Bildung & Gesellschaft

Verblüffendes, Informatives, schon fast Vergessenes: Die Serie Zahlenstatistik des Monats liefert Fakten aus 150 Jahren. In diesem Monat geht es um Chemie, die kracht und stinkt.
könnte der BASF-Mitbegründer Carl Clemm heißen. Er sollte im Jahr 1867 Londoner Farbenfabriken auskundschaften. Clemm wurde dabei erwischt, verprügelt, geteert und gefedert. Kurz darauf baute die BASF eine eigene Forschung auf.<figure><img src="https://media.graphcms.com/VpDOcIHiTG6SiKEr2YAk"><figcaption><label>Abb. 1: </label></figcaption></figure>
gebrochenes Reaktorsicherheitsventil verursachte im Jahr 1976 den Unfall nahe des italienischen Seveso. Von fast sieben Tonnen Reaktionsgemisch entwichen etwa 1500 kg und setzten dabei geschätzte 30 kg des toxischen 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo[1,4]dioxins (TCDD) frei. Seit 1982 gilt die europäische Seveso-Richtlinie, die schwere Unfälle mit gefährlichen Stoffen verhüten und die Unfallfolgen begrenzen soll.<figure><img src="https://media.graphcms.com/D5lE52NGQImqXloWXhGv"><figcaption><label>Abb. 2: </label></figcaption></figure>
Watt Antriebsleistung hatte der Rührer, der einen Labormitarbeiter im Jahr 1992 fast skalpierte. Die Haare einer Kopfseite gerieten in die frei laufende Welle, wurden aufgewickelt und schließlich ausgerissen.<figure><img src="https://media.graphcms.com/U9iuhlaQxysqNu3SH8sg"><figcaption><label>Abb. 3: </label></figcaption></figure>
Jahre blieb einer der größten Umweltskandale Deutschlands ohne rechtliche Folgen. Im Jahr 1985 schloss dann die Chemische Fabrik Marktredwitz, die seit 1788 den Boden und einen Fluss mit Quecksilber belastet hatte. Bei der Bodensanierung fanden die Behörden bis zu zwei Gramm Quecksilber in einem Kilogramm Erdreich.<figure><img src="https://media.graphcms.com/h2L5691tR7aJqIkuoU56"><figcaption><label>Abb. 4: </label></figcaption></figure>
Detonationen erschütterten im September 1921 das Stickstoffwerk in Oppau – heute ein Stadtteil von Ludwigshafen. Explodiert war das Düngemittelsilo mit 4500 Tonnen Ammonsulfatsalpeter. Von Oggersheim bis Worms und von Mannheim bis Heidelberg rissen Mauern und verloren Dächer ihre Ziegel. 561 Menschen starben, etwa 2000 erlitten Verbrennungen. Es ist bis heute die größte Chemiekatastrophe der BASF.<figure><img src="https://media.graphcms.com/LOM13oUQuSCIkcSylW1Q"><figcaption><label>Abb. 5: </label></figcaption></figure>
Unternehmer gründeten im Jahr 1866 eine „Gesellschaft zur Überwachung und Versicherung von Dampfkesseln mit dem Sitze in Mannheim“. Die Unternehmer reagierten auf eine Explosion mit einem Toten und mehreren Verletzten, die ein Riss in der Hülle eines Dampfkessels in einer Brauerei verursacht hatte. Dies war der Start des TÜV Süd.<figure><img src="https://media.graphcms.com/YUV1II9gSWiVXhGdqMhA"><figcaption><label>Abb. 6: </label></figcaption></figure>
Menschen starben im September 2001 durch die Explosion einer Düngemittelfabrik in Toulouse, mehrere Tausend wurden verletzt. Ammoniumnitrat hatte mit Spuren von zuvor am gleichen Ort gelagerten Chlorverbindungen reagiert. Die Explosion ähnelte dem Unfall in Oppau und ereignete sich auf den Tag genau 80 Jahre später.<figure><img src="https://media.graphcms.com/0iGZSwhTTuQ1SsKVGufI"><figcaption><label>Abb. 7: </label></figcaption></figure>
Milligramm in einem Kubikmeter Luft ist die Geruchsschwelle für Brom. Die maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK) für Br beträgt 0,7 mg·m–3. Zehnmal so groß ist der MAK-Wert für Schwefelwasserstoff. H2S ist bereits bei weniger als einem Millionstel Milligramm in einem Kubikmeter Luft wahrnehmbar.<figure><img src="https://media.graphcms.com/xb2k9yUvRKeawjPBe8g6"><figcaption><label>Abb. 8: </label></figcaption></figure>
Liter Schwefelsäure sind im März 2016 in Hamburg ausgelaufen. In einer Lagerhalle hatte ein Gabelstapler ein 1000-Liter-Fass beschädigt, Schwefelsäure mischte sich mit Salpetersäure aus einem anderen Fass, das bei dem Unfall aus dem Regal gefallen war. Die Reaktion habe giftigen Rauch erzeugt, meldete die Feuerwehr. Es gab keine Verletzten, außer den Fässern.<figure><img src="https://media.graphcms.com/Z5hLT59TrOy9h46JiPbC"><figcaption><label>Abb. 9: </label></figcaption></figure>
Teile Bariumnitrat, 5 Teile Aluminium- und 25 Teile Eisenpulver sowie 15 Teile Dextrin als Bindemittel, in kochendem Wasser angeteigt und nach dem Trocknen stabilisiert mit Collodiumlackwolle, liefern eine Masse für Wunderkerzen. Auf Drähte gestrichen und entzündet sprühen die Funken.<figure><img src="https://media.graphcms.com/yrEPCJbuRLyPPOmyyZIO"><figcaption><label>Abb. 10: </label></figcaption></figure>
Unfälle mit Ammoniumnitratdüngemitteln aus den Jahren 1991 bis 2007 zeigen, dass reines NH4NO3 zur Detonation hohe Drücke und Temperaturen braucht. Ebenso wirken Explosionsschockwellen oder einschlagende Projektile.<figure><img src="https://media.graphcms.com/jMnb2M5oR1GPIb9nHh6p"><figcaption><label>Abb. 11: </label></figcaption></figure>

Artikel

einhundertundfünfzig

Verblüffendes, Informatives, schon fast Vergessenes: Die Serie Zahlenstatistik des Monats liefert Fakten aus 150 Jahren. In diesem Monat geht es um Chemie, die kracht und stinkt. könnte der BASF-Mitbegründer Carl Clemm heißen. Er sollte im Jahr 1867 Londoner Farbenfabriken auskundschaften. Clemm...

PD Dr.rer.nat.habil.

Klassische Zitationsmetriken wie der Journal-Impactfaktor erfassen nicht, wie sich Publikationen, Forschungsdaten, Software und andere wissenschaftliche Objekte im Internet und öffentlichen Medien verbreiten und wie sie wirken. Genau das tut aber die alternative Impactmetrik, kurz Altmetrik.
Der Umfang der Fachliteratur wächst exponentiell.1) Wissenschaftler müssen die Entwicklung des eigenen Fachgebietes verfolgen und dazu Fachliteratur lesen. Aber niemand kann alles lesen. Zum Umgang mit der Fachliteratur benötigen wir daher Filter.2) Die bisher benutzten Filter sind der Impactfaktor, das Zählen von Zitationen und das Peer-Review-Verfahren.Der Impactfaktor misst die durchschnittliche Zahl von Zitationen, die ein Artikel einer Zeitschrift erhält.3) Damit liefert er eine Aussage über die Zeitschrift, nicht aber über einzelne Artikel. Dennoch wird dieser Parameter häufig fälschlicherweise dazu herangezogen. Die Details, wie der Impactfaktor berechnet wird, sind ein Betriebsgeheimnis des Anbieters Thomson Reuters, und in den letzten Jahren berichteten Fachzeitschriften und Wissenschaftler mehrfach über Manipulationen dieses Wertes.4)Zu zählen, wie oft ein Artikel oder ein Autor zitiert wird, ist sinnvoll. Allerdings dauert es Jahre, bis sich eine Aussage über den Wert einer Arbeit aus den Zitationen ableiten lässt. Außerdem bleiben wichtige Arbeiten, etwa Methodenartikel, mitunter unzitiert.Das Peer-Review-Verfahren funktioniert zwar, aber es ist langsam, fördert hauptsächlich Arbeiten zu konventionellen Themen, und letztendlich werden fast alle Manuskripte irgendwo publiziert.2) Das gilt auch für die mit unkonventionellen Themen, etwa den Quasikristallen von Daniel Shechtman; diese erscheinen dann aber meist in weniger bekannten Zeitschriften.2) Die traditionellen Filter der Wissenschaft reichen also nicht mehr, um die wichtigsten Literaturstellen zu finden.Das wissenschaftliche Arbeiten hat sich durch das Internet grundlegend verändert.5) Das Internet dient als Werkzeug zum gemeinsamen Schreiben von Texten, als Publikationsmedium, zum Ablegen von Forschungsdaten und zum internationalen Austausch.5) Artikel werden im Internet diskutiert, kommentiert, mit Bookmarks versehen, heruntergeladen, weiter empfohlen und genutzt, bevor auch nur eine einzige Zitation dieses Artikels erscheint.6) Gerade in anwendungsnahen Gebieten wie der klinischen Medizin können Nutzungsstatistiken ein besserer Indikator für die Bedeutung einer Arbeit sein.7) Mehrere Anbieter entwickeln solche Nutzungsstatistiken seit einigen Jahren. Ihr Ziel ist, ein aktuelles und detailliertes Bild zu liefern, wie wissenschaftliche Arbeiten genutzt werden.<h2>Altmetrik</h2>Der Begriff Altmetrik – kurz für alternative Impactmetriken – steht für die neuen Aktivitäten, mit denen sich wissenschaftliche Resonanz messen lässt.8) Altmetrik erfasst die Wirkung wissenschaftlicher Arbeiten auf vielen Kommunikationsplattformen und nicht nur in Zeitschriften.5) Ihr Ziel ist, alle Arten von wissenschaftlichen Arbeiten, Objekten oder Daten zu berücksichtigen. Dazu gehören zum Beispiel Konferenzbeiträge, Bücher, Software, Forschungsdaten – also jede Art von wissenschaftlicher Information, die im Internet verfügbar ist und eindeutig einem Autor zugeordnet werden kann. Die Daten sind meist über offene Programmierschnittstellen (API) zugänglich und daher gut verifizierbar.5) Durch diesen Ansatz lässt sich die öffentliche Wirkung (Impact) schneller messen als durch Zitationsverfahren, zudem sollte er realistische Daten über die tatsächliche Nutzung wissenschaftlicher Ergebnisse liefern (Abbildung 1).<figure><img src="https://media.graphcms.com/7U17rxbOSB2UivDQsMOP"><figcaption><label>Abb. 1: </label>So werden wissenschaftliche Daten aufbereitet, verbreitet und ihre Wirkung bewertet.<named-content> Illustration: Uwe Böhme</named-content></figcaption></figure>
Zurzeit gibt es fünf Anbieter für Altmetrik-Dienste: <a href="https://Altmetric.com" target="_blank">Altmetric.com</a>, Impactstory, Plum Analytics, PLOS Artikel Level Metrics und Snowball Metrics.<h2><a href="https://Altmetric.com" target="_blank">Altmetric.com</a></h2><a href="https://Altmetric.com" target="_blank">Altmetric.com</a> ist ein Produkt des Anbieters Digital Science und verfolgt kommerzielle Interessen.8) Es bietet Altmetrik-Informationen in Form von „Scores“ für Artikel an. Eine kostenfreie Zusatzfunktion, das Bookmarklet „Altmetric it“, ermöglicht, die Scores für online verfügbare Artikel anzuzeigen. Die Webseiten der Verlage zeigen die Scores, wobei der Verlag die Kosten trägt.8) Der Gesamtscore wird in einem kreisförmigen farbigen Symbol („Donut“) gezeigt und in einem Zahlenwert zusammengefasst. Dieser Wert beruht auf gewichteten Einzelmetriken.9) Unterhalb des Scores ist erklärt, wie sich dieser zusammensetzt (siehe <a href="http://t1p.de/lrr6" target="_blank">http://t1p.de/lrr6</a>).<h2>Impactstory</h2>Auf der Webseite Impactstory können Wissenschaftler die Wirkung ihrer Forschung im Internet erkunden. Impactstory berücksichtigt nicht nur wissenschaftliche Artikel, sondern auch Forschungsdaten, Software und Präsentationen. Die Daten stammen aus den verschiedensten Quellen: Dazu gehören Zitationen aus den Datenbanken PubMed und Scopus, die online-Literaturverwaltungen Mendeley und CiteULike, Tweets und Nutzungen sowie Empfehlungen auf Slideshare (Präsentationen), Figshare (Abbildungen) und Github (Software).8) Die Daten sind immer im Vergleich mit anderen dargestellt. So bekommen auch Nutzer, die keine Experten sind, eine Vorstellung von deren Bedeutung: Der Ökologe Ethan White von der University of Florida gehört zu den Top-Ten der Wissenschaftler, die Wikipedia erwähnt. 88 Prozent seiner Forschungsergebnisse sind frei zugänglich, und seine Forschung wird permanent im Internet diskutiert („Hot Streak“; <a href="http://t1p.de/eull" target="_blank">http://t1p.de/eull</a>).Impactstory ist eine gemeinnützige Organisation und wird von der National Science Foundation und der Alfred P. Sloan Foundation gefördert.10) Impactstory verwendet quelloffene Software (Open Source) und erlaubt, auf die erhobenen Impactdaten zuzugreifen. Das ist allerdings für Daten einiger kommerzieller Anbieter wie Scopus nicht möglich.8)<h2>Plum Analytics</h2>Plum Analytics klassifiziert die erfassten Altmetrikwerte in fünf Kategorien: Nutzung (Klicks, Views, Downloads, speichern in einer Literaturdatenbank, Video ansehen), Speichern (Lesen, Beobachten, Bookmarks oder Favoriten), Erwähnungen (in Blogs, Kommentaren, Reviews, Wikipedia), soziale Netzwerke (Likes, Shares, Tweets) und Zitationen. Forschungsinstitutionen können die Daten in ihr Repositorium einbetten (PlumC Metrics). Forschungsinstitutionen können die Daten nach Forschern, Gruppen, Abteilungen oder Forschungsthemen sortieren und darstellen (PlumX Dashboards). Den Impact aktueller Drittmittelprojekte verfolgt PlumX +Grants.11) Es zeigt zeitnah den Erfolg projektgebundener Forschung. Das ist sinnvoll, um bei bestehenden Projekten Rechenschaft abzulegen und um neue Forschungsprojekte zu beantragen. Die Angebote von Plum Analytics richten sich hauptsächlich an Universitäten, Forschungsinstitute und Firmen, weniger an einzelne Wissenschaftler. Plum ist Bestandteil des Informationsdienstleisters Ebsco.<h2>Public Library of Science</h2>Die Public Library of Science (PLOS) ist ein nichtkommerzieller Open-Access-Verlag. Dieser bietet für jeden Artikel, der in diesem Verlag erscheint, eigene artikelbezogene Metriken (Article Level Metrics ALM).12) Diese PLOS-ALM liefern umfangreiche Informationen über Nutzung, Zitationen, Erwähnung und Diskussion in sozialen Netzwerken und anderen wissenschaftlichen Datenquellen (Tabelle). Als gemeinnütziger Verlag macht PLOS diese Statistiken soweit wie möglich frei zugänglich. Daten kommerzieller Drittanbieter wie Web of Science oder Scopus gibt PLOS allerdings nicht weiter.8)<table-wrap>

<label>Table 1</label><h2>Altmetrik-Anbieter mit ihren Diensten.10–14) Da ähnliche Dinge bei den Anbietern oft unterschiedlich benannt sind, orientieren sich die Formulierungen an den jeweiligen Plattformen.</h2><img src="https://media.graphcms.com/294ha83TRqMumNK8SEZw">

</table-wrap><h2>Altmetrik auf anderen Plattformen</h2>Auch das akademische Netzwerk Researchgate hat altmetrische Daten integriert, die auf Publikationsdaten und personalisierten Nutzungsstatistiken basieren. Dazu gehören zum Beispiel Profile Views, Publication Views, Impact Points und der personenzentrierte RG Score. Dieser Wert soll den Stellenwert eines Forschers innerhalb seiner Fachgemeinschaft ausdrücken.15)Die fachübergreifendende Datenbank Scopus hat ebenfalls altmetrische Daten in die Dokumentenanzeige eingebunden. Dabei handelt es sich um Snowball-Metriken, die auf vier Kategorien basieren: Scholary Activity (Mendeley, CiteULike), Social Activity (Twitter, Facebook, Google+), Scholary Commentary (Reviews, Blogs, Wikipedia) und Mass Media (Zeitungsberichte).16) Neben den aufgeführten Metrik-Kategorien gibt Scopus den „Field-Weighted Citation Impact“ und ein „Citation Benchmarking“ an.Snowball Metrics ist eine Bottom-Up-Initiative, die forschungsintensive Universitäten ins Leben gerufen haben, und die jetzt mit dem Verlag Elsevier zusammenarbeitet.17) Die Details sind im „Snowball Metrics Recipe Book“ nachzulesen.18) Snowball Metrics als frei verfügbare Metrik will sich als internationaler Standard für die Bewertung von Forschungsleistungen und -institutionen etablieren.19,20)<h2>Transparenz versus Kommerzialisierung</h2>Jeder der aufgeführten Dienste erstellt eigene Altmetrik-Werte. Diese unterscheiden sich in der Art der erfassten wissenschaftlichen Objekte, der ausgewerteten Online-Quellen und der berechneten Werte. Einen gemeinsamen Standard gibt es bisher nicht. Eine Vereinheitlichung der Methoden bei den kommerziellen Anbietern würde auch Alleinstellungsmerkmale und Geschäftsmodelle in Frage stellen.8) Dennoch gibt es Ansätze zur Standardisierung: Die National Information Standards Organization (NISO) publizierte im September 2016 Richtlinien zur Praxis bei Altmetrikverfahren.21) Das Dokument definiert Begriffe zur Altmetrik und stellt einen Verhaltenskodex zur Datenqualität auf. Daneben bietet Snowball Metrics Ansätze für eine standardisierte Methodik.<h2>Aussagekraft und Korrelation mit anderen Parametern</h2>Die Informationswissenschaftler Mike Thelwall und Mitarbeiter haben elf Parameter aus dem Internet daraufhin untersucht, ob sie sich eignen, Impact oder Nutzen von Artikeln vorherzusagen. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Altmetriken nur außergewöhnliche oder überdurchschnittliche Arbeiten identifizieren. Sie sind kein universeller bibliometrischer Maßstab.22) Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch die Informationswissenschaftler Stefanie Haustein und Mitarbeiter.23) Sie haben 1,3 Millionen Artikel aller Wissenschaftsdisziplinen aus dem Web of Science aus dem Jahr 2012 untersucht und festgestellt: Erwähnungen in sozialen Medien und Zitationen haben unterschiedliche Ursachen. Daher sind aus sozialen Medien generierte Metriken nur eine Ergänzung zu anderen Kriterien.José Luis Ortega, ebenfalls Informationswissenschaftler, hat 10 000 Profile spanischer Wissenschaftler aller Disziplinen untersucht und kaum Korrelationen zwischen Altmetrikdaten und den bibliometrischen Indikatoren der Wissenschaftler gefunden. Ortega schlussfolgert daraus, dass Altmetrik eine andere Dimension der wissenschaftlichen Leistung repräsentiert. Diese beruht vor allem auf der Popularisierung von Wissenschaft und der Fähigkeit zum Netzwerken.24)Einen breiten Überblick über Vor- und Nachteile der Altmetrik gibt der Wissenschaftssoziologe Lutz Bornmann im Journal of Informetrics.25) Seiner Meinung nach sollen sich traditionelle bibliometrische Indikatoren und alternative Metriken in Peer-Review-Verfahren ergänzen und nicht ersetzen. Altmetrikparameter sind manipulierbar.8) Das trifft allerdings auch auf die traditionellen Verfahren der zitationsbasierten Impactmessung zu.4,8) Es ist umstritten, ob Altmetriken wirklich ein Indikator für wissenschaftliche Relevanz, Bedeutung, Wirkung oder Qualität wissenschaftlicher Arbeiten sind.8)<figure><img src="https://media.graphcms.com/bgYZoWhJSBKpAvEqXu4v"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Martin Luther hätte nach dem Jahr 1517 einen hohen Altmetrik-Score erreicht. <named-content>Julius Hübner – Der Anschlag von Luthers 95 Thesen, 187826)</named-content></figcaption></figure>
In den nächsten Jahren werden sich die Altmetrikverfahren weiterentwickeln. Im Idealfall entsteht ein standardisiertes und transparentes Verfahren, bei dem die Berechnung der Altmetrikwerte für die Nutzer nachvollziehbar ist. Darüber hinaus sollte es möglich sein, die Werte gebührenfrei zu verwenden.<h2>Was Altmetrik leistet – und was nicht</h2>Altmetrik-Dienste können einen realitätsnahen und damit besseren Eindruck von der Vielfalt wissenschaftlicher Arbeit vermitteln als kommerzielle Literaturdatenbanken, die hauptsächlich Artikel aus wissenschaftlichen Zeitschriften berücksichtigen. Außerdem reflektiert Altmetrik besser als Zitationen, wie vielfältig Forschungsergebnisse genutzt werden.Derzeit gibt es fünf Altmetrikdienste, zwei davon sind kostenpflichtig.Altmetrikdaten sind nicht standardisiert: Sowohl die Art der erfassten Objekte als auch die ausgewerteten Onlinequellen und die Werte unterscheiden sich von Dienst zu Dienst.Es ist umstritten, ob Altmetriken ein Indikator für wissenschaftliche Relevanz, Wirkung und Qualität sind.Altmetrikdaten können traditionelle bibliometrische Indikatoren ergänzen, aber nicht ersetzen. Auch sie sind manipulierbar.<h2>Vitakasten</h2>Uwe Böhme studierte Chemie an der TH Merseburg und promovierte dort im Jahr 1992. Seit einem Postdoc-Aufenthalt 1992/93 bei R. J. H. Clark am University College London arbeitet er im Institut für Anorganische Chemie der TU Bergakademie Freiberg. Im Juni 2004 wurde er habilitiert. Seine Forschung beschäftigt sich mit Synthese silicium- und metallorganischer Verbindungen, mit Einkristallstrukturanalysen und der theoretischen Beschreibung der untersuchten Systeme. In seiner Freizeit schreibt er an seinem Blog <a href="https://anorg-chemie.blogspot.de" target="_blank">anorg-chemie.blogspot.de</a>.<div><img src="https://media.graphcms.com/3wOt5bsTDi1OtVT37kPe">

</div>Silke Tesch studierte Verfahrenschemie an der Bergakademie Freiberg und promovierte im Jahr 1993. Von 2001 bis 2003 studierte sie Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der HU Berlin. Seit 2003 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Analytische Chemie und Fachreferentin für Naturwissenschaften an der Universitätsbibliothek Georgius Agricola der TU Bergakademie Freiberg.<div><img src="https://media.graphcms.com/wyzzivGUSJu2oDavXnKm">

</div>
<ul><h2>Literatur und Quellen</h2><li>
1 U. Böhme, S. Tesch, Nachr. Chem. 2014, 62, 134–136.</li><li>
2 J. Priem, D. Taraborelli, P. Groth, C. Neylon: Altmetrics – A manifesto, 26 October 2010. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://altmetrics.org/manifesto" target="_blank">http://altmetrics.org/manifesto</a></ext-link></li><li>
3 U. Böhme, S. Tesch, Nachr. Chem. 2013, 61, 905–908.</li><li>
4 U. Böhme, S. Tesch, Nachr. Chem. 2017, 65, 1024 und dort zitierte Literatur.</li><li>
5 U. Herb, D. Beucke, Zeitschrift für Innovation 2013, 19, 22–25.</li><li>
6 J. Priem, P. Groth, D. Taraborelli, PLoS ONE 2012, 7, e48753. doi: <ext-link ext-link-type="doi">10.1371/journal.pone.0048753</ext-link></li><li>
7 M. Fenner, PLoS Biol 2013, 11, e1001687. doi: <ext-link ext-link-type="doi">10.1371/journal.pbio.1001687</ext-link></li><li>
8 U. Herb: Altmetrics zwischen Revolution und Dienstleistung: Eine methodische und konzeptionelle Kritik, in H. Staubmann (Hrsg.): Soziologie in Österreich – Internationale Verflechtungen, Innsbruck University Press, 2016, S. 387–410. ISBN 978–3–903122–56–7. doi: <ext-link ext-link-type="doi">10.15203/3122–56–7</ext-link></li><li>
9 M. Franzen, Soziale Welt 2015, 66, 225–242.</li><li>
10 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://impactstory.org" target="_blank">https://impactstory.org</a></ext-link></li><li>
11 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://plumanalytics.com" target="_blank">http://plumanalytics.com</a></ext-link></li><li>
12 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.plos.org/who-we-are" target="_blank">www.plos.org/who-we-are</a></ext-link></li><li>
13 R. Kwok, Nature 2013, 500, 491–493.</li><li>
14 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://help.altmetric.com/support/solutions" target="_blank">https://help.altmetric.com/support/solutions</a></ext-link></li><li>
15 M. Franzen, WZB Mitteilungen 2017, 155, 30–33.</li><li>
16 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.elsevier.com/authors-update/story/impact-metrics/unlocking-the-black-box-of-altmetrics" target="_blank">www.elsevier.com/authors-update/story/impact-metrics/unlocking-the-black-box-of-altmetrics</a></ext-link></li><li>
17 O. Renn, J. Dolenc, J. Schnabl, Infozine 2016, Special 1, 3–8</li><li>
18 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.snowballmetrics.com/wp-content/uploads/snowball-metrics-recipe-book-upd.pdf" target="_blank">www.snowballmetrics.com/wp-content/uploads/snowball-metrics-recipe-book-upd.pdf</a></ext-link></li><li>
19 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.snowballmetrics.com/" target="_blank">www.snowballmetrics.com/</a></ext-link></li><li>
20 A. Clements, P. I. Darroch, J. Green, Procedia Computer Science 2017, 106, 11–18.</li><li>
21 NISO RP-25–2016, Outputs of the NISO Alternative Assessment Project, abrufbar unter: <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.niso.org/topics/tl/altmetrics_initiative/" target="_blank">www.niso.org/topics/tl/altmetrics_initiative/</a></ext-link></li><li>
22 M. Thelwall, S. Haustein, V. Larivière, C. R. Sugimoto, PLoS ONE 2013, 8, e64841. doi: <ext-link ext-link-type="doi">10.1371/journal.pone.0064841</ext-link></li><li>
23 S. Haustein, R. Costas, V. Larivière, PLoS ONE 2015, 10, e0120495. doi: <ext-link ext-link-type="doi">10.1371/journal.pone.0120495</ext-link></li><li>
24 J. L. Ortega, Journal of Informetrics 2015, 9, 39–49.</li><li>
25 L. Bornmann, Journal of Informetrics 2014, 8, 895–903.</li><li>
26 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Der_Anschlag_von_Luthers_95_Thesen.jpg" target="_blank">https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Der_Anschlag_von_Luthers_95_Thesen.jpg</a></ext-link></li></ul>

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