Ende des 17. Jahrhunderts begann sich Glas in Gestalt von Glasgeräten in der chemischen Laborpraxis durchzusetzen. Ab dieser Zeit gehörte die Kunst des Glasblasens bei der Entwicklung analytischer Messgeräte zu den Fertigkeiten prak...
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Nicht ohne meinen Erlenmeyer
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Zum Internationalen Jahr des Glases riefen wir unsere Leserinnen und Leser auf: Schicken Sie uns Fotos und kurze Beschreibungen Ihrer liebsten, kuriosesten, nützlichsten, denkwürdigsten, … Glasgeräte. Voilà – hier sind sie.
INFO: Glasgeräte und ihre Namensgeber von A bis W
Der Aufschwung der industriellen Glasproduktion von Ende des 18. bis Anfang des 20. Jahrhunderts lieferte Impulse für die Herstellung von Glasgeräten für das chemische Laboratorium. In dieser Zeit entwickelten prominente Chemiker neue Arbeitsmittel aus chemisch und thermisch widerstandsfähigem Glas, die unter dem Namen des Erfinders weltbekannt wurden. Wladimir Reschetilowski stellt zum Internationalen Jahr des Glases 2022 eine Auswahl vor.
Mit einer Andreasen-Pipette wird die Partikelgrößenverteilung von Feststoffteilchen von etwa 100 bis 1 µm bestimmt, und zwar über die Fallgeschwindigkeit der Partikel in einer Flüssigkeit wie entionisiertem Wasser oder Ethylenglykol in der Pipette. Sie ist nach dem Erfinder, dem dänischen Chemiker und Ingenieur Alfred Andreasen (1896 – 1978) benannt. Die in der Verfahrenstechnik und Pharmaindustrie auch heute noch verwendete Sedimentationsanalyse beschrieb er erstmals 1928 in seiner Dissertation „Zur Kenntnis des Mahlgutes: Theoretische und experimentelle Untersuchungen über die Verteilung der Stoffmenge auf die verschiedenen Korngrößen in zerkleinerten Produkten“.
Der Anschütz-Thiele-Vorstoß erlaubt, bei einer Vakuumdestillation im Labormaßstab beliebig viele Fraktionen des Destillats zu entnehmen, ohne das Evakuieren während der Destillation unterbrechen zu müssen. Hähne verbinden Destillationskolben und Apparatur separat mit der Absaugleitung. Die Organiker Richard Anschütz (1852 – 1937) und Johannes Thiele (1865–1918) beschrieben Ende des 19. Jahrhunderts die Bauart des Vorstoßes und seine Funktion. Die beiden Namensgeber entwickelten weitere Laborglasgeräte, etwa den Zweihalsaufsatz nach Anschütz oder die Apparatur zur Schmelzpunktbestimmung nach Thiele.
Die Hempel-Bürette ist eine Messanordnung aus Gasbürette, Ausgleichsgefäß und Absorptionsgefäß, die in der nasschemischen Gasanalytik zur quantitativen Untersuchung von Gasgemischen dient und vom technischen Chemiker Walther Hempel (1851 – 1916) entwickelt wurde [diese Nachr., S. 25]. Nach ihm sind außerdem die Hempel-Pipette und der Hempel-Ofen benannt.
Der Claisen-Kolben ist ein bei Vakuumdestillationen verwendbarer Langhals-Rundkolben mit angeschmolzenem U-förmigem Aufsatz für eine Siedekapillare aus Glas, die Siedeverzug verhindert, ein Thermometer und einen Kühler. Der Rundkolben wurde nach dem organisch-chemisch arbeitenden Chemiker Ludwig Claisen (1851 – 1930) benannt, der 1893 die von ihm entwickelte Destillierbrücke speziell zur Destillation organischer Verbindungen einsetzte. Heute verwendet man Rund- oder Spitzkolben mit Schliff und dem Claisen-Aufsatz. Auch einige chemische Reaktionen tragen seinen Namen, darunter die Claisen-Kondensation oder die Claisen-Umlagerung.
Das Dewargefäß, ein doppelwandiger, verspiegelter, evakuierter Behälter aus Glas oder rostfreiem Stahl, hält darin aufbewahrte Flüssigkeiten bei niedrigen oder hohen Temperaturen. Benannt ist es nach dem schottischen Physiker Sir James Dewar (1842 – 1923), der Vakuumgefäße bereits im Jahr 1874 benutzte und 1893 verspiegelte Glasgefäße als Transportgefäße für verflüssigte Gase vorstellte. Die ursprünglichen Dewargefäße waren doppelwandige, mit Silber verspiegelte Glasbehälter mit evakuierten Zwischenräumen.
Der Dimrothkühler besteht aus einem mit dem Mantelrohr versehenen Einhängekühler (Kühlspirale). Der Name geht auf seinen Erfinder, den Chemiker Otto Dimroth (1872 – 1940) zurück und entstammt seinen Experimentalerfahrungen in Hochschule und Industrie. Alle von ihm entdeckten organisch-chemischen Reaktionen (zum Beispiel die Dimroth-Umlagerung) untersuchte er physikalisch-chemisch auf das Gleichgewicht tautomerer Stoffe bezogen auf die Löslichkeit in einem bestimmten Lösungsmittel (Dimroth-van‘t Hoffsche Konstante).
Der Erlenmeyerkolben, ein kegelförmiger oder bauchiger Laborglaskolben mit einem flachen Boden, hat einen nach oben hin enger werdenden Hals. Dadurch eignet er sich im Gegensatz zum Becherglas zum Erhitzen von Flüssigkeiten, ohne dass beim Schwenken oder Schütteln Flüssigkeit herausspritzt (daher auch Schüttelkolben genannt). Der Kolben trägt den Namen des Chemikers Emil Erlenmeyer (1825 – 1909), der ihn im Jahr 1861 entwickelte. Er erfand auch das Asbestnetz und formulierte die Erlenmeyer-Regel.
Ein Kipp‘scher Apparat besteht aus übereinander angeordneten Glasballons, zu denen ein Reaktorkolben mit Reservoir, ein Kugeltrichter mit langem Rohr und eine Glasfalle zum Auffangen von Säuredämpfen gehören. Er diente in Laboratorien zum Herstellen gängiger Gase und später für chemische Demonstrationen im Schulunterricht. Der Apparat ist nach dem niederländischen Apotheker und Chemiker Petrus Jacobus Kipp (1808 – 1864) benannt, der ihn 1844 beschrieben und erstmals verwendet hat, um Wasserstoff zu erzeugen. Hersteller des Prototyps von Kipps Apparat war der Glasbläser Heinrich Geißler (1814 – 1879), Erfinder der geißlerschen Röhre, heute bekannt als Leuchtstofflampe.
Kjeldahl-Kolben sind birnenförmige Rundglaskolben aus schwer schmelzbarem Glas mit langem Hals oder Normalschliff. Er wurde nach dem dänischen Chemiker Johan Kjeldahl (1849 – 1900) benannt, der ihn für nasschemische Aufschlüsse entwickelte. Eine Anwendung war die ebenfalls nach ihm benannte quantitative Methode zur Stickstoffbestimmung. Der Kjeldahl-Kolben dient auch als Destillationsempfänger bei organischen Synthesen und für analytische Zwecke.
Der Liebigkühler wird besonders häufig in der Laboratoriumspraxis verwendet, und zwar als Produktkühler bei Destillationen von Flüssigkeiten auch unter vermindertem Druck. Obgleich der Kühler den Namen Justus Liebigs (1803 – 1873) trägt, der ihn populär machte, hatte Christian Weigel (1748 – 1831) den Kühler bereits im Jahr 1771 in seiner Dissertation „Observationes chemical et mineralogical“ erstmals beschrieben.
Petrischalen, flache, runde, durchsichtige Schalen mit glattem Rand und übergreifendem Deckel, dienen in der Mikrobiologie zum Züchten von Bakterien und Pilzen. Im Jahr 1887 erfand sie der Bakteriologe Julius Richard Petri (1852 – 1921) während seiner Arbeit bei Robert Koch (1843 – 1910). Petri verbesserte zahlreiche Arbeitsverfahren und Gerätschaften für den medizinischen Gebrauch, darunter einen Sandfilter und noch heute gebräuchliche Versandgefäße für Stuhl- und Urinproben.
Schlenk-Kolben oder -rohr ist ein Rundboden-, Birnen- oder Röhrenkolben mit einem Schliff und einem Seitenarm mit einem Absperrhahn, der verhindert, dass Luft hineingerät. Dadurch lassen sich Substanzen unter Ausschluss von Luftsauerstoff und Luftfeuchtigkeit verarbeiten (Schlenktechnik). Das Reaktionsgefäß trägt den Namen seines Erfinders und eines der Begründer der metallorganischen Chemie, Wilhelm Johann Schlenk (1879 – 1943). Nach ihm benannt ist auch die Schlenk-Fritte zum Filtrieren von Suspensionen unter Schutzgasbedingungen sowie das Schlenk-Gleichgewicht von Grignard-Verbindungen.
Der Soxhlet-Aufsatz ist der zentrale Bestandteil des Soxhlet-Extraktors für Festflüssigextraktion unter Rückfluss. Der Extraktor nutzt das Ablaufsiphon-Prinzip, um den Extrakt laufend abzuziehen und das Extraktionsgut immer wieder mit erneut verdampftem und kondensiertem Lösungsmittel auszulaugen. Dieser Apparat ist nach dem Agrikulturchemiker Franz von Soxhlet (1848 – 1926) benannt, der damit 1879 erstmals den Fettgehalt getrockneter Lebensmittel bestimmte. Allerdings wird die Konstruktion des bedeutendsten Teils des Gerätes, des Siphons, einem seiner Mitarbeiter zugeschrieben, dem Laborglasbläser J. Szombathy.
Eine Woulfe‘sche Flasche, eine starkwandige, dreihalsige Glasflasche mit drei aufgesetzten Ventilen, dient als Gasentwicklungsflasche, Absorptionsgefäß oder Vorschaltflasche bei Vakuumapparaturen. Die ersten Flaschen zum Waschen von Gasen beschrieb der irische Chemiker und Mineraloge Peter Woulfe (1727 – 1803) im Jahr 1767. Den Woulfe‘schen Apparat verbesserte später der französische Chemiker Jean Joseph Welter (1763 – 1852) durch ein Sicherheitsrohr.
Der Wurtz-Kolben, ein langhalsiger Rundkolben mit einem seitlichen Glasauslauf, auf den ein Liebigkühler gesetzt werden kann, ist nach dem französischen Arzt und Chemiker Charles Adolphe Wurtz (1817 – 1884) benannt. Er stand bei der Entwicklung des Destillierkolbens in allen seinen Variationen Pate. Seinen Namen tragen auch die Wurtz-Reaktion oder die Wurtz-Fittig-Synthese von Kohlenwasserstoffen.
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