen Struktur, dem Vorkommen in unterschiedlichen Organen und der damit verbundenen ökologischen Funktion.<h2>Jugendliche und ihre Einstellung</h2>Eine empirische Untersuchung zu Chemie Pur stellte eine übergeordnete Forschungsfrage: Wie wirkt sich das Unterrichtskonzept auf das Fach- und Sachinteresse, auf die Naturverbundenheit sowie auf die Einstellung zu Chemie und Natur von Schülern der Sekundarstufe II aus?13) Dies beantwortet eine quantitative Evaluationsstudie im Kontrollgruppendesign.An der Studie beteiligten sich 191 Jugendliche aus 13 Grund- und Leistungskursen der Jahrgangsstufen elf und zwölf von drei städtischen allgemeinbildenden Gymnasien. Sie waren im Schnitt 17 Jahre alt; 49 Prozent waren Mädchen. Die Schüler der Kontrollgruppe wurden in den Räumen der Universität in Landau unterrichtet, während sich die Experimentalgruppe mit den Chemie-Pur-Lerneinheiten im naturnahen Umfeld am Campus bewegte.Der zeitliche Umfang der Studie betrug für alle Schüler fünf Doppelstunden. Vor und nach der Studie wurden sie schriftlich befragt. Die Probanden mussten sich dabei unter anderem auf einer vierstufigen Skala (von „trifft nicht zu“ (1) bis „trifft zu“ (4)) zu Fragen wie „In der Natur fühle ich mich umgeben von Chemie“ oder „In der Natur ist kaum Chemie zu finden“ positionieren. Die Schüler der Experimentalgruppe nahmen nach den Chemie-Pur-Lerneinheiten Chemie und Natur stärker als Einheit wahr als die Schüler der Kontrollgruppe. Diese Einstellungsveränderung ist klein, aber signifikant (Abbildung 6).<figure><img src="https://media.graphcms.com/rtapQLgGRpWyGlciwPbD"><figcaption><label>Abb. 6: </label>Gemittelte Einstellung von Schülern zu Chemie und Natur (Standardabweichung als Fehlerbalken) vor der Durchführung (T1), nach der Durchführung (T2) und nach einer zweimonatigen Sommerpause (T3); Experimentalgruppe mit 85 Probanden (Braun) und Kontrollgruppe mit 64 Probanden (Rot); je höher der Wert, desto stärker nehmen die Befragten Chemie und Natur als Einheit wahr.</figcaption></figure>
Dieses Ergebnis passt zu den Befunden einer aktuellen Metastudie, die eine verbesserte Umwelteinstellung durch Outdoor-Education-Programme, die im Lehrplan verankert wurden, identifiziert hat.14) Chemieunterricht sollte daher das Potenzial der lokalen Schulumgebung nutzen, nach dem Motto des britischen Chemiedidaktikers Peter Borrows, der seit Jahren die Idee verfolgt, den Chemieunterricht nach draußen zu verlegen: „Put down your test tube and take to the streets!“.15)Wir bedanken uns für die Förderung des Projekts durch den Fonds der Chemischen Industrie im Programm „Chemiedidaktik“ und beim Land Rheinland-Pfalz für die Unterstützung durch das Hochschulprogramm „Wissen schafft Zukunft“.<h2>Quergelesen</h2>Das Unterrichtskonzept Chemie Pur nutzt Substanzen aus der Umwelt als Experimentiermaterial. Der Unterricht findet im Freien statt.Bei der Lerneinheit „Bodenanalyse mit organischen Säuren“ analysieren Schüler qualitativ Bestandteile des Bodens, etwa Calcium- und Eisenionen, und zwar mit Inhaltsstoffen aus Sauerampfer, Kirschlorbeer, Mädesüß oder Hagebutte.Nach den Unterrichtsstunden in der Natur nehmen die Schüler der Sekundarstufe II Chemie und Natur stärker als Einheit wahr.<h2>Die Autoren</h2>Alexander Engl ist seit dem Jahr 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Chemiedidaktik an der Universität in Landau. Für seine Promotion hat er das Unterrichtskonzept „Chemie Pur – Unterrichten in der Natur“ entwickelt sowie evaluiert und arbeitet in den Projekten „Transfer virtueller Labore in den schulischen Unterricht“ sowie „Reallabor Queichland“ mit. Engl hat Biologie und Chemie für das Lehramt an Gymnasien studiert. <a href="mailto:engl@uni-landau.de">engl@uni-landau.de</a><div><img src="https://media.graphcms.com/ZoH6zRK6TvWM1zguM6Hh">

</div>Björn Risch ist seit dem Jahr 2010 Professor für Chemiedidaktik an der Universität Koblenz-Landau. Er befasst sich unter anderem mit Lernprozessen in Lehr-Lern-Laboren, Modellexperimenten für Umweltprozesse, Chemieunterricht in der Natur, Bildung für nachhaltige Entwicklung im naturwissenschaftlichen Unterricht sowie in der Lehrerbildung. Risch promovierte im Jahr 2006 an der Universität Bielefeld bei Gisela Lück. <a href="mailto:risch@uni-landau.de">risch@uni-landau.de</a><div><img src="https://media.graphcms.com/uCinnF4SUiNe2cCQ8SRo">

</div>
<ul class="references"><li>
1 S. Sjøberg, C. Schreiner, The ROSE project. An overview and key findings, University of Oslo, Oslo, 2010</li><li>
2 R. Brämer, Natur obskur. Wie Jugendliche heute Natur erfahren, Oekom Verlag, München, 2006</li><li>
3 I. Parchmann, B. Ralle, D. Di Fuccia, Entwicklung und Struktur der Unterrichtskonzeption Chemie im Kontext, in Chemie im Kontext. Von der Innovation zur nachhaltigen Verbreitung eines Unterrichtskonzepts [Hrsg.: R. Demuth, C. Gräsel, I. Parchmann, B. Ralle] , Waxmann, Münster, 2008</li><li>
4 G. Schwedt, Chemie für alle Jahreszeiten. Einfache Experimente mit pflanzlichen Naturstoffen, Wiley-VCH, Weinheim, 2007</li><li>
5 A. Engl, B. Risch, Naturwiss. Unterr. Chem., 2014, 144, 34–37</li><li>
6 W. Amelung, H.-P. Blume, H. Fleige et al., Lehrbuch der Bodenkunde, Springer, Berlin, Heidelberg, 2018</li><li>
7 U. Bartels, W. Knabe, Chem. Unserer Zeit, 1990, 24, 131–134</li><li>
8 J. Mitchell-Koch, K. Reid, M. Meyerhoff, J. Chem. Educ., 2008, 85, 1658–1659</li><li>
9 H. H. Pickel, B. Lutz, Prax. Naturwiss., Chem. Sch., 1993, 42, 30–35</li><li>
10 A. Engl, A. Schmelzer, B. Risch, CHEMKON, 2018, 25, 7–15</li><li>
11 A. Engl, B. Risch, Green Teacher, 2016, 109, 39–42</li><li>
12 A. Engl, B. Risch, Prax. Naturwiss., Chem. Sch., 2016, 65, 45–49</li><li>
13 A. Engl, B. Risch, Chemie Pur – Unterrichten in der Natur: Ein Konzept zur Änderung der Einstellung im Bereich „Chemie und Natur“, in Qualitätsvoller Chemie- und Physikunterricht – normative und empirische Dimensionen, Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik, Jahrestagung in Regensburg 2017 [Hrsg.: C. Maurer], Universität Regensburg, Regensburg, 2018</li><li>
14 C. Becker, G. Lauterbach, S. Spengler, U, Dettweiler, F. Mees, Int. J. Environ. Res. Public Health 2017, 14, 1–20</li><li>
15 P. Borrows, Sch. Sci. Rev., 2006, 87, 23–31; <a href="https://www.gettingpractical.org.uk/documents/SSRChemistryOutdoors_000.pdf" target="_blank">www.gettingpractical.org.uk/documents/SSRChemistryOutdoors_000.pdf</a></li></ul>

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Eine Ruhmeshalle für den Dünger

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