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In der Flüssigkeitschromatographie müssen Substanzen eindeutige Peaks liefern, um zweifelsfrei nachgewiesen werden zu können. Manche Forschende beachten dies nicht. Untaugliche Methoden stellen nun ein ganzes Forschungsfeld infrage.Was muss erfüllt sein, damit in einer gas- oder flüssigkeitschromatographischen Methode ein Peak ausgewertet werden kann? Und sich damit also das Vorhandensein einer Verbindung in einer Probe belegen lässt (Nachweisgrenze)? Welche Bedingungen sind darüber hinaus zu erfüllen, damit dieser Peak integriert und so die Konzentration ermittelt werden kann (Bestimmungsgrenze)?Zentrales Kriterium ist das Verhältnis der Signalhöhe des Peaks (Signal) und der des Rauschens (Noise) neben weiteren Validierungsparametern: Ist ein chromatographischer Peak erkennbar, der sich vom Hintergrundsignal abhebt (<link href="#nadc20244140549-fig-0001">Abbildung 1)?<figure xml:id="nadc20244140549-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/N7plhPuxQTqczLWPryg7"><figcaption><label>Abb.1: </label>LC-MS/MS-Chromatogramme zur Verdeutlichung des Signal/Rausch-Verhältnisses (s/n). Es wurden steigende Konzentrationen des Resolvins E1 (RvE1) injiziert. Dabei ist zunächst kein Peak zu erkennen. Bei einem s/n von 3 wird die Nachweisgrenze festgelegt, bei einem s/n &gt; 5 die Bestimmungsgrenze.11) Zusätzlich ist die Strukturformel von RvE1 gezeigt.</figcaption></figure></figure>Richtlinien legen das minimale Signal/Rausch-Verhältnis (s/n) fest. Üblicherweise gilt die Substanzkonzentration, die zu einem Peak mit s/n &gt; 3 führt, als Nachweisgrenze. Für die Bestimmungsgrenze liegt das minimale s/n zwischen 5 und 9.Dieses Wissen ist Teil der Ausbildung der Chemiestudierenden im Fach Analytische Chemie. Mit gutem Grund. Denn die Analytik von Pestizidrückständen in Lebensmitteln, Drogen- oder Dopinganalytik wäre beliebig, wenn jede:r nach Gutdünken etwas im Chromatogramm integrieren und die so bestimmten mutmaßlichen Konzentrationen zur Grundlage von Befunden machen würde, die auch rechtlich hochrelevant sind.In der biomedizinischen Grundlagenforschung zur Oxylipin/Eicosanoid-Analytik scheint dieses Wissen in Vergessenheit geraten zu sein – zumindest bei der Messung von Fettsäurederivaten, die als specialized proresolving mediators (SPMs) bekannt wurden, etwa Resolvin E1 (Abbildung 1).Die Gruppe der als SPMs bezeichneten Verbindungen ist über die Jahre gewachsen: Zunächst wurden Lipoxine beschrieben, es folgten Resolvine und schließlich Verbindungen wie Neuroprotektine und Maresine.1)Lipoxine und der Großteil der Resolvine sind dreifach hydroxylierte mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Dazu gehören die Resolvine E1, E2, D1, D2. In jüngeren Jahren kamen zweifach hydroxylierte Verbindungen dazu, etwa Resolvin E3, E4, D5 und Protectin Dx.<h2 type="main">Was ist messbar, was nicht?</h2>In einem Review beschäftigten wir uns vor rund zwei Jahren mit Bildung, Nachweis und Signaltransduktion von SPM durch deren mutmaßliche Rezeptoren. Demnach lässt sich mit den derzeitigen analytischen Methoden nicht nachweisen, dass dreifach hydroxlierte SPMs wie Resolvin E1 im menschlichen Körper – also in Körperflüssigkeiten, Geweben oder Zellen – oder in tierischen Modellsystemen vorkommen.1) Die Tatsache, dass genau diese SPMs dennoch in etlichen Publikationen beschrieben werden, geht auf eine irreguläre Praxis zur Bestimmung der Nachweisgrenze zurück.2) Science und die Nachrichten aus der Chemie berichteten darüber (doi: 10.1126/ science.abq8439 beziehungsweise 10.1002/nadc.20224132822).Ein aktueller Artikel bestätigt diese Kritik:2) „Failure to apply standard limit-of-detection or limit-of-quantitation criteria to specialized pro-resolving mediator analysis incorrectly characterizes their presence in biological samples“, lautet der Titel des Matters-Arising-Artikels in Nature Communications.2) Wird das international akzeptierte s/n-Verhältnis zur Bestimmung genutzt, lässt sich somit nicht belegen, dass viele der SPMs in Proben vorkommen oder gar mit einer biologischen Wirkung im Zusammenhang stehen.Betrachtet man die Situation differenzierter, scheinen sich die SPMs in zwei Klassen einteilen zu lassen: Für dreifach hydroxylierte SPMs fehlen Belege für Bildungswege, Signalwirkung und Vorhandensein. Von den zweifach hydroxylierten Fettsäuren RvE3, RvE4 sowie RvD5 und PDx lassen sich – beispielsweise in humanen Makrophagen – zumindest geringe Mengen finden.3)<h2 type="main">Reaktionen auf die Kritik</h2>In ihrer Antwort auf den Matters-Arising-Artikel in Nature Communications beteuern die Autoren weiterhin, dreifach hydroxylierte SPMs bestimmen zu können.4) Dabei zeigen sie allerdings Peaks, die schwerlich auswertbar sind (<link href="#nadc20244140549-fig-0002">Abbildung 2). Ebenso nutzen sie ein nicht adäquates Mittel, um das Signal-zu-Rausch-Verhältnis zu bestimmen. Bei den gezeigten Chromatogrammen muss man kein Experte für analytische Chemie sein, um zu erkennen, dass sich die Fläche unter derartigen Peaks unmöglich reproduzierbar integrieren lässt.<figure xml:id="nadc20244140549-fig-0002"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/KlnRsGF5Q4SfmLLlJA3U"><figcaption><label>Abb.2: </label>Vermeintliche Detektion von specialized proresolving lipid mediators (SPMs) in biologischen Proben. a) Typische Illustration, die statt realer LC-MS-Chromatogramme in vielen Publikationen verwendet wurde und jetzt Gegenstand von Publikationskorrekturen ist (aus Lit. 12). b, c) Reale LC-MS/MS-Daten (b: Resolvin D24) und c: Protectin PD19)), die in Korrekturen zweier Arbeiten gezeigt sind, um das Vorkommen und die Relevanz von SPMs in biologischen Proben zu belegen.</figcaption></figure></figure>Kritik an einer einzelnen Publikation und den darin enthaltenen Methoden ist in der Wissenschaft normal. Trotz hoher Standards der Review-Prozesse können manche Fehler und Fehlinterpretationen erst durch die Kritik der wissenschaftlichen Gemeinschaft korrigiert werden. Eben dafür gibt es Rubriken wie Matters Arising oder den Letter to the Editor.<h2 type="main">Die Folgen für die Interpretation</h2>Bei der SPM-Analytik ist aber nicht nur eine, sondern es sind zahlreiche Arbeiten betroffen und damit fast ein gesamtes Forschungsfeld. Dieses fiel über Jahre hinweg nicht auf, da mehrere Gruppen statt realer LC-MS-Daten Illustrationen als Abbildungen publizierten (Abbildung 2): Viele Arbeiten mussten nun als Folge der Diskussion korrigiert werden. Dabei wurden aber in den meisten Fällen die kritisierten Abbildungen lediglich entfernt.5–8) Die in der Korrektur einer anderen Arbeit9) immerhin gezeigten Rohdaten-Peaks erscheinen aber – wie in der diskutierten Antwort in Nature Communications –4) unmöglich valide quantitativ auswertbar (Abbildung 2).Basierend auf der vermeintlichen Quantifizierung der SPMs zogen die Autor:innen in diesen beiden Publikationen Schlüsse zur Bedeutung von SPMs bei der Krankheitsentstehung von Rheuma4) und HIV9). Andere Arbeiten beschreiben in ähnlicher Weise die Rolle der SPMs bei einer Vielzahl pathophysiologischer Prozesse.Klar ist: Viele Interpretationen lassen sich nicht aufrechterhalten, wenn die zugrundeliegende SPM-Analytik nicht valide ist.Im Hinblick auf den wissenschaftlichen Fortschritt und unser Verständnis der Wirkung von Lipidmediatoren und ihrer Rolle in der (Patho-)Physiologie ist nun die wissenschaftliche Gemeinschaft gefordert: Sie muss prüfen, welche Verbindungen tatsächlich vorkommen und aktive Lipidmediatoren sind.Diesem Anspruch folgend wurde bereits eine Studie10) im Hinblick auf die biologische Bedeutung der SPMs neu interpretiert. Dazu wurden die SPM-Chromatogramme unter Anwendung der international anerkannten Vorgaben nochmals ausgewertet (Preprint: doi: 10.1101/2023.03.06.530669): Die Autoren halten die SPM-Beobachtungen nun nicht mehr für wissenschaftlich belastbar.Eine umfassende Neubewertung, welche Bedeutung die dreifach hydroxylierten SPMs haben und ob sie Botenstoffe der Entzündungsauflösung sind, steht aber noch aus. Hierbei gilt es nicht nur, sie in in biologischen Proben nachzuweisen, sondern auch die Bildungswege und die Signaltransduktion über Rezeptoren kritisch zu prüfen.Vor diesem Hintergrund sollten Wissenschaftler:innen das SPM-Paradigma nicht unkritisch in die eigenen Texte übernehmen. Denn möglicherweise hat sich das SPM-Paradigma über die Jahre über solche Zitationsketten etabliert, weil problematische Originaldaten durch zahlreiche Reviews verstetigt und vervielfältigt wurden. So wurde ein für Außenstehende attraktives Konzept in der Literatur aufgebaut, obwohl es vielen auf diesem Gebiet Forschenden seit Jahren aufgrund der fragwürdigen Datenbasis problematisch erschien.<h2 type="main">Die Autoren</h2>Diesen Beitrag haben Dieter Steinhilber, Karsten-H. Weylandt und Nils Helge Schebb verfasst. Steinhilber ist Professor für pharmazeutische Chemie an der Universität Frankfurt. Weylandt ist Professor für Gastroenterologie und arbeitet am Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg sowie der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Medizinischen Hochschule Brandenburg. Schebb leitet den Lehrstuhl für Lebensmittelchemie der Universität Wuppertal.<h2 type="main">AUF EINEN BLICK</h2>Bestimmten Fettsäurederivaten, den specialized proresolving mediators, wird eine biologische Funktion zugeschrieben.Wie Forschungsergebnisse zeigen, basiert diese Annahme häufig auf wissenschaftlich falsch interpretierten Messergebnissen. Eine Neubewertung der Bedeutung dieser Substanzen ist nötig.Ältere Publikationen sollten daher vor einer Zitation kritisch geprüft werden.<ul class="references" xml:id="nadc20244140549-bibl-0001" cited="no" style="numbered"><li xml:id="nadc20244140549-bib-0001">1 N. H. Schebb, H. Kuhn, A. S. Kahnt et al., Front. Pharmacol. 2022, 13, 838782, doi: <accessionid ref="info:doi/10.3389/fphar.2022.838782">10.3389/fphar.2022.838782</accessionid></li><li xml:id="nadc20244140549-bib-0002">2 V. B. O‘Donnell, N. H. Schebb, G. L. Milne et al., Nat. Commun. 2023, 14(1), 7172, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1038/s41467–023–41766-w">10.1038/s41467–023–41766-w</accessionid></li><li xml:id="nadc20244140549-bib-0003">3 A. S. Kahnt, N. H. Schebb, D. Steinhilber, Prostaglandins Other Lipid. Mediat. 2023, 166, 106726, doi: 10.1016/j.prostaglandins.2023.106726</li><li xml:id="nadc20244140549-bib-0004">4 J. Dalli, E. A. Gomez, Nat. Commun. 2023, 14(1), 7293, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1038/s41467–023–41767–9">10.1038/s41467–023–41767–9</accessionid></li><li xml:id="nadc20244140549-bib-0005">5 K. S. Rathod, V. Kapil, S. Velmurugan et al., J. Clin. Invest. 2023, 133(2), doi: <accessionid ref="info:doi/10.1172/JCI168068">10.1172/JCI168068</accessionid></li><li xml:id="nadc20244140549-bib-0006">6 L. V. Norling, S. E. Headland, J. Dalli et al., JCI Insight 2023, 8(3), doi: <accessionid ref="info:doi/10.1172/jci.insight.168728">10.1172/jci.insight.168728</accessionid></li><li xml:id="nadc20244140549-bib-0007">7 N. Chiang, S. Libreros, P. C. Norris, X. de la Rosa, C. N. Serhan, J. Clin. Invest. 2023, 133(2), doi: <accessionid ref="info:doi/10.1172/JCI168084">10.1172/JCI168084</accessionid></li><li xml:id="nadc20244140549-bib-0008">8 M. B. Flak, R. A. Colas, E. Munoz-Atienza et al., JCI Insight 2022, 7(20), doi: <accessionid ref="info:doi/10.1172/jci.insight.165600">10.1172/jci.insight.165600</accessionid></li><li xml:id="nadc20244140549-bib-0009">9 N. T. H. Mai, N. Dobbs, N. H. Phu et al., Elife 2023, 12, doi: 10.7554/eLife.87888</li><li xml:id="nadc20244140549-bib-0010">10 M. P. Motwani, J. Newson, S. Kwong et al., PLoS One 2017, 12(10), e0186964, doi: <accessionid ref="info:doi/10.1371/journal.pone.0186964">10.1371/journal.pone.0186964</accessionid></li><li xml:id="nadc20244140549-bib-0011">11 L. Kutzner, K. M. Rund, A. I. Ostermann et al., Front. Pharmacol. 2019, 10, 169, doi: <accessionid ref="info:doi/10.3389/fphar.2019.00169">10.3389/fphar.2019.00169</accessionid></li><li xml:id="nadc20244140549-bib-0012">12 R. A. Colas, M. Shinohara, J. Dalli, N. Chiang, C. N. Serhan, Am. J. Physiol. Cell. Physiol. 2014, 307(1), C39–54, doi: 10.1152/ajpcell.00024.2014</li></ul>

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Quantifizieren ohne Nachweisgrenze?

In der Flüssigkeitschromatographie müssen Substanzen eindeutige Peaks liefern, um zweifelsfrei nachgewiesen werden zu können. Manche Forschende beachten dies nicht. Untaugliche Methoden stellen nun ein ganzes Forschungsfeld infrage.Was muss erfüllt sein, damit in einer gas- oder flüssigkeitschrom...

Nanomaterialien sind aus Energiekonversions- und -speichertechnologien nicht mehr wegzudenken. FCI-Dozentenpreisträgerin Barbara A. J. Lechner untersucht mit ihrer Gruppe die Dynamik und Stabilität von Nanopartikeln sowie Subnanometer-Clustern auf atomarer Skala.Um chemische Prozesse nachhaltiger und effizienter zu machen, ist es unerlässlich, deren zugrundeliegende Reaktionsmechanismen auf atomarer Skala zu verstehen. Gerade Reaktionen zur chemischen Energiespeicherung und -umwandlung in andere Energieformen sind im Kontext der Klimakrise und politischer Debatten zu Energiegewinnung und -ersparnis wichtig geworden. Sie bergen enormes Potenzial für die chemische Industrie.Besonders bei kleinen, atmosphärisch relevanten Molekülen wie Wasserstoff, Ammoniak, Methan oder Kohlendioxid ist die heterogene Katalyse eine Schlüsseltechnik für die effiziente Herstellung und Verwendung. Dies gilt für das Speichern und Transportieren erneuerbarer Energie in chemischer Form wie für die Umwandlung in andere Energieformen oder in weitere Materialien. Diese katalytischen Prozesse sind – besonders bei dem erhöhten Druck, bei dem sie überwiegend stattfinden – auf atomarer Ebene weit weniger gut verstanden, als man annehmen <link href="#nadc20244139254-fig-0001">könnte.<figure xml:id="nadc20244139254-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/V0AyfikRGWZKmOdPpMwQ"><figcaption><label>Abb.1: </label>Videoraten-Rastertunnelmikroskopie (STM) in Gasatmosphären bis zu 100 mbar (near ambient pressures, NAP) an kleinen Clustern eröffnet neue Einblicke in die Dynamik eines Katalysators.</figcaption></figure></figure><h2 type="main">Cluster für neue Reaktionspfade</h2>Als heterogene Katalysatoren dienen oft fein verteilte, aktive Nanopartikel wertvoller Übergangsmetalle auf Trägermaterialien wie Aluminium- oder Ceroxid. Hier bieten Cluster, die kleiner als 1 nm sind, die maximale Katalysatoreffizienz, besondere elektronische Eigenschaften und spezielle aktive Zentren. Da diese sich von jenen von Nanopartikeln und ausgedehnter Oberflächen unterscheiden, eröffnen sie neue, effizientere Reaktionspfade. Solche wenige Atome großen Cluster sind in Gasatmosphären in manchen Fällen sogar stabiler als ausgedehnte kristalline Oberflächen.1)Die Cluster weisen eine besondere Dynamik auf, weil sie sich oft kontinuierlich zwischen energetisch naheliegenden Strukturisomeren umwandeln.2) Diese Fluxionalität führt zu einer einzigartigen Anpassungsfähigkeit der Cluster, die sich dadurch analog zu Enzymen an adsorbierende Gasmoleküle anpassen und dadurch Reaktionen beschleunigen.3)Gleichzeitig ist zu bedenken: Fein verteilte Materie ist immer inhärent metastabil und tendiert dazu, sich zu größeren Partikeln mit geringerer Oberfläche umzuwandeln. Da diese Reifungsprozesse oft maßgeblich die Funktionalität ändern, sind Strategien zu entwickeln, Nanopartikel und Cluster gegen dieses Sintern zu stabilisieren.4)<h2 type="main">Beobachten der Modellkatalysatoren</h2>Meine Forschungsgruppe untersucht die strukturelle und chemische Dynamik wohldefinierter Modellkatalysatoren auf atomarer Ebene. Dazu werden diese einfachen Oxidations- und Hydrierungsreaktionen ausgesetzt, etwa Ammoniak-, Methan-, Kohlenmonoxid- oder Formaldehyd-Oxidation in Verbrennungsprozessen beziehungsweise CO2-Hydrierung als Weg zu synthetischen Kraftstoffen. Wir scheiden hierzu zunächst größenselektierte – also bis aufs einzelne Atom definierte – Ptn- oder Pdn-Cluster auf einkristallinen reduzierbaren Oxidträgern mit festgelegter Defektdichte ab.5) Dann werden sie reaktiven Gasatmosphären ausgesetzt, und die Entwicklung der aktiven Cluster sowie der Oxidträgermaterialien wird verfolgt, um strukturelle und chemische Änderungen – etwa der Zusammensetzung, der Ladung oder des Oxidationszustands – mit katalytischer Aktivität zu korrelieren. So lassen sich hochaktive, selektive und stabile Clustergrößen identifizieren.Solche Experimente erfordern ein hochentwickeltes Instrumentarium. Dazu gehören zwei Rastertunnelmikroskope (STM), die wir bei Raumtemperatur und erhöhten Temperaturen bis 800 K betreiben. Ein Ultrahochvakuum(UHV)-Gerät ist auf hochauflösende schnelle Mikroskopie spezialisiert: Mit einem Elektronikmodul, entwickelt zusammen mit Friedrich Esch an der TU München und Kolleg:innen in Triest, Italien, sind Bildserien mit Videoraten bis zu 20 frames per second (fps) im Fast-STM möglich. Zudem lassen sich einzelne diffundierende Cluster mit der Tracking-Methode mit bis zu 10 ms Zeitauflösung verfolgen.6)Finanziert durch einen ERC-Starting-Grant haben wir zudem ein STM der Firma Specs angeschafft. Es misst unter near-ambient pressures (NAP), also in Gasatmosphären bis zu 100 mbar. Hier lassen sich mit hoher örtlicher und zeitlicher Auflösung Strukturänderungen direkt während einer laufenden katalytischen Reaktion beobachten.<h2 type="main">Weitere Charakterisierung</h2>Um die mikroskopische Charakterisierung zu ergänzen, untersuchen wir den chemischen Zustand und den Oxidationsgrad der Modellkatalysatoren mit Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS) und insbesondere NAP-XPS in ähnlichen Gasatmosphären und Reaktionsgemischen wie die im NAP-STM. Bisher mussten wir für NAP-XPS-Messungen zu Synchrotron-Endstationen in Europa und den USA fahren. Dank eines Labor-basierten NAP-XPS-Instruments, das im Rahmen des Exzellenzclusters e-conversion aufgebaut und von meiner Gruppe betreut wird, führen wir seit Anfang 2024 solche Messungen vor Ort durch.Um sicherzustellen, dass die Modelle tatsächlich aktive Katalysatoren sind, messen wir deren Reaktivität mit unserem Sniffer-MS an maximal verdünnten Cluster-Proben.7)Sozusagen als Proof-of-concept-Test unserer Fast-STM-Methode haben wir Pd3-Cluster auf einem korrugierten, also auf atomarer Ebene welligen Film hexagonalen Bornitrids (h-BN) bei ihrem Tanz innerhalb einer Pore mitverfolgt.8) Wie sich dabei zeigte, diffundieren die Cluster stundenlang im steady state zwischen sechs energetisch äquivalenten Plätzen. Aus der gemessenen Dynamik ließen sich zudem die unterschiedlichen Diffusionsbarrieren bestimmen.<h2 type="main">Der Einfluss reduzierbarer Oxidträger</h2>In den vergangenen Jahren haben wir die atomare Dynamik von Clustern auch auf reduzierbaren Oxidträgern verfolgt und analysiert. Insbesondere die Magnetit(001)-Oberfläche zeigt eine vielfältige Oberflächendynamik, die sich auf darauf abgeschiedene Pt-Cluster auswirkt. Die detaillierte Analyse der Clusterhöhen in STM-Bildern lässt uns zwischen Smoluchowski- und Ostwald-Reifung unterscheiden, also zwischen Cluster- und Atomdiffusion. Durch Heizen der Probe diffundiert Gittersauerstoff auf die Cluster und bildet dort eine hochreaktive Spezies, die sich etwa zur CO-Oxidation bei Raumtemperatur eignet.9)Überdies passiert etwas Drastischeres: Eine dünne reduzierte Eisenoxid-Schicht beginnt, die Cluster zu umhüllen.10) Dadurch verlieren die Cluster zwar die Fähigkeit, CO zu adsorbieren, werden aber gegen Sintern stabilisiert. Das Ablösen einzelner Pt-Atome und damit der Ostwald-Reifungsprozess setzen hier erst 200 K über der Temperatur ein, bei der die Cluster typischerweise spätestens zerfallen sollten (Hüttig-Temperatur). Die Einkapselung stabilisiert somit die metastabilen Partikel.Während dieses Prozesses diffundieren jedoch wenige eingekapselte Pt5-Cluster über die Oberfläche, die sich mit unserer Tracking-Methode verfolgen lassen. Die Koexistenz verschiedener dynamischer und statischer Pt5-Spezies untersuchen wir derzeit genauer.Alle diese Studien erfolgten durch Ex-post-Messungen, also nachdem die Probe den Reaktionsbedingungen ausgesetzt wurde, oder gänzlich im Ultrahochvakuum. Oft sind aber In-situ-Untersuchungen in der reaktiven Gasatmosphäre unerlässlich, da viele Katalysatoren während einer laufenden Reaktion dynamisch umstrukturiert werden.<h2 type="main">Messung während der Reaktion</h2>In Kooperation mit der Gruppe von Moni Blum am Lawrence Berkeley Lab haben wir die dynamische Restrukturierung eines inversen In2O3/Pd(111)-Katalysators während der CO2-Hydrierung beobachtet. Diese läuft an diesem System bereits bei Raumtemperatur ab.11) Hier bildet sich ein gemischtes Indium-Palladium-Oxid als aktiver Katalysator für die Hydrierung zu Methanol. Das Oxid erscheint im NAP-STM als mobile Nano-Inseln, die von Bild zu Bild diffundieren (Abbildung S. 69).Das NAP-STM bietet vor allem kombiniert mit Reaktivitätsmessungen und NAP-XPS spannende Einblicke in Umstrukturierungsprozesse während katalytischer Reaktionen und in reduzierenden und oxidierenden Gasatmosphären. Ich bin überzeugt, dass die Erweiterung unseres grundlegenden Verständnisses von dynamischen Prozessen maßgeblich zur gezielten Entwicklung effizienter und nachhaltiger Katalysatoren im industriellen Maßstab beitragen kann.<h2 type="main">Drei Fragen an die Preisträgerin: Barbara Lechner</h2>Was würden Sie gerne entdecken oder herausfinden?Ich stelle mir vor, aktive Katalysatorpartikel dabei zu beobachten, wie sie auf einer Trägeroberfläche herumtanzen, und wenn wir dann die Gaszusammensetzung oder den Druck ändern, direkt dabei zuzuschauen, wie sich ihre Bewegungen ändern. So könnten wir effizient die Stabilität unter vielen Reaktionsbedingungen testen.Was brauchen Sie heute im Beruf, was Sie im Studium nicht gelernt haben?Erstaunlich vieles: Programmieren musste ich selbst lernen, da es für Datenauswertung und Messsteuerung unerlässlich ist. Aber auch Finanzplanung, Team-Management und allgemeine Administration kommen im Chemiestudium nicht vor.Wie schaffen Sie es, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen? Ich musste lernen, beinhart zu priorisieren, Kompromisse einzugehen, zu delegieren und auch mal etwas auszulassen. Dazu kommen natürlich viele kurze Nächte.Barbara A. J. Lechner, Jahrgang 1984, ist seit Oktober 2020 Professorin an der TU München. Zuvor war sie als PhD-Studentin an der University of Cambridge und als Postdoc am Lawrence Berkeley Lab tätig.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/BsA9C5TgRoCs6LazMR6Y"><ul class="references" xml:id="nadc20244139254-bibl-0001" cited="no" style="numbered"><li xml:id="nadc20244139254-bib-0001">1 L. Xu, K.G. Papanikolaou, B. A. J. Lechner, L. Je et al., Science 2023, 380, 70–76</li><li xml:id="nadc20244139254-bib-0002">2 H. Häkkinen, S. Abbet, A. Sanchez, U. Heiz, U. Landman, Angew. Chem. Int. Ed. 2003, 42, 1297</li><li xml:id="nadc20244139254-bib-0003">3 H. Zhai, A. N. Alexandrova, ACS Catalysis 2017, 7.3, 1905–1911</li><li xml:id="nadc20244139254-bib-0004">4 Y. Fukamori, M. König, B. Yoon et al., ChemCatChem 2013, 5, 3330</li><li xml:id="nadc20244139254-bib-0005">5 U. Heiz, F. Vanolli, L. Trento, W.-D. Schneider, Rev. Sci. Instrum. 1997, 68, 1986</li><li xml:id="nadc20244139254-bib-0006">6 C. Dri, M. Panighel, D. Tiemann et al., Ultramicroscopy 2019, 205, 49–56</li><li xml:id="nadc20244139254-bib-0007">7 J. Reich, S. Kaiser, U. Heiz et al., zur Veröffentlichung eingereicht</li><li xml:id="nadc20244139254-bib-0008">8 B. A. J. Lechner, F. Knoller, A. Bourgund, U. Heiz, F. Esch, J. Phys. Chem. C 2018, 122, 22569–22576</li><li xml:id="nadc20244139254-bib-0009">9 S. Kaiser, F. Maleki, K. Zhang et al., ACS Catal. 2021, 11, 9519</li><li xml:id="nadc20244139254-bib-0010">10 S. Kaiser, J. Plansky, M. Krinninger et al., ACS Catal. 2023, 13, 6203</li><li xml:id="nadc20244139254-bib-0011">11 X. Zhang, F. Kraushofer, Q. Yuan et al., zur Veröffentlichung eingereicht</li></ul>

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