Der Wirtschaftschemiker
Mit Daten nach Rohstoffen schürfen
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Von der Redaktion kam für den September 2023 das Stichwort „mining“. Was fällt Dir als erstes dazu ein? Ein junger VCW-Stammtisch-Koordinator, Digital Native, antwortete sofort „Crypto-Mining“. Der Vergleich mit klassischem Bergbau sagt etwas über die Kommunikation von Chemie. Bergbau bedeutet für die meisten Menschen nur, etwas auszugraben. Das würde zum Crypto-Mining passen. Es fehlt aber der zweite, oft schwierigere Teil. Den vergessen selbst Chemiker. Das sind die Trennungsgänge, von der Scheidekunst bis zum Urban Mining, dem Recycling. Am chemischen Sortieren von Wert- und Reststoffen, das heißt am Kampf gegen Unordnung und Entropie lernen Studierende in unserem Fach Frustrationstoleranz – und die Gesellschaft tut das auch.
Die ersten Unternehmen beginnen, Urban Mining zu erleichtern, indem sie unsere gebaute Umwelt, die Technosphäre, als Rohstoffquelle digital erfassen. So hat beispielsweise das Start-up Concular mit diesem Ansatz im Jahr 2022 den Goingcircular-Preis von VDI, VDE und IHK-Köln gewonnen, an dessen Organisation ich beteiligt bin. Concular geht durch Gebäude und erfasst Daten zu Materialien, weil diese Daten bisher nirgendwo vorliegen. Das lässt sich nur nach dem Paretoprinzip mit den 20 Prozent größten Gebäuden machen, die zum Abriss oder zur Kernsanierung anstehen – der Rest muss nach diesem Prinzip ignoriert werden, da der Aufwand sonst zu groß ist. Also ist es wichtig, die Materialien beim Einbau zu erfassen – in Gebäude wie in andere Teile unserer technischen Umwelt.
Das Großprojekt Holy Grail 2.0 (digitalwatermarks.eu) kümmert sich um die Markierung kurzlebiger Kunststoffverpackungen – aber wie stehen die Daten in Zukunft für Urban Mining zur Verfügung, wenn es um Materialien in Gebäuden geht, die mehr als 30 Jahre halten sollen? Vor dem Urban Mining wird also Data-Mining stehen, und das müssen wir heute schon mit langfristiger Denkweise aufsetzen. Diese Aufgabe kommt uns Chemikerinnen und Chemikern zu, denn Materialien – von Beton bis zu Polymeren – sind Kernkompetenzen unseres Fachs. Für den digitalen Teil davon müssen wir lernen und kooperieren.
Rolf Albach leitet F+E-Projekte für Kreislaufwirtschaft, Automobilinnenraum und Flammschutz. Zudem lehrt der promovierte Chemiker mit einem Master of Business Administration an der Fachhochschule Aachen. Der Vorstandsvorsitzende der GDCh-Vereinigung Chemie und Wirtschaft führt uns mit dieser Kolumne im Wechsel mit Hannes Utikal durch die Welt der Wirtschaftschemie.
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