Durch gestiegene Strom- und Gaspreise ist vor allem die energieintensive Forschung teurer geworden. An deutschen Hochschulen werden die chemischen Institute noch mehr zum Kostenfaktor.
Über 70 Millionen Euro Mehrkosten könnten auf...
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Feuerzeug mit katalytischer Zündwirkung
Feinkörniges Platin in Gemischen aus Luft und brennbaren Gasen beginnt schon bei Raumtemperatur zu glühen. Diese Entdeckung des deutschen Chemikers Johann Wolfgang Döbereiner (1780 – 1849) im Jahr 1823 bringt ihn auf die Idee, den Effekt kommerziell zu nutzen. Innerhalb von sieben Tagen baut er das hydropneumatische Feuerzeug, das nach dem Prinzip der Kipp‘schen Apparatur funktioniert. Dabei reagiert die im Feuerzeug vorgelegte Schwefelsäure mit dem herabgelassenen Zinkstück, und der entstehende Wasserstoffstrom wird auf den „schwammigen Platinstab“ gerichtet. Bei starkem Gasstrom beginnt dieser zu glühen und entzündet den Wasserstoff, der mit Luftsauerstoff zu Wasser verbrennt. Mit der Flamme lassen sich Papier oder Zigarren anzünden.
Das Döbereiner-Feuerzeug wird bald zum Handelsobjekt. Nach 1828 produziert Heinrich Gottfried Piegler (1797 – 1849) in Schleiz im thüringischen Vogtland Hunderttausende der „Platina-Zündmaschinen“ und vermarktet sie weltweit unter dem Manufakturnamen „Platinafeuerzeug-Fabrik“. Sie bleiben trotz der Erfindung des Sicherheitszündholzes im Jahr 1848 durch einen Schüler Döbereiners, Rudolf Christian Böttger (1806 – 1881), populär und sind sogar noch zu Beginn des Ersten Weltkriegs in Gebrauch. Der schwedische Chemiker Jöns Jakob Berzelius (1779 – 1848) bezeichnet in seinem Jahresbericht 1823/25 die Arbeit Döbereiners als die wichtigste und brillanteste Entdeckung des zurückliegenden Jahres. Zudem erkennt er ein wissenschaftliches Prinzip und schreibt Platin eine „katalytische Kraft“ zu. Im Jahr 1835 führt er dann den Begriff „Katalyse“ (griechisch katálysis – Auflösung, Zersetzung) ein.
Thermoelektrische Effekte für Abwärmenutzung
Der deutsche Physiker Thomas Johann Seebeck (1770–1831) beschreibt 1823 den thermoelektrischen Effekt, oft Seebeck-Effekt genannt, bei dem thermische Energie direkt in elektrische umgewandelt wird. Bei seinen Untersuchungen zum Magnetismus galvanischer Ströme weist Seebeck nach, dass in einem Stromkreis aus zwei verschiedenen Metallen (oder Halbleitern) bei einer Temperaturdifferenz zwischen den Kontaktstellen (meist Lötstellen) eine elektrische Thermospannung entsteht. Sie wird über das dabei auftretende Magnetfeld mit den typischen Ablenkungen einer in ihm platzierten Kompassnadel sichtbar gemacht. Seebeck spricht daher von „Thermomagnetismus“. Er veröffentlicht seine thermomagnetischen Arbeiten in „Magnetische Polarisation der Metalle und Erze durch Temperatur-Differenz. Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften“ und stellt erstmals eine thermoelektrische Spannungsreihe auf; Platin fungiert als Referenzelement für tabellierte Zahlenwerte. Dreizehn Jahre nach der Entdeckung des Seebeck-Effekts findet der französische Physiker Jean Peltier (1785 – 1845) die Umkehrung dieses Effekts: Zwischen zwei Kontaktstellen entsteht eine Temperaturdifferenz, wenn Strom durch den Leiterkreis fließt. Beide Effekte werden unter Thermoelektrizität zusammengefasst, die Wechselwirkungen zwischen Temperaturänderungen und elektrischen Spannungen beschreibt.
Die Thermospannung lässt sich in Thermoelementen als Temperaturmessgröße und in thermoelektrischen Generatoren zur geräuschlosen Stromerzeugung aus industrieller und biotechnischer Abwärme nutzen. In letzter Zeit wird Thermoelektrizität zunehmend in der Kraftfahrzeugtechnik und in Geräten wie tragbaren Kühlschränken oder Mikrochipkühlern verwendet. Eines der am häufigsten in solchen Geräten verwendeten Materialien ist Bismut-Tellurid Bi2Te3.
Zustandsgleichung wird praxistauglich
Am 14. Juni 1873 promoviert der niederländische Physiker Johannes Diderik van der Waals (1837 – 1923; siehe auch 100. Todestag, S. 17) an der Universität Leiden mit der Arbeit „Over de continuiteit van den gas- en vloeistoftoestand“. Darin entwickelt er ein Modell der Kontinuität gasförmiger und flüssiger Zustände der Materie und formuliert die van-der-Waals-Zustandsgleichung. Sie beschreibt den Zusammenhang der Zustandsgrößen der realen Gase und der Flüssigkeiten, der über weite Druck- und Volumenbereiche bis hin zur Kondensation anwendbar bleibt. Dabei werden für die Abweichungen realer Gase vom idealen Verhalten die van-der-Waals‘schen Kräfte zwischen den Molekülen verantwortlich gemacht. Die allgemeine Gasgleichung enthält eine Korrektur des Drucks um einen Binnendruckwert (Attraktion) und eine Volumenkorrektur um einen Eigenvolumenwert (Kovolumen). Die van-der-Waals-Zustandsgleichung zeigt: Bei einer bestimmten, als kritisch bezeichneten Temperatur gehen Aggregatzustände für Gase und Flüssigkeiten ineinander über. Dadurch verschwinden Unterschiede in den physikalischen Eigenschaften einer Flüssigkeit und ihres Dampfes, die sich im Gleichgewicht befinden.
In der Folgezeit sind hunderte neue Ansätze verfolgt worden, die mit immer mehr Einflussgrößen zum besseren Verständnis der Zustandsgleichung und deren Anwendbarkeit in verfahrenstechnischen Apparaten beitrugen. Van der Waals selbst entwickelt in Weiterführung seiner Überlegungen über Zustandsänderungen auch das Prinzip der korrespondierenden Zustände. Es ist eine wesentliche Grundlage, um Verfahren zur Verflüssigung von Gasen zu entwickeln. Für seine grundlegenden Arbeiten über die Zustandsgleichung für Gase und Flüssigkeiten erhält van der Waals im Jahr 1910 den Physiknobelpreis.
Geburtsstunde der Naturfarbenfotografie
Bei seinen Untersuchungen über die Lichtwirkung auf das fotochemische Verhalten von Silberchlorid, -bromid und -iodid in Gegenwart von Farbstoffen entdeckt der deutsche Fotochemiker und leidenschaftliche Fotograf Hermann Wilhelm Vogel (1834 – 1898) im Jahr 1873, dass diese Stoffe die Empfindlichkeit fotografischer Schichten für bestimmte Lichteinwirkungen erhöhen. Die sensibilisierende Wirkung dieser Stoffe – spektraler oder optischer Farbsensibilisatoren – hängt mit ihrer Lichtabsorption zusammen und erhöht eine naturgetreue Farbwiedergabe in Fotografien. Vogel beobachtet dieses Phänomen zuerst am Farbstoff Korallin; er stellt fest, dass die spektrale Empfindlichkeit fotografischer Schichten, die zuvor nur für blaues und ultraviolettes Licht empfindlich waren, mit Farbstoff für weitere Spektralbereiche lichtempfindlich werden. Untersuchungen zur spektralen Sensibilisierung von Silberhalogenid-Emulsionen mit organischen Farbstoffen wie Eosin oder Fuchsin sensibilisieren für grünes und gelbes Licht (orthochromatische Filme) und ermöglichen Dreifarbendruck. Wenig später zeigt Vogel, dass Cyanin fotografische Schichten in orangeroter Strahlung sensibilisiert.
Die Sensibilisierung für den gesamten Bereich des sichtbaren Lichts (panchromatische Filme) musste bis zur Entdeckung der Polymethin-Farbstoffe warten. Der für die langwelligste rote Strahlung des sichtbaren Spektrums empfindliche Sensibilisator Pinacyanol, den Anfang des 20. Jahrhunderts Benno Homolka (1860 – 1925) synthetisierte, ermöglicht eine vollwertige Farbseparation und die industrielle Produktion farbfotografischer Materialien.
Weltweit erste Anlage zur technischen Methanolsynthese in Leuna
Vor 100 Jahren beginnt die BASF, Methanol aus Synthesegas CO+H2 erstmals im technischen Maßstab nach der von Matthias Pier (1882 – 1965) konzipierten Ausführung (Hochdruckverfahren) im Leuna-Werk bei Merseburg zu produzieren. Wenige Jahre zuvor entstand an gleicher Stelle die erste technische Anlage zur Ammoniaksynthese (Haber-Bosch-Verfahren). Beide Verfahren, wie auch später die Kohleverflüssigung zu Leuna-Benzin (Bergius-Pier-Verfahren), sind technisch anspruchsvolle heterogen katalysierte Hochdrucksynthesen. Sie werden aufgrund der Pionierleistungen in Verfahrens- und Reaktionstechnik sowie in der Katalysatorentwicklung bald weltweit bekannt.
Basierend auf seinen Erfahrungen bei der Entwicklung von Mischkatalysatoren für die Ammoniaksynthese prüft Alwin Mittasch (1869 – 1953) etliche Katalysatorzusammensetzungen, bis er schließlich am 16. Januar 1923 die ZnO-Cr2O3-Variante für die Methanolsynthese perfektioniert. Das Katalysatorsystem ist resistent gegenüber Katalysatorgiften (Schwefelverbindungen), erfordert jedoch Temperaturen zwischen 350 und 400 °C sowie Druck von etwa 30 MPa. Ist das Synthesegas frei von Katalysatorgiften, kommt ein CuO-ZnO-Al2O3-Mischoxidkatalysator zum Einsatz, der bereits bei etwa 250 °C und Druck von 5 bis 10 MPa (Niederdruckverfahren) eine hohe Katalysatorleistung aufweist.
Mit dem synthetischen Methanol anstelle des durch trockene Destillation von Holz gewonnenen Methanols (Holzgeist) blieb der Standort Leuna über mehrere Jahrzehnte weltmarktführend. Im Bewusstsein dessen, dass Methanol sowohl als Chemie- wie als Energierohstoff zunehmend wichtiger wird, soll in Leuna Methanol perspektivisch klimaneutral entstehen. Dazu sollen das vor Ort in laufenden Prozessen anfallende Kohlenstoffdioxid und „grüner“ Wasserstoff eingesetzt werden.
Neue Konzepte für Säuren und Basen
Zwei Physikochemiker – der Däne Johannes Nicolaus Brønsted (1879 – 1947) und der Brite Thomas Martin Lowry (1874 – 1936) – erkennen im Jahr 1923 unabhängig voneinander, dass Säure-Base-Reaktionen in nicht wässrigen Lösungsmitteln möglich sind. Beide betonen, dass definierte Verbindungen (Moleküle, Ionen) mit Donor- beziehungsweise Akzeptorwirkung auf Protonen statt bestimmter Stoffklassen entscheidend sind – im Gegensatz zur klassischen Säure-Base-Definition nach Svante Arrhenius (1859 – 1927), bei der Säuren und Basen auf Wasser als Lösungsmittel beschränkt sind und Wasserstoffionen als die alleinigen Träger „saurer“ und Hydroxidionen als die alleinigen Träger „basischer“ Eigenschaften gelten. Demnach sind Säuren Verbindungen, die Protonen abgeben (Protonendonoren, Brønsted-Säuren), und Basen nehmen Protonen auf (Protonenakzeptoren, Brønsted-Basen). Bei einer Säure-Base-Reaktion, der Protolyse, findet also ein Protonenaustausch statt.
Der US-amerikanische Physikochemiker Gilbert Newton Lewis (1875 – 1946) stellt im gleichen Jahr ein Säure-Base-Konzept unabhängig vom Proton vor. Ausgehend vom Modell der Atombindung nimmt er an, dass die Elektronenkonfiguration den Säure-Base-Charakter eines Teilchens bestimmt. Demnach wirken Säuren als Elektronenpaarakzeptoren (Lewis-Säuren) und Basen als -donoren (Lewis-Basen). Lewis operiert also mit dem Begriff des Elektronenpaaraustausches.
Beide Säure-Base-Konzepte finden heute noch Anwendung in der wissenschaftlichen und industriellen Praxis, da sie die Entwicklung theoretischer Ansätze in allen chemischen Disziplinen beeinflussen. Die Unterschiede zwischen den Konzepten liegen in den Säure- und Basedefinitionen und beanspruchen eigene Geltungsbereiche, die sich teilweise überschneiden.
Managerkrankheit verstehen und vorbeugen
Bereits im 18. Jahrhundert isolierte François Poulletier de la Salle (1719 – 1788) aus Gallensteinen eine wachsartige Substanz, das Cholesterol (griech. chole – Galle, stereos – fest). Diese wurde im Jahr 1830 auch im Blut nachgewiesen. Cholesterol stabilisiert Zellmembranen. Den Zusammenhang zwischen Cholesterol und arteriosklerotischen Gefäßveränderungen stellte Adolf Windaus (1876 – 1959, Nobelpreis für Chemie 1928) fest. Windaus untersuchte in seiner Habilitationsschrift „Über Cholesterin“ Struktur und Funktionsweise der Substanz. Cholesterin entsteht in der Leber und wird durch Galle abgegeben. Für den Transport zu den Zellen wird es an Lipoproteine unterschiedlicher Dichte (high und low density) gebunden. Ein erhöhter Plasmaspiegel des LDL-Cholesterins (LDL – low density Lipoprotein), die Hypercholesterinämie, ist verantwortlich für die koronare Herzkrankheit. Wie Windaus‘ Schüler Rudolf Schönheimer (1898 – 1941) erkannte, erfolgt durch exogene Zuführung von Cholesterin eine negative „Feed-back“-Regulation der körpereigenen Cholesterinsynthese, was zu Ablagerungen in den Blutgefäßen führt. Ist das Cholesterin in seiner Transportform zu den Zellen gelangt, wird es durch Endozytose über LDL-Rezeptoren in die Zelle eingeschleust.
Den zellrezeptorvermittelten Weg entdecken im Jahr 1973 Michael Brown (*1941) und Joseph Goldstein (*1940), die dafür 1985 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielten. Im Zellinneren wird LDL-Cholesterin abgebaut, und zwar zu Aminosäuren, Fettsäuren und freiem Cholesterin, das in die Membranwand eingebaut wird. Der Plasma-LDL-Cholesterin-Spiegel lässt sich also senken, indem möglichst viel LDL-Cholesterin über die LDL-Rezeptoren in das Zellinnere transportiert wird, was das arteriosklerotische Risiko senkt. Diese Erkenntnis führte zur Entwicklung von Arzneistoffen, den Statinen, die die intrazelluläre Cholesterinbiosynthese (HMG-CoA-Reduktase [3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A]-Reduktase) hemmen. So wird möglichst viel LDL-Cholesterin aus dem Blutkreislauf entfernt. Im Jahr 1987 wurde Lovastatin als erstes Statin zugelassen. Diese Arzneistoffgruppe dient nun seit über 35 Jahren der Vermeidung von Herzinfarkten.
3. Januar 1923
100. Todestag von Georg Lunge
Georg Lunge (1839 – 1923) war ein deutscher Chemiker. Sein Name ist mit Säuren wie Schwefel- und Salpetersäure verbunden. Als gebürtiger Breslauer begann er 1856 sein Chemiestudium an der Universität seiner Heimatstadt und setzte es an der Universität Heidelberg fort. 1859 promovierte Lunge in Heidelberg bei Ferdinand Cohn (1828 – 1898) mit einer Arbeit zum Thema „De fermentatione alcoholica“. Nach einem Praktikum ebenda bei Robert Bunsen (1811 – 1899) trat er 1860 als Chemiker in eine Kunstdüngerfabrik in Schlesien ein. Im Jahr 1862 gründete Lunge ein Unternehmen, das Chemikalien wie Blutlaugensalz, Salmiak und Bleisalze produzierte, ihm aber keinen finanziellen Erfolg brachte. 1865 ging er nach England, wo er alsbald zum Direktor der neugegründeten Sodafabrik in der Nähe von Newcastle avancierte. Ab sofort rückte die technische Sodaproduktion nach dem damals üblichen Leblanc-Verfahren in den Mittelpunkt seines wissenschaftlichen Tuns. Dabei konzentrierte er sich auf die Entwicklung der anorganischen Verfahrenstechnik und der chemischen Analytik dieses großtechnischen Prozesses; bei diesem benötigte man Schwefelsäure, zu deren Herstellung (nach dem Bleikammerverfahren) wiederum Salpetersäure erforderlich war. So erfand er mit dem Plattenturm für das Bleikammerverfahren den ersten Apparat, der das Gegenstromprinzip für die Reaktion zwischen Gasen und Flüssigkeiten im technischen Maßstab effektiv nutzte. Für die chemisch-technische Analyse führte Lunge Methylorange als Indikator in der Alkalimetrie ein, konstruierte ein Gasvolumeter (Lunge-Nitrometer) für viele Stoffanalysen und entwickelte das nach ihm benannte Lunge-Reagenz zum qualitativen und quantitativen Nachweis von Nitrit und Nitrat. Mit den Jahren verschaffte sich Lunge ein außerordentliches Ansehen als technischer Chemiker. Im Jahr 1876 folgte er dem Ruf auf die Professur für technische Chemie an die ETH Zürich, wo er bis zu seinem Rücktritt 1907 blieb. Eine Bibliografie seiner Veröffentlichungen nennt fast 700 Titel.
25. Januar 1773
250. Geburtstag von Carl Friedrich Christian Mohs
Der deutsch-österreichische Mineraloge Friedrich Mohs (1773 – 1839) gilt als Mitbegründer der wissenschaftlichen Mineralogie, namentlich in Bezug auf die Kristallographie. Im Jahr 1797 begann Mohs, an der Universität Halle/Saale Mathematik, Physik und Chemie zu studieren; 1798 setzte er seine Studien an der Bergakademie Freiberg (Sachsen) bei Abraham Gottlob Werner (1749 – 1817) fort. Im Jahr 1801 war er zunächst als Grubenvorarbeiter in Neudorf (Harz) tätig; wenig später beschäftigte er sich mit der Planung einer Bergakademie in Dublin. Ein Jahr später übernahm er die Ordnung und Beschreibung der Mineraliensammlung des Wiener Bankiers Friedrich Jacob van der Nüll (1750 – 1823). Vornehmlich aufgrund dieser Sammlung entwickelte Mohs das neue Klassifikationssystem zur naturhistorischen Bestimmung und Erkennung der Fossilien, das er im Jahr 1812 zusammen mit der nach ihm benannten Härteskala der Mineralien veröffentlichte. Diese ist unterteilt in zehn Härtegrade und dient noch heute international zur Härtebestimmung.
Mohs‘ Klassifikation von Mineralien nach Form, Härte, Sprödigkeit und spezifischem Gewicht unterschied sich von denen der meisten seiner Kollegen – diese legten das Hauptgewicht auf die chemische Zusammensetzung. Mohs wandte sich gegen eine nur die einzelnen Minerale empirisch-deskriptiv betrachtende Methode und schlug stattdessen vor, Mineralogie auf Grundlage der von ihm entwickelten angewandten Kristallographie systematisch zu betrachten.
Ab 1817 folgte Mohs Werner auf dessen Lehrstuhl an der Bergakademie Freiberg, 1826 wechselte er wiederum nach Wien, wo er zuerst das Hofmineralienkabinett reorganisierte und veranlasste, dass dieses durch die van der Nüll‘sche Sammlung erweitert wurde. Zugleich war er als Bergrat an der Hofkammer im Münz- und Bergwesen für die Einrichtung eines Montanistischen Museums verantwortlich, das er von 1835 bis 1839 leitete. Mohs‘ auf den äußeren Kennzeichen der Minerale beruhende Systematik war eine wesentliche Voraussetzung für seine Forschungen als Mineraloge.
2. Februar 1873
150. Geburtstag von Marija Michailowna Bakunina
Marija Michailowna Bakunina (auch bekannt als Marussia Bakunin, 1873 – 1960) war eine russisch-italienische Chemikerin, die zum Fortschritt auf dem Gebiet der Stereochemie und zur Emanzipation der Frau in Italien in den Naturwissenschaften beitrug. Nach Abschluss des klassischen Lyzeums studierte sie Chemie an der Universität Neapel und galt schon als junge Studentin als begnadete „Präparatorin“ im Chemielabor. Im Jahr 1895 schloss sie ihr Studium mit einer Arbeit „Über Phenyl-Nitrozimtsäuren und ihre stereometrischen Isomere“ ab. Auf Vorschlag von Stanislao Cannizzaro (1826 – 1910) und Emanuele Paternò (1847 – 1935) erhielt sie im Jahr 1900 in Neapel den Akademiepreis für Physik und Mathematik. Nach einigen Jahren als Lehrerin für angewandte Chemie an der Scuola Superiore Politecnica übernahm sie 1912 den Lehrstuhl für angewandte technische Chemie. Hier knüpfte sie an ihre ersten Studien zur geometrischen Isomerie von Nitro- und Oxyzimtsäuren an. Daneben untersuchte sie die Zusammensetzung von Picrotoxin, die Veresterung von Phenolen sowie die katalytische Wirkung bestimmter kolloidaler Lösungen in den organischen Synthesen, die zur Herstellung einiger Arzneimittel führten. Auch an Geowissenschaften interessiert, gehörte Bakunina bereits seit 1906 dem Forschungsteam zum Studium des Vesuv-Ausbruchs im Jahr 79 n. Chr. an und untersuchte später den Ölschiefer sowie die Ichthyol-Ablagerungen von Bergen in der Region Salerno in Italien. Sie beriet von 1911 bis 1930 lokale Regierungen und Unternehmen zur industriellen Entwicklung von Ichthyol-Minen, vor allem in der Gegend von Giffoni. Nach dem Zweiten Weltkrieg half Bakunina zusammen mit dem italienischen Philosophen und Kunsthistoriker Benedetto Croce (1866 – 1952) beim Wiederaufbau der Accademia Pontaniana, zu deren Präsidentin sie 1944 gewählt wurde. Eine der größten Errungenschaften Bakuninas in dieser Funktion war die Restaurierung der kostbaren Bibliothek, die durch einen Brand zerstört worden war. Nach ihrem Tod im Jahr 1960 wurde Bakunina als einer großen Wissenschaftlerin gedacht, die mit „ihrer hohen Autorität, ihrem Charme und Prestige die Welt der Chemie in Neapel über viele Jahre lang zum Strahlen brachte“.
15. Februar 1873
150. Geburtstag von Hans Karl August Simon von Euler-Chelpin
Der deutsch-schwedische Chemiker Hans von Euler-Chelpin (1873 – 1964) machte sich einen Namen vor allem durch seine grundlegenden Untersuchungen zur Gärung der Zucker und zu Gärungsenzymen. Dafür erhielt er im Jahr 1929 gemeinsam mit dem Briten Arthur Harden (1865 – 1940) den Nobelpreis für Chemie.
1891/92 widmete sich von Euler-Chelpin der Farbenlehre an der Münchner Kunstakademie. Ab 1893 studierte er Chemie in München und Berlin und promovierte zwei Jahre später bei Carl Friedhelm (1858 – 1909) mit der Arbeit „Ueber die Einwirkung von Molybdäntrioxyd und Paramolybdaten auf normale Vanadate, und eine neue Bestimmungsmethode von Vanadinpentoxyd und Molybdäntrioxyd neben einander“. Nach der Promotion und diversen Forschungsaufenthalten, unter anderem bei Svante Arrhenius (1859 – 1927, Nobelpreis für Chemie 1903) in Stockholm sowie dortiger Habilitation wurde er im Jahr 1906 ebenda Professor für allgemeine und organische Chemie. Von 1929 bis 1941 war er Direktor des neu geschaffenen Instituts für Vitamine und Biochemie der Stockholmer Universität.
Ab 1923 erforschte von Euler-Chelpin die Zusammensetzung der Cozymase (Nicotinamidadenindinucleotid, NAD). Er stellte die Verbindung in Reinform her und identifizierte die Produkte bei deren hydrolytischer Zersetzung, darunter auch einen Zucker. Es dauerte jedoch fast 20 Jahre, ehe er beweisen konnte, dass die Zuckerkomponente d-Ribose ist. Damit war die Konstitution der Cozymase als Nicotinsäureamidadenindinucleotid endgültig geklärt.
Später untersuchte er Struktur und Wirkungsweise von Enzymen und Coenzymen und bestimmte deren relative Molekülmassen. Wie von Euler-Chelpin bemerkte, steigern Enzyme die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen in lebenden Organismen. Er schlug vor, dieses Phänomen Biokatalyse zu nennen. Gemeinsam mit Paul Karrer (1889 – 1971, Nobelpreis für Chemie 1937) forschte er zur Wirkung des Vitamins A im Stoffwechsel und wies nach, dass β-Carotin ein Provitamin A ist, das die Sehkraft positiv beeinflusst. Nach seiner Emeritierung setzte er seine Forschungen zur Biochemie von Tumoren sowie der Chemotherapie und Vorbeugung von Krebserkrankungen fort.
26. Februar 1923
100. Todestag von Emanuel August Merck
Der aus einer traditionsreichen Apothekerfamilie stammende Emanuel August Merck (1855 – 1923) war deutscher Chemiker, Pharmazeut und Unternehmer in der von seinen Vorfahren gegründeten ältesten pharmazeutisch-chemischen Fabrik der Welt; deren Wurzeln liegen in der 1668 von Friedrich Jacob Merck (1621 – 1678) erworbenen Darmstädter Engel-Apotheke. Nach dem Schulabschluss in seiner Heimatstadt und der Apothekerlehre in Bad Nauheim arbeitete Emanuel August Merck als Apothekergehilfe unter anderem in Genf und Würzburg sowie in der väterlichen Engel-Apotheke. Es folgten das Pharmaziestudium in Straßburg und Würzburg (1879 – 1881) sowie das Studium der Chemie in Freiburg (Breisgau), wo er 1883 zum Dr. phil. promoviert wurde. Im gleichen Jahr übernahm er die Mercksche Engel-Apotheke und wurde zugleich Teilhaber der Familienfirma E. Merck in Darmstadt. In die Zeit seiner beinahe 40-jährigen Tätigkeit in der Firmenleitung fiel die Expansion der Merck-Gruppe mit Niederlassungen etwa in Paris, Moskau, London, Budapest, Stockholm und New York. Merck führte verbindlich formulierte Reinheitsstandards ein, um die Stoffeigenschaften hergestellter Substanzen in der Praxis zu kontrollieren. 1912 wurde der Schriftzug der Unterschrift von Emanuel August Merck als Wortmarke geschützt. Sein Name ist eng verbunden mit dem Bau einer neuen Fabrik, der Entwicklung des Kontrolllaboratoriums, der Magazine und der Apotheke. Das EMD-Bildzeichen (abgeleitet von Emanuel Merck, Darmstadt) wurde im gleichen Jahr eingetragen; es diente bis etwa zum Jahr 1924 als Markenzeichen vorwiegend auf Packungen und Etiketten der Spezialpräparate. Merck gehörte zu den Mitgründern des Vereins Deutscher Chemiker (VDCh), eine der Vorläuferorganisationen der heutigen GDCh. Der VDCh war vor allem eine Heimstatt für Beschäftigte der chemischen Industrie. Von 1901 bis 1906 war Merck der Vorsitzende des Vereins, der ihn in Anerkennung seiner Verdienste um den Verein und das Ansehen der chemischen Industrie im Jahr 1908 zum Ehrenmitglied ernannte.
8. März 1923
100. Todestag von Johannes Diderik van der Waals
Der niederländische Physiker Johannes Diderik van der Waals (1837–1923) ist durch die nach ihm benannten Kräfte bekannt, die Wechselwirkungen zwischen unpolaren Molekülen beschreiben und dafür verantwortlich sind, dass reale Gase sich nicht ideal verhalten. Van der Waals studierte Naturwissenschaften an der Universität in seiner Heimatstadt Leiden, ohne das Abitur als Zugangsberechtigung zu besitzen. Parallel dazu lehrte er Physik in Deventer und an einer weiterführenden Schule in Den Haag, wo er später Schuldirektor wurde.
Im Jahr 1873 (siehe auch „Vor 150 Jahren“, S. 11) promovierte er an der Universität Leiden mit der Arbeit „Over de continuiteit van den gas- en vloeistoftoestand“ (Über die Kontinuität des gasförmigen und flüssigen Zustands). In der Dissertation veröffentlichte van der Waals erstmals die nach ihm benannte Gleichung, die den Zusammenhang der Zustandsgrößen der realen Gase und der Flüssigkeiten näherungsweise beschreibt. 1877 wurde er auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Physik an der Universität Amsterdam berufen und blieb dort bis 1908.
In Weiterführung seiner Arbeiten über Zustandsänderungen fand van der Waals das Gesetz der korrespondierenden Zustände und klärte weitgehend die Probleme des kritischen Zustands. Mit der van-der-Waals-Gleichung ließen sich die kritischen Punkte der Gase neben einer vergleichsweise aufwe ndigen thermodynamischen Messung genau bestimmen. Dies schuf wesentliche Voraussetzungen für die Gasverflüssigung, etwa für James Dewar (1842 – 1923) im Jahr 1898 bei der Luft- oder Sauerstoffverflüssigung und für Heike Kamerlingh Onnes (1853 – 1926, Nobelpreis für Physik 1913) im Jahr 1908 bei der Herstellung flüssigen Heliums. Der Einsatz des verflüssigten Heliums (Siedetemperatur 4,2 K) als Kühlmittel führte später zur Entdeckung der Supraleitung. Diese Entwicklungen hat van der Waals durch seine Pionierarbeiten zum Verhalten realer Gase und Dämpfe maßgeblich beeinflusst und wurde dafür im Jahr 1910 mit dem Nobelpreis für Physik geehrt.
27. März 1923
100. Todestag von Sir James Dewar
James Dewar (1842 – 1923) war schottischer Physikochemiker und einer der Erfinder von Gasverflüssigungsverfahren. Er studierte Physik und Chemie an der Universität Edinburgh und war anschließendvon 1868 bis 1873 als Vorlesungsassistent bei Lyon Playfair (1818 – 1898) tätig. Im Jahr 1875 wurde Dewar als Professor für experimentelle Naturwissenschaften an die Universität Cambridge und zwei Jahre später als Professor für Chemie an die Royal Institution in London berufen. Beide Positionen behielt er bis zu seinem Tod. Der Fokus seiner anfänglichen wissenschaftlichen Arbeiten lag auf dem Gebiet der Spektroskopie, der Chemie bei elektrischen Entladungen und der physiologischen Wirkung des Lichts. 1877 begann er an der Royal Institution mit den Arbeiten über Gasverflüssigung, die sein wichtigstes Forschungsgebiet werden sollte. In mehreren Jahren wurden hier Apparate konstruiert, mit denen es erstmals 1885 möglich war, große Mengen flüssiger Luft und flüssigen Sauerstoffs herzustellen: Die Gase wurden unter Kühlung mit flüssigem Ethen komprimiert. Indem er den Joule-Thomson-Effekt nutzte, verflüssigte Dewar später Wasserstoff. Dabei erreichte er mit Wasserstoff im festen Aggregatzustand die tiefste bis dahin bekannte Temperatur von – 258 °C. Ende 1892 verbesserte Dewar das bereits 1873 von ihm entwickelte vakuumummantelte, verspiegelte Gefäß, in dem sich verflüssigte Gase aufbewahren und transportieren lassen; zudem können darin Substanzen bei tiefen Temperaturen untersucht werden. Diese heute als Dewargefäß bezeichneten Behältnisse waren anfangs aus Metall; später bestanden sie aus ineinander liegenden Glaskolben mit isolierendem Vakuum zwischen den Außenhüllen. Es führte später zur im Haushalt verwendeten Thermosflasche. Dewar profitierte jedoch nicht von der flächendeckenden Einführung seines Vakuumgefäßes – er verlor einen Rechtsstreit gegen die von Reinhard Burger (1866 – 1954) gegründete Thermos-Gesellschaft, die 1903 ein Patent auf die Thermosflasche erhielt.
18. April 1873
150. Todestag von Justus Liebig, ab 1845 Justus Freiherr von Liebig
Der deutsche Chemiker Justus Liebig (1803 – 1873) gilt durch seine wegweisende Forschung zur Mineraldüngung als Begründer der modernen Agrikulturchemie. Als Sohn eines Darmstädter Drogisten absolvierte Liebig zunächst die Apothekerlehre 1817/18 in Heppenheim an der Bergstraße. Danach studierte er Chemie an der neu errichteten Universität in Bonn bei Karl Kastner (1783 – 1857), dem er nach Erlangen folgte, wo er sich mit Knallsilber beschäftigte.
Auf Vorschlag Kastners erhielt Liebig ein großherzogliches Stipendium für einen Studienaufenthalt in Paris, wo er Vorlesungen bei Joseph Louis Gay-Lussac (1778 – 1850), Louis Jacques Thénard (1777 – 1857) und Pierre Louis Dulong (1785 – 1838) hörte. Hier setzte er seine Arbeiten über Knallsäureverbindungen fort und wurde aufgrund der Ergebnisse an der Universität Erlangen zum Dr. phil. promoviert.
Auf Empfehlung Alexander von Humboldts (1769 – 1859) wurde Liebig einundzwanzigjährig zum außerordentlichen Professor an der Universität Gießen ernannt und 1825 zum ordentlichen Professor berufen. In Gießen richtete er sein später weltberühmtes Labor im Wachraum einer ehemaligen Kaserne ein. Liebig war in Deutschland einer der ersten Chemiker, die das chemische Praktikum als Ergänzung zur Experimentalvorlesung in die Ausbildung einführten und somit zum Anziehungspunkt für praktisch interessierte Chemiestudierende wurde.
In Gießen begann Liebig, die organische Elementaranalyse zu verbessern, und entwickelte im Jahr 1831 den berühmt gewordenen Fünf-Kugel-Apparat der quantitativen Analyse. Ab 1840 widmete er sich verstärkt der „organischen Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Physiologie“ und lieferte mit seinen Untersuchungen zur Pflanzenernährung und Bodenkunde unschätzbare Erkenntnisse darüber, wie die Düngung des Agrarbodens mit mineralischen Stoffen den landwirtschaftlichen Ertrag steigert.
Nach seinem Wechsel im Jahr 1852 nach München wandte er sich verstärkt den praktischen Fragen der Ernährungswissenschaft zu, etwa Entsäuerung des Roggenbrots, Herstellung von Backpulver oder Säuglingsnahrung. Zudem setzte er seine Untersuchungen über die Zubereitung von Fleisch und Fleischbrühe fort. Aus dem von Justus von Liebig erforschten Fleischextrakt entwickelte das britische Unternehmen Liebig’s Extract of Meat Company (Lemco) im Jahr 1880 den Brühwürfel und erreichte damit hohe Beliebtheit in der Bevölkerung.
20. April 1873
150. Todestag von Henry Bence Jones
Der englische Arzt und Chemiker Henry Bence Jones (1813 – 1873) gilt als Vertreter der klinischen Chemie des 19. Jahrhunderts in England. Jones begann 1832 sein Studium mit dem klassischen theologischen Berufsziel am Trinity College der Universität Cambridge, das er 1836 mit dem Bachelor of Arts abschloss. Danach absolvierte er ein anderthalbjähriges Praktikum im Labor des St. George‘s Hospitals in London, um anschließend ein Medizinstudium aufzunehmen, das er krankheitsbedingt für mehrere Jahre unterbrechen musste. Nach dem Examensabschluss im Jahr 1841 ging Jones auf Empfehlung seiner Londoner Chemielehrer Thomas Graham (1805 – 1869) und George Fownes (1815 – 1849) nach Gießen zu Justus Liebig (1803 – 1873). Liebigs Ideen und praktische analytische Methoden, die in der Präventivmedizin Anwendung fanden, weckten Jones‘ Interesse für die klinische Chemie. Noch im selben Jahr kehrte er nach Cambridge zurück, erhielt 1842 den Masterabschluss der Universität und eröffnete seine medizinische Praxis, die alsbald einen guten Ruf in und außerhalb von London erlangte. Zu seinen Patienten gehörten Charles Darwin (1809 – 1882), Hermann von Helmholtz (1821 – 1894), Michael Faraday (1791 – 1867) und August Wilhelm von Hoffmann (1818 – 1892). Neben seiner ärztlichen Tätigkeit übernahm Jones hin und wieder die Vorlesungen in organischer Chemie am St. George‘s Hospital. 1848 beschrieb er erstmals das nach ihm benannte Bence-Jones-Protein; es spielt in Form einer durch maligne Plasmazellen induzierten Proteinurie als Symptom der später als Multiplem Myelom bezeichneten Krebserkrankung diagnostisch heute noch eine große Rolle. Daraufhin wurde ihm 1849 die medizinische Doktorwürde durch die Universität Cambridge verliehen. In (humanen) Harnanalysen untersuchte Jones den Einfluss von Diäten auf die Zusammensetzung des Urins und analysierte unter anderem in tierischem Harn die Verweildauer von Arzneistoffen im Körper.
6. Mai 1673
350. Todestag von Werner Rolfinck
Der deutsche Arzt, Anatom, Chemiker und Botaniker Werner Rolfinck, latinisiert Guernerus Rolfincius (1599 – 1673), gilt als „einer der Größten der Jenaer Wissenschaftsgeschichte“. Er stellte die von ihm vertretenen Wissenschaften auf eine neue organisatorische und geistige Ebene.
Nachdem er Philosophie und Medizin in Rostock und Wittenberg studiert hatte, setzte Rolfinck seine medizinischen Studien in Leiden, Oxford, Paris und Padua fort, wo er im Jahr 1625 zum Dr. med. promoviert wurde. Drei Jahre darauf wurde er zunächst außerordentlicher Professor für Anatomie in Wittenberg und folgte ein Jahr später einem Ruf als Professor für Anatomie und Chirurgie an die Universität Jena. Aufsehen erregte Rolfinck mit der Errichtung des „theatrum anatomicum“, in dem er für angehende Mediziner anatomische Demonstrationen praxisnah und anschaulich in Leichensektionen vorführte.
Nebenbei lehrte Rolfinck Botanik und Chemie. In seinen medizinischen Vorlesungen führte er die Medizinstudenten in die (Heil)-Pflanzenkunde für die Ausübung ihrer Tätigkeit ein. Dazu gründete er am 11. Juli 1631 den „hortus medicus“, den heutigen Botanischen Garten in Jena. Für praktische Unterweisung in Chemie richtete er Laboratorien ein und wurde 1639 zum „Direktor exercitii chymici“ ernannt, dem 1641 die Professur für Chemie folgte.
Rolfinck war ein Förderer der reinen Chemie und lehnte alchemistische Hypothesen ab. Besonders hervorzuheben sind seine Forschungen zu metallurgischen Prozessen der Herstellung von Eisen, Zink, Zinn, Bismut, Blei oder Kupfer in speziellen Schmelzöfen. Sein Interesse galt vor allem den iatrochemischen Wirkungen der Metalle. Rolfinck veröffentlichte im Jahr 1661 sein sechsbändiges Hauptwerk „Chymia in artis formam redacta“, in dem er die Chemie in den Dienst der Medizin stellte.
8. Mai 1873
150. Geburtstag von Nevil Vincent Sidgwick
Der britische Chemiker Nevil Vincent Sidgwick (1873 – 1952) trug mit seiner Forschung dazu bei, die organische Chemie mit den Methoden der physikalischen Chemie zu fundieren. Er studierte ab 1892 Naturwissenschaften an der Universität Oxford. 1898 ging er zu vertieften Studien zuerst nach Leipzig an das Physikalisch-chemische Institut von Wilhelm Ostwald (1853 – 1932), um dort die modernen physikalischen Methoden zur Untersuchung organischer Verbindungen kennenzulernen. Anschließend wechselte er nach Tübingen, wo er 1901 unter Hans von Pechmann (1850 – 1902) mit der Arbeit „Über Acetondipropionsäure und ihre Derivate“ promoviert wurde. Nach Oxford zurückgekehrt wirkte er dort als Vorlesungsassistent, Oberassistent, Dozent und ab 1935 als Professor für Chemie. Das wissenschaftliche Werk Sidgwicks zeichnete sich durch Kontinuität und das Bestreben aus, organisch-chemischen Reaktionen eine theoretische Grundlage zu liefern. Sidgwick entwickelte mit physikalischen Daten Strukturaufklärungsmethoden, insbesondere bei Isomeren und Tautomeren. Er trug zur Theorie der kovalenten Bindung bei, speziell bei der koordinativen oder Wasserstoffbrückenbindung. 1927 führte er den Begriff des Inert-Pair-Effects (Effekt des inerten Elektronenpaars) ein, der die bevorzugte Bildung von Ionen mit zwei Oxidationsstufen unterhalb der zu erwartenden beschreibt. Bekannt wurde er durch sein Buch „The electron theory of valency“; darin begründete er den Aufbau des Periodensystems, gestützt auf Erkenntnisse von Charles Bury (1890 – 1968), mit der Bohrschen Atomtheorie und daraus abgeleiteten Elektronenkonfigurationen. Für seine Leistungen in theoretischer Chemie erhielt Sidgwick die Bakerian Lecture. In seiner Preisträgervorlesung schlug er ein Modell vor, das die räumliche Struktur eines Moleküls auf die abstoßenden Kräfte zwischen den Elektronenpaaren der Valenzschale zurückführt, später ausgebaut als VSEPR-Modell, auch EPA-Modell (Elektronenpaarabstoßungsmodell) genannt.
20. Mai 1923
100. Todestag von Johannes (Hans) Wilhelm Goldschmidt
Hans Goldschmidt (1861 – 1923) war ein deutscher Chemiker, Industrieller und Geschäftsmann, der das Thermitverfahren (Goldschmidt-Verfahren) zur einfachen Herstellung kohlenstofffreier Metalle wie Eisen, Chrom und Mangan entwickelte.
Goldschmidt studierte von 1882 bis 1886 Chemie an den Universitäten Heidelberg, Berlin und Leipzig und promovierte 1886 in Heidelberg bei Robert Bunsen (1811 – 1899). Es folgten Praktikums- und Forschungsaufenthalte an den Universitäten in Heidelberg und Strasbourg sowie an der TH Berlin. Danach trat er als Teilhaber in die väterliche Firma in Essen ein, der er bis Ende 1916 angehörte. Später gründete er sein eigenes Unternehmen zur Herstellung pharmazeutischer Produkte.
1894 begann Goldschmidt mit Versuchen zur Reduktion von Metalloxiden durch Aluminiumpulver – zunächst erfolglos, da das starke Heizen des Reaktionsguts häufig zu Explosionen führte. Daraufhin entzündete er ein Gemisch aus Oxid und Aluminium bei normaler Temperatur mit einer Zündkirsche aus Kaliumpermanganat. So entstand die Aluminothermie (vereinfacht Alumothermie) – eine im Labor und in der Technik angewandte Thermitreaktion, die sich die hohe Affinität von Aluminium zu Sauerstoff zunutze macht, um schwer schmelzende Metalle kohlenstofffrei herzustellen. Dieses Thermitverfahren gilt bis heute weltweit als qualitativ unübertroffenes Standardverfahren, um Eisen- und Straßenbahnschienen zu verschweißen.
Nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen betrieb Goldschmidt von 1918 bis zu seinem Tod eine Forschungswerkstatt mit Schweißerei und Tischlerei. Mit Alfred Stock (1876 – 1946) stellte er erstmals Beryllium durch Schmelzelektrolyse rein her.
Goldschmidts Leistungen zu Thermitreaktionen erfuhren im In- und Ausland hohe Anerkennung. Die Regierung verlieh ihm den Professorentitel, die Technische Hochschule Dresden den Grad als Dr.-Ing. honoris causa. Goldschmidt war Vizepräsident der Deutschen Chemischen Gesellschaft und erster Vorsitzender der Deutschen Bunsen-Gesellschaft für physikalische Chemie.
3. Juni 1873
150. Geburtstag von Otto Loewi
Der deutsch-US-amerikanische Mediziner, Pharmakologe und Chemiker Otto Loewi (1873 – 1961) revolutionierte mit seiner Entdeckung der chemischen Übertragung von Nervenimpulsen die Neurophysiologie. Dafür erhielt er gemeinsam mit dem britischen Physiologen und Biochemiker Henry Hallett Dale (1875 – 1968) 1936 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Loewi begann seine wissenschaftliche Laufbahn mit dem Medizinstudium in Straßburg und setzte es in München fort. Wiederum in Straßburg führte er erste experimentelle Arbeiten am Froschherzen durch und wurde 1896 mit einem pharmakologischen Thema zum Dr. med. promoviert. Danach widmete er sich Studien der analytisch-anorganischen und physiologischen Chemie in Frankfurt am Main und später in Straßburg und Marburg. Hier arbeitete Loewi bei Hans Horst Meyer (1853 – 1939) an der Stoffwechselforschung und habilitierte sich 1900. Während seiner Tätigkeit als Privatdozent lieferte Loewi wissenschaftliche Beiträge zur künftigen Ernährungslehre. Er bewies, dass im tierischen Organismus Fette nicht in Zucker umgewandelt, jedoch Proteine aus Aminosäuren synthetisiert werden können. 1904 wurde er außerordentlicher Professor in Marburg und übernahm die kommissarische Leitung des Pharmakologischen Instituts. 1905 zog es ihn als Assistent an das Pharmakologische Institut in Wien und 1909 wurde er Ordinarius für Pharmakologie an der Universität in Graz. Loewi wies 1921 experimentell die chemische Reizleitung in Nerven nach. Für die Übertragung eines Nervenimpulses machte er die chemische Überträgersubstanz („Vagus-Stoff“, Neurotransmitter) verantwortlich, die an den Synapsen und motorischen Endplatten freigesetzt wird. Nachdem Loewi die chemische Reizleitung bewiesen hatte, identifizierte Henry Dale (1875 – 1968) Acetylcholin als Neurotransmitter, dessen Wirkung mit denen der parasympathischen Nervenreizung im Körper übereinstimmte. Wegen seiner jüdischen Wurzeln wurde Loewi nach Machtübernahme durch die Nationalsozialisten und den Anschluss Österreichs an Deutschland inhaftiert. Er musste 1938 Deutschland verlassen und emigrierte 1940 in die USA. Dort erhielt er eine Professur an der Universität in New York und wurde 1946 amerikanischer Staatsbürger.
12. Juli 1923
100. Todestag von Ernst Otto Beckmann
Der deutsche Chemiker Ernst Otto Beckmann (1853 – 1923) ist bekannt durch seine Arbeiten zur Nahrungsmittelchemie, der Chemie der ätherischen Öle und der organisch-technischen Chemie. Nach seiner Apothekerlehre in Elberfeld und einer mehrjährigen Tätigkeit als Apothekergehilfe in Arolsen, Burg (Wupper), Leipzig und Köln sowie als Assistent im Laboratorium Carl Remigius Fresenius‘ (1818 – 1897) in Wiesbaden begann Beckmann im Jahr 1875, an der Universität Leipzig Chemie zu studieren. Hier legte er 1877 das pharmazeutische Staatsexamen ab und wurde ein Jahr später bei Herrmann Kolbe (1818 – 1884) und Ernst von Meyer (1847 – 1916) zu dem rein chemischen Thema „Ueber die Oxydationsprodukte der Dialkylsulfide und ähnlicher Verbindungen“ promoviert. Danach ging er an die TH Braunschweig, wo er sich im Jahr 1882 habilitierte. Nach seiner Rückkehr nach Leipzig wurde er umhabilitiert und erhielt 1890 eine außerordentliche Professur für physikalische Chemie in Leipzig sowie 1891 in Gießen.
Seine Leipziger Zeit erwies sich als besonders fruchtbar. Bei der Untersuchung der räumlichen Isomerie organischer Verbindungen entdeckte Beckmann 1886 die intramolekulare Umlagerung von Ketoximen in substituierte Amide (Beckmann‘sche Umlagerung). Diese erlangte Bedeutung im Zusammenhang mit der Herstellung von ε-Caprolactam aus Cyclohexanonoxim als Ausgangsstoff für die Synthese von Polyamiden (Perlon, Dederon).
Beckmanns Interesse an physikalisch-chemischen Themen führte 1887/88 zur Erfindung des Beckmann-Thermometers, das für beliebige Temperaturbereiche genaue Messungen erlaubt, sowie zur Ausarbeitung praktischer Verfahren für die Molekulargewichtsbestimmung durch Gefrierpunkterniedrigung (Kryoskopie) und Siedepunkterhöhung (Ebullioskopie).
Während seiner Zeit als Professor für pharmazeutische Chemie in Erlangen (1892 – 1897) und zugleich Direktor der staatlichen Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Genussmittel – sowie als Professor für angewandte Chemie erneut in Leipzig (1897 – 1912) – widmete er sich verstärkt der Analytik von Nahrungsmitteln und ätherischen Ölen.
Von 1912 wirkte er bis zu seiner Emeritierung 1921 als Professor an der Berliner Universität und gleichzeitig als erster Direktor des neu gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie in Berlin-Dahlem. Ihm zu Ehren würdigte die GDCh seine ehemalige Wirkungsstätte, das alte Institut für angewandte Chemie, Brüderstraße 34 in Leipzig, am 15. Mai 2009 als Historische Stätte der Chemie.
10. August 1673
350. Geburtstag von Johann Konrad Dippel
Der evangelische Theologe, Arzt und Alchemist Johann Konrad Dippel (1673 – 1734) gilt als Verfechter der pietistischen Vorstellung der Wiedergeburt; sie stellt die Freiheit des Individuums in den Mittelpunkt. Beim Streben nach Erkenntnis und Wahrheit betrachtete er die Alchemie als ernste Wissenschaft, die er um des materiellen Vorteils willen ausübte. Nach seinem philosophischen Grundstudium an der Universität Gießen studierte er ab 1689 Theologie in Gießen und Straßburg, wo er 1693 den Magistergrad aufgrund der nicht unumstrittenen Magisterdisputation zum Thema „De Nihilo“ erwarb. Ab 1698 hielt er Privatvorlesungen in Straßburg über Astrologie und Chiromantie. Nach Veröffentlichung seiner Streitschriften gegen die lutherische orthodoxe Kirche war der Weg für ihn in einen theologischen Beruf unmöglich geworden. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, wandte er sich daher verstärkt der Alchemie zu. Ab 1704 lebte er als Hofalchemist in Berlin und beschäftigte sich zunächst mit der vorgeblichen Transmutation von Quecksilber und Silber in Gold. Um der königlichen Strafe zu entgehen, floh Dippel 1707 nach Amsterdam. Hier stellte er das nach ihm benannte Dippelsche Knochenöl (Oleum animale foetidum) rein dar; das geruchlose, leicht bittere Öl wurde aus Tierabfällen wie Knochen, Klauen und Blut destilliert und als krampfstillendes Mittel gegen Epilepsie verwendet. In seiner Dissertation „De vitae animalis morbo et medicina“, mit der er 1711 den Doktorgrad der Medizin in Leiden erwarb, behauptete er, mit dem gewonnenen Öl ein „Elixir vitae“, eine Universalarznei gefunden zu haben. Als Nebenprodukt entstand das von Dippel zunächst unbeachtet gebliebene Salz, ein Eisenkomplex, das Berliner Blau. Die Brauchbarkeit dieses ersten synthetischen Pigments für die Ölmalerei und um Stoffe zu färben erkannte der Färber Johann Jacob Diesbach (lebte um 1700 in Berlin); dieser baute seine Entdeckung zum gewerbsmäßigen Produktionsverfahren aus. Nach unfreiwilligen Aufenthalten in Dänemark und Schweden kehrte Dippel 1729 nach Deutschland zurück und verfasste hier chemische Abhandlungen über seine früheren Experimentalstudien, bewusst unter dem Pseudonym Christianus Democritus.
19. August 1623
400. Geburtstag von Michael Heinrich Horn
Der deutsche Chemiker und Mediziner Michael Heinrich Horn (1623 – 1681) übernahm am 6. April 1668 die erste Professur für Chemie („Chymiae Extraordinarius Professor“) an der Universität Leipzig, die er bis zu seinem Tod im Jahre 1681 innehatte. Dies legte den Grundstein für Chemie als eigenständige Fachdisziplin an der Universität Leipzig.
Seinen wissenschaftlichen Werdegang begann Horn im Jahr 1646 mit dem Philosophiestudium an der Universität Jena, wo er 1650 den Magister der Philosophie erwarb. Nach dem Abschluss dieser Studien interessierte sich Horn für Medizin, welche er bei den damaligen medizinischen Größen in Stolberg und Erfurt studierte. Anschließend wurde er Assistent bei Johannes Hoppe (1616 – 1654) in Leipzig. 1654 trat er eine größere Studienreise nach Flandern, England, Frankreich und Italien an, um Erfahrungen und Wissen zu sammeln und zu vertiefen. An der Universität Padua wurde Horn 1656 zum Doktor der Medizin promoviert. Nach Aufenthalten in Mailand, Wien, Prag und Breslau kehrte er 1657 nach Leipzig zurück, wo er seine eigene Arztpraxis betrieb. Bald wurde Horn zum Leibarzt des sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. (1613 – 1680) sowie des Administrators des Erzstifts Magdeburg, August von Sachsen-Weißenfels (1614 – 1680).
Über seine medizinisch-praktischen Tätigkeiten hinaus lehrte Horn Medizin an der Universität Leipzig. Die zunehmenden Erkenntnisse in der Chemie fanden vor allem Interesse in der Medizin und Arzneilehre. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, schuf die Universität in der medizinischen Fakultät die erste explizit denominierte außerordentliche Professur für Chemie. Damit eröffnete Horn den Reigen der Extraordinariate für Chemie an dieser Fakultät. Der Überlieferung nach hielt er seine „chymischen“ Vorlesungen vom Katheder aus und meistens nur an den „heißen Hundstagen“, wenn Demonstrationsexperimente unmöglich waren.
Im Jahr 1675 erhielt Horn den Ruf zum ordentlichen Professor für Pathologie und wurde kurz darauf Dekan der Medizinischen Fakultät sowie im Wintersemester 1677 Rektor der Alma Mater Lipsiensis. Nach seinem Tod errichteten seine Nachfahren in der Universitätskirche zur Würdigung Horns und seiner Verdienste 1686 ein bis heute erhaltenes Epitaph.
1. September 1873
150. Geburtstag von Ragnar Berg
Der schwedische Biochemiker und Ernährungswissenschaftler Ragnar Berg (1873 – 1956) gehörte zu den Gründern der modernen Ernährungslehre und wurde vor allem durch seine Arbeiten zur Bedeutung des Säure-Base-Gleichgewichts und anorganischer Mineralstoffe in der Ernährung bekannt. Er studierte von 1891 bis 1895 Chemie am Chalmers Polytechnikum in Göteborg. Danach arbeitete Berg zunächst in einer Göteborger Fabrik und anschließend als Chemiker in Gießen und Darmstadt. 1902 wurde er von Karl August Ferdinand Lingner (1861 – 1916) an die Dresdner Zentralstelle für Zahnhygiene berufen. Hier lernte Berg den Zahnarzt Carl Röse (1864 – 1947) kennen, der sein Interesse an der Ernährungsforschung weckte. Von 1909 bis 1921 leitete Berg das Labor für Ernährungsphysiologie im homöopathischen Sanatorium von Heinrich Lahmann (1860 – 1905) am Weißen Hirsch in Dresden. 1934 übernahm er die Leitung des physiologischen Labors im Krankenhaus in Dresden-Friedrichstadt, in dem er seit 1927 beschäftigt war. 1945 ging Berg nach Schweden zurück und arbeitete bis 1951 in einem Privatlabor eines Stockholmer Krankenhauses. Bei seinen physiologisch-chemischen Untersuchungen – zum Teil in Selbstversuchen – stellte er fest, dass Spurenelemente und Mineralstoffe für die Ernährung wichtig sind: ein Mangel kann krank machen, stickstoffhaltige Verbindungen können Organschäden hervorrufen. Er stellte die ersten zuverlässigen Tabellen auf, die den von ihm bestimmten Mineralstoffgehalt vieler Lebensmittel enthielten. Berg entwickelte die Säure-Base-Theorie der Ernährung, wonach neben der „Modellkrankheit“ Gicht das Auftreten vieler „Zivilisationskrankeiten“ wie Fettleibigkeit, Arthritis und Diabetes in Verbindung mit einer Übersäuerung des Organismus steht. Berg schloss daraus, dass sich dies mit bestimmten basischen Stoffen (Basica) regulieren lässt. Die daraus resultierende „basische Ernährung“ war vor hundert Jahren sehr beliebt und wird auch heute noch in der Alternativmedizin propagiert. Ein eindeutiger wissenschaftlicher Nachweis ist bisher jedoch nicht erbracht worden.
4. September 1923
100. Todestag von Paul Friedländer
Paul Friedländer (1857 – 1923) war ein deutscher Chemiker und Industrieller, der sich vor allem in der Farbstoffchemie Verdienste erworben hat. Nach dem Studium der Chemie in Königsberg, Straßburg und München promovierte er 1878 bei Adolf von Baeyer (1835 – 1917, Nobelpreis für Chemie 1905). Ein Jahr später stellten beide von Phenylessigsäure ausgehend zum ersten Mal Indigo vollsynthetisch dar. Die Beschäftigung mit Indigo und seinen Derivaten wurde zu Friedländers Lebenswerk. Mit seinen Untersuchungen half er von Baeyer, mechanistische Probleme bei der Indigosynthese zu enträtseln und dessen Strukturformel aufzuklären. Im Rahmen dieser Arbeiten entdeckte er 1882 die nach ihm benannte Friedländer-Chinolinsynthese, die Darstellungsmethode der Chinolinderivate durch säure- oder basekatalysierte Kondensation von 2-Aminobenzaldehyd mit Aldehyden oder Ketonen, die in der Nachbarschaft zur CO-Gruppe eine reaktionsfähige CH2-Gruppe besitzen. Nach Habilitation an der Universität München mit einer Arbeit, in der er die Umlagerung der Gruppe –NH–CO– zu –N=COH– und umgekehrt nachwies (Keto-Enol-Tautomerie), wurde er 1884 Leiter des wissenschaftlichen Labors des Teerfarbenwerks K. Oehler in Offenbach. Hier begann er mit der Herausgabe seines patentanalytischen Werks „Fortschritte der Teerfarbenfabrikation und verwandter Industriezweige“ (von Band I für die Jahre 1877 bis 1887, erschienen 1888, bis Band XIII für die Jahre 1916 bis 1921, erschienen 1923). 1889 wurde er Professor in Karlsruhe, wo er sich mit den Problemen der Naphthalenchemie beschäftigte. 1895 wechselte er zum Technologischen Gewerbemuseum in Wien und widmete sich erneut der Indigochemie. Nach der Thioindigosynthese 1906 synthetisierte er ab 1908 indigoide Verbindungen aller Nuancen, welche die befreundeten Firmen Kalla in Biebrich und Casella in Fechenheim herstellten. 1909 isolierte er aus 12 000 Purpurschnecken 1,4 g Purpur und identifizierte ihn als 6,6‘-Dibromindigo.
22. September 1873
150. Todestag von Johann Friedrich August Breithaupt
August Breithaupt (1791 – 1873) war ein deutscher Mineraloge, der ein vielfältiges Werk zur praktischen Mineralogie hinterließ und als konsequenter Verfechter einer systematischen mineralogischen Nomenklatur gilt. Von 1809 bis 1811 studierte er an der Universität Jena Naturwissenschaften. Danach ging er an die Bergakademie Freiberg, um bei Abraham Gottlob Werner (1749 – 1817) seine Studien zur Mineralogie fortzusetzen. Im Jahr 1813 übertrug man ihm die Leitung der Mineraliensammlungen der Bergakademie, verbunden mit akademischen Lehrverpflichtungen, die er mit Erfolg absolvierte.
Als Werners Nachfolger Friedrich Mohs (1773 – 1839) im Jahr 1826 einem Ruf nach Wien folgte, erhielt Breithaupt die Professur für Mineralogie, die er bis zu seinem Rücktritt 1866 innehatte. In dieser Zeit hat er mit seinen exakten Arbeiten als ein Meister im Bestimmen (und Spalten) von Mineralstufen die moderne Entwicklung der Mineralogie wesentlich gefördert. Er bestimmte rund 4500 spezifische Gewichte, entdeckte und beschrieb 47 neue Mineralien, bestimmte durch Winkelmessungen erstmals die Primärformen etlicher Minerale und erforschte deren Kristallsysteme. Für die Bestimmung von Kristallsystemen führte er unter anderem die Bezeichnungen tetragonal, hexagonal und rhombisch ein. Er unterschied kristallisierte und nichtkristallisierte Materie und wurde zu einem der besten Mineralkenner seines Jahrhunderts.
Breithaupt verbesserte nicht nur wesentlich die mineralogische Nomenklatur, sondern entwickelte auch die Lehre von der Paragenese (gesetzmäßiges Vorkommen bestimmter Mineralien bei der Entstehung von Gesteinen und Lagerstätten), die er bei der Lagerstättensuche bestimmter Mineralien praktizierte. Insbesondere erwarb sich Breithaupt große Verdienste als Kustos der mineralischen Sammlung der Bergakademie Freiberg, die sich unter ihm um etwa 20 000 Exemplare erweiterte. Ihm zu Ehren erhielt Nickelantimonid, veraltet auch als Antimonnickel bekannt, den Namen Breithauptit.
2. Oktober 1723
300. Todestag von Johann Conrad Barchusen
Der niederländische Chemiker Johann Conrad Barchusen, eigentlich Barkhausen, aber auch Barchausen (1666 – 1723), konnte sich als erster Chymiae Professor extraordinarius an der Universität Utrecht ausschließlich der Chemie widmen, unabhängig von medizinischen Aufgaben. Nach seiner Apothekerausbildung in Berlin, Mainz und Wien sowie nach Wanderjahren durch Ungarn und Italien wurde Barchusen Leibarzt des venezianischen Flottenkommandanten Francesco Morosini (1618 – 1694). Die wissenschaftliche Karriere von Barchusen begann bereits im Jahre 1690 mit dem Erscheinen seines ersten Buchs „Pharmacopoeus synopticus“, ein pharmazeutisches Handbuch, das lange zu den viel gebrauchten Lehrbüchern für Apotheker zählte. 1694 erhielt der nicht-studierte Barchusen in Utrecht zunächst die Erlaubnis, als Privatdozent für Chemie zu fungieren, und wurde 1698 nach der Verleihung des Dr. med. h.c. zum Dozenten für Chemie an die Universität Utrecht berufen. Seit dieser Zeit hielt Barchusen öffentliche Experimentalvorträge und gestaltete Laborkurse zur gesamten Chemie. Er führte chemisch-technische Verfahren wie Vergolden, Versilbern und Verzinnen in seine Kurse ein und betrachtete die Chemie als Kunst, die es ermöglicht, dass gemischte Körper im Feuer getrennt und in andere Stoffe überführt werden können. Die Aufgabe der Chemie sah Barchusen darin, die in den Körpern enthaltenen Stoffe zu identifizieren und zu erforschen. Die Grundelemente seiner Theorie waren Salz, Öl, Wasser und Erde sowie als naheliegende Prinzipien Metalle und Halbmetalle. 1698 veröffentlichte Barchusen sein Hauptwerk „Pyrosophia“, in dem er die Chemie in drei Gruppen einteilte: Docimastica (Metallurgie), Alchemistica (Alchemie) und Medica (medizinische Chemie). 1703 wurde er zum außerordentlichen Professor der Chemie ernannt. Zeitgleich betrieb er eine Arztpraxis und analysierte die Zusammensetzung von Galle und Blut.
28. November 1873
150. Todestag von Otto Paul Unverdorben
Dem deutschen Pharmazeuten und Geschäftsmann Otto Unverdorben (1806 – 1873) gelang als Zwanzigjährigem die Darstellung von Anilin, indem er natürliches Indigo durch trockene Kalk-Destillation zersetzte. Er nannte es „Crystallin“ und beschrieb es in seiner Arbeit „Ueber das Verhalten der organischen Körper in höheren Temperaturen“ in den Annalen der Physik. Den Namen Anilin (anil – spanisch/portugiesisch blau für Indigo) erhielt die Substanz vom Chemiker Carl Julius Fritzsche (1808 – 1871). Dreißig Jahre nach der Entdeckung des Anilins synthetisierte der achtzehnjährige Brite William Henry Perkin (1838 – 1907) bei seinen Experimenten mit Anilin den Farbstoff „Anilinpurpur“ und legte damit den Grundstein zur fabrikmäßigen Herstellung synthetischer Farbstoffe.
Unverdorben, der aus einem reichen Elternhaus zu Dahme in der Mark Brandenburg stammte, interessierte sich schon in jungen Jahren für chemische und pharmazeutische Dinge, was ihn bewog, nach dem Besuch einer höheren Schule in Dresden zunächst Chemie in Leipzig und Halle/Saale zu studieren. Im Jahr 1824 ging er nach Erfurt an die „Chemisch-physikalisch-pharmaceutische Pensionsanstalt für Jünglinge“, wo er beim Wegbereiter der akademischen pharmazeutischen Ausbildung in Deutschland Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770 – 1837) an Fluss-, Mangan- und Ölsäure sowie Harzen forschte.
Nach Vollendung seiner chemischen Studien bei Heinrich Rose (1795 – 1864) in Berlin kehrte Unverdorben 1828 nach Dahme zurück und richtete sich im elterlichen Haus ein Forschungslabor ein. Allerdings musste er bereits im Jahr darauf den von seinem Vater ererbten Materialwarenladen übernehmen und weiterführen. Seine chemischen Forschungen stellte er daraufhin ein und widmete sich – als Nichtraucher – nach Gründung einer Zigarrenfabrik den Tabakerzeugnissen aus Züchtungen nikotinarmer Tabakpflanzen.
28. Dezember 1873
150. Geburtstag von William Draper Harkins
Der US-amerikanische Physikochemiker William Harkins (1873 – 1951) wurde durch seine Arbeiten zur Struktur und Reaktivität von Atomkernen sowie zur Oberflächenchemie bekannt. Nach Schulabschluss galt sein Interesse zunächst dem Studium der griechischen Sprache und allgemeinen Kunst. Ab 1896 widmete er sich dem Chemiestudium an der Universität im US-kalifornischen Stanford und schloss es 1900 als Bakkalaureat in angewandter Chemie ab. Hier wirkte er als Laborassistent sowie als Dozent für Chemie und wurde 1907 bei Robert Eccles Swain (1875 – 1961) promoviert. Anschließend absolvierte er bereits als Professor und Leiter des Fachbereichs Chemie an der University of Montana in Missoula mehrere Studien- und Forschungsaufenthalte an anderen Hochschuleinrichtungen, unter anderem 1909 an der TH Karlsruhe bei Fritz Haber (1868 – 1934, Nobelpreis für Chemie 1918) und 1909/10 am Massachusetts Institute of Technology bei Arthur Noyes (1866 – 1936) und Gilbert Lewis (1875 – 1946). 1912 erhielt er einen Ruf an die Universität in Chicago, wo er bis zum Eintritt in den Ruhestand 1939 zu Fragen der physikalischen Chemie forschte. Während dieser Zeit befasste sich Harkins mit oberflächenchemischen Untersuchungen und entwickelte eine Theorie der Molekülorientierung an Oberflächen. Zusammen mit seinem Kollegen Ernest Wilson (1890 – 1958) schlug Harkins 1915 vor, dass die Heliumbildung aus Protonen die Energiequelle der Sonne und anderer Sterne sei. Er erkannte als erster, dass chemische Elemente mit gerader Ordnungszahl häufiger sind als die der benachbarten Elemente mit ungerader Nummer; er brachte dies mit ihrer Stabilität in Verbindung (Harkins-Regel). Zudem sagte Harkins im Jahr 1920 die Existenz des Neutrons voraus, dessen Namen er einführte. Im Ergebnis dieser Arbeiten erstellte er ein „neues Periodensystem“, in dem für jedes Atom die „Isotopenzahl“ angegeben wurde, die man dann als Neutronenzahl bezeichnete. Schließlich beschäftigte er sich mit der Isotopentrennung durch Diffusion und baute mit seinen Studenten in Chicago ein Zyklotron auf, das später dem Manhattan-Projekt diente.
Bildnachweise:
Porträtfotos: Döbereiner; van der Waals; Vogel; Mohs; Bakunin; Euler-Chelpin; Merck; Liebig; Rolfnick; Sidgwick; Loewi; Beckmann; Dippel; Horn; Friedländer; Barchusen: Wikimedia Commons
Mittasch; Harkins: prabook.com
Lewis: chemistry.berkeley.edu
Dewar: worldofchemicals.com
Berg: huntingford.com
Breithaupt: TU Freiberg.de
Unverdorben: Otto-Unverdorben-Oberschule
dampfender Kessel: Galina Sandalowa – stock.adobe.com
Döbereiner-Feuerzeug: Schneeo / Wikimedia Commons
Thermoelement: Meaw_stocker – stock.adobe.com
Farbfotografie: Louis Ducos du Hauron / Wikimedia Commons
Projektskizze grünes Methanol: Total Energies
Wissenschaftssymbole: arkadiwna – stock.adobe.com
LDL-Cholesterin: Corona Borealis – stock.adobe.com
Lunges Reagenz: Johannes Schneider / Wikimedia Commons
Wiener Hofburg: C. Stadler/Bwag
NAD: bacsica – stock.adobe.com
Dewargefäß: Andrea – stock.adobe.com
Kristall des Bence-Jones-Proteins: Alex McPherson / Wikimedia Commons
Aluminothermie: Pictures news – stock.adobe.comx
Neurotransmission: solvod – stock.adobe.com
Alchemistenlabor: Juulijs – stock.adobe.com
Basische Ernährung: vaaseenaa – stock.adobe.com
Indigo: Abel Tumik – stock.adobe.com
Harkin-Hall-PSE: aus J. Chem. Educ. 1934, 11, 5, 288
Fünf-Kugel-Apparat: Eliza Leusmann
Nobelpreise 1923
Chemie: Der österreichische Physiologe und Chemiker Fritz Pregl (1869 – 1930) erhält den Nobelpreis für die Erfindung, Entwicklung und Verbreitung der Methode für die quantitative organische Mikroanalyse. Er beginnt, nach Methoden zur Elementaranalyse biologischen Materials vor allem in der physiologischen Chemie zu suchen, später kommen Mikroanalysen für die Konstitutionsaufklärung organischer Substanzen hinzu, die nur in Kleinstmengen isolierbar sind. In wenigen Jahren entwickelt er die Mikroanalysentechnik und die dazu erforderlichen Waagen mit einer Genauigkeit von 0,001 mg, sodass 3 bis 5 mg Substanz für eine Analyse genügen, die so genau ist wie die Makroanalyse.
Die Mikromethode ist bis heute unentbehrlich für die Analyse von Vitaminen oder Hormonen, von denen nur Milligramm zur Verfügung stehen, sowie zur Bestimmung funktioneller Gruppen im Mikromaßstab.
Physiologie oder Medizin: „Für die Entdeckung des Insulins“ erhalten die Kanadier Frederick Grant Banting (1891 – 1941) und John James Rickard Macleod (1876 – 1935) den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Grundlage ihrer Arbeiten sind die wissenschaftlichen Ergebnisse des rumänischen Physiologen Nicolae Paulescu (1869 – 1931), der bereits im Jahr 1916 das Insulin als „Pankrein“ aus der Bauchspeicheldrüse isolierte und den Extrakt zuckerkranken Hunden verabreichte. Mit Unterstützung ihres Studenten Charles Herbert Best (1899 – 1978) isolieren die Kanadier das Insulin zunächst aus Hunden, später aus Kälbern, indem sie die trypsinbildenden Zellen zerstören. Eine orale Gabe des isolierten Insulins zur Behandlung der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) erweist sich allerdings als unwirksam. Erst eine Injektion des Insulins leitet die Therapie des Diabetes ein. Banting behandelt ab Juli 1922 auf diese Weise den schwer diabeteskranken, fünfjährigen Theodore Ryder, der 1993 im Alter von 76 Jahren stirbt. Mit seiner über 70 Jahre dauernden Insulintherapie gilt er als der am längsten dokumentierte Fall der Medizingeschichte.
Physik: Der US-amerikanische Physiker Robert Andrews Millikan (1868 – 1953) erhält den Nobelpreis für seine Arbeiten über die elektrische Elementarladung sowie den photoelektrischen Effekt. Er bestimmt bei etlichen experimentellen Messungen mit unterschiedlicher Präzision erstmals die elektrische Elementarladung, die er später mit e bezeichnen wird. Für seine Experimente nutzt er die damals übliche Tröpfchenmethode, bei der die Tröpfchenladung aus der Fallgeschwindigkeit ionisierten Nebels oder stabilerer ionisierter Öltröpfchen (Millikan-Versuch) in einem elektrischen Feld berechnet wird. Wie Millikan durch wiederholte Experimente mit mehr Tröpfchen zeigt, ist die Ladung auf dem Tröpfchen ein ganzzahliges Vielfaches einer kleinsten Ladung, einem Wert von e = 1,592·10–19 Coulomb. Dieser Wert liegt etwas unter dem derzeit gültigen Wert von e = 1,602176634·10–19 Coulomb, da Millikan seinerzeit ungenaue Werte für den dynamischen Viskositätskoeffizienten von Luft verwendete.
Nobelpreise 1973
Chemie: Der deutsche Chemiker Ernst Otto Fischer (1918 – 2007) und sein britischer Kollege Geoffrey Wilkinson (1921 – 1996) erhalten den Nobelpreis für ihre bahnbrechenden, unabhängig voneinander geleisteten Arbeiten zur Chemie metallorganischer Verbindungen, speziell der Sandwichkomplexe, bei denen sich ein Metallatom zwischen zwei parallel angeordneten, (nahezu) planaren organischen Liganden befindet. Dazu zählen Metallocene, Verbindungen mit zwei Cyclopentadienylliganden, mit dem eisenhaltigen Stammvater Ferrocen.
In teils erbitterter Konkurrenz stellen beide Forscher im Lauf von fast zwei Jahrzehnten neue metallorganische Verbindungen her, entwickeln die Strukturmodelle dazu und belegen diese spektroskopisch. Diese Arbeiten führten später zu wichtigen Entwicklungen der Homogenkatalyse bei Reaktionen mit ungesättigten Kohlenwasserstoffen (Wilkinson-Katalysator, stereospezifische Metallocen-Katalysatoren), die für die Industrie wichtig sind.
Physiologie oder Medizin: Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geht an die Zoologen Karl von Frisch (1886 – 1982), Konrad Lorenz (1903 – 1989) und Nikolaas Tinbergen (1907 – 1988) „für ihre Entdeckungen zur Organisation und Auslösung von individuellen und sozialen Verhaltensmustern“ bei Insekten, Vögeln und Fischen.
Physik: Den Nobelpreis teilen sich der Japaner Leo Esaki (*1925) und der in Norwegen geborene US-Amerikaner Ivar Giaever (*1929) für ihre grundlegenden experimentellen Untersuchungen zum Tunneleffekt in Halbleitern und Supraleitern mit dem Briten Brian Davis Josephson (*1940).
Josephson hatte theoretisch vorhergesagt, dass die stromleitenden Elektronenpaare unter bestimmten Voraussetzungen zwischen zwei durch eine dünne isolierende Schicht getrennten Supraleitern „tunneln“ können (Josephson-Strom).
Auf der Suche nach Ausprägungen des Tunneleffekts untersucht Esaki Dioden – später Esaki-Dioden (oder Tunneldioden) genannt –, bei denen sich zwischen n- und p-leitenden Halbleitern eine Sperrschicht befindet, die eine Potenzialbarriere für Elektronen darstellt.
Giaever beweist nicht nur die Existenz des Tunneleffekts, sondern auch die Existenz der von der BCS-Theorie (Vielteilchentheorie zur Erklärung der Supraleitung in Metallen) vorhergesagten Energielücke.
Josephson entdeckt etliche physikalische Phänomene beim Tunneleffekt und eröffnet damit unerwartete Möglichkeiten für technische Anwendungen.
Yvonne Remane, Jahrgang 1977, ist Direktorin der Krankenhausapotheke des Universitätsklinikums Leipzig und hält an der Universität Leipzig die Vorlesung „Geschichte der Naturwissenschaften/Pharmazie“. Sie studierte an der Universität Leipzig Pharmazie, im Jahr 2006 wurde sie promoviert. Sie ist Autorin mehrerer wissenschaftshistorischer Arbeiten in Fachzeitschriften.
Wladimir Reschetilowski, Jahrgang 1950, ist emeritierter Professor für technische Chemie an der TU Dresden und Chemiehistoriker. Für die Nachrichten aus der Chemie beschrieb er beispielsweise den Weg zur Entwicklung des Periodensystems der Elemente [Nachr. Chem. 2019, 67(6), 8 und 67(7/8), 8].
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