Industrie + Technik

Industrieexperten diskutieren Markttrends und neue Geschäftsmodelle.
Im Jahr 2018 war der Umsatz der chemischen Industrie um 4,5 Prozent und damit stärker als erwartet gewachsen. Derzeit sehen die Branche und ihre Kundenmärkte die Konjunktur schrumpfen. Bei der Handelsblatt Jahrestagung Chemie wollen Experten klären, ob sich Perspektiven eröffnen beim Blick auf weltweite Energiemärkte. Können China und Deutschland voneinander lernen, und lassen sich Digitalisierung und alternative Rohstoffe in bestehende Geschäftsmodelle integrieren?Inwieweit Digitalisierung der Chemie einen Mehrwert bietet, untersucht etwa Frank Jenner, Managing Partner, Global Chemical Industry Leader, EY. Er erwartet, dass Chemieunternehmen die Transformation hin zu digitalen Geschäftsmodellen vollziehen werden.Weitere Themen der 20. Handelsblatt Jahrestagung Chemie am 9. und 10. April in Düsseldorf sind<list list-type="simple"><list-item></list-item></list>gesellschaftliche Verantwortung<list-item>Kohlenstoffkreisläufe</list-item><list-item>zirkuläre Wirtschaft und alternative Rohstoffe</list-item><list-item>Infrastruktur für eine funktionierende Volkswirtschaft.</list-item>
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Meldung

Handelsblatt Jahrestagung Chemie 2019

Industrieexperten diskutieren Markttrends und neue Geschäftsmodelle. Im Jahr 2018 war der Umsatz der chemischen Industrie um 4,5 Prozent und damit stärker als erwartet gewachsen. Derzeit sehen die Branche und ihre Kundenmärkte die Konjunktur schrumpfen. Bei der Handelsblatt Jahrestagung Chemie wo...

Im Jahr 2016 produzierte die Industrie weltweit 335 Millionen Tonnen Kunststoff. Ein Großteil davon landet als Plastikmüll in unserer Umwelt und bleibt dort. Wissenschaftler forschen daher an besser abbaubaren Kunststoffen. Ein neuer Ansatz nutzt dafür Bioabfälle.
Im Jahr 2016 stellte die Industrie weltweit 335 Mio. Tonnen Kunststoff her. Jährlich gelangen davon zwischen fünf und dreizehn Millionen Tonnen Plastikmüll weltweit in die Meere, schätzt das Europäische Parlament.1) Ändern sich Produktion und Entsorgungssysteme nicht, werden im Jahr 2025 insgesamt 12 Mrd. Tonnen Plastikmüll unsere Umwelt und Meere belasten, schätzen US-Forscher.2) Vor allem die biologisch abbaubaren Kunststoffe sollen dazu beitragen, schwer abbaubaren Plastikmüll zu reduzieren.Die biologische Abbaubarkeit hängt allerdings nicht von der Rohstoffbasis ab, sondern von der chemischen Struktur [Nachr. Chem. 2013, 61, 1037]. Nachwachsende Rohstoffe, die biologisch abbaubar sind, liefern auch eine Grundlage für bioabbaubare Kunststoffe.<h2>Biokunststoffe</h2>Biobasierte Kunststoffe produzierte die Industrie im Jahr 2018 weltweit etwa 2,11 Mio. Tonnen, schätzt die europäische Organisation European Bioplastics.3) Der mit 27 Prozent größte Anteil ist auf Zuckerrohr basiertes, jedoch biologisch nicht abbaubares Polyethylenterephthalat (PET). An zweiter Stelle folgen Kunststoffe aus Stärkegemischen (18 %). Das Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe in Hannover nimmt an, dass im Jahr 2022 weltweit über 4 Mio. Tonnen biobasierte Kunststoffe auf dem Markt existieren werden.Biologisch abbaubare Kunststoffe machten im Jahr 2018 einen Anteil von etwa 43 % aller produzierten Biokunststoffe aus. Häufig eingesetzte Ausgangsstoffe sind Stärke und Cellulose.Ein neuer Ansatz ist die Polymersynthese aus Rohstoffen von Orangenschalen. Eine andere Grundlage ist Polyhydroxybuttersäure (PHB). Für diese arbeiten Wissenschaftler an Verfahren zur industriellen Produktion.<h2>Polylimonencarbonat</h2>Einen biologisch abbaubaren Kunststoff aus Orangenschalen haben Andreas Greiner von der Universität Bayreuth und sein Team entwickelt.4) Sie haben das Polylimonencarbonat (PLimC) synthetisiert. Dafür liefern Orangenschalen einen der Rohstoffe, den Naturstoff Limonen. Er gehört zur Gruppe der Terpene und liegt in zwei Enantiomeren vor: das R-(+)-Limonen kommt in Zitronen-, Orangen- und Korianderöl vor, das S-(–)-Limonen in Edeltannen- und Pfefferminzöl.Der Gehalt an Limonen in Orangenschalen variiert je nach Sorte zwischen ein und vier Gewichtsprozent der Schale. Die oxidierte Form des gewonnenen Limonens, Limonenoxid, reagiert mit Kohlenstoffdioxid zu Polylimonencarbonat (Abbildung 1).<figure><img src="https://media.graphcms.com/zDAi9UfESkOS5RPPJumf"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Enthält eine Doppelbindung und eignet sich für weitere Synthesen: Polylimonencarbonat.</figcaption></figure>
Der entstehende Biokunststoff enthält anders als Polycarbonate aus fossilen Rohstoffen kein Bisphenol A. Die Substanz steht im Verdacht, hormonell wirksam zu sein. In der Europäischen Union ist Bisphenol A daher für die Produktion von Babyflaschen verboten und seit vergangenem Jahr als reproduktionstoxisch eingestuft.<h2>Doppelbindung</h2>Als Material ist der PLimC-Kunststoff hart, hitzebeständig und durchsichtig, weshalb er zum Beispiel als Beschichtung dienen kann. Die chemische Struktur von Polylimonencarbonat enthält eine Doppelbindung und eignet sich deshalb für weitere Synthesen. So haben die Bayreuther Forscher antimikrobielle Polymere hergestellt, die verhindern, dass sich Escherichia coli anlagern. Dies ist für medizinische Zwecke wie Kunststoff-Implantate oder Behälter von Nutzen.Ein weiteres Beispiel für PLimC-Kunststoffe sind Materialien, die sich in Salzwasser in ökologisch unbedenkliche Substanzen auflösen. Daraus könnten künftig Flaschen oder Behälter entstehen. Außerdem ist PLimC Ausgangsstoff für hydrophile Polymere, die durch Mikroorganismen schnell abgebaut werden.Industriell wird PLimC-Kunststoff bisher allerdings nicht hergestellt.<h2>Polyhydroxybuttersäure</h2>Ein weiterer biobasierter und bioabbaubarer Kunststoff ist Polyhydroxybuttersäure (PHB, Abbildung 2). Sie hat ähnliche Eigenschaften wie Polyethylen und Polypropylen aus fossilen Rohstoffen. Der PHB-Kunststoff soll in reiner Form und in Mischungen mit Celluloseacetaten zum Beispiel für Lebensmittelverpackungen oder medizinische Implantate dienen.<figure><img src="https://media.graphcms.com/K3RwHJMrRW2KyyUGSgqU"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Von Bakterien produzierter und biologisch abbaubarer Kunststoff: Polyhydroxybuttersäure.</figcaption></figure>
Stephanie Stute und ihr Team von der Technischen Hochschule Nürnberg wollen ein Verfahren zur Massenproduktion biobasierter Kunststoffe mit Bakterien entwickeln.5) Hierfür verwenden sie Cupriavidus necator und Nährböden mit Glycerin als Kohlenstoffquelle. Dieses entsteht als Reststoff zum Beispiel bei der Herstellung von Biodiesel.Die Forscher schalten zwei Bioreaktoren hintereinander, denen sie Nährstoffe zuführen. Im ersten Reaktor sind genügend Nährstoffe und Sauerstoff vorhanden, sodass die Bakterien sich vermehren. Indem die Forscher dem zweiten Reaktor weniger Stickstoff, Phosphor und Sauerstoff zuführen, produziert Cupriavidus necator Polyhydroxybuttersäure und lagert diese bis zu 80 Prozent seines Zellgewichts ein.Das nächste Ziel ist, das Verfahren in industriellem Maßstab einzusetzen und hierfür die Kosten zu senken.Die Lebensmittelchemikerin Lisa Süssmuth ist freie Mitarbeiterin der Nachrichten aus der Chemie.<figure><img src="https://media.graphcms.com/NaxOlTtSBKweXurXXZdQ"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Foto: Dmytro – <a href="https://Adobe.stock.com" target="_blank">Adobe.stock.com</a></figcaption></figure>

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1 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20181005STO15110/plastik-im-meer-fakten-auswirkungen-und-neue-eu-regeln" target="_blank">www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20181005STO15110/plastik-im-meer-fakten-auswirkungen-und-neue-eu-regeln</a></ext-link></li><li>
2 R. Geyer, J. R. Jambeck, K. L. Law, Sci. Adv. 2017, doi: 10.1126/sciadv.1700782</li><li>
3 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.european-bioplastics.org" target="_blank">www.european-bioplastics.org</a></ext-link>, Stand 18.12.2018</li><li>
4 O. Hauenstein, S. Agarwal, A. Greiner, Nat. Commun. 2016, doi: 10.1038/ncomms11862</li><li>
5 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.th-nuernberg.de/fileadmin/thn_forschung-innovation/FORSCHUNGSDATENBLAETTER/Bio-Polymere/Bio-Polymere.pdf" target="_blank">www.th-nuernberg.de/fileadmin/thn_forschung-innovation/FORSCHUNGSDATENBLAETTER/Bio-Polymere/Bio-Polymere.pdf</a></ext-link>, Stand: 19.12.2018</li></ul>

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