Industrie + Technik

Ein Forschungsprojekt am Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe der Hochschule Hannover nutzt Spargelschalen für neue Bodenbeläge.<p>Im Forschungsprojekt <link href="#nadc20234135698-fig-0001">Spaplast untersucht das IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe in Hannover, ob und wie sich Spargelschalen einsetzen lassen, um daraus Biokunststoffe herzustellen. Regina Asendorf und Nils Kraushaar von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen haben die Projektidee mitentwickelt. Sie sagen: „Bei der Spargelernte fallen große Mengen bislang ungenutzter Schälreste an.“ Von der zusammen mit dem IfBB entwickelten Idee würden auch die Erzeuger:innen profitieren.</p><figure xml:id="nadc20234135698-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/UJpQmUzRteUl589A4PYA"><figcaption><label>Abb.1: </label>Weißer Spargel wächst aus der Erde. Foto: karepa / Adobe Stock</figcaption></figure></figure><p>Das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz fördert das Projekt aus Mitteln des Maßnahmenpakets „<a href="https://Stadt.Land" target="_blank">Stadt.Land</a>.Zukunft“.</p><h2 type="main">Holzkunststoff-Komposite</h2><p>In Deutschland werden jährlich 20 0000 Tonnen Spargel geerntet. Ein Viertel davon bleibt als Reststoff übrig.</p><p>Vielversprechend ist die chemische Ähnlichkeit von Spargel zu Holz, einem der häufigsten Füllstoffe von Biokunststoffen und anderen Verbundwerkstoffen. Deshalb untersucht das Projekt, ob sich Spargelschalen in Holzkunststoff-Kompositen (wood plastic composites, WPC) einsetzen lassen oder diese sogar ersetzen könnten.</p><p>In Europa werden jährlich 260 000 Tonnen WPC vor allem für Terrassendielen und Bodenbeläge produziert. WPC-Produkte vereinen die natürliche Optik von Holz mit der Langlebigkeit von Kunststoff, was sie pflegeleichter, witterungsfester und weniger empfindlich als reines Holz macht.</p><p>Deutschlands Marktanteil am europäischen Produktionsvolumen für WPC-Produkte liegt mit zirka 20 Herstellern bei 45 Prozent.<sup>1,2)</sup> Das IfBB-Vorhaben bietet eine Chance, den hiesigen Standort zu stärken. Die wirtschaftlichen Perspektiven gelten dabei für die kunststoffverarbeitende Industrie gleichermaßen wie für Landwirt:innen, denen der Verkauf von Spargelschälresten womöglich neue Absatzwege bringt.</p><h2 type="main">Ökologische Ziele</h2><p>Die hauptsächlichen Anreize, das Projekt Spaplast zu entwickeln, sind ökologische Gründe. Zwar kann auch das Holz im WPC den ökologischen Fußabdruck des Produkts verringern, indem es den Anteil oder Bedarf an in der Regel fossilbasierten Kunststoffen senkt. Kunststoffe auf Spargelbasis könnten aber einen Schritt weiter gehen, da für sie keine intensive Forstwirtschaft erforderlich ist und sie die Nachfrage nach Holz nicht hochtreiben. Zudem braucht Kunststoff aus Spargelresten keine zusätzlichen Anbauflächen, da der Werkstoff aus Sekundärrohstoffen besteht, die ohnehin anfallen.</p><p>Auf dem Feld entsorgte Spargelschalen können zu einer Überdüngung führen, da deren Nährstoffgehalt für Landwirt:innen schwer zu bestimmen ist. Deshalb berücksichtigen sie diese Nährstoffmengen nicht, wenn sie den Düngerbedarf für die nächste Anbausaison ermitteln. Ob die alternative Verwendung der Schalen die Böden und das Grundwasser tatsächlich von Eutrophierung verschont, wird eine Nachhaltigkeitsabschätzung zeigen.</p><h2 type="main">Verfahrenstechnik</h2><p>Kernstück des Projekts ist die Entwicklung einer Produktionsanlage. Kunststoffe wie biobasiertes Polypropylen, Polyethylen oder Polylactid lassen sich als Matrix zur Ummantelung des Spargels relativ leicht verarbeiten; im Verarbeitungsprozess sind Naturfasern eher schwierig.</p><p>Die Schalen müssen binnen eines Tages nach der Ernte energieeffizient getrocknet werden, weil sonst alle Vorteile der Nachhaltigkeit egalisiert wären. Spargelschale besteht zu rund 90 Prozent aus Wasser und neigt dazu zu schimmeln. Erst nach einer Trocknung auf unter 10 Prozent Feuchte sind die Spargelreste transport- und lagerfähig und lassen sich auch außerhalb der zweimonatigen Saison verarbeiten. Anschließend werden die <link href="#nadc20234135698-fig-0002">Schalen gemahlen; je nach Mahlgrad sprechen Verfahrenstechniker:innen dann von Partikeln oder Fasern.</p><figure xml:id="nadc20234135698-fig-0002"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/7azrjJKGSXycgQLficW1"><figcaption><label>Abb.2: </label>Spargelschalen nach dem Trocknen und Vermahlen. Fotos: IfBB</figcaption></figure></figure><p>Fasern können das Material zwar verstärken, aber schwierig einzuarbeiten sein. Rieselfähige Partikel dienen eher dem kostensenkenden Füllen. In Anlehnung an das WPC-Vorbild werden zunächst zirka einen Millimeter große Partikel bei möglichst hohen Füllgraden verarbeitet, ehe im späteren Projektverlauf oder in Folgeprojekten Fasern getestet werden.</p><h2 type="main">Verarbeitungsprozess</h2><p>Die getrockneten und gemahlenen Spargelschalen werden im <link href="#nadc20234135698-fig-0003">Extruder mit dem Kunststoff zu einem Compound vermischt. Dazu wird das Kunststoffgranulat mit Wärme- und Scherenergie geschmolzen, ehe das Spargelmehl zum Schutz vor mechanischem und thermischem Stress über einen Seitendosierer in den plastifizierten Kunststoff gelangt.</p><figure xml:id="nadc20234135698-fig-0003"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/hiI4zPxtRiiSqgYANjvJ"><figcaption><label>Abb.3: </label>Extruder zur Compoundierung von Verbundwerkstoffen.</figcaption></figure></figure><p>Aufgrund der axial offenen Bauweise des Extruders ist es begrenzt möglich, Restfeuchte prozessbegleitend abzuführen. Zwar könnten mit einem formgebenden Werkzeug bereits Profile wie Terrassendielen extrudiert werden, aber der Kunststoff-Spargel-Compound wird zu Forschungszwecken granuliert und anschließend im Spritzgussverfahren zu genormten Prüfkörpern verspritzt. Damit lässt sich prüfen, ob das Material dem holzbasierten Pendant in nichts nachsteht und etwa Biegebeanspruchungen genauso gut standhält.</p><p>Mit Schälresten aus der Saison 2023, die von Spargelhöfen gesammelt und in Kooperation mit der Holzmühle Westerkamp aufbereitet werden, kann das IfBB die Materialentwicklung intensivieren. Gemäß einer immer weiter optimierten Kreislaufwirtschaft sind Spargelkisten aus Spargel oder die enzymatische und energetische Nutzung des Spargelwassers denkbar.</p><p>Maximilian Bergholz bearbeitet das Forschungsprojekt Spaplast als wissenschaftlicher Mitarbeiter am IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe in Hannover. Zusätzlich ist der Master of Engineering in den Bereichen Spritzgießen, Mikroskopie und Markt &amp; Nachhaltigkeit tätig sowie für ein Forschungsprojekt zur Simulation von Spritzgießprozessen.  <a href="https://www.ifbb-hannover.de" target="_blank">www.ifbb-hannover.de</a></p><p>Gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.</p><ul class="references" cited="no" xml:id="nadc20234135698-bibl-0001" style="numbered"><li xml:id="nadc20234135698-bib-0001"><sup>1 </sup> D. Friedrich, Daniel: Angewandte Bauphysik und Werkstoffkunde naturfaserverstärkter Kunststoffe. Eine Anleitung für Studium und Praxis. Springer Fachmedien Wiesbaden 2021, S. 18</li><li xml:id="nadc20234135698-bib-0002"><sup>2 </sup> <a href="https://wpc-portal.de/wpc-hersteller.php" target="_blank">wpc-portal.de/wpc-hersteller.php</a></li></ul>

Biowerkstoffe

Spargel auf dem Fußboden

Ein Forschungsprojekt am Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe der Hochschule Hannover nutzt Spargelschalen für neue Bodenbeläge.Im Forschungsprojekt Spaplast untersucht das IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe in Hannover, ob und wie sich Spargelschalen eins...

Prof.Dr.

Japan setzt auf Mikroorganismen, Pflanzen und bessere Produktionsverfahren. Zudem soll eine Infrastruktur Unternehmen, Wissenschaft und staatliche Stellen verbinden, um mehr Biotechverfahren zu entwickeln.<p>Japan hat ein starkes verarbeitendes Gewerbe und behauptet sich damit als Produktionsstandort in einer Weltwirtschaft, die zunehmend vom Dienstleistungssektor bestimmt wird. Zu den Merkmalen der japanischen Industrie gehören:</p><p><list><listitem>das Streben nach Perfektion (japanisch: kaiseki),</listitem><listitem>die Offenheit für Innovationen, verbunden mit der Bereitschaft, neue Märkte zu erschließen, und</listitem><listitem>die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Konkurrenten in der Entwicklung von Techniken.</listitem></list></p><p>Die japanische Fermentationsindustrie ist gewachsen aus der Massenproduktion von Sake, Bier, Sojasauce, Glutamat, Enzymen und anderen Bioprodukten. Davon ausgehend sind neue Biotechnikmethoden in die japanische Industrie eingezogen (<link href="#nadc20234134081-tbl-0001">Tabelle unten). Das Industrie- und Handelsministerium Meti fördert dieses Geschehen über sein Projekthaus Nedo durch Partnerschaften zwischen öffentlich finanzierter Wissenschaft und privater Industrie (research associations).</p><tabular xml:id="nadc20234134081-tbl-0001"><label>1</label><h2group><h2 type="tabularName">Tab.</h2><h2 type="main">Öffentlich-private Partnerschaften in der Biotechnik.</h2><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/pacrTpFkQ5OqCYOOskPU"></h2group></tabular><p>Seit Jahrzehnten haben sich hunderte von Unternehmen, Start-ups und Hochschulen zu Forschungsverbünden zusammengeschlossen. Das hat neue Techniken verbreitet und zu einem Netzwerk persönlicher Beziehungen geführt.</p><p>Nikkei Biotech, ein spezialisierter Dienst des Nikkei-Verlags, schätzt den japanischen Markt für Biotechprodukte im Jahr 2022 auf etwa 6,654 Trillionen Yen, ungefähr 46,4 Mrd. Euro.<sup>1)</sup> Fast 40 Prozent davon entstammen biopharmazeutischen Produkten, 30 Prozent Geräten und Dienstleistungen und nur 10 Prozent Produkten der chemischen Industrie wie Aminosäuren oder Waschmittelenzymen. Das will die japanische Regierung mit seiner im Jahr 2019 aufgelegten Strategie zum Aufbau „der fortschrittlichsten Bioökonomie der Welt“ ändern und damit die japanische Wirtschaft unabhängiger von fossilen Rohstoffen machen.<sup>2)</sup> Vor allem mittelständische Unternehmen nutzen Biotechverfahren noch wenig.</p><h2 type="main">Das Smart-cell-industry-Projekt</h2><p>Japans Bioökonomie-Strategiepapier enthält als Kernelement die „biodigitale Integration“: Durch Kombination genetischer Methoden mit Bioinformatik sollen Mikroorganismen, Pflanzen und Enzyme so schnell wie möglich zu leistungsfähigen Biokatalysatoren entwickelt werden; damit soll die Industrie ihren Grundstoffbedarf auf biobasierte Ausgangsstoffe umstellen.</p><p>Das Projekthaus Nedo hat dazu für den Zeitraum von 2020 bis 2026 einen Plan erstellt, für den etwa 15 Mrd. Yen an überwiegend staatlichen Zuschüssen zur Verfügung stehen (etwa 105 Mio. Euro); diese Förderung soll Bioökonomieprodukte im Wert von etwa 50 Mrd. Euro liefern, deren Produktion dann jährlich 3,67 Mio. Tonnen CO<sub>2</sub> einspart.<sup>3)</sup></p><p>Das Projekt ist in standardisierte Prozessmodelle gegliedert, die Ökobilanzierungen enthalten (life cycle assessment, LCA). Es besteht aus fünf Clustern, die Unternehmen und ihren akademischen Partnern für Projektarbeiten und Trainings zur Verfügung stehen (open innovation, <link href="#nadc20234134081-tbl-0002">Tabelle, S. 41 oben).</p><tabular xml:id="nadc20234134081-tbl-0002"><label>2</label><h2group><h2 type="tabularName">Tab.</h2><h2 type="main">Fünf Cluster und ein Fortbildungsmodul zeigen Biotechnikmethodern für die Industrie.</h2><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/oFwjIGhlTyOzI5qgRWEr"></h2group></tabular><p>Die Japan Bioindustry Association hat eine Übersicht des Projekts in englischer Sprache veröffentlicht.<sup>4)</sup> Bebilderte Übersichten in japanischer Sprache skizzieren dessen Kernelemente.<sup>5,6)</sup></p><h2 type="main">Eine Bioschmiede</h2><p>In der „Kansai Biofoundry“ in Kobe entstehen optimierte Genome von Mikroorganismen oder Gene, die für ein bestimmtes Enzym kodieren. Dazu gehören vier Schritte (Kasten): Design auf Grundlagen der Bioinformatik, Synthese der so entworfenen Gensequenzen im Hochdurchsatz, Erfolgskontrolle in biologischen Tests und zyklisches Verbessern des Genoms oder Gens.</p><p>Eine solche Bioschmiede steht an der Universität Kobe mit eigener Technik zur Synthese langkettiger DNA. Die Werkbank produziert rekombinante Mikroorganismen und misst deren Stoffwechselprodukte. Der Leiter, Akihiko Kondo, führt in Personalunion ein zweites Forschungslabor für Zellfabriken an Japans Großforschungseinrichtung Riken. Unternehmen können beide Einrichtungen als Pilotlabor nutzen (<link href="#nadc20234134081-tbl-0003">Tabelle rechts oben).</p><tabular xml:id="nadc20234134081-tbl-0003"><label>3</label><h2group><h2 type="tabularName">Tab.</h2><h2 type="main">Themen der Werkbank Kansai BioFoundry in Kobe.</h2><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/XXzqwO4kTJq8W6d0KwkP"></h2group></tabular><h2 type="main">Datengesteuerte Methoden</h2><p>Zur Entwicklung von Zellfabriken gehört, Proteinfunktionen vorherzusagen, Stoffwechselmodelle zu verbessern, kinetische Parameter zu schätzen, nicht natürliche Biosynthesewege zu entwickeln und den Stoffwechsel zu optimieren (metabolic engineering).</p><p>Um hierfür eine japanweite Wissensgrundlage und ein Managementsystem zu schaffen, haben sich zwei Konsortien gebildet. Eines steht unter Leitung von Jun Ogawa an der Universität Kyoto und umfasst 27 Universitäten und 32 Unternehmen. Das andere konzentriert sich unter Akihiko Kondo mit fünf Universitäten und sechs Unternehmen auf Bioinformatik. Es sucht nach Enzymsequenzen, die in der Natur nicht vorkommen, aber eine bestimmte Selektivität aufweisen. Diese lassen sich dann am Chassis natürlicher Enzyme synthetisch herstellen.</p><h2 type="main">Das Handwerk beherrschen</h2><p>Hochleistungsstämme sind eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für eine wirtschaftliche Bioproduktion. Zudem muss der Herstellprozess im Bioreaktor nach den Regeln der Handwerkskunst (japanisch: monozukuri) optimiert werden. Das Meti fördert deshalb am Osaka Institute of Technology<sup>7)</sup> und nördlich von Tokio in der Kanto Biofoundry Base die „Entwicklung von Produktionstechnologien für biobasierte Produkte zur Beschleunigung des Kohlenstoffrecyclings“.</p><p>Projektleiter in der Region Kanto ist das Green Earth Institute. Dieses betreibt in der Präfektur Chiba bei Tokio Demonstratoren für mikrobielle Bioproduktionsprozesse. Das Biotechunternehmen Kyowa Hakko Bio unterstützt es dabei. Prozesse zur Medienoptimierung (upstream) und Aufarbeitung (downstream) sollen ebenso optimiert werden wie die Produktbildung durch schlaue Zellen im Bioreaktor. Bis zum Jahr 2026 will man so mindestens 16 Bioprozesse für die Kommerzialisierung aufrüsten. Zurzeit bearbeitete Prozesse zeigt die <link href="#nadc20234134081-tbl-0004">Tabelle unten.</p><tabular xml:id="nadc20234134081-tbl-0004"><label>4</label><h2group><h2 type="tabularName">Tab.</h2><h2 type="main">Demonstrationsprojekte für mikrobielle Bioproduktionsprozesse.</h2><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/tgEvbeAaQr2hwU1Fj122"></h2group></tabular><p>In einer künftigen Bioökonomie werden Wertstoffe auch mit gentechnisch veränderten Pflanzen hergestellt werden, etwa für die Synthese therapeutischer Antikörper, für humane und Tierimpfstoffe, für Arzneimittelvorstufen, Kosmetika und Lebensmittelsatzstoffe. Diesen Projektteil leitet Norihiko Fukuzawa am Bioproduction Research Institute der staatlichen Forschungsorganisation Advanced Industrial Science and Technology (AIST) in Sapporo, Präfektur Hokkaido.</p><p>Ziel ist der Bau einer Pilotanlage, in der bis zu 100 Kilogramm Pflanzenmaterial pro Tag aufgearbeitet werden können. Als schlaue Zelle dient hier die aus Australien stammende Tabakpflanze <i>Nicotiniana benthamiana</i>. Die schnelle Optimierung der Produktbildung wird durch transiente Expression eines rekombinanten Herpesvirus-Vektors (Zytomegalievirus, CMV) induziert. Bisher sind zwei Unternehmen und zwei Universitäten an diesem Teilprojekt beteiligt.</p><h2 type="main">Bioökonomie entwickeln</h2><p>Zu den Schwierigkeiten beim Aufbau einer Bioökonomie gehört, dass kleineren Unternehmen meist das Umfeld für Forschung und Entwicklung sowie das Fachpersonal für eine Bioproduktion fehlen. Mit einem Sonderprogramm fördert Nedo deshalb seit Ende 2022 die Ausbildung von Bioingenieuren bei zunächst 61 Teilnehmern. Die Bioschmieden sollen zudem später Trainees aufnehmen.</p><p>Japan hat für den Aufbau einer Bioökonomie einen Forschungsverbund geschaffen, der größere und kleinere Unternehmen, Universitäten und Großforschungseinrichtungen einbindet. Methoden und Daten stehen allen Teilnehmern offen. Die Biokatalysatorenherstellung liegt in je einem Zentrum für Mikroorganismen und für transgene Pflanzenzellen; die Bioprozessentwicklung läuft in zwei Einrichtungen in den Ballungszentren von West- und Ostjapan.</p><p>Vom Jahr 2020 bis Ende 2022 haben die Projektpartner 27 japanische Patente, 8 ausländische und 10 Patente nach dem internationalen Patentzusammenarbeitsvertrag (Patent Cooperation Treaty, PCT) veröffentlicht sowie 48 wissenschaftliche Publikationen und 159 Tagungsberichte. Diese Zahlen werden in den nächsten Jahren zunehmen – über die 16 Projekte bis zum Jahr 2026 hinaus. Denn das Projekt soll Wirtschaft und Gesellschaft helfen, die Ziele des Pariser Protokolls zu erreichen.</p><p>Nun hat Nedo diesem Projekt einen weiteren Baustein hinzugefügt: Es geht um „schlaue Mikroorganismen und Algen“, die CO<sub>2</sub>-Emissionen aus Kraftwerken in Wertstoffe umwandeln. Dazu werden sie in der Bioschmiede präpariert. Zu den Projektteilnehmern gehören Kaneka mit Pharmazwischenprodukten, das Spezialchemieunternehmen Daicel und der Kunststoffhersteller Sekisui. Für die Projektarbeiten bis zum Jahr 2030 stellt Nedo etwa 1,8 Mrd. Yen zur Verfügung (zirka 12,6 Mio. Euro).</p><p>Rolf Schmid ist Geschäftsführer von Bio4Business in Stuttgart und Spezialist für Entwicklungen der Biotechnologie in Japan und China. <a href="https://www.bio4business.eu" target="_blank">www.bio4business.eu</a></p><p>Zu vielen der genannten Projekte gibt es Pressemitteilungen in japanischer Sprache, die beim Autor abgerufen werden können.</p><h2 type="main">INFO: Schlaue Zellen</h2><p>Unter schlauen Zellen (smart cells) verstehen japanische Biowissenschaftler Mikroorganismen oder Pflanzen, deren Genome mit synthetischer Biologie so verändert wurden, dass sie nur einen einzigen Wertstoff in hohen Ausbeuten bilden. Dazu wird ihre genetische Ausstattung in vielen schnellen Zyklen nach dem Trial-and-error-Verfahren (<link href="#nadc20234134081-fig-0001">Grafik, Test) verändert und dabei die Ausbeuten des Wunschprodukts gesteigert. Experimentell setzt man synthetisch hergestellte DNA ein, deren Codierung häufig auch genetische Information aus anderen Organismen enthält, denn der genetische Code ist universell (Grafik, Build). Ohne umfangreiche Datenbanken über die Genomsequenzen und den Stoffwechsel vieler Mikroorganismen und Pflanzen wäre das nicht möglich. Diese großen Datenmengen (big data) werden mit Bioinformatik analysiert und bilden die Konstruktionsvorlage für die Bioschmiede (Grafik, Design und Learn).</p><figure xml:id="nadc20234134081-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/yafqOJQY2iE7BBObRfWQ"><figcaption><label>Abb.1: </label>Optimierte Genome oder Gene, die für ein bestimmtes Enzym kodieren, entstehen in vier Schritten: designen, bauen, testen, verbessern. Grafik: Uni Kobe, <url href="http://t1p.de/rp3ta"><a href="https://t1p.de/rp3ta" target="_blank">t1p.de/rp3ta</a></url></figcaption></figure></figure><ul class="references" cited="no" xml:id="nadc20234134081-bibl-0001" style="numbered"><li xml:id="nadc20234134081-bib-0001"><sup>1 </sup> <a href="https://bio.nikkeibp.co.jp/atcl/report/16/082400016/121500265/" target="_blank">bio.nikkeibp.co.jp/atcl/report/16/082400016/121500265/</a></li><li xml:id="nadc20234134081-bib-0002"><sup>2 </sup> R. Schmid, Nachr. Chem. 2019, 67(9), 36</li><li xml:id="nadc20234134081-bib-0003"><sup>3 </sup> <a href="https://nedo.go.jp/activities/ZZJP_100170.html" target="_blank">nedo.go.jp/activities/ZZJP_100170.html</a></li><li xml:id="nadc20234134081-bib-0004"><sup>4 </sup> <a href="https://jba.or.jp/nedo_smartcell/en/proof/" target="_blank">jba.or.jp/nedo_smartcell/en/proof/</a></li><li xml:id="nadc20234134081-bib-0005"><sup>5 </sup> <a href="https://nedo.go.jp/content/100948488.pdf" target="_blank">nedo.go.jp/content/100948488.pdf</a></li><li xml:id="nadc20234134081-bib-0006"><sup>6 </sup> <a href="https://nedo.go.jp/content/100951572.pdf" target="_blank">nedo.go.jp/content/100951572.pdf</a></li><li xml:id="nadc20234134081-bib-0007"><sup>7 </sup> <a href="https://oit.ac.jp/english/index.html" target="_blank">oit.ac.jp/english/index.html</a></li><li xml:id="nadc20234134081-bib-0008"><sup>8 </sup> <a href="https://gei.co.jp/en/" target="_blank">gei.co.jp/en/</a></li></ul>

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