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Parteien zur Wahl

Mehr Geld für die Wissenschaft wünscht sich die deutsche Forschungsgemeinschaft, steuerliche Förderung und weniger Bürokratie möchte die chemische Industrie. Die GDCh hat nachgefragt, was die Parteien vorhaben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat Handlungsfelder und -empfehlungen für di...

Kreislaufwirtschaft ist einer der zentralen F&ouml;rderschwerpunkte der Deutsche Bundesstiftung Umwelt. Maximilian Hempel, Abteilungsleiter f&uuml;r Umweltforschung und Naturschutz, erl&auml;utert, wie es dazu kam.
Nachrichten aus der Chemie: Was verstehen Sie unter nachhaltiger Chemie?
Maximilian Hempel: Nachhaltige Chemie ist das, was Chemie f&uuml;r eine nachhaltige Entwicklung leistet. Chemie ist ja eine der Wissenschaften, die in alle m&ouml;glichen Lebensbereiche hineinspielt. Sie kann einen Beitrag leisten, wenn wir uns schon am Beginn von Prozessen &uuml;ber Nachhaltigkeit Gedanken machen.
Was bedeutet das?
Die Sicht auf Chemiker ist zuweilen ambivalent: Mal gelten sie als Heilsbringer, mal als Ursache von Problemen. Gerade in der Pandemie leisten etwa Chemie- und Pharmaunternehmen Gro&szlig;es bei der Entwicklung von Wirkstoffen. Allerdings: Die Produkte verursachen teils im Anschluss in der Umwelt Probleme. Kl&auml;ranlagenbetreiber &uuml;berlegen gerade, eine vierte Reinigungsstufe zu implementieren, um Arzneimittelr&uuml;ckst&auml;nde und andere Mikroschadstoffe zur&uuml;ckzuhalten. Hier kann nachhaltige Chemie eine Rolle spielen, verbunden mit Fragen wie: Warum wird es nicht zu einem Ziel, leicht abbaubare Medikamente zu entwickeln oder generell Produkte, die m&ouml;glichst wenig die Umwelt belasten?
Zeigt sich das auch bei den Projekten, die die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, DBU, f&ouml;rdert? Beobachten Sie hier eine Tendenz?
Ja, es gibt diese grunds&auml;tzlichen Trends. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt existiert seit 30 Jahren. Ganz am Anfang haben wir sehr viele Projekte und auch Stipendien im nachsorgenden Umweltschutz gef&ouml;rdert.
Also Projekte, die Sch&auml;den beseitigen sollten?
Genau: Altlastensanierung, Abwasseraufbereitung, Luftfilter, Emissionsminderungsma&szlig;nahmen. Heute geht es dagegen um vorsorgenden Umweltschutz. Das hei&szlig;t: Zentrale Herausforderungen sieht die DBU im Klimawandel, im Biodiversit&auml;tsverlust und im Umgang mit Rohstoffe und Ressourcen sowie bei sch&auml;dlichen Emissionen.
W&uuml;nschen Sie sich mehr Engagement der Chemiker f&uuml;r eine nachhaltige Entwicklung?
Es gibt Aktivit&auml;ten und Aktionen in der Chemiebranche, die vorbildhaft sind. Beispiele sind die k&uuml;rzlich gegr&uuml;ndete Initiative f&uuml;r einen Weltchemikalienrat IPCP oder &bdquo;Chemie hoch drei&ldquo;.
Also der Zusammenschluss von Chemiearbeitgebern, der Gewerkschaft IG BCE und dem Verband der Chemischen Industrie.
Ja, eine sehr sch&ouml;ne Initiative. Ich beobachte bei vielen Chemieunternehmen, vom Mittelst&auml;ndler bis zum Gro&szlig;unternehmen, dass Nachhaltigkeit eine immer st&auml;rkere Rolle in Debatten und Bewertungen spielt. Viele Unternehmen haben schon vor Jahren Tools entwickelt, um ihre Prozesse zu optimieren. Sie betrachten dabei nicht nur &ouml;konomische, sondern auch &ouml;kologische und soziale Dimensionen.
Es ist also schon fast alles gut?
Wir sollten uns stets weiterentwickeln. Chemikerinnen und Chemieingenieure k&ouml;nnen sich Gedanken dar&uuml;ber machen, wie die Syntheseleistung der Natur besser genutzt werden kann, wie kritische Materialien zu vermeiden und Stoffkreisl&auml;ufe zu nutzen sind. Hilfreich daf&uuml;r ist, wenn sich Chemikerinnen und Chemiker nicht nur mit der effizienten Herstellung von Materialien besch&auml;ftigen, sondern auch damit, was mit ihren Produkten ganz am Ende des Lebenszyklus geschieht, also in welcher Form sie vorliegen, ob sie r&uuml;ckgewinnbar sind oder in unbedenkliche Stoffe zerfallen.
Vielleicht optimieren Unternehmen eher den Produktionsprozess als die Substanzen.
Tats&auml;chlich ist das so. Aber die vor uns liegenden Aufgaben sind interdisziplin&auml;r und erfordern eine ganzheitliche Betrachtung. Ist bei Abf&auml;llen der chemische L&ouml;sungsweg der richtige oder eher ein werkstofflicher Sortierprozess? Oder brauchen wir ein Pfandsystem, damit Stoffe m&ouml;glichst sortenrein zum Hersteller zur&uuml;ckkommen und nicht auf dem M&uuml;ll landen? Es gibt unterschiedliche Wege, und manchmal muss sich der politische Rahmen &auml;ndern, damit etwas funktioniert.
Wie stark nimmt die Politik Einfluss auf F&ouml;rderungen und Ausrichtung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt?
Wir sind eine privatrechtliche Stiftung, also unabh&auml;ngig und parteipolitisch neutral. Wir sind durch die Bundesregierung gegr&uuml;ndet worden, sind aber nicht einem Ministerium unterstellt. Es gibt ein Kuratorium als Entscheidungsgremium.
Dem auch Bundestagsabgeordnete und Staatssekret&auml;re angeh&ouml;ren.
Das ist parit&auml;tisch besetzt, NGO-Vertreter sind dabei, aber ebenso Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft &ndash; eine bunte Mischung also. Ich treffe das Kuratorium alle drei Monate. Dieses Gremium bestimmt die gro&szlig;en Linien und entscheidet &uuml;ber die gro&szlig;en Projekte. F&ouml;rderlinien und -themen entwickeln wir in einem Dialogprozess.
Die DBU hat den Auftrag, angewandte Forschung zu f&ouml;rdern, also dezidiert keine Grundlagenforschung. Wo ziehen Sie die Grenze zwischen Anwendungs- und Grundlagenforschung?
Wir haben ein praktisches Kriterium, ob n&auml;mlich Anwender am Projekt beteiligt sind. Wir wollen unsere Aktivit&auml;ten im Austausch mit Fachexpertinnen und -experten aus der Wissenschaft entwickeln, aber auch mit Landwirten, Wasserbetrieben und Verbraucherinnen. Mit denen also, die in der Praxis Verantwortung tragen. Wenn wir auf ein Thema aufmerksam machen wollen, schreiben wir es als F&ouml;rderschwerpunkt aus. Im zur&uuml;ckliegenden Jahr haben wir elf Projekte in die F&ouml;rderung genommen, die auf Vermeidung und Verminderung von Pestiziden in der Umwelt abzielen.
Mit den Promotionsstipendien f&ouml;rdern Sie aber auch grundlagenorientierte Arbeiten?
Ja, wir haben Stipendiaten, die grundlegendere Fragen bearbeiten, etwa zum Verst&auml;ndnis von Mechanismen. Solche Forschungsfragen sind auch willkommen. Bei den Stipendien gibt es eine ganze Bandbreite. Derzeit haben wir ein Promotionskolleg &bdquo;Besser wirtschaften und leben in Kreisl&auml;ufen &ndash; Transformationspotenziale der Circular Economy&ldquo; initiiert.
Was ist das Ziel?
Im Kolleg befassen sich die Teilnehmer mit dem gesamten Lebenszyklus von Produkten und mit der Entwicklung nachhaltiger Wirtschaftssysteme, und daf&uuml;r sind Fachkenntnisse aus Chemie und Technik, aber auch aus Sozial- und Wirtschaftswissenschaften erforderlich. Mit den Stipendiatinnen und Stipendiaten stehen wir in engem Austausch. Wir laden sie regelm&auml;&szlig;ig zu Seminaren ein, bei denen dann Chemiker neben Biologinnen sitzen, Juristen neben Physikerinnen und aktuelle Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen diskutieren.
Und vermutlich lernen sie dabei, dass eine Umweltdiskussion mehr ist als eine rein chemische oder eine rein juristische.
Ja, solche Forscher entwickeln einen ganzheitlichen, politischen Blick. Hinterher sind sie sattelfester bei der Diskussion und in der Einsch&auml;tzung von Umwelt und Nachhaltigkeitsthemen. Wir w&uuml;nschen uns daher Bewerbungen aus m&ouml;glichst vielen unterschiedlichen Fachrichtungen.
Haben sich auch die F&ouml;rderschwerpunkte in diese Richtung entwickelt?
Als die Deutsche Bundesstiftung Umwelt im Jahr 2004 das Thema nachhaltige Chemie in ihre Statuten aufnahm, hatten wir noch methodische Zug&auml;nge gew&auml;hlt sowie chemische, technische oder biotechnologische Themen gesucht und gef&ouml;rdert. Damit waren die Fachrichtungen relativ klar abgrenzbar. 2016 haben wir unsere Strategie ge&auml;ndert und uns den bedeutenden Umweltproblemen gewidmet: Grundgedanke war das Konzept der planetaren Leitplanken, verbunden mit der Frage, wer dazu einen Beitrag leisten kann. Das Gesicht der Projekte und auch die Zielgruppen haben sich daher gewandelt.
Welche Themen werden Ihrer Ansicht nach an Bedeutung gewinnen?
Ein Impulsgeber kann die Europ&auml;ische Union mit ihrem Green Deal werden, auch wegen ihrer Klimaziele. Ein Thema, mit dem sich die DBU verst&auml;rkt befassen wird, ist die Circular Economy. Hier kann die Chemie Impulse setzen &ndash; nicht nur als Branche, sondern auch mit all den Forschenden und ihren cleveren Ideen. Dabei ist wichtig, die naturwissenschaftlichen und technischen Innovationen nicht isoliert zu denken, sondern mit anderen daf&uuml;r notwendigen Entwicklungen.
Welche sind das?
Zum Beispiel ist zu fragen, welche neuen Businessmodelle zu einer technischen Innovation passen. Zudem sind gesellschaftliche Aspekte zu ber&uuml;cksichtigen und Verbraucherbed&uuml;rfnisse, etwa die Frage, wie wir die in eine Circular Economy einbinden k&ouml;nnen.
Damit ein Produkt eine Chance auf dem Markt hat.
Viele gute Ideen oder Umwelt-Design-Konzepte scheitern, weil das Businessmodell nicht funktioniert oder Verbraucherinnen und Verbraucher das Produkt anders nutzen als erwartet.
Welche Themen m&ouml;chten Sie am liebsten f&ouml;rdern?
Kreislauff&uuml;hrung wird zu einer der Schl&uuml;sselfragen der Zukunft. Ein Beispiel: Im Moment verwenden wir fast das gesamte Periodensystem, um Produkte herzustellen. Die Stoffvielfalt hat rasant zugenommen. Das bringt tolle Funktionen, und dahinter steckt immer eine herausragende wissenschaftliche Leistung. In einem Smartphone etwa sind 40 bis 45 verschiedene Elemente in wenigen hundert Gramm. Aber das Wissen, dass diese wertvollen Materialien nicht zur&uuml;ckgewonnen werden, ist sehr ern&uuml;chternd und frustrierend. Das Design und eine Businessl&ouml;sung daf&uuml;r fehlen. Hier bietet sich Chemikerinnen und Materialwissenschaftlern ein enormes Potenzial. Es geht darum, sich Gedanken zu machen, wie wir solche Stoffe und Materialien im Kreislauf f&uuml;hren. Das Gleiche trifft auf Textilien zu. Die Rohstoffbedarfe in der Textilindustrie sind enorm. In Deutschland existiert eine wettbewerbsf&auml;hige und innovative Textilchemie, die Fasern mit unterschiedlichen Funktionen entwickelt und produziert. Aber bisher gelingt eine umweltschonende und zugleich wirtschaftliche Kreislauff&uuml;hrung f&uuml;r solche Materialien nicht. Chemikerinnen und Chemiker k&ouml;nnen das nicht alleine angehen, sondern nur gemeinsam mit Recyclern, Werkstoffwissenschaftlern, Designern, Betriebswirten und Wissenschaftlern, die Verbraucherverhalten beschreiben k&ouml;nnen.
Das hei&szlig;t, eine Textilie, die eine elektronische Funktion hat, betrachten Sie eher mit Sorge?
Es gibt n&uuml;tzliche und sinnvolle Funktionen bei Textilien &ndash; etwa Schutzkleidung f&uuml;r Feuerwehrleute, die mit Sensoren ausgestattet wird. Das sind teure Textilien, in denen unglaublich viel Know-how drinsteckt. Doch es ist volkswirtschaftlich unvern&uuml;nftig, ja geradezu absurd, wenn uns nach Verschlei&szlig; solcher Funktionskleidung nichts Besseres einf&auml;llt, als sie zu verbrennen. Anspruch sollte vielmehr sein, dass wir nicht nur tolle Produkte entwickeln, sondern auch ber&uuml;cksichtigen, was nach Ende der Nutzung damit passiert.
F&uuml;r die Chemie bedeutet das, &hellip;
&hellip; dass sie einen wichtigen Beitrag bei L&ouml;sungen zur Reduzierung des Rohstoff- und Ressourcenverbrauchs leisten kann &ndash; und muss. Denn die Branche wird nicht umhinkommen, in Zukunft mit weniger Rohstoffen weiterhin eine hohe Wertsch&ouml;pfung zu erzielen.
Mit Maximilian Hempel sprach Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski.
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<figcaption><label>Abb. 1: </label>Grafik: RNko &ndash; <a href="https://stock.adobe.com" target="_blank" rel="noopener">stock.adobe.com</a></figcaption>
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<h2>INFO:Deutsche Bundesstiftung Umwelt</h2>
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, DBU, f&ouml;rdert seit dem Jahr 1991 Umwelttechnik, -forschung und -kommunikation sowie Natur- und Kulturg&uuml;terschutz. Bisher hat sie 10 200 Projekte mit 1,9 Milliarden Euro unterst&uuml;tzt. Das Stiftungskapital betr&auml;gt 2,32 Milliarden Euro, damit z&auml;hlt die DBU zu den gr&ouml;&szlig;ten Stiftungen Europas. Im letzten Jahr betrug die F&ouml;rdersumme 58,3 Millionen Euro.
Mehr als die H&auml;lfte der Projektmittel geht an die mittelst&auml;ndische Wirtschaft, h&auml;ufig in Kooperationsprojekten mit Hochschulen und au&szlig;eruniversit&auml;ren Forschungseinrichtungen als Partner. Die DBU unterst&uuml;tzt auch Projekte einzelner Unternehmen und anderer gesellschaftlicher Akteure wie Nichtregierungsorganisationen, Vereine und Verb&auml;nde. In den letzten zehn Jahren hat die DBU rund 400 Antr&auml;ge f&uuml;r Chemieprojekte erhalten und davon 123 bewilligt.
Zudem vergibt die Stiftung Promotionsstipendien. Pro Jahr stehen zwischen 50 und 60 zur Verf&uuml;gung, davon gehen etwa 10 an Chemiker. In der Regel kommen vier Bewerber auf ein Stipendium.
<a href="https://dbu.de" target="_blank" rel="noopener">dbu.de</a>
<h2>Zur Person: Maximilian Hempel</h2>
Maximilian Hempel leitet seit dem Jahr 2019 bei der Deutschen Bundesstiftung die Abteilung Umweltforschung und Naturschutz. Hempel studierte Geologie mit Schwerpunkt Geochemie an der Universit&auml;t Hamburg und promovierte &uuml;ber Quecksilber in der Umwelt. Danach arbeitete er in einem Ingenieurb&uuml;ro f&uuml;r Umwelttechnik in Berlin und am Institut f&uuml;r Chemie des heutigen Helmholtz-Zentrums Geesthacht. Er war einer der Gr&uuml;nder des Umweltlabors Galab und dessen Gesch&auml;ftsf&uuml;hrer. Im Jahr 2002 kam er zur Bundesstiftung Umwelt, wo er zun&auml;chst das Referat Umweltchemie leitete und unter anderem den F&ouml;rderbereich &bdquo;Nachhaltige Chemie&ldquo; aufbaute. Zudem leitet er die DBU-Projektgruppe Ressourceneffizienz. In der GDCh engagiert er sich im Vorstand der Fachgruppe Nachhaltige Chemie.
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Foto: DBU

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