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Reinhard Kirmse war maßgeblich daran beteiligt, die EPR-Spektroskopie für die anorganische und Koordinationschemie in Deutschland zugänglich zu machen.In der Vorweihnachtszeit ging unser langjähriger Freund und Kollege Reinhard Kirmse im Alter von 76 Jahren für immer von uns. Mit ihm starb nicht nur ein exzellenter Wissenschaftler, sondern auch ein engagierter Hochschullehrer und vor allem ein fürsorglicher Mensch.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/45rygUA7QWeg3hVILwzl">Reinhard Kirmse wurde im thüringischen Altenburg geboren, wo er die Schule besuchte und seine Jugend verbrachte. Zum Chemiestudium ging er nach Leipzig, fertigte dort 1970 seine Diplomarbeit an und wurde schon zwei Jahre später mit einer Arbeit zur EPR-Spektroskopie an CuII- und AgII-Diselenocarbamaten promoviert.Dank Eberhard Hoyer, seinem Doktorvater, fand Reinhard Kirmse an der Leipziger Anorganischen Chemie eine für Grundlagenforschung offene, interdisziplinär angelegte Atmosphäre vor. Fehlende Mittel wurden durch Fantasie und mangelnde apparative Ausstattung durch wissenschaftliche Kooperationen kompensiert.Ein zweijähriger Postdoc-Aufenthalt an der Universität Kasan, dem Entstehungsort der EPR-Spektroskopie, sollte die weiteren Forschungsarbeiten von Reinhard Kirmse prägen. Hier hatte Evgenij Zavojskij die Methode im Jahr 1944 erstmals experimentell realisiert und den Zeeman-Effekt nachgewiesen. Semyon Altschuler, der die Arbeiten in Kasan fortführte, gab seine Erfahrungen an den jungen deutschen Gastwissenschaftler weiter. Gemeinsame Publikationen erschienen auf Englisch, Russisch oder Deutsch.Aufbauend darauf und auf weiteren Untersuchungen in Leipzig verfasste Reinhard Kirmse 31-jährig seine Habilitationsschrift zur Elektron-Spin-Gitterrelaxation von Metallkomplexen, eine Thematik auf der Schnittstelle zwischen Physik und Chemie. Sie basiert auf mehr als 60 Originalarbeiten, zahlreichen Experimenten und tiefgründigen theoretischen und methodischen Untersuchungen. Die frühen Arbeiten Reinhard Kirmses wurden von der Chemischen Gesellschaft der DDR im Jahr 1978 mit dem Friedrich-Wöhler-Preis gewürdigt.Reinhard Kirmse hat die damals noch junge spektroskopische Methode für die anorganische und Koordinationschemie in Deutschland maßgeblich zugänglich gemacht. Sein Leipziger Umfeld bot ihm interessante Systeme für solche Untersuchungen. Es entstanden neue Kooperationen, Projekte und Publikationen zu paramagnetischen Komplexen. Sie reichen von klassischen Dithiolenen über redoxaktive oder katalytisch wirksame Spezies bis hin zu Technetium-Verbindungen.Für die Weiterentwicklung der methodischen Grundlagen und um mit dem schnellen instrumentellen Fortschritt (Doppelresonanz- und Pulsmethoden) und mit modernen Festkörpermethoden Schritt zu halten, suchte und fand er die Zusammenarbeit mit Physikern an der eigenen Universität (Rolf Böttcher), aber auch im süd- und westeuropäischen Ausland. Eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit entwickelte sich mit der Universität Nijmegen (C. P. Keijzers), auch wenn Reinhard Kirmse seine Partner über viele Jahre hinweg nie persönlich besuchen durfte. Diese Probleme löste dann die deutsche Wiedervereinigung.Seit dem Jahr 1983 als Dozent an der Leipziger Universität tätig, wurde Reinhard Kirmse 1992 zum Professor für Anorganische Chemie berufen. Das Weitergeben seines breiten Wissens an Studierende war ihm zeitlebens ein tiefes Anliegen. Ein von ihm schon 1986 zusammen mit Joachim Stach geschriebenes kleines Buch hat an vielen Stellen, obwohl nie als Lehrbuch gedacht, Verwendung in der universitären Lehre gefunden.Reinhard Kirmse verstand es, komplizierte Sachverhalte auf ihren Kern herunterzubrechen. Aus seinen Lehrveranstaltungen nahm man mit, wie es gelingen kann, die Distanz zwischen Lehrenden und Lernenden auf ein Mindestmaß zu reduzieren: zum Beispiel durch gemeinsames Lösen von wissenschaftlichen Problemen, eine frühe „forschungsorientierte Lehre“. Ein besonderes Anliegen war ihm die Ausbildung von Lehramtsstudierenden, die er schon frühzeitig als Multiplikatoren verstand.Reinhard Kirmse ging im Jahr 2012 in Ruhestand. Es hat mit seiner Empathie und menschlichen Wärme zu tun, dass viele seiner Studierenden, Mitarbeiter und Kollegen auch lange über ihre beruflichen Berührungspunkte mit ihm Kontakt hielten. Seine Art Wissenschaft zu leben und mit Menschen zu arbeiten anstatt sie nur als „Mitarbeiter“ zu sehen, wird in Allen weiterleben, die das von ihm lernen durften. Mit uns trauern um ihn zahlreiche Kollegen, Freunde und seine Familie, zwei Söhne und seine Ehefrau Karin.Ulrich Abram, BerlinKlaus Köhler, München

Nachruf

Reinhard Kirmse (1947 – 2023)

Reinhard Kirmse war maßgeblich daran beteiligt, die EPR-Spektroskopie für die anorganische und Koordinationschemie in Deutschland zugänglich zu machen.In der Vorweihnachtszeit ging unser langjähriger Freund und Kollege Reinhard Kirmse im Alter von 76 Jahren für immer von uns. Mit ihm starb nicht...

Jens Volker Kratz war Mitherausgeber des Fachorgans Radiochimica Acta. Er gehörte sieben Jahre dem Vorstand der Fachgruppe Nuklearchemie an, zwei davon als deren Vorsitzender.„Jens Volker Kratz war Radiochemiker, geboren in Jena“ – so würde ein klassischer Nachruf beginnen. Er würde sich fortsetzen mit Deinem Studium der Chemie in Mainz, Deinen beruflichen Stationen, die Dich über Berkeley – in der Gruppe Glenn Seaborgs – und der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt schließlich als Professor zurück an die Universität Mainz geführt haben. Er würde Deine Preise und Ehrungen aufzählen. Und er würde Dir, lieber Jens, deshalb nicht gerecht.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/qZqmTH61Tmi3IWtxfVRq">Du warst immer ein bescheidener Mensch. Während andere mit Titeln kokettierten, kam von Dir oftmals nur ein „Ich bin der Jens“, ein Lächeln und ein freundlicher Händedruck. Mehr hattest Du nicht nötig. Man kannte und schätzte Dich. Egal ob bei Deinem Lieblingsgebiet, der Chemie superschwerer Elemente, der Spektroskopie exotischer Kerne, der Actinidenchemie, der Resonanzionisation oder der Produktion ultrakalter Neutronen am Triga-Reaktor in Mainz. Gewürdigt wurde dies im Jahr 1998 mit dem Otto-Hahn-Preis der Stadt Frankfurt, der Dir zusammen mit Norbert Trautmann und Hans Blix verliehen wurde.Aber eben auch die Menschlichkeit zeichnete Dich aus. Immer ruhig und auf Ausgleich bedacht. Deswegen durftest Du Deiner Amtszeit als Dekan des Fachbereichs Chemie und Pharmazie in Mainz auch gleich eine zweite hinzufügen, um den Neubau zu vollenden.Natürlich braucht man Ruhe und Geduld, wenn man es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Chemie einzelner Atome zu studieren, von denen in einer mehrwöchigen Strahlzeit mit Glück eine Handvoll produzierbar sind. Vielleicht waren aber auch Deine regelmäßigen Kontakte mit Japan der Ursprung dieser Gelassenheit. Im Jahr 1994 warst Du Gast-Professor an der Tokyo Metropolitan University und seit 2011 wissenschaftlicher Berater im Advanced Science Research Center der Japan Atomic Energy Agency in Tokai. Deine Heimat war und blieb aber das Institut für Kernchemie, Fritz-Straßmann-Weg 2 – die historische Stätte, an der schon Fritz Straßmann gewirkt hatte. Es war nicht zuletzt Dein Vorschlag, dass die GDCh die Kernchemie in Mainz in ihre Liste „Historische Stätten der Chemie“ aufnehmen sollte. Dies wurde im Jahr 2002 mit einem Festakt anlässlich des 100. Geburtstag Fritz Straßmanns vollzogen. Seit 1982 warst Du GDCh-Mitglied und leitetest den Ortsverband Mainz-Wiesbaden von 1987 bis 1989. Dem Vorstand der Fachgruppe Nuklearchemie hast Du von 1991 bis 1998 angehört und warst von 1992 bis 1994 deren Vorsitzender.Du betreutest mich als Doktorand in Mainz, unzählige Espressorunden im Seminarraum der Kernchemie mit Deiner Arbeitsgruppe sind mir in Erinnerung. Du warst nie der unnahbare Institutschef, sondern jederzeit ansprechbar – wann immer es Dein voller Terminkalender zuließ. Auch nicht selbstverständlich war, dass Ihr, Du und Deine wundervolle Frau Karin, Deine Arbeitsgruppe regelmäßig zu Euch nach Hause eingeladen habt. Wir betrachteten das als große Ehre!Nach meinem Wechsel ans KIT in Karlsruhe hast Du meine Habilitation „aus der Ferne“ begleitet, im doppelten Sinne. Du warst ein Meister darin, den schmalen Grat zwischen Anleitung und Selbstständigkeit zu treffen. Nach einem Gespräch mit Dir war man immer der Meinung, selbst die richtige Idee gehabt zu haben. Dass Du es warst, der einen sanft zum richtigen Gedanken geführt hatte, konnte einem leicht entgehen.Dein Weg in den Ruhestand war nur zögerlich und verlief schrittweise. Ganz trennen konntest Du Dich von den Strahlzeiten an der GSI lange nicht, kamst von Deinem Segeldomizil in Südfrankreich immer wieder zurück nach Mainz, um an der GSI Nachtschichten zu fahren. Du warst eben mit Herz und Seele Wissenschaftler. Das gibt man nicht mit der Emeritierung an der Garderobe ab. Auch die Neufassung des Lehrbuchs Kratz-Lieser „Nuclear and Radiochemistry – Fundamentals and Applications“ führtest Du mit Deiner bewundernswerten Ausdauer und Geduld zu einem perfekten Ende.Bei Generationen von Studierenden und Dutzenden von Promovierenden hast Du die Begeisterung für Dein Fach geweckt. Ich bin sicher, ich spreche im Namen aller: Du wirst uns fehlen!Clemens Walther

Nachruf

Reinhard Kirmse (1947 – 2023)

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