Chirale anorganische Oxide sind spinselektiv | Eine chirale Kupferoxidschicht filtert aus einer Goldschicht herausgelöste Elektronen nach deren Spin, wie Messungen der Universität Münster zeigen. Dieser Effekt könnte unter anderem die Wasse...
Künstliche Photosyntheseprozesse
Kupplungsreaktionen mit CO₂
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Für Pflanzen ein Leichtes, für Chemiker:innen eine Herausforderung: die stoffliche Umwandlung von Kohlenstoffdioxid. Dabei gibt es bereits Ansätze, Kohlenstoffdioxid als Substrat zu nutzen – sowohl in Homokupplungsreaktionen als auch in Reaktionen mit C-, N- und O-Nukleophilen. Beispiele der letzten fünf Jahre.
Die Klimakrise macht aus der Photosynthese der Pflanzen ein Hot Topic für Chemiker:innen: Sie wollen Kupplungsreaktionen finden, in denen CO2 als C1-Baustein dient.1)
Die Forschung lässt sich heute grob in reduktive C-C-, C-N- und C-O-Kupplungen einteilen. Außerdem gibt es elektrochemische (electrochemical CO2 reduction reactions, eCO2RR), photochemische und thermische Ansätze, um aus dem Treibhausgas Plattformchemikalien, Polymere und andere Strukturen herzustellen.
Eine häufige Schwierigkeit ist, die reverse Wassergas-Shift-Reaktion (RWGS) zu unterdrücken, bei der aus CO2 Kohlenstoffmonoxid entsteht.2) Zusätzlich begrenzt der geringe CO2-Gehalt der Luft die großtechnische Anwendung adaptierter Photosyntheseprozesse: Pflanzen genügen für die Photosynthese atmosphärische CO2-Konzentrationen, also etwa 400 ppm; technische Prozesse dagegen benötigen oftmals Drücke von einer Atmosphäre und mehr des reinen Gases.
C-C-Homokupplung
Elektrochemische Arbeiten dominieren die Forschung zur Homokupplung von Kohlenstoffdioxid. eCO2RR liefern synthetische Kraftstoffe mit C2- oder C3-Ketten, etwa Alkane, Alkene und Alkohole.3) Die Reduktion des CO2 läuft dabei über das Intermediat *CO ab, das am meist heterogenen Katalysator gebunden ist. *CO reagiert zu unterschiedlichen Produkten oder desorbiert (unerwünscht) als CO.4)
Ein exzellenter Elektrokatalysator zur Synthese von Multikohlenstoffspezies ist der heterogene Katalysator OD-Cu (OD: oxide-derived, also vom Oxid abgeleitet).5) Häufig liefern Katalysatoren dieser Art jedoch Produktgemische. Die Gruppe um Ager hat im Jahr 2019 über die Kohlenstoffisotope 12C und 13C drei produktspezifische aktive Stellen des OD-Cu identifiziert.6) Da beide Gase unterschiedliche Löslichkeiten haben, mischte die Gruppe 12CO2 und 13CO im Verhältnis 30:70, um eine ähnliche Bildungsrate von *12CO und *13CO zu erreichen.
Die aktiven Stellen wandeln CO2 in unterschiedlichen Frequenzen zu gebundenem *CO um (unterschiedliche TOF, siehe Kasten S. 66). So entstehen die Kupplungsprodukte Ethen, Ethanol und Acetat sowie n-Propanol in unterschiedlichen Isotopenverhältnissen. Diese Erkenntnis könnte zu selektiveren OD-Cu-Katalysatoren führen. Andere geläufige Cu-basierte Elektrokatalysatoren wie polykristallines Cu, Cu(100) und Cu(111) dagegen haben keine solchen produktspezifischen aktiven Stellen.
Die Selektivität in den eCO2RR beschäftigt ebenfalls einige Forschende. Unter anderem hat die Gruppe um Grätzel silberdotierte OD-Cu-Nanodrähte hergestellt, die einen faradayschen Wirkungsgrad (faradaic efficiency, FE, Kasten) von 76 % zu C2+-Produkten erreichen.7) Für das Produkt Ethen ergaben sich 52 % FE bei einer Spannung von 1,05 V vs. RHE (reversible Wasserstoffelektrode). Untersuchungen zum Mechanismus zufolge agiert Silber hier als Cokatalysator, und die *CO-Moleküle in Kupfernähe sind die Schlüsselintermediate.
Glossar: Abkürzungen in der Katalyse
Turn-over frequency (TOF): Zahl an Formelumsätzen, die ein Katalysator pro Zeitspanne und katalytisch aktivem Zentrum beschleunigen kann.
Turn-over number (TON): maximale Zahl chemischer Konversionen des Substratmoleküls pro Katalysatormolekül.
Faradayscher Wirkungsgrad (FE): Verhältnis von tatsächlich erzeugter Produktmenge zu theoretisch berechneter Produktmenge liefert den Faradayschen Wirkungsgrad eines Elektrolyseurs.
Der Stern am Substrat (etwa *CO) kennzeichnet das an den heterogenen Katalysator gebundene Intermediat.
Thermische C-C-Homokupplung
Zusätzlich zu den eCO2RR sind in der Forschung zur Homokupplung von Kohlenstoffdioxid thermische Verfahren wichtig. Die Ein-Elektron-Thermoreduktion und Dimerisierung von CO2 zum Oxalat mit Übergangsmetallkomplexen ist bisher meist eine stöchiometrische Reaktion.4)
Im Jahr 2018 hat die Gruppe um Murray einen ersten katalytischen Prozess entwickelt, der eine Wechselzahl (turn-over number, TON, Kasten S. 66) von 24 erreicht (Abbildung 1).8) Zwei Kupfer-Trimere um je ein Schwefel- oder Selenatom koordinieren dabei dem vorgeschlagenen Mechanismus nach ein reduziertes CO2-Molekül, das nach der Dimerisierung Kaliumoxalat bildet. Reduktionmittel ist [18]Krone-6-Kalium.
Von der Gruppe um Bontemps kommt eine erste thermische Variante künstlicher Photosynthese im klassischen Sinne, also eine, die ausgehend von 1 bar CO2 zu einem C3-Kohlenhydrat führt (Abbildung 2).9) Zunächst reagiert Kohlenstoffdioxid mit 9-BBN, es findet eine Vier-Elektronen-Reduktion statt. Zufügen eines N-heterocyclischen Carbens führt zur C-C-Kupplung. Die Vorschläge zum Mechanismus basieren auf Dichtefunktionaltheorierechnungen und enthalten das O-borylierte Breslow-Intermediat, ein N-heterocyclisches Alken. Röntgenkristallstrukturanalyse bestätigte die berechnete Diastereoselektivität der Reaktion, die für das nicht detektierte gauche-Produkt ein höheres Energieniveau voraussagt.
C-C-Kupplung mit diversen Reaktionspartnern
Viele Forschungsgruppen untersuchen die Reaktion von CO2 mit unterschiedlichsten Reaktionspartnern oder Akzeptoren. Neben den naheliegenden Carboxylierungsreaktionen stehen die vollständige Reduktion zu CH2-Einheiten im Fokus der Forschung oder die vorgelagerte Reduktion zum reaktiveren Kohlenstoffmonoxid und anschließender Einsatz in einer C-C-Kupplung.10)
Im Jahr 2021 entwickelte Martins Gruppe die nickelkatalysierte Synthese natürlicher und künstlicher β-Aminosäuren aus Aziridinen und 1 bar CO2 (Abbildung 3).11) Untersuchungen des Mechanismus weisen auf eine Ringöffnung unter Nickelbeteiligung hin via Bildung eines Azanickelacyclobutans und anschließendem Einschub des CO2 in die Metall-Kohlenstoff-Bindung. Als Reduktionsmittel dient ein Überschuss Mangan; Methanol liefert die benötigten Protonen.
Ebenfalls überstöchiometrische Mengen eines Metalls als Reduktionsmittel nutzt Yus Gruppe in ihrer enantioselektiven carboxylierenden Cyclisierung terminaler Olefine zu Indolinonen (Abbildung 3).12) Mit 1 bar CO2 entstehen hier in einer Ansatzgröße bis zu 3 mmol 5-exo-Produkte mit Enantiomerenüberschüssen von bis zu 99,8 %.
Xias Gruppe nutzte im Jahr 2017 Phenylsilan als hydridischen Reaktionspartner, um Kohlenstoffdioxid zu einer Methyleneinheit zu reduzieren. Zusätzlich brauchten sie katalytische Mengen der organischen Base 1,5,7-Triazabicyclo[4.4.0]dec-5-en (TBD, Abbildung 4).13) Tryptaminderivate und 1 bar CO2 reagieren über ein Bis(silyl)acetal als Zwischenstufe. Schrittweise bilden sich eine C-C- und eine C-N-Bindung, und Spiro[4.4]indolpyrrolidin und Spiro[4.5]indolpiperidin entstehen. Reaktion mit Natriumborhydrid liefert die entsprechenden chiralen Spiroindolinverbindungen mit Diastereomerenverhältnissen zwischen 2,3:1 und >20:1.
Kohlenstoffmonoxid ist ein wichtiges Reagenz in carbonylierenden Kreuzkupplungen. Um stabile, CO-freigebende Feststoffe herzustellen, nutzten Friis, Lindhardt und Skrydstrup Kohlenstoffdioxid und entwickelten so die CO-Precursor COgen und SilaCOgen (Abbildung 5).14) Davon machen sie stöchiometrisch Gebrauch in Reaktionen wie carbonylierenden Kupplungen unaktivierter Alkylhalogenide oder Hydroformylierungen.15) Die CO-Abgabe und die Kupplungsreaktion laufen dabei parallel in einem Zwei- oder Drei-Kammer-Reaktor.
C-N- und C-O-Kupplungen – kurz gefasst
Neben C-C-Kupplungen mit Kohlenstoffdioxid als C1-Baustein sind (reduktive) C-N- und C-O-Kupplungen mit CO2 Gegenstand der Forschung.
So wird beispielsweise Harnstoff traditionell über eine Ammoniak-Zwischenstufe hergestellt mit anschließender Reaktion mit CO2 bei Temperaturen bis 200 °C und bei Drücken bis 250 bar. Im Kontrast dazu hat die Gruppe um Wang im Jahr 2020 ein elektrokatalytisches Verfahren entwickelt, um Harnstoff direkt aus Stickstoff und CO2 zu synthetisieren.16) Damit erreichen sie in Wasser als Lösemittel bei Raumtemperatur einen faradayschen Wirkungsgrad FE von zirka 9 % (bei –0,4 V vs. RHE) und eine Rate von 3,36 mmol·g–1·h–1 Harnstoff.
Ein Beispiel für eine reduktive C-N-Kupplung ist die Arbeit von Lei und Mitarbeitenden.17) Sie N-methylierten katalysatorfrei Alkyl- und Arylamine mit Phenylsilan als Reduktionsmittel unter einer Atmosphäre CO2. Wie ein Isotopenmarkierungsexperiment mit 13CO2 bestätigt, stammt die Methylgruppe vom Kohlenstoffdioxid und nicht aus dem als Lösemittel verwendeten DMF.
C-O-Kupplungsreaktionen umfassen zumeist die nichtreduktive Reaktion von Epoxiden mit CO2, woraus cyclische Carbonate und anschließend auch Polycarbonate entstehen.18) Wurden die Epoxidvorstufen durch Oxidation von Doppelbindungen aus Naturstoffen wie Terpenen oder ungesättigten Fettsäuren gewonnen, lassen sich so Monomere für die Synthese nachhaltiger Polymere erhalten.19)
Die Autorinnen
Diesen Beitrag haben Jola Pospech (oben) und Thea S. Mayer verfasst. Pospech ist Forschungsgruppenleiterin am Leibniz-Institut für Katalyse (Likat) in Rostock. Ihre Gruppe forscht an Photoredoxkatalyse zur Synthese biologisch aktiver Moleküle und zur stofflichen Nutzung von CO2. Mayer promoviert seit 2021 in der Gruppe von Pospech und Matthias Beller am Likat und befasst sich mit der Entwicklung künstlicher Syntheseprozesse mit Kohlenstoffdioxid.
AUF EINEN BLICK
CO2 lässt sich elektro- und photochemisch sowie thermisch zu Plattformchemikalien, Polymeren und mehr umsetzen.
CO2 eignet sich als Substrat in Homokupplungen sowie in Reaktionen mit C-O-, C-N- und C-C-Nukleophilen.
Auch katalytische Ansätze erfordern in der Regal stöchiometrische Mengen Reduktionsmittel.
Die Beiträge zur Serie Synthese im Blickpunkt verfassten seit März 2022 im Wechsel Franziska Lissel und Jola Pospech.
- 1 S. Das, CO2 as a Building Block in Organic Synthesis, Wiley-VCH, 2020
- 2 M. Feng, Y. Li, P. Liu et al., Fuel 2022, 326, 125023
- 3 a) Y. Ling, Q. Ma, Y. Yu, B. Zhang, Trans. Tianjin Univ. 2021, 27, 180–200; b) S. Zhang, Q. Fan, R. Xia, T. J. Meyer, Acc. Chem. Res. 2020, 53, 255–264
- 4 H.-Q. Liang, T. Beweries, R. Francke, M. Beller, Angew. Chem. Int. Ed. 2022, 61, e202200723
- 5 a) X. Yuan, S. Chen, D. Cheng et al., Angew. Chem. Int. Ed. 2021, 60, 15344–15347; b) C. Xiao, J. Zhang, ACS Nano 2021, 15, 7975–8000
- 6 Y. Lum, J. W. Ager, Nat. Catal. 2019, 2, 86–93
- 7 J. Gao, H. Zhang, X. Guo et al., J. Am. Chem. Soc. 2019, 141, 18704–18714
- 8 B. J. Cook, G. N. Di Francesco, K. A. Abboud, L. J. Murray, J. Am. Chem. Soc. 2018, 140, 5696–5700
- 9 A. Béthegnies, Y. Escudié, N. Nuñez-Dallos et al., ChemCatChem 2019, 11, 760–765
- 10 a) L. Yuan, M.-Y. Qi, Z.-R. Tang, Y.-J. Xu, Angew. Chem. Int. Ed. 2021, 60, 21150–21172; b) Z. Zhang, J.-H. Ye, T. Ju et al., ACS Catal. 2020, 10, 10871–10885; c) J. R. Cabrero-Antonino, R. Adam, M. Beller, Angew. Chem. Int. Ed. 2019, 58, 12820–12838
- 11 J. Davies, D. Janssen-Müller, D. P. Zimin et al., J. Am. Chem. Soc. 2021, 143, 4949–4954
- 12 X.-W. Chen, J.-P. Yue, K. Wang et al., Angew. Chem. Int. Ed. 2021, 60, 14068–14075
- 13 D.-Y. Zhu, L. Fang, H. Han, Y. Wang, J.-B. Xia, Org. Lett. 2017, 19, 4259–4262
- 14 S. D. Friis, A. T. Lindhardt, T. Skrydstrup, Acc. Chem. Res. 2016, 49, 594–605
- 15 a) A. S. Donslund, S. S. Pedersen, C. Gaardbo et al., Angew. Chem. Int. Ed. 2020, 59, 8099–8103; b) S. K. Pedersen, H. G. Gudmundsson, D. U. Nielsen et al., Nat. Catal. 2020, 3, 843–850
- 16 C. Chen, X. Zhu, X. Wen et al., Nat. Chem. 2020, 12, 717–724
- 17 H. Niu, L. Lu, R. Shi, C.-W. Chiang, A. Lei, Chem. Commun. 2017, 53, 1148–1151
- 18 P. P. Pescarmona, Curr. Opin. Green Sustainable Chem. 2021, 29, 100457
- 19 V. Aomchad, À. Cristòfol, F. Della Monica, B. Limburg, V. D‘Elia, A. W. Kleij, Green Chem. 2021, 23, 1077–1113
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