Industrie + Technik

Politik und Gesellschaft fordern transparente Lieferketten, um die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu erreichen. Unternehmen müssen daher Klimaschutz mit messbaren Taten umsetzen.Die Chemieindustrie liefert die <link href="#nadc20244142019-fig-0001">Rohstoffe, auf denen zahlreiche Industriezweige aufbauen. So ist sie unersetzlich im industriellen Ökosystem und trägt eine große Verantwortung. Die Lebenszyklusanalyse (LCA, auch Ökobilanz genannt) ermöglicht es Chemieunternehmen, in ihre Prozesse und auf den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte zu blicken. Es geht dabei darum, Ressourcen, Emissionen und Umweltauswirkungen in ihrer Gänze zu betrachten. Zudem zeigt sich damit, dass Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit Hand in Hand gehen können. Mit der LCA stärken Unternehmen ihre Position im Markt, minimieren Risiken und entdecken Einsparpotenziale.<figure xml:id="nadc20244142019-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/rB1hot0TL6CAMCyBzoEw"><figcaption><label>Abb.1: </label>Eine Ökobilanz oder Lebenszyklusanalyse nach DIN EN ISO 14040 beziehungsweise 14044 berücksichtigt alle Produktphasen – von den Ressourcen, über Herstellung und Vertrieb bis zur Nutzung und Entsorgung. Grafik: Kuraray</figcaption></figure></figure><h2 type="main">Systematisch analysieren</h2>Eine Ökobilanz bewertet systematisch, wie Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen entlang ihres Lebenszyklus‘ die Umwelt belasten – von der Produktion bis zur Entsorgung. Sie erfasst nicht nur direkte Emissionen und Ressourcenverbräuche in der Produktions- oder Nutzungsphase, sondern auch jene in den vorgelagerten und nachgelagerten Prozessen, etwa bei der Rohstoffbeschaffung. Als standardisiertes Verfahren (DIN EN ISO 14040/44) dient die Ökobilanz vielen Zwecken: von der Produktentwicklung über die strategische Planung bis hin zum Marketing.Der CO2-Fußabdruck ist zentral im Rahmen der LCA, da er einen spezifischen Aspekt der Umweltauswirkungen eines Produkts, Prozesses oder einer Leistung quantifiziert: die Gesamtmenge an Treibhausgasen, vorrangig Kohlenstoffdioxid. So entsteht ein umfassender Überblick darüber, was eine bestimmte Aktivität zum globalen Klimawandel beiträgt.<h2 type="main">Emissionen quantifizieren</h2>CO2-Fußabdrücke im LCA-Kontext zu bewerten wird wichtiger. Dabei stehen die Kategorien von Treibhausgasemissionen in Scope 1 bis Scope 3 im Vordergrund.<list><listitem>Scope 1 untersucht direkte Emissionen, die aus unternehmenseigenen Quellen stammen, beispielsweise aus Verbrennungsprozessen.</listitem><listitem>Scope 2 umfasst Emissionen, die sich aus dem Verbrauch ergeben von Elektrizität, Dampf, Wärme und Kühlung, die Unternehmen extern bezogen haben. Obwohl sie außerhalb des Unternehmens entstehen, sind sie dem industriellen Betrieb des Unternehmens zuzuschreiben.</listitem><listitem>Scope 3 enthält alle weiteren indirekten Emissionen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette anfallen, jedoch nicht in der Hand des Unternehmens liegen.</listitem></list>Diese Kategorisierungen wurden von Verbänden, die aus Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen bestehen, als Greenhouse Gas (GHG) Protocol definiert. Dieses ermöglicht Unternehmen und Organisationen, ihre Emissionen systematisch zu erfassen und zu steuern. Die integrierte Betrachtung der drei Scopes in LCAs liefert Unternehmen eine umfassende Einsicht in ihre gesamten Umweltauswirkungen.<h2 type="main">Strategische CO2-Optimierung</h2>Präzises Aufschlüsseln von Emissionen in die Scopes 1 bis 3 erlaubt es Unternehmen zu erkennen, welche Geschäftsbereiche ihren CO2-Fußabdruck am stärksten beeinflussen. Mit diesem Wissen identifizieren sie Optimierungsbereiche und planen strategische Maßnahmen, um die Emissionen zu mindern.So erfahren Chemieunternehmen durch die Analyse von Scope 1 und 2, wie abhängig sie von externen Energiequellen sind. Dies funktioniert vor allem gut, wenn die Energie komplett zugekauft wird und Lieferanten entsprechende Daten bereitstellen.Die Betrachtung von Scope 3 erlaubt zudem, den Ressourcenverbrauch für einzelne Produktionsprozesse detailliert zu bewerten. Dies umfasst nicht nur den Einsatz und Transport von Rohstoffen, sondern auch den Verbrauch von Energie, Wasser und anderen Hilfsmitteln, etwa zur Produktion des erforderlichen Stickstoffs.Zudem zeigt sich, welche Abfallarten und -mengen entstehen, welche Entsorgungswege genutzt werden und welche Rolle die Abwasseraufbereitung spielt. Dabei ist wichtig, den Gehalt bestimmter Substanzen im Abwasser zu bestimmen und zu bewerten.Diese differenzierte Betrachtung der Scopes befähigt Unternehmen, fundierte, umweltbewusste Entscheidungen zu treffen, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch vorteilhaft sind.Ein Beispiel: Die Abwasseraufbereitung kann je nach Produkt und Verarbeitungsverfahren den CO2-Fußabdruck eines Unternehmens deutlich beeinflussen. Insbesondere mit Wasser als Lösungsmittel resultieren hohe tägliche Abwassermengen mit diversen Inhaltsstoffen.Während der Transport in der chemischen Industrie für den CO2-Ausstoß oft zweitrangig ist, weisen präzise Messwerte entlang des Produktionsprozesses darauf hin, was die größten CO2-Emissionsquellen sind und wie diese sich reduzieren lassen.<h2 type="main">Rohstoffe und Energie</h2>Um ambitionierte Ziele wie die angestrebte Netto-Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 zu erreichen, sollten Chemieunternehmen Rohstoffe und Energien effizient verwenden und nachhaltig gestalten. Recycelte Rohstoffe zu integrieren oder vermehrt biobasierte Materialien einzusetzen, ist ein Schritt in die richtige Richtung.Mechanisches Recycling, bei dem saubere Materialien zerkleinert werden und erneut in den Produktionsprozess gelangen, sowie chemisches Recycling, das Materialien in ihre ursprünglichen Bestandteile zerlegt, sind zwei gängige Ansätze. Dazu kommen spezielle Verfahren, wie die Pyrolyse, die Kunststoffe zu Öl umwandelt, oder die Plasmagasifizierung, die Materialien durch einen Plasmalichtstrom zerlegt.Auf der Energieseite sollte der Fokus verstärkt auf Strom aus erneuerbaren Quellen liegen. Anstatt Emissionen nur durch den Kauf von Zertifikaten auszugleichen, steht im Vordergrund, erneuerbare Energien direkt zu beziehen. Den derzeit überwiegend aus Erdgas gewonnenen Dampf für viele Produktionsprozesse ersetzen alternative Quellen, darunter elektrische Dampferzeugung oder Rohstoffe wie Biogas.Alternativ lässt sich synthetisches Methan verwenden, hergestellt aus CO2 und Wasserstoff. Zudem gewinnen Techniken zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (Carbon Capture) an Bedeutung, da sie CO2 direkt aus Industrieprozessen oder der Atmosphäre entnehmen und es entweder speichern oder verwerten.<h2 type="main">Gemeinsam mehr bewirken</h2>Nachhaltige Materialien und Prozesse zu nutzen kann mit höheren Kosten verbunden sein. Da sich jedoch bei den Verbrauchern ein wachsendes Umweltbewusstsein entwickelt, gilt es, diesem zu entsprechen, um Kunden zu gewinnen und zu halten. Dabei bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung: Nicht nur Unternehmen, sondern auch ihre Lieferanten, Dienstleister und selbst die Kunden müssen zusammen den ökologischen Fußabdruck reduzieren.Viele Unternehmen erkennen den Wert von Netzwerken und Kooperationen und schließen sich daher Forschungseinrichtungen, Innovationspartnerschaften und Branchenverbänden an. Das bringt Synergien und führt zu gemeinsam entwickelten Lösungen. Das Process4Sustainability-Cluster ist ein Beispiel für solche Kooperationen. Es will zur CO2-Neutralität Deutschlands bis zum Jahr 2045 beitragen. Daher fokussiert sich dieses Netzwerk auf energieeffiziente und ressourcenschonende Ansätze. Ein weiteres Vorhaben ist die Renewable Carbon Initiative, die daran arbeitet, erdölabhängige Prozesse durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen.Die Botschaft ist klar: Nur zusammen lassen sich die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen und eine nachhaltigere Zukunft gestalten.<h2 type="main">Der Autor</h2>Jörg Schappel leitet seit Februar 2020 den Bereich Safety, Health &amp; Sustainability bei Kuraray Europe in Frankfurt. Dazu gehören zudem Produktsicherheit und Reach. Seit dem Jahr 2006 arbeitet er bei der Tochtergesellschaft des japanischen Spezialchemieunternehmens. Er studierte Chemie und promovierte in makromolekularer Chemie an der Universität Jena. <a href="https://www.kuraray-poval.com" target="_blank">www.kuraray-poval.com</a><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/kfhbjYiySM2px2lcUoAk">

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Medizin aus dem Boden | Das japanische Start-up Silk Strand Pharma will schneller neue Antibiotika finden. Es screent dazu antimikrobielle Wirkstoffe aus Bodenproben. Ob diese heilsam oder giftig sind, zeigen Seidenraupen, die mit Methicillin-resistenten Staphylococcen infiziert sind. Aus über 14 000 Bodenproben ergab sich ein neuer Wirkstoff-Kandidat: Lysocin E.Mit CO2 bauen | Das Unternehmen Fudo Tetra produziert Wellenbrecher, deren Oberflächen für Meeresorganismen verträglicher als andere sind. Grund ist der weniger alkalische Beton; er besteht aus CaO, aus CO2 aus Kraftwerken und aus Dicalciumsilikat (Kristallmodifikation: γ-C2S). Auch Dünger mit geringerer CO2-Bilanz als herkömmliche ließen sich mit diesem Verfahren aus vermahlenem Betonschutt herstellen.Mit Öl fliegen | Die chinesische Luftfahrtbehörde hat einen Treibstoff des petrochemischen Unternehmens Junheng zugelassen. Er besteht aus pyrolysierten Haushaltsabfallölen und konventionellen Kraftstoffen. Sein CO2-Fußabdruck ist 80 Prozent geringer als der herkömmlichen Kerosins.Ganz tief kühlen | Forschende an der Peking Aeronautical University haben beim Dreiecksgitter-Antiferromagneten Na2BaCo(PO4)2 bei Temperaturen unter 100 mK suprasolide Eigenschaften nachgewiesen, als gleichzeitig feste und flüssige. Das Material soll statt Helium als kryogenes Kühlmittel für Quantencomputer und Systeme im Weltraum funktionieren, die Betriebstemperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt erfordern.Nature, doi: 10.1038/s41586–023–06885-wRolf Schmid, <a href="https://www.bio4business.eu" target="_blank">www.bio4business.eu</a>

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