Bildung + Gesellschaft

Frisch promovierte Chemiker:innen sind ausschließlich dazu ausgebildet zu forschen. Um auf dem Arbeitsmarkt außerhalb der Universität leicht Fuß zu fassen, reicht das nicht aus. Ein Vorschlag zur Flexibilisierung des Promotionsstudiums.<p>Wenn Patricia ihren Doktorhut aufsetzt, dann weiß sie, dass ihre Chemiekenntnisse gut genug sind, um sich „promovierte Chemikerin“ zu nennen. Sie kann komplexe Probleme verstehen und manchmal lösen. Sie hat gezeigt, dass sie eine Draufgängerin ist und ein langes Projekt zu Ende führen kann. Aber ist sie nach zehn Jahren an der Universität wirklich bereit für den gesamten Arbeitsmarkt oder nur für eine <link href="#nadc20224127352-fig-0001">Unikarriere?</p><figure xml:id="nadc20224127352-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/EZAf9yaCR6mth7NvHIcr"><figcaption><label>Abb.1: </label>Bongkarn / Adobe Stock</figcaption></figure></figure><h2 type="main">Was fehlt</h2><p>Sie hat keine Ahnung, worin sie gut ist oder wo ihr Potenzial liegt, außer in der Synthese und Charakterisierung von Molekülen. Sie hat im ungünstigsten Fall noch nie ein Unternehmen von innen gesehen. Sie hat über Berufliches nur selten mit Menschen kommuniziert, die keinen Hintergrund in Chemie haben. Sie weiß nicht, welche Rolle sie innerhalb einer Behörde oder einer Nichtregierungsorganisation (NGO) spielen könnte. Sie weiß nur, dass sie fast 30 ist und dass so ziemlich alle Optionen außerhalb der Uni andere Anforderungen an sie stellen werden als ihre Doktorarbeit.</p><p>Glaubt sie ihrem Betreuer, wird sie mit ihren analytischen Fähigkeiten, ihrer Belastbarkeit und ihrem soliden fachlichen Hintergrund in Chemie gut auf dem Arbeitsmarkt ankommen. Wahrscheinlich hat er recht, denkt sie. Am Ende wird schon alles klappen.</p><p>Leider ist das aber nicht immer so. Für viele Absolvent:innen verläuft der Berufseinstieg unerwartet zäh. Ein fließender Übergang zwischen der Universität und der Welt da draußen könnte allen Seiten viel Unsicherheit, Frustration und Fehltritte ersparen.</p><h2 type="main">Ziel: solide Wissenschaft</h2><p>Wo aber liegt die Verantwortung? Hätte Patricia sich selbst auf diesen Schritt vorbereiten sollen, oder hat die Universität eine Verpflichtung, sie dabei zu unterstützen? Bis heute liegt die Verantwortung hauptsächlich bei den Promovierenden, wenngleich Einrichtungen wie die Graduiertenschulen in den letzten Jahren überfachliche Angebote für Promovierende geschaffen haben.</p><p>Während einer Promotion werden Doktorand:innen zu Forscher:innen mit einer Professur als Ziel am Horizont ausgebildet. Sie werden von Betreuer:innen motiviert, sich auf eine Nische des Arbeitsmarkts zu spezialisieren und ihr Leben der Wissenschaft zu widmen: Bitte keine Ablenkung, Ziel sind so viele Publikationen wie möglich.</p><p>Eine solch starke Wissenschaftsorientierung kann für den schnellen Wissenserwerb, den Lebenslauf der Professor:innen und für eine kleine Gruppe von Doktorand:innen, für die eine Professur ein realistisches Ziel ist, sinnvoll sein. Die anderen werden für einen Beruf ausgebildet, der ihnen nicht zur Verfügung steht oder der nicht zu ihnen passt.</p><h2 type="main">Praktikum im Promotionsprogramm</h2><p>Das wirft die Frage auf, ob die Unis den Doktorand:innen nicht mehr Spezialisierungsmöglichkeiten als „solide Wissenschaft und Experimentieren“ geben sollten. Beispielsweise könnten Promotionsprogramme entwickelt werden, bei denen „Wissenschaftliche Arbeit unter Anleitung einer Professorin“ in jedem Fall die Grundlage ist. Daneben können die Studierenden selbst eine vertiefende Spezialisierung wählen. Eine solche Spezialisierung könnte natürlich „Grundlagenforschung“, aber auch „Angewandte Forschung“, „Wissenschaftskommunikation“, „Wissenschaft und Wirtschaft“, „Wissenschaft und Politik“ oder „Wissenschaftsberatung“ sein. Zum Beispiel wären Doktorand:innen nicht mehr rund um die Uhr in einem Universitätslabor, sondern könnten einen Tag in der Woche oder zwei Monate im Jahr in einem Unternehmen, einer NGO, einer Regierungsinstitution oder bei einer politischen Partei oder Zeitung arbeiten. Solche Programme existieren bereits: Beispielsweise bietet das Karolinska Institutet in Stockholm ein Postdocprogramm an, bei dem Praktika an nichtakademischen Instituten mit der Forschung verwoben sind.</p><p>Solche Praktikumsprojekte können nicht nur zu einer besseren Berufswahl und Verbindung mit dem Arbeitsmarkt beitragen, sondern auch dafür sorgen, dass sich Studierende oder Wissenschaftler in Richtungen spezialisieren, in denen es tatsächlich Jobs gibt. Hochschulen könnten zum Beispiel vom international respektierten dualen Ausbildungssystem lernen und angehende Doktorand:innen erst einen Praktikumsplatz suchen lassen, bevor sie die Spezialisierung festlegen. Wenn die Industrie Datenwissenschaftler:innen braucht, dann wird diese Branche eher Praktika anbieten als für eine weniger gefragte Spezialisierung wie etwa populärwissenschaftliches Schreiben. Angebot und Nachfrage werden dadurch aufeinander abgestimmt, was allen Seiten zugutekommt.</p><h2 type="main">Kaum Arbeitslosigkeit</h2><p>Wie sind heutzutage Angebot und Nachfrage auf dem Chemie-Arbeitsmarkt aufeinander abgestimmt? Langfristig scheint es gut zu funktionieren. Über alle Altersgruppen gemittelt gibt es kaum arbeitslose Chemiker:innen. Aber im ersten Jahr nach dem Abschluss ist der Übergang in Positionen außerhalb der Wissenschaft schwierig.<sup>1)</sup> Viele Promovierende sind vorübergehend arbeitslos oder machen notgedrungen einen Postdoc, weil sie nichts anderes gefunden haben. Die GDCh-Statistik nennt deshalb Inlands-Postdocs „Parkpositionen“. Das ist eine Zeit der Frustration und Unsicherheit. Es entsteht das Gefühl, dass die Promotion nichts gebracht hat. Wir hören oft Kommentare wie: „Jahrelange harte Arbeit für wenig Geld und dann ein One-Way-Ticket in die Arbeitslosigkeit.“</p><p>Verständlicherweise denken viele Absolvent:innen in dieser Situation, dass sie vor dem Studium falsch beraten wurden. Man hört in Studienberatungen immer wieder dasselbe: Mit einer Promotion in einem anspruchsvollen Fach mit etablierter Industrie wie in der Chemie kann nichts schiefgehen. Das stimmt, wenn wir das gesamte Berufsleben betrachten. Es stimmt aber nicht, wenn wir auf den Berufseinstieg schauen.</p><p>Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt dann die Aufgabe, die Arbeitslosen auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Sie haben Kursangebote entwickelt, um Wissenschaftler:innen fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Das wirft die Frage auf, ob diese Verantwortung nicht eher bei der Universität liegt. Sollten sie nicht für den Arbeitsmarkt ausbilden? Oder ist die primäre Aufgabe einer Universität, Promovierende zu guten Wissenschaftler:innen zu machen, und alles darüber hinaus lenkt nur von der Forschung ab? Ist es gar so, dass wir durch eine zu starke Verschulung selbst des höchsten Bildungsgrades verpassen, die Promovierenden zu selbstständigem Denken und Handeln anzuleiten?</p><h2 type="main">Bildung und Ausbildung</h2><p>Nach dem Humboldtschen Bildungsideal sind Studium und Promotion Bildung, nicht Ausbildung.<sup>2)</sup> Mit diesem Satz werden Veränderungen abgelehnt, die Studium und Promotion auf Aspekte jenseits der fachlichen Bildung ausweiten sollen. Es spricht einiges dafür, Raum zu lassen, um ein Fachgebiet in voller Breite und Tiefe zu ergründen, bevor sich ein Mensch ins Berufsleben stürzt. Das profiliert die Universität gegenüber den praxisorientierten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW). Das schließt die Integration von Elementen jenseits der Forschung nicht aus.</p><p>Bei den Ideen zur Flexibilisierung der Promotionsprogramme geht es nicht um eine Aushöhlung des Forschungskerns der Promotion. Es geht darum, einige Prozent der Zeit und Energie der Promovierenden umzulenken und dadurch ein breiteres Spektrum an Fähigkeiten zu erlangen. Wichtiger noch: Die Promovierenden erhalten dadurch einen umfassenderen Blick auf sich selbst – ihre Wünsche und Stärken – sowie auf den Arbeitsmarkt und die Nischen, die für sie am besten passen.</p><h2 type="main">Abstand gewinnen</h2><p>Für Patricia passen nicht mehr Tage in die Woche als sieben. Ein zusätzliches Praktikum bedeutet also automatisch weniger Zeit für etwas Anderes. Dies muss aber nicht negativ sein. Vielleicht ist es gerade diese Ablenkung, die den Kopf frei macht und die Möglichkeit eröffnet, die eigene Forschung aus der Ferne oder aus einer anderen Richtung zu betrachten. Es kann auch der Zeitpunkt sein, die inneren Batterien aufzuladen, um die eigene Forschung mit neuer Energie fortzusetzen und sich inspirieren zu lassen. Denn wie wir alle wissen, durchlaufen die meisten Promotionsprojekte Talphasen, erfordern Durchhaltevermögen und stellen unsere Frustrationstoleranz täglich auf die Probe. Ein umstrukturiertes Promotionsprogramm könnte sich daher sowohl für Patricia, ihren Doktorvater und die Arbeitsagentur als auch für ihren künftigen Arbeitgeber lohnen.</p><p>Die Autorin Karin Bodewits ist promovierte Biochemikerin, Autorin, Seminarleiterin und Mitgründerin von Naturalscience Careers, einem Unternehmen für Karriereberatung und Soft-Skill-Seminare für Naturwissenschaftler.:innen. <a href="mailto:k.bodewits@naturalscience.careers">k.bodewits@naturalscience.careers</a></p><ul class="references" xml:id="nadc20224127352-bibl-0001" cited="no" style="numbered"><li xml:id="nadc20224127352-bib-0001"><sup>1 </sup> <a href="https://gdch.de/ausbildung-karriere/karriere-und-beruf/hochschulstatistiken/statistik-che" target="_blank">gdch.de/ausbildung-karriere/karriere-und-beruf/hochschulstatistiken/statistik-che</a> miestudiengaenge.html (Stand 12.9.2022)</li><li xml:id="nadc20224127352-bib-0002"><sup>2 </sup> z. B. <a href="https://www.derstandard.at/story/" target="_blank">www.derstandard.at/story/</a> 1268402749582/studium-bildung-oder-ausbildung (Stand 12.9.2022)</li></ul>

Promotion

Raum für Berufspraxis

Frisch promovierte Chemiker:innen sind ausschließlich dazu ausgebildet zu forschen. Um auf dem Arbeitsmarkt außerhalb der Universität leicht Fuß zu fassen, reicht das nicht aus. Ein Vorschlag zur Flexibilisierung des Promotionsstudiums.Wenn Patricia ihren Doktorhut aufsetzt, dann weiß sie, dass i...

Für eine digitale Transformation der chemischen Industrie sind Fachkräfte mit umfassenden Kompetenzen unabdingbar. Die Grundlagen fachbezogener digitaler Bildung werden bereits in der Schule gelegt. Die Lehrkräftebildung ist hierfür neu auszurichten.<p>Digitalisierung ist ein Schlüsselthema für die chemische Industrie.<sup>1)</sup> Diese digitalisiert Produktionsprozesse, dezentralisiert Forschung und Entwicklung und flexibilisiert Kooperationen. Daher benötigt die chemische Industrie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die über entsprechende Kompetenzen verfügen. Dies betrifft nicht nur die Befähigung, digitale Techniken zu nutzen, sondern auch weitergehende Kompetenzen wie Digital Literacy oder Data Literacy.</p><p>Solche digitalisierungsbezogenen Kompetenzen sind keine Zusatzqualifikationen, sondern Basiskompetenzen, die bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorhanden sein müssen. Damit jeder diese Basiskompetenzen bis zum Eintritt in den Beruf oder die Berufsausbildung erwerben kann, muss Förderung so früh wie möglich ansetzen. Somit ist der Aufbau allgemeiner digitalisierungsbezogener Kompetenzen ein Bildungs- und Erziehungsziel der Schulen. Entsprechend legt die Kultusministerkonferenz in ihrer Strategie „Bildung in der digitalen Welt” Kompetenzen fest, die alle Schülerinnen und Schüler bis zum Ende des mittleren Schulabschlusses erwerben müssen.<sup>2)</sup></p><h2 type="main">Die Rolle der Chemielehrkräfte</h2><p>Um Lernende dabei zu unterstützen, digitale Kompetenzen aufzubauen, müssen Lehrkräfte über entsprechende Fähigkeiten und darüberhinausgehendes Wissen verfügen.<sup>3)</sup> Außerdem haben Chemielehrkräfte eine Stellvertreterfunktion für die Chemie als Fachwissenschaft und sollen fachtypische Arbeitsweisen der chemischen Forschung und Industrie widerspiegeln können – dazu gehören digitale Techniken und damit verbundene Methoden.<sup>4)</sup></p><p>Angehende Lehrkräfte mit naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächern schätzen die Rolle digitaler Medien in der fachwissenschaftlichen Forschung teilweise als nicht besonders hoch ein. Im Vergleich zwischen den Naturwissenschaften sehen sie diese Rolle in der Chemie als am geringsten an; nur in der Mathematik haben digitale Medien in der Vorstellung der Studierenden eine noch geringere Bedeutung (<link href="#nadc20224124093-fig-0001">Diagramm).</p><figure xml:id="nadc20224124093-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/OBCTFKJRsfNOJqirVmoA"><figcaption><label>Abb.1: </label>So beurteilen angehende Lehrkräfte die Rolle digitaler Medien in den Fachwissenschaften. Studierendenbefragung an der Pädagogischen Hochschule Thurgau im Dezember 2021 (n = 189).</figcaption></figure></figure><p>Diese Fehleinschätzung der fachwissenschaftlichen Berufspraxis unterstreicht den Handlungsbedarf, die Lehrkräftebildung an die Erfordernisse der chemiebezogenen Berufsfelder anzupassen. Chemielehrkräfte müssen über Kompetenzen verfügen, die über die fachunspezifischen digitalen Kompetenzen hinausgehen; sie brauchen solche Kompetenzen speziell für das Unterrichten von Chemie.</p><h2 type="main">Orientierung für die Digitalisierung im Chemieunterricht</h2><p>Für die Naturwissenschaften und damit auch für die Chemie gibt es den Orientierungsrahmen Digitale Kompetenzen für das Lehramt in den Naturwissenschaften, Dikolan. Dieser beschreibt digitalisierungsbezogene Kompetenzen, die alle Lehramtsstudierenden mit naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächern bis zum Ende des Studiums erwerben sollten (<link href="#nadc20224124093-fig-0002">Abbildung).<sup>5)</sup></p><figure xml:id="nadc20224124093-fig-0002"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/BRTWOOCRdqVia5Y2YrrI"><figcaption><label>Abb.2: </label>Der Orientierungsrahmen Dikolan – Digitale Kompetenzen für das Lehramt in den Naturwissenschaften (<a href="https://dikolan.de" target="_blank">dikolan.de</a>).</figcaption></figure></figure><p>Dikolan unterscheidet sieben zentrale Kompetenzbereiche für das digital gestützte Unterrichten von Chemie, Biologie und Physik. Für jeden Kompetenzbereich sind Erwartungen beschrieben, die verdeutlichen, über welche Fähigkeiten und Fertigkeiten angehende Lehrkräfte verfügen sollten. Die vier allgemeineren Bereiche „Dokumentation”, „Präsentation”, „Kommunikation/Kollaboration” sowie „Recherche und Bewertung” werden zwar für alle Unterrichtsfächer benötigt, sind in Dikolan aber für die Naturwissenschaften spezifiziert.</p><p>Es gibt Präsentationsformate wie Moleküldarstellungen, die fachspezifisch für die Chemie sind und mit denen Lehrkräfte vertraut sein müssen.</p><h2 type="main">Moleküle und Messwerte</h2><p>Kompetenzen in „Messwert- und Datenerfassung“, „Datenverarbeitung“ sowie „Simulation und Modellierung“ sind essenziell für den naturwissenschaftlichen Unterricht, sodass Dikolan sie als eigene Kompetenzbereiche explizit herausstellt.</p><p>Für jeden Kompetenzbereich sind die Erwartungen nach Tätigkeitsbezügen strukturiert: „Unterrichten“, „Methodik/Digitalität“, „Fachwissenschaftlicher Kontext“ und „Spezielle Technik“. So sind für jeden Kompetenzbereich auch die Bezüge zum Berufsfeld und zur Fachwissenschaft hergestellt. Außerdem werden die Erwartungen nach Anforderungen gestuft: „Nennen“, „Beschreiben“, „Anwenden“. Hieraus ergibt sich eine Tabelle, die als Kompetenzraster Dikolan-Grid Studierende über die von ihnen zu erwerbenden Kompetenzen informiert und ihnen gleichzeitig zur Selbstreflexion dient.<sup>6)</sup></p><h2 type="main">Digitalisierung mit Bezug zur Fachwissenschaft</h2><p>Aus dem Dikolan-Grid lernen die Studierenden unter anderem, dass (angehende) Chemielehrkräfte fachwissenschaftliche Bezüge herstellen können müssen. Sie selbst müssen beispielsweise beschreiben können, wie Spektraldaten digital dokumentiert werden. Sie sollen fachspezifische Präsentationshard- und -software nennen, zum Beispiel Wärmebildkameras, Programme zum Zeichnen von Strukturformeln und Reaktionsmechanismen, sowie Präsentationen mit digitalen Präsentationsmedien erstellen und vorführen können, zum Beispiel dreidimensionale Darstellungen von Molekülschwingungen. Die Kenntnis in der Chemie verbreiteter Formen der Zusammenarbeit wie das Erstellen gemeinsamer Laborbücher ist ebenso wichtig wie die Kenntnis fachspezifischer Datenbanken und Informationsquellen sowie der damit verbundenen fachtypischen Recherchestrategien und Qualitätskriterien.</p><p>Angehende Lehrkräfte müssen in der Chemie etablierte digitale Methoden der Messwerterfassung nennen, entsprechende fachwissenschaftliche Szenarien beschreiben und die Methoden anwenden können, also zum Beispiel mit pH-Meter und digitalen Waagen umgehen können und Werte aus Photometer, Massenspektrometer, GC/MS oder AES digital erfassen können. Außerdem müssen sie in der Lage sein, fachwissenschaftliche Szenarien digitaler Datenverarbeitung zu nennen und zu beschreiben, zum Beispiel in der Kolorimetrie, bei der Berechnung von Stoffmengen und Konzentrationen oder Big-Data-Analysen.</p><p>Lehramtsstudierende müssen die Ziele von Simulationen und Modellierungen in der Fachwissenschaft kennen (prognostisch, analytisch, konfirmatorisch, zur Veranschaulichung). Sie müssen wissen, wie sie Simulation und Modellierung zum Erkenntnisgewinn nutzen können und welche Vor- und Nachteile sowie erkenntnistheoretischen Grenzen die Methoden in verschiedenen Forschungsszenarien haben.</p><h2 type="main">Lehrstoff an den Universitäten, Umsetzung an Schulen</h2><p>Mehrere Universitäten haben Dikolan bereits in die Lehrkräftebildung eingebunden, vor allem in der Physik- und Biologiedidaktik. Die Universität Konstanz ist bei der Chemie Vorreiter und bietet im Masterstudium ein Seminar an, das sich mit den beschriebenen Kompetenzen befasst.<sup>7)</sup> Wie die Ergebnisse eines Online-Self-Assessments zeigen, ist eine gezielte Förderung der in Dikolan beschriebenen Kompetenzen in der universitären Lehre umsetzbar.<sup>8)</sup></p><p>Für Chemielehrerinnen und -lehrer im Beruf kann Dikolan-Grid ein Hilfsmittel sein, um Unterrichtsplanungen mit digitalen Elementen anzureichern. Ein Beispiel dafür ist die Photometrie mit dem Smartphone (<link href="#nadc20224124093-fig-0003">Screenshot).<sup>9)</sup></p><figure xml:id="nadc20224124093-fig-0003"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/M8FZ027YTaCpBoakv3f7"><figcaption><label>Abb.3: </label>Screenshot der iOS-App, die Schülerinnen und Schüler für photometrische Untersuchungen mit dem Smartphone nutzen.</figcaption></figure></figure><h2 type="main">Lehrerbildung für die Zukunft</h2><p>Die Prozesse der Digitalisierung setzen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit auf allen Seiten voraus. Digitalisierungsbezogene Anpassungen im Beruf unterliegen dem technologischen Wandel, was mit einer ständig anzupassenden Ausbildung einhergehen sollte. Insofern formuliert Dikolan Basiskompetenzen, die sowohl inhaltlich erweitert als auch bei Bedarf durch zusätzliche Kompetenzbereiche ergänzt werden können. Dies kann künftig immer relevanter werdende Themen betreffen wie Augmented Reality, künstliche Intelligenz – insbesondere Machine Learning, Big Data sowie für Feedback und den Lernfortschritt einzelner Schüler:innen und des ganzen Klassenverbands. Mit Anpassungen lässt sich der Orientierungsrahmen in andere Länder transferieren, wie für die Schweiz bereits geschehen.<sup>10)</sup></p><h2 type="main">Der Autor</h2><p>Diesen Beitrag haben verfasst: Lars-Jochen Thoms (Foto), Postdoc am Lehrstuhl für Fachdidaktik der Naturwissenschaften an der Uni Konstanz und der PH Thurgau, Sebastian Becker, Uni Köln, Till Bruckermann, Uni Hannover, Alexander Finger, Uni Leipzig, Johannes Huwer, Erik Kremser, Uni Konstanz und PH Thurgau, Monique Meier, Uni Hannover, Christoph Thyssen, TU Kaiserslautern, und Lena von Kotzebue, Uni Salzburg.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/dYX1GHN3T5SdDlS3rV7f"></p><h2 type="main">AUF EINEN BLICK</h2><p>Digitalisierungsbezogene Kompetenzen sind keine Zusatzqualifikationen, sondern Grundlagen, auch für Chemiker:innen.</p><p>Angehende Chemielehrkräfte unterschätzen den Anteil der digitalen Techniken, die Chemiker:innen in Forschung und Industrie einsetzen.</p><p>Chemiefachbereichen hilft der Orientierungsrahmen „Digitale Kompetenzen für das Lehramt in den Naturwissenschaften – Dikolan“, einen Überblick über die benötigten Fähigkeiten zu erhalten.</p><ul class="references" xml:id="nadc20224124093-bibl-0001" cited="no" style="numbered"><li xml:id="nadc20224124093-bib-0001"><sup>1 </sup> W. Falter , A. Kerller, J.-P. Nickel et al. Chemie 4.0: Wachstum durch Innovation in einer Welt im Umbruch, München 2017</li><li xml:id="nadc20224124093-bib-0002"><sup>2 </sup> Kultusministerkonferenz, Strategie „Bildung in der digitalen Welt”, Berlin 2016</li><li xml:id="nadc20224124093-bib-0003"><sup>3 </sup> C. Redecker European Framework for the Digital Competence of Educators: DigCompEdu, Luxemburg 2017</li><li xml:id="nadc20224124093-bib-0004"><sup>4 </sup> C. Thyssen, L.-J. Thoms, E. Kremser et al. „Digitale Basiskompetenzen in der Lehrerbildung unter besonderer Berücksichtigung der Naturwissenschaften“, in: M. Beißwenger, B. Bulizek, I. Gryl, F. Schacht (Hrsg.), Digitale Innovationen und Kompetenzen in der Lehramtsausbildung, Duisburg 2020, 77–98</li><li xml:id="nadc20224124093-bib-0005"><sup>5 </sup> S. Becker, T. Bruckermann, A. Finger et al. „Orientierungsrahmen Digitale Kompetenzen Lehramtsstudierender der Naturwissenschaften – DiKoLAN“, in: S. Becker, J. Meßinger-Koppelt, C. Thyssen (Hrsg.), Digitale Basiskompetenzen, Hamburg 2020, 14–43</li><li xml:id="nadc20224124093-bib-0006"><sup>6 </sup> L. von Kotzebue, M. Meier, A. Finger et al., Grid. Educ. Sci. 2021, 11, 775</li><li xml:id="nadc20224124093-bib-0007"><sup>7 </sup> L. Müller, L.-J. Thoms, P. Möhrke et al., CHEMKON 2022, 29, 349</li><li xml:id="nadc20224124093-bib-0008"><sup>8 </sup> A. Henne, P. Möhrke, L.-J. Thoms et al., Educ. Sci. 2022, 12(5), 356</li><li xml:id="nadc20224124093-bib-0009"><sup>9 </sup> M. Meier, L.-J. Thoms, S. Becker et al. „Digitale Transformation von Unterrichtseinheiten – DiKoLAN als Orientierungs- und Strukturierungshilfe am Beispiel Low-Cost-Photometrie mit dem Smartphone“, in: N. Graulich et al. (Hrsg.), Digitalisation in Chemistry Education. Digitales Lehren und Lernen an Hochschule und Schule im Fach Chemie. Münster 2021, 13–27</li><li xml:id="nadc20224124093-bib-0010"><sup>10 </sup> L.-J. Thoms C. Colberg, P. Heiniger et al., Front. Educ. 2022, 7, 802170</li></ul>

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