Bildung + Gesellschaft

Ein starkes Umweltrecht schützt uns und fördert nachhaltige Innovationen.
Über Jahrtausende strahlender Atommüll, giftige Chemikalien in Spielzeug, Plastikstrudel in den Meeren, hormonstörende Stoffe im Wasser, Klimaerhitzung – all dies wäre bei konsequenter Anwendung des Vorsorgeprinzips vermeidbar gewesen.Das Vorsorgeprinzip sieht vor, dass nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik Vorsorge gegen mögliche Umweltschäden getroffen wird, selbst wenn es keine vollständige wissenschaftliche Gewissheit über die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens oder die Schadenshöhe gibt. Es ist ein Grundprinzip europäischen und deutschen Umweltrechts. Völkerrechtlich ist es in internationalen Übereinkommen wie der UN-Klimarahmenkonvention verankert. Das europäische Haftungsrecht ist dagegen relativ schwach, während in den USA hohe Haftungsrisiken drohen, falls ein Unternehmen umwelt- oder gesundheitsschädliche Produkte vermarktet. Die US-Gerichtsverfahren zu Glyphosat sind dafür ein Beispiel.Derzeit treten Akteure auf den Plan, die das Vorsorgeprinzip in Frage stellen. Bereits 2013 wurde dafür der Begriff „Innovationsprinzip“ vom European Risk Forum, getragen unter anderem von Chemie-, Kohle- und Tabakindustrie, gezielt in die Debatte eingebracht, um Umwelt- und Gesundheitsstandards in der EU-Chemikalienverordnung sowie in EU-Vorschriften zu Lebensmittelsicherheit, Nanomaterialien, Pharmazeutika, Medizinprodukten und Biotechnologie zu schwächen. Ihr Treiben beginnt zu wirken: Im europäischen Forschungsrahmenprogramm „Horizon Europe“ soll neben dem Prinzip der Vorsorge erstmals ein Innovationsprinzip gleichrangig verankert werden. Zu Recht warnt ein Bündnis aus Umwelt- und Gesundheitsorganisationen vor diesem Schritt. Damit würde das Vorsorgeprinzip relativiert, langfristig möglicherweise sogar ersetzt.Indirekt wird behauptet, das Vorsorgeprinzip bremse notwendige Innovationen aus. Das Gegenteil ist der Fall. Das Vorsorgeprinzip ist ein Innovationstreiber für genau die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technischen Innovationen, die wir brauchen, um die Weltgemeinschaft auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen.Es ist wichtig, umweltbezogene und ethische Fragen sorgfältig zu beantworten, bevor Techniken ausgerollt werden, die irreversible Folgen haben. Verfahren wie Genome Editing, synthetische Biologie oder Geoengineering erreichen Wirkungen, die nur schwer absehbar sind. An vielen Stellen zeigt sich schon jetzt, dass es im Nachhinein nur mit sehr hohem Aufwand und starken Eingriffen, auch in wirtschaftliche Interessen, möglich ist, Fehler der Vergangenheit wenigstens im Ansatz zu beheben. Das Vorsorgeprinzip ist daher zu stärken statt zu relativieren. Das Innovationsprinzip darf keinen Platz in nationalem oder europäischem Recht bekommen. Würde man es einführen, müsste man das Haftungsrecht verschärfen.Die Einhaltung des Umweltrechts muss noch besser vor Gerichten überprüfbar sein. Klagebefugnisse für Umweltverbände dürfen nicht eingeschränkt werden. Auch die Aarhus-Konvention, der erste völkerrechtliche Vertrag, der jeder Person Rechte im Umweltschutz zuschreibt, muss in Deutschland vollständig umgesetzt werden. Schließlich gehört das Vorsorgeprinzip in internationale Handelsverträge, damit Konzerne nicht Staaten verklagen können, weil das europäische Umwelt- und Gesundheitsrecht ihren wirtschaftlichen Belangen entgegensteht.Chancen bietet die Digitalisierung mit verantwortungsvoller Verknüpfung von Umweltdaten und Forschung sowie der zeitnahen Implementierung von Anwendungserfahrungen. Dabei muss das Allgemeinwohl im Vordergrund stehen.<h2>Die Autorin</h2>Die promovierte Biologin Bettina Hoffmann ist seit dem Jahr 2017 Mitglied des Bundestages, Sprecherin für Umweltpolitik und Obfrau im Parlamentarischen Beirat für Nachhaltigkeit der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.<div><img src="https://media.graphcms.com/Q2Y630OcQm2wdtSSBS3V">

</div>„Pro und Contra“ wird von der GDCh-Fachgruppe Seniorexperten Chemie betreut. Jörn Müller koordiniert die Beiträge.

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Pro & Contra Innovationsprinzip: Das Vorsorgeprinzip ist ein Innovationstreiber

Ein starkes Umweltrecht schützt uns und fördert nachhaltige Innovationen. Über Jahrtausende strahlender Atommüll, giftige Chemikalien in Spielzeug, Plastikstrudel in den Meeren, hormonstörende Stoffe im Wasser, Klimaerhitzung – all dies wäre bei konsequenter Anwendung des Vorsorgeprinzips vermeid...

Prof.Dr.Dr.-Ing.E.h.

Am ersten industriell produzierten Kunststoff lässt sich die historische Rohstoffbasis der industriellen Chemie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts erkennen: Die stoffliche Basis für die Bakelitsynthese waren Produkte der Holz- und der Teerchemie.
Holzchemie und Teerchemie prägten viele Jahre die chemische Industrie, sind heute aber weitgehend Geschichte. Doch bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts waren Destillate der Holzverkohlung und Teerverarbeitung die Basis der aliphatischen und aromatischen industriellen Chemie. Sie wurden dann durch Synthesegas, etwa aus Braunkohle, und Acetylen aus Kohle und Kalk ersetzt. Teer behielt eine gewisse Bedeutung als Rohstoff für Ruße.Aus historischer Sicht interessant ist, dass der erste industrielle Kunststoff, Bakelit, gleichsam durch Synthese von Holz- mit Teerchemie entstand. Diese lieferte aus Steinkohlenteer das Edukt Phenol, jene aus Holzgeist das Edukt Formaldehyd.<h2>Der Bakelit-Erfinder</h2>Der Flame Leo Hendrik Baekeland war 21 Jahre alt, als er im Jahr 1884 in Gent mit „summa cum laude“ promoviert wurde. Anschließend war er am Lehrerseminar in Brügge tätig und schrieb hier die wissenschaftliche Abhandlung „Über die Phänomene der Dissoziation“, die im Jahr 1887 als beste Arbeit im Fach Chemie den ersten Preis der belgischen Akademie der Wissenschaften erhielt. Damit verbunden war ein Reisestipendium, das ihn über London, Oxford und Edinburgh an die Columbia University von New York zu dem Chemiker Charles F. Chandler führte. Obwohl Baekeland inzwischen in Gent zum Professor ernannt worden war, blieb er in den USA.Er war zunächst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, befreite sich aber daraus durch eine Erfindung: Gemeinsam mit Leonard Jacobi, dem Direktor des Chemieunternehmens Nepera Chemical Company, entwickelte er im Jahr 1893 das Fotopapier „Velox“, auf dem sich Fotos schnell bei Kunstlicht entwickeln ließen. George Eastman, der Erfinder der fotographischen Trockenplatten, des Celluloid-Rollfilms und der Kodak-Kamera, sah seine marktführende Stellung gefährdet, suchte das Gespräch mit Leo Baekeland und schloss mit ihm einen exklusiven Lizenzvertrag. Eastman &amp; Kodak zahlte dem 36-jährigen Baekeland eine Million Dollar an Lizenzgebühren.Leo Baekeland kaufte mit dem Geld ein Anwesen in Yonkers, New Jersey, und richtete dort ein elektrochemisches Labor ein. Um sich weiterzubilden, reiste Leo Baekeland noch einmal nach Europa und schrieb sich für das Wintersemester 1899/1900 in Berlin an der TH Charlottenburg für Elektrotechnik ein. Zurück in den USA entwickelte er mit den erworbenen Kenntnissen in seinem Labor eine Diaphragma-Elektrolysezelle. Hooker Elektrochemical Corporation produzierte diese Zelle in Niagara Falls in Lizenz. Hooker wurde dadurch zum weltgrößten Elektrochemie-Unternehmen mit Leo Baekeland als Berater.<h2>Der Weg zum Bakelit</h2>Baekeland beschäftigte die mangelhafte Isolierung in der Elektrotechnik. Damit verbunden waren Probleme wie Energieverlust oder die Gefährdung durch den Strom. Er dachte über isolierende Kunstharze nach, denn Naturharze und darauf beruhende Produkte wie Kopal, Schellack oder Guttapercha waren unbefriedigend, ebenso die von Gustav Kraemer und Adolf Spilker bei Rütgers in Erkner 1890 entdeckten Inden-Cumaron-Harze. Diese hatten aber der jungen Firma ein erstes Knowhow bei Polymeren vermittelt.Baekeland las Patentschriften und wissenschaftliche Publikationen unter anderem über die Umsetzungen von Phenol mit Formaldehyd. Dabei ergab sich für ihn Folgendes: Phenol und Formaldehyd reagieren mit einer Säure oder Base zu Harzen. Je nach Versuchsbedingungen kann das Harz löslich und schmelzbar sein – oder es entsteht ein unschmelzbarer Stoff. Bislang wurden Phenol und Formaldehyd bei Temperaturen unter 100 Grad Celsius umgesetzt, weswegen die Reaktionen lange dauerten. Zudem macht gasförmiges Formaldehyd Materialien porös.Mit den Erlösen aus dem Verkauf der Patentrechte an Velox hatte Baekeland das Labor in Yonkers modern ausgestattet. Im Jahr 1904 errichtete er ein Technikum und wiederholte die Experimente mit Phenol und Formaldehyd; er veränderte dabei deren Verhältnis und verwendete Zusatzstoffe. Als er zum Beispiel den besten Katalysator suchte, probierte er eine breite Palette von Säuren und Basen. Die Unterschiede der einzelnen Ergebnisse waren gering, doch nach drei Jahren Arbeit war Baekeland am 20. Juli 1907 am Ziel.In dem von ihm konzipierten und gebauten Temperatur-Druckreaktor – genannt „Old Faithfull“ – waren bei 200 Grad Celsius unter Druck aus Phenol aus Steinkohlenteer und Formaldehyd aus Holzgeist 180 Liter einer bernsteinfarbenen viskosen Masse entstanden. Dieses Harz erwies sich als geeignet für die gesuchten Isoliermassen, aber auch für Pressmassen. Baekeland wurde mit diesem Material, das er Bakelite nannte, zum Vater der Kunststoffe.Die Rohstoffe für seine Versuche erhielt er von The Roessler &amp; Hasslacher Company, Perth Amboy: Formaldehyd aus der lokalen Produktion und Phenol durch Import aus Deutschland.Baekeland meldete für seine Erfindung ab dem Jahr 1907 Patente in den USA an, darunter auch das wohl wichtigste Patent, das für den Old-Faithfull-Reaktor, das im Dezember 1909 als US-Patent 942699 erteilt wurde. Das entsprechende Deutsche Patent 2333803 erhielt der Erfinder im Januar 1911.Zunächst gab es schwere Patentauseinandersetzungen, insbesondere mit der im Jahr 1886 gegründeten Chemischen Fabrik Knoll, Ludwigshafen. Dort hatte der Chemiker Hans Lebach (1881–1961) bei ähnlichen Versuchen den Duroplast Resit entwickelt, der chemisch dem Bakelit entspricht. Baekeland konnte sich nicht durchsetzen, da er zwar seine Patente in den USA ab dem Jahr 1907, also früher angemeldet hatte als Lebach und Knoll, diese aber in Deutschland fünf Monate eher dran waren als Baekeland in den USA. Erst am 16. August 1910 erhielt er aus Berlin die Nachricht, dass die Firma Knoll ihre Rechte an die Bakelite GmbH übertragen hatte. Mehr noch: Knoll wurde Mitgesellschafter der Bakelite GmbH und Hans Lebach ab dem 1. Oktober 1910 Mitarbeiter der Bakelite GmbH in Berlin und Erkner. In den nächsten Jahren gründete er für diese Tochterfirmen, so 1911 bei London die Bakelite Ltd., die er bis zum Kriegsbeginn 1914 leitete. Auch in Frankreich und der Schweiz war er an der Vorbereitung und Gründung von Bakelite-Töchtern beteiligt.Nachdem sie sich während eines Chemiekongresses 1912 in den USA getroffen hatten, entspannte sich das persönliche Verhältnis Baekelands und Lebachs deutlich. In Fachartikeln betonten sie die Gemeinsamkeiten ihrer Erfindungen. In der Fachliteratur wurden beide meist in einem Zusammenhang genannt. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Lebach 1938 ins KZ Dachau verschleppt, doch unter anderem mit Unterstützung Baekelands konnte er vor der nationalsozialistischen Verfolgung in die USA emigrieren. Dort war er bis zu seinem Ruhestand 1954 für das Unternehmen Haveg tätig, das er 1933 bei Newark/Delaware selbst mit aufgebaut hatte. Dieses nutzte Patente zur Kunststoffbeschichtung von Großbehältern der Säureschutz GmbH in Berlin-Altglienicke. Auch dieses Unternehmen hatte Lebach 1922 mit Beteiligung der Bakelite GmbH in Erkner mitgegründet.Ein weiterer Wegbereiter des Bakelits von der Erfindung zum Massenkunststoff war Hippolyt Köhler (1855–1919). Dieser umtriebige technische Chemiker verfasste um das Jahr 1910 herum Handbücher der industriellen Chemie, etwa das „Handbuch der chemischen Technologie“, „Die Fabrikation des Rußes und der Schwärze“ oder „Die Industrie der Cyanverbindungen“.Köhler war als Chemiker Leiter des Cyanid-Betriebs bei The Roessler &amp; Hasslacher Company, Perth Amboy gewesen und kannte Baekeland aus dem Chemist Club New York. Später kehrte er nach Deutschland zurück und war von 1905 bis zu seinem Tod einer der Direktoren der Rütgerswerke.<h2>Das Unternehmen Bakelite in Deutschland</h2>Baekeland stellte seine Ergebnisse der Kondensation von Phenol und Formaldehyd zu dem neuen technischen Kunststoff Bakelit (englisch: Bakelite) mit vielfältigen Anwendungen erstmals am 5. Februar 1909 auf der Tagung der New Yorker Sektion der American Chemical Society vor. Sein Vortrag fand große Beachtung, auch in Tageszeitungen. Ab dem 23. März 1909 erschien zudem eine Artikelserie „Bakelite – ein neues synthetisches Harz“ in der deutschen Chemiker Zeitung.Rütgers, wo Hippolyt Köhler Direktor war, wurde auf die Publikation aufmerksam. Dort hatten Chemiker das Cumaron-Inden-Harz, ein synthetisches Kohlenwasserstoffharz durch Polymerisation des Cumarons, Indens und einiger verwandter Verbindungen gewonnen. Chefchemiker war Johannes Max Weger. Er und wohl auch Köhler lasen die Publikationen und Patentschriften Baekelands und empfahlen – in Anknüpfung an das Cumaron-Inden-Harz – der Rütgers-Konzernleitung, mit Baekeland Kontakt aufzunehmen. Das passierte am 29. Mai 1909 auf einem Chemiekongress in London: Hippolyt Köhler traf den Bakelit-Erfinder und lud ihn nach Berlin und Erkner ein. Baekeland blieb etwa zwei Monate in Deutschland. Er kontaktierte verschiedene Firmen, beriet sich mit Patentanwälten, traf den Vorstandsvorsitzenden der Rütgerswerke, Sali Segall, und wenig später auch Max Weger. Nach schwierigen Verhandlungen erwarben die Rütgerswerke die Patentrechte für Europa; die Verträge wurden am 17. Juli 1909 unterschrieben. Weger und seine Mitarbeiter wurden mit der Nacharbeitung der Baekeland-Versuche und der Übertragung in den technischen Maßstab betraut. In einem alten Schuppen der Teerraffinerie in Erkner wurden der erste Phenolharzkocher installiert und die ersten Chargen des Kunststoffes hergestellt.Die Bakelite Gesellschaft mbH, Berlin-Erkner, mit Weger als Chef wurde am 25. Mai 1910 gegründet. Neben dem Hauptaktionär Rütgers waren Baekeland und – mit einen geringen Anteil – die Firma Knoll beteiligt.Nach der Beilegung der Patentstreitigkeiten in Deutschland mit Knoll und Lebach im August gründete Baekeland Ende September 1910 in New York seine General Bakelite Company unter Beteiligung von The Roessler &amp; Hasslacher Chem. Co. Auf deren Fabrikgelände in Perth Amboy südlich von New York – wo einst auch Hippolyt Köhler gewirkt hatte – entstand dann im Jahr 1913 die erste industrielle Produktionsanlage für Bakelit in den USA. Nachfolgegesellschaft der General Bakelite Company wurde 1922 die Bakelite Corporation.In Erkner entstand ab 1913 gegenüber der Rütgers Teerraffinerie ein eigenes Werk der Bakelite GmbH; im Jahr 1938 folgte ein weiteres Werk (Werk II) in der Nähe des Bahnhofs. Die Rohstoffe Phenol und Formaldehyd für Bakelit stammten aus der Rütgers-Teerraffination beziehungsweise von der Hiag aus dem weniger als 20 km entfernten Hiag-Werk Wildau.Am 8. März 1944, nur ein paar Tage nach Baekelands Tod, trafen Luftangriffe der Alliierten Erkner, Teile der Bakelite-Werke und die Teerraffinerie schwer. Zur Aufrechterhaltung der kriegswichtigen Phenolharzproduktion wurde ein Teil der Produktionsanlagen samt Fachpersonal in die Rütgerswerke München-Pasing und nach Dohna bei Dresden verlagert. Am 21. April 1945 marschierte die Rote Armee in Erkner ein und stoppte die Produktion. Das Bakelite-Werk II wurde demontiert, die Teerraffinerie produzierte bis in die 1950er Jahre Reparationsgüter für die Sowjetunion. Ab 1948 begann in Erkner langsam wieder die Kunststoffproduktion.Die Produktionsanlage in München-Pasing, die unzerstört geblieben war, ging 1948 wieder in Betrieb, stieß jedoch bald an ihre Kapazitätsgrenzen.Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Firmensitz nach Iserlohn-Letmathe verlegt und eine Großanlage gebaut. 1957 begann die Phenolharz-Produktion in Duisburg-Meiderich, 1976 kam das Werk Frielendorf bei Kassel hinzu. Im Jahr 2005 kaufte Borden Chemical aus Ohio die Bakelite AG und fusionierte die Geschäftsbereiche Resolution Performance Products und Resolution Specialty Materials zu Hexion Specialty Chemicals. Die Hexion wiederum fusionierte im Jahr 2010 mit Momentive Performance Materials, einem Chemieunternehmen mit Hauptsitz in Waterford, New York.<h2>Neue Rohstoffbasis</h2>Aus einer Baracke bei Erkner heraus hatte der Siegeszug des ersten technischen Kunststoffs begonnen, heute liegt die Weltproduktion an Phenolharzen bei deutlich über 5Millionen Jahrestonnen.Ab Anfang der 1930er Jahre änderte sich die ursprüngliche Rohstoffbasis für Bakelit: Synthesemethanol ersetzte den Holzgeist für die Formaldehydproduktion und Benzol das Phenol aus Steinkohlenteer – später diente Cumol aus dem Hock‘schen Verfahren als Grundstoff. Da hatte sich die große Zeit der Holz- und Teerchemie aber auch schon dem Ende zugeneigt.<figure><img src="https://media.graphcms.com/1K6IF8YQZM1r0YEECJUQ"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Leo H. Baekeland in seinem Labor in Yonkers, etwa im Jahr 1907. Bildnachweis: The L.H. Baekeland Project, LLC.</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/O2FrxL90RBygbsWrq3NP"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Bakelit (oben) und Nachbau des „Bakelizers“, des ersten Bakelitreaktorofens. Gezeigt im Chemical Heritage Foundation Museum, im Hintergrund typische Bakelitprodukte. Foto: Laura Blanchard; CC BY-SA 2.0</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/XHfzu7QiSX7UK9SQradA"><figcaption><label>Abb. 3: </label>In der alte Böttcherei (rechts) auf dem Rütgerswerksgelände am Flakenfließ begann im Jahr 1909 die Bakelitproduktion in Berlin-Erkner. Später entstanden dort die Werke I und II in Erkner (Ansichten oben).</figcaption></figure>
<h2>AUF EINEN BLICK</h2>Der Belgier Leo Hendrik Baekeland entwickelte ab 1905 in den USA auf Basis eines Phenolharzes den ersten technischen Kunststoff: Bakelit.Mit dem 1907 angemeldeten Patent geriet er aber in Streitigkeiten mit dem Ludwigshafener Unternehmen Knoll, wo Hans Lebach ebenfalls einen dem Bakelit entsprechenden Duroplast entwickelt hatte: Resit.Über Kontakte zu Baekeland entstand im Jahr 1910 in Deutschland der Bakelitproduzent Bakelite Gesellschaft mbH in Erkner.Dieser Beitrag schließt eine dreiteilige Serie ab: Teil 1 [Nachr. Chem. 2020, 68(3), 12] behandelte die Holz-; Teil 2 die Teerchemie [Nachr. Chem. 2020, 68(4), 20].<h2>Die Autoren</h2>Heribert Offermanns, Jahrgang 1937, ist Chemiker und war fast 25 Jahre lang Mitglied des Vorstands von Degussa bis zum Jahr 2000. Für die Nachrichten aus der Chemie verfasst er regelmäßig unter anderem chemiehistorische Beiträge.<div><img src="https://media.graphcms.com/hoPsYj9bTxyAo1Bxg0hN">

</div>Frank Retzlaff, Jahrgang 1958, ist Historiker und seit 2012 Leiter des Historischen Stadtarchivs Erkner. Er war im Jahr 2003 Mitbegründer des Freundeskreises Chemiemuseum Erkner (heute Chemie Freunde Erkner).<div><img src="https://media.graphcms.com/My5nBo0RLWwBlnW9sSEK">

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<ul><h2>Kunststoffe und Bakelite</h2><li>
1 G. Koßmehl, Startschuss für das Kunststoffzeitalter, Nachr. Chem. 2009, 57, 1090.</li><li>
2 S. Heimlich, Porträts in Plastik: Pioniere des polymeren Zeitalters, Weka Business Medien, Darmstadt, 1998</li><li>
3 D. Braun, G. Collin, 100 Jahre Bakelit, Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 190</li><li>
4 Chemie-Geschichte: Chemie Freunde Erkner, <a href="https://www.chemieforum-erkner.de" target="_blank">www.chemieforum-erkner.de</a></li><li>
5 J. Kurlemann, Gent verkannte den genialen Sohn. Bakelit war der erste Kunststoff der Welt; <a href="https://www.belgieninfo.net/gent-verkannte-den-genialen-sohn-bakelit-war-der-erste-kunststoff-der-welt" target="_blank">www.belgieninfo.net/gent-verkannte-den-genialen-sohn-bakelit-war-der-erste-kunststoff-der-welt</a></li><li>
6 Bakelitmuseum, Kierspe, <a href="https://www.kierspe.de/de/verein/heimatverein/bakelitmuseum/bakelitmuseum.php" target="_blank">www.kierspe.de/de/verein/heimatverein/bakelitmuseum/bakelitmuseum.php</a></li><li>
7 K. Hultzsch, Chemie der Phenolharze, Springer, Berlin/Göttingen/ Heidelberg 1950</li><li>
8 K. Thinius, Plaste Kautschuk 1976, 23, 746</li><li>
9 L. H. Baekeland, Chemiker-Ztg. 1909, 33, 317; ibid. 326; ibid. 347; ibid. 358</li><li>
10 P. Reboul, R. Perree Bakelite, The Material of a Thousand Uses, Snoeck-Ducaji &amp;Zoon-Verlag, Gent , Belgien 1996</li>Persönlichkeiten<li>
11 G. Collin, Leo Hendrik Baekeland und das Bakelit(e), <a href="https://www.chemieforum-erkner.de/projekte/forschung/bakel/collin_baekeland.htm" target="_blank">www.chemieforum-erkner.de/projekte/forschung/bakel/collin_baekeland.htm</a></li><li>
12 G.Collin, Leo Hendrik Baekeland und das/(die) Bakelit(e), Erkneraner Hefte Nr. 9, Erkner 2007</li><li>
13 G. Collin, Zur Geschichte der Bakelite-Duroplaste. In: Zeitzeugenberichte V – Chemische Industrie (GDCh-Monographie, 26) [Hrsg.: K. Krug, D. Wagner]. Tagung „Industriekreis“ der GDCh-Fachgruppe Geschichte der Chemie, Brönners Druckerei, Frankfurt, 2003, S. 147–171</li><li>
14 C. F. Kettering, Leo Hendrik Baekeland, 1863–1944 (= Biographical Memoirs. Band 24) [Hrsg.: National Academy of Sciences], Washington, D. C. 1946, S. 281–302</li><li>
15 G. Collin, Julius Rütgers und Erkner, Erkneraner Heft Nr. 6, Erkner 2004</li><li>
16 C. Kleinschmidt, Rütgers, Julius In: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 230 [Online-Version]</li><li>
17 Chemie Freunde Erkner, 15. Baekelandtag 2020, 111 Jahre Kunststoffe aus Erkner … und kein Ende; 28. Februar 2020</li><li>
18 Max Weger – Der Vater der Bakelite Gesellschaft; Ausstellungskatalog des Freundeskreises Chemie-Museum Erkner, Bakelit100. Kunststoff aus Erkner erobert die Welt, Erkner 2009</li><li>
19 F. Retzlaff, Max Weger (1869–1944) – Vater der Bakelite Gesellschaft, Erkneraner Heft Nr. 21, Erkner 2015</li><li>
20 E. Lang, Wie Baekeland nach Erkner kam (Recherchen von F. Retzlaff; <a href="https://www.moz.de/landkreise/oder-spree/erkner/artikel5/dg/0/1/1720820" target="_blank">www.moz.de/landkreise/oder-spree/erkner/artikel5/dg/0/1/1720820</a></li><li>
21 F. Retzlaff, Erkner ehrt den Chemiker Dr. Hans Lebach; <a href="http://freundeskreis-chemie-museum-erkner-e-v.online.de/2020/01/12/erkner-ehrt-den-chemiker-dr-hans-lebach" target="_blank">http://freundeskreis-chemie-museum-erkner-e-v.online.de/2020/01/12/erkner-ehrt-den-chemiker-dr-hans-lebach</a></li><li>
22 F. Retzlaff: Hippolyt Köhler – Er holte Baekeland nach Erkner! Vortrag zum 48. Forum Chemie Erkner, 3. April 2019; <a href="http://freundeskreis-chemie-museum-erkner-e-v.online.de/2019/03/25/wir-laden-ein-48-" target="_blank">http://freundeskreis-chemie-museum-erkner-e-v.online.de/2019/03/25/wir-laden-ein-48-</a> forum-chemie-erkner</li></ul>

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